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Drittes Kapitel.
öffentliche Vertrauen nicht in dem Malse zu besitzen, wie es
für einen konstitutionellen Minister erforderlich sei. Kaum war
der Konstitutionalismus in Preufsen zur Anerkennung gelangt,
so verlangte er sein erstes Opfer, und zwar eben den Minister,
dem er seine Einführung in Preufsen zu verdanken hatte. Bodel-
schwingh bot alsbald seine Demission an, zuerst mündlich, dann
schriftlich. Der König weigerte sich einige Tage; da Bodel-
schwingh unerschütterlich bei seinem Entschlusse beharrte, er-
klärte sich der Monarch am 16. März bereit, ihm den erbetenen
Abschied zu erteilen. Als Nachfolger wurde vom Könige zu-
nächst der Graf Alvensleben in Aussicht genommen. Durch
eine Stafette nach Berlin berufen, lehnte dieser freilich die
Ehre, als konstitutioneller Minister zu fungieren, ebenso schnell
wie entschieden ab. Bodelschwingh machte nunmehr auf den
Grafen Arnim-Boitzenburg aufmerksam. An ihn erging am
18. März die offizielle Anfrage, ob er die Bildung eines neuen
Ministeriums übernehmen wolle. 1
Im Prinzipe hatte somit Friedrich Wilhelm IV. den
Konstitutionalismus anerkannt; doch gab er sich ihm nicht so
unbedingt hin wie Bodelschwingh. Konnte er auch einer Be-
schränkung der monarchischen Autorität nicht mehr aus-
weichen, so wollte er es doch verhüten, dafs der Schwerpunkt
der politischen Gewalt in die Volksvertretung hinabgleite. Mit
anderen Worten: er wollte die Rezeption des Konstitutionalismus
in der Weise vollzogen wissen, dafs das Parlament zwar einen
Anteil an der höchsten Gewalt bekäme, dafs aber die Volks-
souveränität und deren praktischer Ausdruck, das parlamen-
tarische System, vermieden würden, Sogar die ständisch-ge-
nossenschaftliche Grundlage der nunmehr mit gesetzgeberischen
Befugnissen ausgestatteten Landesvertretung glaubte er wohl
einen Moment noch retten zu können. Am 11. März hatten die
Berliner Stadtverordneten eine Adresse an den König beschlossen,
in der sie um schleunige Einberufung des Vereinigten Land-
1) Vgl. Diest S. 28 und Kosera. 0. 8. 66 Anm. 3. Über die politische
Haltung Alvenslebens siehe u. a. Gerlach I, 84.