wollten. Trotz alledem wurde des Uönigs Gebot übertreten. Durch Vermittlung des klugen und gebildeten Kammer—
direktors Hille, der erkannte, daß es dem Uronprinzen an genügender geistiger Beschäftigung fehle, und des ebenso welt—
gewandten Präsidenten von Münchow erhielt Friedrich auch in Küstrin schon französische Lektüre. Hille wußte, daß er dem
Uönig als Bücherleser verdächtig sei, nachdem er einmal die Ansicht zu äußern gewagt hatte, daß Lektüre den Geist bilde!.
Das war derselbe Gedanke, den Friedrich zu verfechten und immer wieder zu betonen nicht müde
wurde. Studien und Lektüre waren, um seinen Lieblingsausdruck zu gebrauchen, „les hochets“, die Liebhaberei
eigentlich Rinderklapper) seiner Jugend vom zwanzigsten CLebensjahre an, seines Mannesalters und seines
Cebensabends, „jusqu'a ce que ma lampe s'éteigne““. (An d'Argens, 25. Mai 1762.) Die nachstehende Stelle aus
dem siebenten Kapitel von Ciceros Rede für den Dichter Archias, die der König in seiner Schrift über den Nutzen der
Wissenschaften und Künste zitiert?, ist für ihn der treffendste Ausdruck ihrer Bedeutung für unser Leben: „Sie bilden
die Jugend, erfreuen das Alter, verleihen dem Glücke seinen Glanz, bieten im Unglück Trost und Aspyl, sie sind unsere
Freude im Hause, werden uns draußen nicht zur Last, sie wachen und reisen mit uns und sind unsere Begleiter
auf dem Lande.“ Die Vegriffe Lektüre und Studium fallen für Friedrich zusammen. „Kann er lesen?“ fragte er einst
seinen jungen Adjutanten von Rüchel, den späteren General der Infanterie, und breitete ein Exemplar der Condeschen
Memoiren vor ihm aus. Unverständlich und ausdruckslos murmelnd las er ihm dann ein Stück daraus vor und
sagte: „Seht er wohl, das nenne ich nicht lesen. Lesen heißt denken. Da lese er den Condeé und kritisiere ihn.“
Gewiß hat Schopenhauer recht, wenn er diesen Gedanken dahin variiert, lesen sei mit einem anderen Kopfe denken.
Aber warum nicht? Es gibt doch eine so große Menge kluger KRöpfe, denen wir uns wohl anvertrauen können.
Auf die Auswahl kommt es an. Verstehen wir es, um wieder mit Schopenhauer zu reden, vom Schlechten
möglichst wenig und vom Guten mödglichst viel zu lesen, verstehen wir also die KNunst nicht zu lesen ebensogut wie
die zu lesen, dann wird auch „das von anderen glücklich Gefundene“ uns zum Gewinn von bleibendem Werte werden.
Friedrichs des Großen Art zu lesen war geistige Arbeit und ihr Zweck in erster Linie die Aneignung von KUennt—
nissen, zumal in den Jahren des geistigen Werdens. Lesen war ihm das hauptsächlichste Werkzeug der Selbstkultur,
das Mittel, seine Bildung zu bereichern und zu vervollkommnen. „Die Seele ist ein Feuer, dem man Nahrung geben
muß. Wäre ich in meiner frühesten Jugend nicht leichtsinnig gewesen, wie viele Kenntnisse hätte ich mir nicht
erwerben können, in der Philosophie sowohl wie in der Geschichte, die vorzugsweise Gegenstand unseres Studiums sein
muß. Schon als ganz junger Mensch wußte ich es aus eigener Erwägung und aus der Beobachtung anderer, daß ein
Fürst Kenntnisse haben und seinen Geist durch das Studium bilden muß; ein unwissender Fürst spielt in der Welt
und in seinem Staat eine traurige Rolle.“ Wenn wir oben von aufgepfropften Bildungselementen sprachen, die man
sich nicht in allmählich aufbauender, natürlicher Entwicklung erworben hat, so weist auch Friedrich solche zurück. Er
liebt mehr die Bäche, die an ihrer Quelle langsam über den weichen Sand fließen und im Wachsen an Stärke
zunehmen, bis sie, zum Strom geworden, ihre Wogen stolzer dahinrollen lassen und sich dann ins Neer ergießen. Nicht
glänzen will er, sondern sich unterrichten und sich einen Vorrat an Kenntnissen und Wahrheiten aneignen, um damit ein ihm
geeignet erscheinendes Gebäude aufzurichten. (VBrief an Grumbkow, 20. November 1755.) Alles das will er in den Bereich
seiner Kenntnisse ziehen, was ihm dereinst in seinem späteren Wirkungskreise von Nutzen sein kann. Was Altertum
und neue Feit an hervorragenden Beispielen hervorgebracht hat, soll seinen Geist ausfüllen, und darum macht er es sich
zur Pflicht, seine Zeit nach Möglichkeit auszunutzen und den größten Vorteil daraus zu ziehen. (Briefe an Suhm vom
15. und 26. November 1737.) Auch an Voltaire schreibt er in jener Zeit (. November 1736), daß die Erwerbung von
Kenntnissen der Zweck seiner Lektüre sei; wie die Bienen ziehe er den Honig aus den Blüten; mit ernstem Fleiße wende er
sich dem Studium der Geschichte und Philosophie zu, die Poesie und Musik diene dem Vergnügen. (Briefe vom
4. Noveniber 1756 und 6. Närz 1737.) Aehnlich an Suhm am 23. MOktober 1736: „Wir haben unsere Beschäftigungen
Noser, Friedrich der Große als Kronprinz, II. Auflaage, 1900, 5. 80. — 2 Auch schon in einem Briefe an den Grafen
Sch g⸗Kippe vom 30. ober 173
chaumburg⸗Lippe v 30. Oktober 1738
Arieger, Frirdrich der Sroße und feine Bürcber