28 1. TEIL: GESCHICHTE S3. KAPITEL VENDISCH-TEGEL
wendischen Leichname wurden also nicht verbrannt, sondern auf eine
Art beigesetzt, die sich auf christlichen Einfluß zurückführen und weiter
darauf schließen läßt, daß noch christliche Deutsche und heid—
nische Wenden längere Zeit in Tegel und dessen Um—
gegend beisammen gewohnthaben müssen. Aber ganz
abgesehen von den Skelettfunden gewinnt diese Annahme an Wahr⸗
scheinlichkeit wenn wir in Erwägung ziehen, daß ein gewisser Zu—
sammenhang zwischen den wendischen Insulanern des Tegeler und den⸗
jenigen des Spandauer Gebiets bestanden haben wird, und daß dieses
gesamte Inselvolk seine günstigen, geschützten und von den Deutschen
weniger begehrten Wohnplätze in den späteren Unterdrückungskämpfen
durch die Deutschen am längsten behauptet und auch nach der Nieder⸗
lage beibehalten haben wird, wie dies wenigstens für Spandau ur⸗
kundlich nachgewiesen ist. Außer Spandau mögen hierfür noch weitere
Namensniederschläge, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben,
als Beweise angeführt werden: Ein ursprünglich slavisches Dorf ist u.
a. Malchow, d. i. eine Siedelung des Malek oder „Kleinchens“.
Denselben Namen führt auch ein Teil des Tegel-Sees, die Malche,
früher Malchow, also auf deutsch der kleine See. Diese Namens—
überlieferung beweist für Tegel am besten den engen Zusammenhang
zwischen der wendischen und deutschen Siedelung und die Tatsache,
daß in Tegel die Deutschen noch mit den Wenden in Berührung kamen.
Dann erst scheinen die Wenden ihren Wohnsiztz in Tegel aufgegeben,
sich zunächst auf die Inseln im Tegel⸗See und allmählich weiter
nach Spandau zurückgezogen zu haben, wo ihre Stammesgenossen in
größerer Zahl sich versammelten und noch lange Zeit neben den
Deutschen als „Kiezer“ hausten.
Wann Tegel dem deutschen Lokator übergeben, deutsch getauft
und eingerichtet wurde, steht urkundlich nicht fest. Es wird aber gleich
zu Beginn der deutschen Kolonisation (1232) geschehen sein, weil vor⸗
handene wendische Ortschaften und Kulturen in erster Linie von deut⸗
schen Kolonisten bevorzugt und in Besitz genommen wurden. Wie
aber die Wenden das Dorf einst nannten, wird wohl ein ewiges Ge⸗—
heimnis bleiben müssen.