Die deutsche Politik Friedrich Wilhelms IV. vor 1848 etc, 37
nahm, zog er Radowitz „auf Canitz’s Veranlassung wieder aus
seinem Dunkel hervor.“1 Er ließ Radowitz nach Berlin kommen,
und dieser arbeitete hier eine Denkschrift aus, die am 20. No-
vember dem Könige vorgelegt und von diesem genehmigt
wurde.? Sie ist also ein untrügliches Zeugnis für den damaligen
Stand der preufsischen Politik in der deutschen Frage. Darf
man wohl auch nicht gerade sagen, dafs Radowitz in ihr ein-
fach „die Gedanken seines königlichen Herrn zusammengestellt
habe“3, so doch, dafs es Radowitz damals gelungen war, zur
Billigung seiner Ideen über die Lösung der deutschen Frage,
wie sie in dem Memoire niedergelegt waren, den König zu
bewegen. Die Denkschrift begann mit einer herben Kritik des
deutschen Staatenbundes, seiner Leistungen und der gesamten
Entwicklung der öffentlichen Verhältnisse in Deutschland seit
dem Wiener Kongresse. Radowitz erklärte, man habe bei der
Gründung des Staatenbundes „den Schulbegriff eines rein völker-
rechtlichen Vereins auf die Spitze getrieben“ und sei „dem-
zemäfs von einer abstrakten Selbständigkeit und Parität aller
deutschen Staaten ausgegangen.“ Mit scharfen Worten ver-
urteilte er „den Souveränitätsschwindel“ vorzugsweise der süd-
deutschen Regierungen, bei denen „der ganze Bodensatz des
Rheinbundes thätig wurde, nachdem er sich eben erst von
Napoleons Faust und der Bestürzung über seinen Fall erholt
hatte.“ Die schlechte Verfassung des Bundes ‚ die Haltung
der mittleren und kleinen Staaten, die Eifersucht Österreichs
gegen Preufsen, so wurde weiter ausgeführt, hätten alle Aus-
sicht geraubt, irgend etwas für Deutschland Dienliches aus dem
Bunde hervorgehen zu sehen, und so sei denn die Tendenz er-
wacht, „dasjenige durch Spezialvereinigung zu erreichen, wozu
sich der Bund als untauglich erwies.“ Unter diesem Gesichts-
punkte sei die Entstehung des Zollvereins zu betrachten: „er
war der erste Rifs in das Werk von 1815 » die erste Erklärung,
1) Gerlach I, 129.
2) Gedruckt bei Radowitz III, 314£f.
3) Treitschke V, 699.