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Full text: Jugenderinnerungen und Bekenntnisse / Heyse, Paul (Public Domain)

272 V. König Mar und das alte München. 
Bühne erschienen, und es wurde als ein Ereigniß betrachtet, daß 
die Intendanz im März 1861 Frau Lila Bulyowsky ein Gast—⸗ 
spiel gewährte. Da sie in manchen Rollen auftrat, für die wir 
nur eine fragwürdige Vertreterin hatten, und der Reiz der Neu⸗ 
heit mitwirkte, war es natürlich, daß sie sehr bewundert wurde 
und sogar ein leiser slavischer Anklang in ihrer Sprache sich den 
Ohren einschmeichelte. Ich fand bei meiner Rückkehr aus Wien 
sogar die nächsten Freunde unter ihrem Zauber, alte Professoren 
huldigten der klugen Menschenfischerin mit jugendlichem Feuer, 
und Geibel besang sie in zärtlichen Versen. Daß ich unter 
diesen Berauschten der einzig Nüchterne blieb, verdankte ich 
meinen frischen Eindrücken vom Burgtheater. Ich hatte wieder 
einmal echte große Schauspielkunst erlebt und war durch kleine 
Künste nicht zu verführen. 
Meine „Grafen von der Esche“ legte ich zurück, ohne sie 
weiter zu versenden, obwohl einige Bühnen danach verlangten. 
Ich that vielleicht nicht klug daran. Trotz seiner Mängel, über 
die ich mir klar geworden war, hätte nach dem Vorgang Wien's 
das Stück dank seinem packenden volksthümlichen Stoff doch 
wohl seinen Weg gemacht, auch wenn sich, was mich vor Allem 
zurückhielt, für die Rolle der Mutter nirgend eine Darstellerin 
fand, die nur von fern an die Reitich heranreichte. 
Ich habe aber von jeher vorgezogen, ein Stück lieber gar 
nicht als unzulänglich aufführen zu sehen, für einen Dramatiker, 
der die Bühne erobern will, ein bedenklicher Fehler. Da es ihm 
unter zwanzig oder dreißig deutschen Theatern kaum einmal so 
gut wird, eine Besetzung zu finden, die ihm ganz genügte, muß 
er sich bescheiden, Eins ins Andere zu rechnen. Ich habe das 
nie über mich gewonnen; und diese Empfindlichkeit gegen eine 
mangelhafte Verkörperung der Gestalten, die ich in mir getragen, 
hat mit den Jahren mehr und mehr zugenommen, so daß ich 
inmer häufiger selbst großen Theatern die Erlaubniß zur Auf— 
führung eines Stückes verweigerte, für die sie nicht die geeigneten 
Darsteller hatten. Ich wußte wohl, daß jedes Publikum an seine 
Schauspieler glaubt und an ihre Schwächen gewöhnt ist. Es
	        
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