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Die Stadt der Giebel und Tuͤrme.
an den Schaustellungen des Henkers — das waren die großen Erscheinungen
und Werke, die von der Stadt der Giebel und Tuͤrme ihren Ausgang
nahmen.
In dieser trostlosen Zeit des allgemeinen Auseinanderfalles sehen wir
in Berlin eine Entwickelung um sich greifen, die sich von der Entwickelung
anderer deutscher Staͤdte so gaͤnzlich unterscheidet, daß es eine Zeitlang fast
den Anschein hat, als koͤnne die der deutschen Arbeit so wichtige Umge—
staltung nur von Berlin aus erfolgen. Es war nicht die Schuld der Maͤnner,
die hier im Mittelpunkt der Dinge standen, wenn keine ihrer Anstrengungen
einstweilen zur Durchfuͤhrung gelangen konnte.
1412 war Friedrich VI., Burggraf von Nuͤrnberg, in die Mark, zu
deren „Landeshauptmann“ der Kaiser ihn ernannt hatte, eingezogen. Er
fand ein Gebiet vor, in dem das Raubrittertum schlimmer als irgendwo sonst
in Deutschland sein Wesen trieb. Doch er wußte der schlimmen Gewalt
die schlimmere entgegenzusetzen in der Anwendung des Mittels, mit dem
man auch im uͤbrigen Deutschland anfing, sich den Zugang in die Raub—⸗
ritterburgen zu erzwingen: des schweren Geschuͤtzes. Der einheitlich durch⸗
gefuͤhrte Feldzug gegen die Quitzow. Rochow, Bredow u. s. w. gelang so
gut, daß der Kaiser 1415 beschloß, dem Nuͤrnbergischen Burggraf die Mark
mit der Kurwuͤrde erblich zu verleihen. Am 18. Oktober desselben Jahres
trat Frie drich als Kurfuͤrst von Brandenburg seine Herrschaft an.
Soweit konnte man sich in Berlin mit der Thaͤtigkeit des neuen
Herrn zufrieden geben. Aber Friedrich wollte mehr. Er wußte, daß fuͤr
die Entwickelung des Landes die Selbstaͤndigkeit der Staͤdte ebenso ge—
faͤhrlich sei, wie die der Ritterburgen. Er verlangte das „Offnungsrecht“
vom Berliner Stadtrat, das ihm diese Stadt gesichert und in ihr einen
Mittelpunkt fuͤr weitere Unternehmungen geschaffen haͤtte.
Berlin wußte, um was es sich handelte und schlug den Antrag rund
ab. Bei der Menge seiner Arbeiten im Reiche war es dem Kurfuͤrsten
nicht moͤglich, seinen Lieblingsplan gewaltsam zur Ausfuͤhrung zu bringen.
Die Staͤdte schienen gesiegt zu haben.
Aber man hatte sich getaͤuscht. Im Nachfolger Friedrich J. sollten
die Maͤrker zum erstenmale die Macht dessen kennen lernen, was jenes
Fuͤrstengeschlecht, und damit das von ihnen regierte Land groß zu machen
berufen war: die Macht der Tradition. Friedrich II. errang sich, was man
seinem Vater verweigert hatte, Berlin wurde seine Residenz. Es waren