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IV. Ein Jahr in Italien.
Aufgabe betraut, die Rolle nach jenem Fenster des zweiten Stocks
hinaufzuschleudern. Zweimal fiel sie, da man sie nicht geschickt
auffing, zurück auf die schmutzige Straße und mußte erst am nächsten
Brunnen wieder gereinigt werden. Beink drittenmale erreichte sie
ihr Ziel. Es war aber verlorene Liebesmüh'. Von einem be—
sonders liebenswürdigen Dank oder gar einer Erwiderung war
keine Rede.
So ging der Winter zu Ende, einer jener gelinden römischen
Winter, in denen man schon im Januar Veilchen in der Cam⸗
pagna pflückt, aber während der langen schwülen Sciroccowochen
manchmal ein starkes Heimweh nach nordischem Schnee und klin—
gendem Frost verspürt.
Zumal wenn in den trüben und feuchten Häusern die eisernen
Oefen versagen, wie es auch der meine zu thun pflegte, den ich
in meiner kahlen Erdgeschoß-Klause auf eigene Kosten hatte setzen
lassen, ohne sonderlichen Nutzen, da er bei dem leisesten Wind
dermaßen zu rauchen anfing, daß ich mich vor ihm auf die
Straße flüchten mußte.
Zu diesem meteorologischen Heimweh gesellte sich auf die
Länge noch ein anderes, das in der Seele seinen Sitz hatte.
Die Trennung von meiner Liebsten, über die ich Anfangs durch
hundert merkwürdige neue Eindrücke mich hatte beschwichtigen
lassen, wurde zuweilen, wenn ein Brief ungebührlich lange aus—
blieb oder gar verloren ging, schier unerträglich, die sehnsüchtige
Stimmung machte sich vergeblich in lyrischen Stoßseufzern Luft, und
auch die Ungebühr, die mir im Vatican angethan worden war, und
für die ich keine Genugthuung erhalten konnte, nagte an mir, da
sie beständig durch den Kampf um mein Recht mir gegenwärtig
blieb. Zum Ausbruch kam's am 10ten März durch die Eröffnung
eines Freundes meines Onkels, Dr. Marstaller, über die In—
trigue jenes Don Pietro Matranga und meinen üblen Ruf als Ver—
fasser „lasciver Poesieen“, in den mich nur ein Landsmann bei
der geistlichen Behörde gebracht haben könne. Der Ingrimm