So lang am alten Schlosse
Die Kaiserflagge weht,
So lang bei Heinrich Habel
Der Stammtisch noch besteht,
So lang in Habels Räumen
Noch kneipt manch altes Haus
So lang geht den Berlinern
Die Gemütlichkeit nicht aus.
Aus den Tagen, da dieser Vers noch zu Recht bestand, gibt uns Julius Rodenberg
ein anschauliches Bild von dem Verkehr in Habels historischen Räumen: „Ein trau—
liches Nest, wo man an jedem Donnerstag Erbsen und Sauerkraut haben kann, und an
edem Tag mit stählernen Gabeln und auf ungedeckten Tischen ißt; wo man nicht Kell—
ner sagt, sondern Küper, wo Trinkgelder nicht üblich sind, und wenn sie gegeben,
in eine gemeinsame Büchse geworfen werden. Ein verräuchertes, aber urgemütliches
Lokal, in welchem man sich, wenn man zum ersten Male hereintritt — ich will nicht sagen,
im hundert, aber reichlich um vierzig, fünfzig Jahre zurückversetzt glaubt in das Berlin
Friedrich Wilhelms III., mit dem Bilde der Königin Luise und den Bildern aller Könige
eit Friedrich Wilhelm II., mit allerlei sonstigen Malereien ringsum und einem aus—
zestopften Adler auf dem grünen Kachelofen — der Fußboden ausgetreten von den
oielen Geschlechtern einander folgender Gäste, die Decke dunkel von allem Tabak, der
hier geraucht worden, altmodische Spiegel, altmodische Tische, altmodische Stühle,
die Küper in NRöcken und die Weinkarte an der Wand. Aber was für eine Wein—
arte! Edle Sorten in langen Reihen sind darauf verzeichnet! Und wie viel absonder—
iche Winkel gibt es hier, am Eingang und mit dem Durchblick auf den Hof, Hinter—
zimmer, mit dem Geruch vom Keller herauf, dem Herzen des echten Trinkers teuer.
Das Vorderzimmer nach den Linden zu mit hohen Vorsätzen vor den Fenstern und
schweren Gardinen, und ein Seitenstübchen, das gar keine Fenster hat. In einer Art
Dämmerung, welche die Seele mit Wohlbehagen füllt, sitzt man hier; und manchmal
am Tage brennt Licht, was noch besser ist. Ein Lokal für den Abend ist Habel nicht;
dann ist es hier still und leer, und wer dann kommt, ist allein. Wer Menschen bei Habel
ehen will, der muß Mittags zwischen Zwölf und Eins kommen. Es ist das bevorzugte
Frühstückslokal des märkischen Edelmannes und des hohen Militärs. Zur genannten
Stunde sieht man um den Mitteltisch neben dem einfachen Landjunker, der hier seinen
Stammtisch hat, die schimmernden Epaulettes, die großen Orden und goldnen Schär—
oen der Stabs- und Ordonnanzoffiziere, welche kommen und gehen, während jener, ein
echter Conservativer, seinen Platz behauptet und immer neue Stühle herangerückt wer⸗
den — und eine ständige Bewegung von glitzernden Uniformen, von blauen, roten und
zrünen Bändern, ein stetes Begrüßen und Händeschütteln und dazwischen immer wie—
der aufs Neue der erfreuliche Ton entkorkter Flaschen. Das bürgerliche Element ist
darum nicht ausgeschlossen, im Gegenteil; wer sich darauf versteht, der weiß, daß man
an einem der Ecktischchen nicht weniger gut und zuweilen sogar etwas bequemer sitzt
als an der ritterlichen Tafelrunde und ebenso bedient wird.“