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An Ferdinand Hiller in Mailand.
Leipria. den 10 December 1837.
M:in lieber Ferdinand!
Du hast mir trotz meiner letztmonatlichen Unpünklichkeit
geschrieben, dafür bin ich Dir vor en dankbar, und wirk—⸗
lich hätte ich's kaum geglaubt. Die Einrichtung eines
neuen Logis, der Umzug hinein, viele Concerte und Geschäfte,
kurz, wie nur alle die Abhaltungen heißen mögen, die ein
rechter Philister, wie ich, einem so lustigen fixen Italiener,
wie Du, gegenüber aufzählen kann, — meine Inftallirung
als Hausherr, Miethsmann, Musikdirektor der Abonnements⸗
Concerte, — das hielt mich alles im vorigen Monat von
der pünktlichen Corresppondenz ab. — Aber eben darum wollte
ich Dich bitten, und bitte nun heut' recht herzlich, laß uns
bei dieser unglaublichen Verschiedenheit unserer Lage und
Umgebung an dem Versprechen der monatlichen Briefe fest—
halten; — ich meine, es könnte uns beiden doppelt interessant
und wohlthätig sein, jetzt von einander zu hören, wo wir
uns gegenseitig verzweifelt ausländisch vorkommen müssen, —
aber eben deswegen näher als sonst. — Mir wenigstens,
wenn ich an Mailand und Liszt und Rossini denke, kommt
ein sonderbares Gefühl, Dich mitten drin zu wissen, und Dir
geht's vielleicht so, wenn Du in der Lombardischen Ebene an
Leipzig und mich denkst. Aber Du mußt mir das nächste
Mal einen recht ausführlichen langen Brief schreiben, mit
allen Details; Du glaubst nicht, wie sie mich interessiren.
Du mußt mir erzählen, wo Du wohnst, was Du schreibst,
von Liszt und Pixis und Rossini alles Mögliche, vom weißen
Dom, vom Corso, — ich liebe das lustige Land gar zu sehr,
und wenn ich von Dir daraus hören kann, so verdoppelt
sich's, — Du darfst da die Bogen nicht halbiren. Vor Allem
sag' mir, amüsirst Du Dich denn auch so himmlisch und von
Herzen darin wie ich? Ich bitte Dich um Alles, thu's und