Erstes Kanitel.
Österreich, Preufsen und die deutsche Frage.
Zwei Momente sind es, die die deutsche Geschichte in
dem Zeitraume zwischen den Kriegen gegen den ersten und
gegen den dritten Napoleon charakterisieren: die nationale Be-
wegung und die Verfassungsbewegung. Die französische Zwing-
herrschaft und die Freiheitskriege bedeuten für Deutschland
die Geburtsstunde dieser neuen Entwicklung. Damals wurde
das Leben in Staat und Gesellschaft von den Resten der aus
dem Mittelalter überkommenen feudalen Institutionen gereinigt.
Die naturrechtlichen Prinzipien der individuellen Freiheit und
Gleichheit dienten dieser Reform als Mafsstab und Ideal. In
ihrem Gefolge hielten die mit ihnen durch den gemeinsamen
Ursprung auf dem Boden der naturrechtlichen Doktrin auf
das engste verwandten, ihrem innersten Wesen nach mit ihnen
unzertrennlich verbundenen Postulate der staatsbürgerlichen
Freiheit und Gleichheit ihren Kinzug. Noch regten sie sich
freilich erst schüchtern, und es ward ihnen von oben mehr
Verheilsung als Erfüllung zu teil. Vor allem galt es aber da-
mals, das Nationalgefühl zu erwecken und zu kräftigen, um
an ihm einen wirksamen Bundesgenossen wider den fremden
Eroberer zu erwerben; alles drängte darauf hin, das National-
gefühl zur eigentlichen Grundlage des Staatswesens » zu seinem
festesten Fermente zu erheben. In einer doppelten Gestalt
offenbarte sich das wieder erwachende nationale Bewufstsein.
Des kalten Rationalismus und der weltbürgerlichen Tendenzen
des 18, Jahrhunderts überdrüssig, flüchtete sich der nationale
Sinn aus der trüben Gegenwart in die Glanzzeit der deutschen