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Auch kamen ab und zu Leute, und man plauderte von den
schweren, ängstlichen Zeiten, von Politik und von den hellen
Bergen drüben. So verstrich der Morgen; endlich um
1,11 Uhr mußte ich fort. Es war die höchste Zeit, weil
ich heut noch nach Einsiedeln wollte über den Haken. Unter⸗
wegs aber auf dem steilen Wege nach Lowerz brach mir mein
treuer Regenschirm, der mir zugleich als Bergstock diente, in
viele Stücke entzwei; das hielt mich auf, so daß ich lieber
hier geblieben bin und morgen ganz frisch hinüber gehe.
Wallenstadt, den 2. September.
(Regen⸗ und Sturmjahr.) Motto: „Von dem ersoffenen
Kupferschmied. Und wer das neue Lied nicht kann, der fängt
das alte von vorne an.“ Da sitze ich wieder mitten in den
Dünsten und Wolken, kann nicht vorwärts und nicht rück—
wärts, und wenn's Glück gut ist, kann es wieder eine kleine
UÜberschwemmung geben. Als ich über den See fuhr,
prophezeiten die Schiffer vortreffliches Wetter; folglich fing
es eine halbe Stunde darauf zu regnen an und hört wohl
so bald nicht auf; denn die Wolken hängen wieder so traurig
schwer, wie man es nur im Gebirge kennt. Würde es in
drei Tagen noch so arg, ich machte mir Nichts draus; aber
es wäre Schade, wenn die Schweiz mir zum Abschiede solch
ein böses Gesicht nachschnitte. Eben komme ich aus der
Kirche, wo ich drei Stunden lang bis in die tiefste Dämmerung
Orgel gespielt habe. Ein alter, lahmer Mann trat die
Balgen; sonst war kein Mensch in der Kirche. Das einzige
Register, das brauchbar war, war eine sehr weiche, dumpfe
Flöte im Manual und ein unbestimmter Subbaß, 16 Fuß
im Pedal; damit habe ich denn die ganze Zeit phantasirt und
kam am Ende in eine Choralmelodie in Ewoll, ohne daß
ich mich besinnen konnte, wo sie her sei. Ich konnte sie nicht
los werden, und auf einmal fiel mir ein, daß es die Litanei
war, deren Musik mir im Kopfe lag, weil mir die Worte im
Herzen liegen; nun hatte ich ein weites Feld und viel zu
phantasiren. Zuletzt kam der schwindsüchtige Subbaß ganz
allein