Path:
Jugenderinnerungen IV. Ein Jahr in Italien

Full text: Jugenderinnerungen und Bekenntnisse / Heyse, Paul (Public Domain)

146 
IV. Ein Jahr in Italien. 
Aufgabe betraut, die Rolle nach jenem Fenster des zweiten Stocks 
hinaufzuschleudern. Zweimal fiel sie, da man sie nicht geschickt 
auffing, zurück auf die schmutzige Straße und mußte erst am nächsten 
Brunnen wieder gereinigt werden. Beink drittenmale erreichte sie 
ihr Ziel. Es war aber verlorene Liebesmüh'. Von einem be— 
sonders liebenswürdigen Dank oder gar einer Erwiderung war 
keine Rede. 
So ging der Winter zu Ende, einer jener gelinden römischen 
Winter, in denen man schon im Januar Veilchen in der Cam⸗ 
pagna pflückt, aber während der langen schwülen Sciroccowochen 
manchmal ein starkes Heimweh nach nordischem Schnee und klin— 
gendem Frost verspürt. 
Zumal wenn in den trüben und feuchten Häusern die eisernen 
Oefen versagen, wie es auch der meine zu thun pflegte, den ich 
in meiner kahlen Erdgeschoß-Klause auf eigene Kosten hatte setzen 
lassen, ohne sonderlichen Nutzen, da er bei dem leisesten Wind 
dermaßen zu rauchen anfing, daß ich mich vor ihm auf die 
Straße flüchten mußte. 
Zu diesem meteorologischen Heimweh gesellte sich auf die 
Länge noch ein anderes, das in der Seele seinen Sitz hatte. 
Die Trennung von meiner Liebsten, über die ich Anfangs durch 
hundert merkwürdige neue Eindrücke mich hatte beschwichtigen 
lassen, wurde zuweilen, wenn ein Brief ungebührlich lange aus— 
blieb oder gar verloren ging, schier unerträglich, die sehnsüchtige 
Stimmung machte sich vergeblich in lyrischen Stoßseufzern Luft, und 
auch die Ungebühr, die mir im Vatican angethan worden war, und 
für die ich keine Genugthuung erhalten konnte, nagte an mir, da 
sie beständig durch den Kampf um mein Recht mir gegenwärtig 
blieb. Zum Ausbruch kam's am 10ten März durch die Eröffnung 
eines Freundes meines Onkels, Dr. Marstaller, über die In— 
trigue jenes Don Pietro Matranga und meinen üblen Ruf als Ver— 
fasser „lasciver Poesieen“, in den mich nur ein Landsmann bei 
der geistlichen Behörde gebracht haben könne. Der Ingrimm
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.