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Zweites Kapitel.
Triest, Tyrol und das herrliche Erzherzogtum wäre schlimmer,
als ein Gesicht ohne Nase!!! Gott wird Teutschland nicht
verlassen!“ Wer möchte leugnen, dafs eine tiefe Wahrheit in
diesen Worten liegt? Schnell genug freilich hat sich Friedrich
Wilhelm darüber belehren lassen, dafs die harte Notwendigkeit
der politischen Machtverhältnisse diese Verstümmelung Deutsch-
lands, den „faktischen“ Ausschlufs Österreichs, unerbittlich
gebiete. Aus dem Grunde des Herzens kam ihm gewilslich sein
dabei bekundeter Protest gegen die „Parteien- oder Ministerial-
Tyrannei“ des Konstitutionalismus oder Liberalismus „ä la
Hansemann und Konsorten“. Bei solcher tiefinnerster Ab-
neigung gegen die modernen Verfassungsbestrebungen schien
ein Einvernehmen zwischen der Krone und den populären
Tendenzen allerdings noch in weiter Ferne liegend oder viel-
mehr überhaupt ein Unding
In eben jenen Tagen, als sich der König so bestimmt
gegen den „faktischen“ Ausschluß Osterreichs aus Deutsch-
land zu wehren schien, erteilte er seine Zustimmung zu einem
Projekte der Bundesreform, demzufolge zwar Österreich noch
einmal zur Mitwirkung bei der nationalen Reorganisation auf-
gefordert werden sollte, das aber doch schon die Möglichkeit
in Erwägung zog, dal sich Metternich wiederum sträuben
würde, und das für diesen Fall ein einseitiges Vorgehen Preufsens
ohne Österreich in Aussicht nahm, — ein Verfahren, das über
kurz oder lang den Widerstand Österreichs hervorrufen mulste,
da es im letzten Grunde auf eine langsame, aber um so sicherere
Hinausdrängung Österreichs aus Deutschland hinauslief. Der
Urheber dieses Projektes war Radowitz. In den Intentionen
des Königs und seines Beraters lag dieses Endziel als ein
bewufst gewolltes vielleicht noch nicht; bei dem Stande der
Dinge, bei der Unmöglichkeit für Österreich, eine Konzen-
tration der Kräfte der Nation und etwa gar unter Preufsens
Ägide zu dulden, war es seine notwendige Konsequenz.
Nach der Beendigung des vereinigten Landtages wandte
sich Friedrich Wilhelm IV. abermals seinen deutschen Plänen
zu. Bei der Rheinreise, die er im Herbste des Jahres unter-