Koͤniglich Preußisch.
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Da ist in Versailles, in unmittelbarer Naͤhe des Lendtreschen Meister—
werkes, der kleine Trianongarten. Wir laͤcheln heute uͤber die Anlage des
„Weilers“ am See und uͤber die naiven Landfeste, in denen die Hof—
gesellschaft in laͤndlicher Maskerade dort ein wenig „Ruͤckkehr zur Natur“
spielte. Wir thaͤten besser, uns klar zu machen, daß in diesen Spielereien
eine Erweiterung des Gesichtskreises lag, die dem romanischen Geist bis
dahin fremd geblieben war. Die Pagodenhaͤuschen à la chinois, in denen
man Thee zu sich nahm, die Saͤulenrotunden „antiken“ Stiles, all diese so
verschiedenartigen Typen, die ein großer Stil nie gleichzeitig haͤtte darstellen
koͤnnen, und die das kleine Rokoko mit seinen behenden Formen doch so
grazioͤs nahm, sprechen beredt genug von der Bedeutung dieses Stiles.
Seiner gewaltigen Zeit ist er nicht unwuͤrdig gewesen. Die groͤßten An—
lagen des Barock haben den Blick nicht so geweitet, wie diese bescheidene
Nippesherrlichkeit. Fuͤr das Rokoko und seine Formen gab es keine mittel⸗
alterlichen Ummauerungen mehr, weder raͤumlich noch zeitlich. Lange bevor
die Staͤdte ihre alten Fortifikationen abstreiften, war fuͤr seine Kunst der⸗
gleichen nicht mehr vorhanden, und in jede Kultur, die sich diese Kunst zu
eigen machte, mußte so gleichzeitig etwas von ihrer Groͤße eingehen.
Denken wir einzig an „Sanssouci“, und wir wissen, welche Be⸗
deutung das Rokoko auch fuͤr uns gewann. Aber Sanssouci zeigt auch,
ein wieviel staͤrkeres Leben dieselben Formen im rauhen Norddeutschland
fassen konnten, als im verweichlichten Frankreich. Dicht hinter dem Schlosse
steht da eine Muͤhle. In ihrer eleganten hollaͤndischen Bauart koͤnnte man
sie recht wohl fuͤr ein Spielzeug halten, aͤhnlich den Bauernhaͤusern des
Trianon-Hameaus. Aber — nun die Geschichte ist ja bekannt. Ob sie
wahr ist oder nicht: sie betont jedenfalls recht gut den Unterschied des
maͤrkischen und des franzoͤsischen Rokoko. Fuͤr uns war die Ruͤckkehr zur
Natur, zur Menschheit und zum Volke keine Spielerei. In' Frankreich
suchte man das Volk bei seinen Festen auf, hier bei der Arbeit. Moͤgen
wir den Franzosen dankbar sein, daß sie uns in ihrem Rokoko die liebens⸗
wuͤrdigste aller Kunstformen schenkten: das große Kunstwerk jener Tage
danken wir ihnen nicht. Das war die Staatenschoͤpfung Friedrichs des
Großen, ein durchaus deutsches Werk. Fuͤr die Geschichte der menschlichen
Arbeit hat es Ungeheures geleistet.
Je mehr die Feuerwaffen an Anwendbarkeit und ihre Geschosse an
Durchschlagskraft gewannen, um so strenger mußte das Prinzip der Uniform,
der Unterordnung die alten Landsknechthaufen gliedern.