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will ich Euch erzählen. Erstlich nahm ich mir gleich ein Tafel⸗
clavier und packte die ewige Walpurgisnacht mit rabbia an,
damit das Ding ein Ende nähme. Auf morgen früh wird
sie auch richtig fertig, d. h. bis auf die Ouvertüre, von der
ich noch nicht weiß, ob ich eine große Symphonie oder eine
kurze Frühlingseinleitung mache. Hierüber möchte ich einen
Gelehrten hören. Nun ist das Ende besser geworden, als
ich mir selbst gedacht hatte. Das Ungethüm und der bärtige
Druide mit seinen Posaunen, die hinter ihm stehen und tuten,
macht mir königlichen Spaß, und so brachte ich ein paar
Morgen sehr glücklich zu. Noch trug zu meiner Freude der
Tasso bei, den ich zum erstenmale ordentlich und ohne Pein—
lichkeit durchlese. Es ist ein prachtvolles Gedicht; mir that
es wohl, daß ich den Goethe'schen Tasso kannte; bei den
Hauptstellen wurde ich immer daran erinnert; denn ganz wie
der Dichter dort sind seine Verse so träumerisch süß und zart;
man erquickt sich ordentlich an ihrem Wohlklang. Deine
Lieblingsstelle, lieber Vater, „Era la notte allor“, ist mir
wohl wieder aufgefallen. Aber besonders liebe ich den ganzen
Gesang, wo Clorinde getödtet wird; der ist wunderschön und
phantastisch. Nur das Ende davon will mir nicht gefallen.
Die Klagen Tancred's kommen mir mehr schön gemacht, als
wahr vor; es sind so viele sinnreiche Gedanken und Gegen—
sätze darin, und gar die Worte des Eremiten, die ihn be—
ruhigen, klingen Einem noch eher wie ein Spott auf den
Eremiten selbst; ich hätt' ihn todt gemacht, wenn er mir so
geredet hätte. Aber als ich neulich im Wagen die Episode
der Armide las, umgeben von einer italienischen Theater⸗
gesellschaft, die unaufhörlich Rossini's „AIa trema, trema“
sang, da kam mir auf einmal wieder Gluck's „Vous m'allez
quitter“‘“ und das Einschlafen Rinald's und die Fahrt in die
Luft vor die Seele, und mir wurde fast weinerlich zu Muthe.
Das ist Musik, so haben die Menschen gesprochen und gefühlt,
und so bleibt es ewig. Ich hasse die jetzigen Liederlichkeiten
von Herzen. Nimm mir es nicht übel; Dein Spruch ist ja:
Ohne Haß keine Liebe, und es war mir so sonderbar, als
mir da Gluck einfiel mit seinen großen Gestalten.
Die Abende war ich immer in Gesellschaft, und zwar
in Folge eines verrückter Streichs, der mir wieder einmal