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schreibe bei offenem Fenster. Leben Sie wohl und gedenken
Sie freundlich
Ihres treuen
Felix Mendelssohn Bartholdy.
An seine Familie.
Kom, den 7. December 1830.
Zum ausführlichen Brief, den ich schreiben wollte, komme
ich auch heute nicht. Gott weiß, wie die Zeit hier verfliegt.
In dieser Woche habe ich mehrere sehr liebenswürdige englische
Familien kennen gelernt, die mir auch wieder vergnügte Abende
im Winter versprechen; mit Bunsen bin ich sehr viel; auch
Baini denke ich recht auszukosten. Ich glaube, er hält mich
für einen „brutissimo Tedesco“, so daß ich ihn ganz prächtig
kennen lernen kann. Mit seinen Compositionen freilich ist es
nicht weit her und so überhaupt mit der ganzen Musik hier.
An Lust möchte es wohl nicht fehlen; aber es fehlt an den
Mitteln gänzlich. Die Orchester sind unter allem Begriff;
als prima donna assoluta ist Mlle. Carl* für die Saison
an den beiden Haupttheatern engagirt, ist schon eingetroffen
und fängt an la phuie et le beau temps zu machen. Die
päpstlichen Sänger sogar werdenalt: sind fast ganz unmusikalisch,
treffen selbst die herkömmlichsten Stücke nicht richtig, und der
ganze Chor besteht aus 32 Sängern, die aber nie beisammen
sind. Concerte werden in der sogenannten philharmonischen
Gesellschaft gegeben, aber nur am Clavier; Orchester ist nicht
dabei, und als sie neulich versuchen wollten, die Schöpfung
von Haydn zu geben, so hielten es die Instrumente für un—
möglich, sie zu spielen. Wie die Blase-Instrumente gar klingen,
davon hat man in Deutschland nirgends eine Ahnung. —
Da nun der Papst gestorben ist, den 14ten das Conclave
anfängt, und also mit den Ceremonien der Beerdigung und
Früher
Sängerin am Königlichen Theater zu Berlin.