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Guten genug für eine erste Aufführung. — Auch habe ich
eine solche in meinem Leben nicht besser, ja noch nicht so gut
gehört, und ich zweifle fast, ob ich je dergleichen wieder
werde hören können, weil eben so vielerlei Guͤnstiges gerade
hier zusammentraf. — Bei so viel Licht fehlte es, wie gesagt,
aber auch an Schattenseiten nicht, und die schlimmste war
die Sopranpartie. Alles war daran so niedlich, so gefällig,
so elegant, so unrein, so seelenlos und so kopflos dazu, und
die Musik bekam eine Art von liebenswürdigem Ausdruck,
über den ich noch heute toll werden möchte, wenn ich daran
denke. Auch die Altistin war der Stimme nach nicht zu—
reichend, um den Saal zu füllen und neben solchen Maffen
und solchen Solosängern zu stehen, doch trug sie sehr gut
und musikalisch vor; da läßt sich der Mangel an Stimme
schon viel eher ertragen; wenigstens ist mir in der Musik
nichts so unangenehm, als jene gewisse kalte, seelenlose
Coquetterie, die an sich selbst so unmusikalisch ist, und die doch
so oft als Grundlage vom Singen und Spielen und Musik—
machen angetroffen wird. Sonderbar, daß ich dergleichen
sogar bei den Italienern seltener finde, als bei uns Deutschen.
Mir ist immer, als müßten unsere Landsleute es entweder
von Herzen recht gut mit der Musik meinen, oder es wäre
eben jene abscheuliche, dumme und noch dazu affectirte Kälte
in ihnen, während so eine italienische Kehle daher singt was
sie kann, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, allenfalls um
des Geldes willen; aber doch nicht um des Geldes und der
Aesthetik, und der Recensionen, und des Bewußtseins, und
der richtigen Schule, und 27,000 anderer Gründe willen,
die alle mit der innern Natur nicht aufrichtig zusammen⸗
hängen. Das ist mir wieder bei diesem Musikfest recht
aufgefallen. Moscheles war am Montag krank geworden,
und ich hatte alle Proben für ihn zu leiten. Als es so gegen
zehn Uhr Abends wurde und ich mich genug gequält hatte,
da kamen die Italiener hereingewandert und betrugen sich so
nonchalant wie immer; aber sowie die Grisi und Mario
und Lablache nur eben anfingen zu singen, dankte ich meinem
Gott innerlich; die wissen doch felbst, wie sie es haben wollen,
singen rein und im Tact, und man hört, wo das erste Viertel
ein soll: denn daß ich mich an ihrer Musik wenig erfreue,