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ich ihn denn erreicht, und mir ist so ruhig und froh und
ernsthaft zu Muthe geworden, wie ich's Euch gar nicht be—
schreiben kann. Was es ist, das so auf mich wirkt, kann ich
wieder nicht genau sagen; denn das furchtbare Coliseum und
der heitere Vatikan und die milde Frühlingsluft tragen dazu
bei, wie die freundlichen Leute, mein behagliches Zimmer und
Alles. Aber anders ist mir; ich fühle mich glücklich und ge—
sund, wie seit langem nicht, und habe am Arbeiten solche
Freude und Drang darnach, daß ich wohl noch viel mehr
hier auszuführen gedenke, als ich mir vorgesetzt hatte; denn
ich bin schon ein ganz Stück hineix Wenn nun Gott mir
Fortdauer dieses Glückes schenkt, 1. sche ich dem schönsten,
reichsten Winter entgegen.
Denkt Euch ein kleines zweifenstriges Haus am spani—
schen Platz Nr. 5, das den ganzen Tag die warme Sonne
hat, und die Zimmer im ersten Stock darin, wo ein guter
Wiener Flügel steht; auf dem Tische liegen einige Portraits
von Palestrina, Allegri ꝛc. mit ihren Partituren; ein lateini—
sches Psalmbuch, um daraus „Non nobis“ zu componiren: —
dafelbst residire ich nun. Am Capitol war mir es zu weit,
und ich fürchtete vor Allem die kalte Luft, von der ich hier
freilich nichts zu besorgen habe, wenn ich des Morgens aus
dem Fenster über den Platz sehe, und sich Alles so scharf im
Sonnenschein vom blauen Himmel abhebt. Der Wirth ist
ehemals Capitän unter den Franzosen gewesen; das Mädchen
hat die herrlichste Contraaltstimme, die ich kenne; über mir
wohnt ein Königl. Preuß. Hauptmann, mit dem ich zusammen
politisire: — kurz, das Local ist gut. Wenn ich Morgens
früh nur in's Zimmer komme, und die Sonne so hell auf
das Frühstück scheint (Ihr seht, ich bin zum Poeten verdorben),
da wird mir gleich unendlich behaglich zu Sinn; denn es ist
doch eigentlich Spätherbst, und wer kann da noch Wärme,
heitern Himmel oder Trauben und Blumen bei uns bean—
spruchen? Nach dem Frühstück geht es an's Arbeiten, und
da spiele und singe und componire ich denn bis gegen Mittag.
Dann liegt mir das ganze unermeßliche Rom wie eine Auf—
gabe zum Genießen vor; ich gehe dabei sehr langsam zu Werke
und wähle mir täglich etwas Anderes, Weltgeschichtliches aus,
— gehe einmal spazieren nach den Trümmern der alten Stadt;