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„Hören Sie mal, lieber Graf,“ sagte der Schrift—
steller jetzt auch sehr ernst, „ich bin nicht neugierig,
aber mit dem, was Sie da sagen, spannen Sie einen
ja förmlich auf die Folter ..
Der Graf schien garnicht auf ihn zu hören. End—
lich sagte er:
„Rein, so was! ... Ich bin ja auf viel gefaßt
gewesen, aber ... eine direkte Dirne ...“
„Was? was sagen Sie da? ... Hören Sie mal,
Denghrbester— Sie sollten doch ein bischen vorsichtiger
ein!“
Der Graf sah sein Gegenüber, in Nachdenken ver—
sunken, eine Zeit lang an. Dann seinen blonden
Schnurrbart, an dem er nagte, loslassend, sagte er
ganz ruhig:
„Da kann von Vorsicht gar keine Rede sein. Die
Gräfin Maria Anna von Berghorst ist zwei Jahre
lang die Insassin eines Freudenhauses in Moskau ge—
wesen, von dort hat ein russischer Fürst sie mitgenom—
men, und dessen immensen Reichtum hat sie später
geerbt. Vorher soll sie einen Freund gehabt haben,
der, wenn ich mich recht erinnere, Fred Hunter hieß
und der Häter auf Staatskosten erhalten wurde—
im Zucht“58 nämlich. Das junge Mädchen, das jetzt
bei ihr — das sie als ihre Nichte ausgiebt, ist
eigentlich zre Tochter ... Der Papa ist jedenfalls
unbekannt ... Genügt Ihnen das, oder wollen Sie
noch mehr hören.
Der Schriftsteller konnte sich lange Zeit gar nicht
fassen. Als toleranter Mensch verschmähte er es nicht,
mit dem Grafen, dessen Heiratgeschichte ihn allerdings
stark verschnupft hatte, gelegentlich zusammen zu kom—
men. Daß er jedoch — vor von Ve haben
sollte, war nicht gut von ihm zu verlangen.
Anders mit der Gräfin. Einmal war sie eine
Frau. Eine Frau, die sich allerdings eines nicht sehr
sauteren Mittels bedient hatte, um einen hohen Titel