mischen Verfallszeit, gestellt. Das Bauland, das als Grundlage alles mensch-
lichen Lebens ebenso wichtig ist wie Luft, Sonnenschein und Wasser,
konnte künftig zur gewöhnlichen Handelsware und zum Spekulationsob-
jekt herabsinken. Diese gefährliche Befreiung des Bodens aus seiner frü-
heren Gebundenheit unter germanischem Recht mochte für kurze Zeit
als Ansporn für die Berliner Bautätigkeit wirken; sie hat aber bei der
späteren Entwicklung Berlins zur Großstadt und bei dem gleichzeitigen
Auftauchen und Wachsen der Bodenrente sehr schädliche Folgen für das
Berliner Bauwesen gehabt. Die Befreiung des Baulandes vom Grundzins
konnte dem König ungefährlich scheinen, weil das neue schlechte Steuer-
system des »Großen« Kurfürsten das Einkommen des Staates längst nicht
mehr aus dem Grundzins, sondern vor allem aus der Besteuerung des
täglichen Verbrauches sog. Dadurch wurden die Ärmsten am schwersten
belastet; gleichzeitig verloren der Staat und die Stadt durch ihren Verzicht
auf den Grundzins die Aussicht auf vorteilhafte Gewinnbeteiligung an dem
späteren Steigen der Grundwerte. Gerade die Einnahmen aus den wachsen-
den Bodenwerten, also die Beibehaltung des mit dem Bodenwerte wach-
senden Grundzinses, ist das Geheimnis der ungeheuren Steuerkraft der
amerikanischen Städte und ihrer niedrigen Preise für Wohnbauland ge-
worden. Von den schädlichen Folgen der Beseitigung des Berliner Grund-
zinses wird noch ausführlicher die Rede sein.
Den herbeigelockten Ansiedlern schenkte König Friedrich I. Holz,
Kalk und Steine und zahlte ihnen obendrein ı5 v. H. der aufgewandten
Baukosten aus der Akzisekasse in bar. Dem eigenbrötlerischen Individua-
Iismus, der das Aussehen moderner Städte zur Grimasse verzerrt, steuerte
der König durch die Vorschrift, daß alle Neubauten sich an die vom Bau-
meister Nering gefertigten oder gebilligten Zeichnungen halten mußten,
ein Verfahren, dessen Wiederaufnahme in unserer Zeit die städtischen Bau-
beratungsstellen anstreben und teilweise schon erreichten. Trotz der könig-
lichen Beschränkung des wilden Bauens wuchs die neue Friedrichstadt
schnell. Im Jahre 1695 waren dort bereits etwa 300 Häuser vorhanden;
1701 war der Anbau von der Dorotheenstadt (Behrenstraße) bis zur Leip-
ziger Straße vorgedrungen. Die Behrenstraße trat an Stelle des früheren
Grabens; nach Westen wurde eine Mauer gebaut, nach der noch heute die
Mauerstraße ihren Namen hat (Tafel 13 und 25).
In den neuen Stadtteilen waren es besonders die bevorrechteten Aus-
länder, die mit ihren neuen Gewerbebetrieben Berlin zum »Potosi des ger-