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Zweites Kapitel.
Gefecht am Morgen wieder beginne, so werde es kein gutes
Ende nehmen; er bemerkte, er habe gesehen, wie Soldaten
planlos ihr Gewehr gegen die Fenster eines Hauses abgefeuert
hätten, und das habe auf ihn einen höchst fatalen Eindruck
gemacht. Mehrere der anwesenden Offiziere, darunter der
General v. Gerlach, lachten über diese Bemerkung. In grofser
Erregung wandte sich Vincke gegen sie und rief mit Emphase:
„Heute, meine Herren, lachen sie; morgen vielleicht werden
sie nicht lachen!“ Dem Könige war der Auftritt in Gegen-
wart so vieler Zeugen unangenehm. Er nahm Vincke zur Seite
und setzte das Gespräch mit ihm noch einige Minuten fort.
Als er ihn frug, was dann werden solle, wem die Truppen
zurückgezogen würden, antwortete Vincke „mit seiner elenden
Klopffechterdialektik, vom Vereinigten Landtage her be-
kannt“: „Was soll dann aber werden, wenn das Volk siegt?“ 1
1) Die Hauptquellen für die nächtliche Audienz Vinckes sind: Raveaux
bei Kolatschek I, 413f., Gerlach I, 138 und Schulz 78f. Die beiden
letzten Berichte stimmen so genau, fast wörtlich mit einander überein, dafs
man versucht ist, Gerlach für den „Augen- und Ohrenzeugen‘“ (s. 0. 8. 158.
Anm. 1) zu halten, den Schulz als seinen Gewährsmann nennt, Daneben
kommen in Betracht Diest S. 24 (vgl. die vorige Anm.), sowie eine Auf-
zeichnung bei Perthes, bei der der General von Griesheim als Bericht-
erstatter genannt wird. Zur Behauptung Gerlachs und Griesheims, dafs
Vincke der letzte war, der mit dem Könige in dieser Nacht sprach, vgl.
die übernächste Anmerkung. Eine Aufzeichnung bei Varnhagen IV, 310f.
bringt, wiewohl sie sich als „sehr zuverlässige Mitteilung vom Hofe her*“
ausgiebt, einen höchst entstellten Bericht über die Vinckesche Audienz.
Eine höchst ergötzliche Erzählung über dieselbe findet sich bei Wolff I,
198f. Der Held ist hier nicht der Deputierte, sondern sein Vetter, der
Major a. D. von Vincke, der auf die Kunde von der Wiener Revolution
von seinem schlesischen Landgute nach Berlin geeilt und noch mit dem
Reisestaube bedeckt am Abende des 17. März unangemeldet in das Zimmer
des Königs getreten sei, um diesem ä la Marquis Posa zuzurufen: ‚Maje-
stät, ich sehe die Krone auf ihrem Haupte wanken ... Von Ihnen, meine
Herren“, fuhr er fort, auf die darüber entsetzten und ihm ins Wort fallen-
den Generaladjutanten weisend, „hat dem Könige keiner die Wahrheit zu
sagen den Mut gehabt. Es ist an der Zeit, an der höchsten Zeit, nichts
länger zu bemänteln und zu vertuschen; wir müssen sprechen, wir müssen
handeln.“