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Zweites Kapitel.
dafs man an dessen Belebung verzweifele.“ Durch seine Hal-
tung 1830 in der Braunschweigschen und darauf in der Luxem-
burgschen Angelegenheit habe der Bund seine Unfähigkeit
vollends bekundet; seine Haltung in dem Hannöverschen Ver-
fassungskonflikte endlich sei „das letzte Glied in diesem un-
heilsvollen Systeme.“ Bei dem Aufschwunge des deutschen
Nationalgefühls angesichts des 1840 von Frankreich her drohen-
den Krieges habe es einen Augenblick den Anschein gehabt,
als wollten sich Österreich und die kleineren Staaten aufraffen,
um dem Drängen Preufsens nach Bundesreform Gehör zu geben
und Folge zu leisten. „Sobald aber die erste Gefahr vorüber
war, trat alles sofort wieder in die bisherige Apathie, in die
tiefe Abneigung gegen jede Lebensäufserung des Bundes zu-
rück... Auf die Frage: was hat der Bund seit den 32 Jahren
seines Bestehens, während eines fast beispiellosen Friedens
gethan für Deutschlands Kräftigung und Förderung, ist keine
Antwort möglich. Der Schaden, der hieraus erwächst, ist un-
absehlich. Es mag dabei noch ganz von den materiellen Nach-
teilen, so fühlbar sie auch sind, abgesehen werden; schon der
moralische Schaden, die Wirkung auf die Gesinnung und Stim-
mung der Nation ist übergrofs. Alles Interesse, alle Lebens-
regung der Zeit hat sich ausschliefslich auf die politischen und
kirchlichen Händel geworfen. Die gewaltigste Kraft der Gegen-
wart, die Nationalität, ist die gefährlichste Waffe in den Händen
der Feinde der rechtlichen Ordnung geworden.“
Der Hauptinhalt der Radowitzschen Denkschrift besteht
aus Vorschlägen einer materiellen Bundesreform, also einer
Zentralisation des staatlichen Lebens in Deutschland durch das
Mittel einer Verstärkung der Bundeskompetenz, und zwar, wie
wir des näheren sehen werden, nach dreifacher Richtung hin.
Den Anträgen betreffend die Erweiterung der Bundesgewalt
gehen zwei Propositionen voran, die sich als Mafsnahmen
gleichsam vorbereitender Natur charakterisieren, nämlich Ein-
führung von Prelsfreiheit für das ganze Bundesgebiet und Publi-
kation der Protokolle der Bundesversammlung: durch sie sollte
die öffentliche Meinung für Preufsen und die von Preußen be-