don Treitschkes Geschichte das alles und auch, was der Vater bei
seinen amtsmäßigen Studien im Staatsarchiv gefunden und uns mit—
geteilt hat, näher und ich werde in meinen alten Tagen eine warme
preußisch-deutsche Patriotin. Der Vater fand damals noch einen
Spruch, den er uns oft gesagt, den Wahlspruch der ersten Königin
von Preußen, der Großmutter des alten Fritz, der Zeitgenossin von
Leibniz: „mon devoir est mon plaisir“. Dieser Spruch, der so viel
Segen und Glück enthält, ist mir oft bei Dir, meine liebe treue Lotte,
eingefallen, denn ich sehe ihn immer in Dir verkörpert und so wird
er hoffentlich auch Eurem lieben Nachwuchs nicht nur dem Worte
nach bekannt, sondern in Fleisch und Blut lebendig werden!
Nachdem die Großinntter mehr als ein Jahr außerhalb Berlins,
in Webau, Straßburg, Bonn und Machen verlebt hatte, ward das Ver—
langen immer stärker in ihr, wieder eine kleine stille Welt für sich, eine
eigene feste Heimat zu haben. Die Frage, ob Berlin der rechte Platz
für Ferdinandens alte Tage sei, wurde unter ihren Kindern oft erwogen
und es wurde ihr der Wunsch, sie möge in das schöne Bonn übersiedeln,
wo seit 1882 Friedrich und Lotte mit ihrem reichen Kinderkreise lebten,
sehr nahe gelegt. Auch später tauchte noch einmal die Frage eines Wechsels
auf; beide Male gab Ferdinande mit Entschiedenheit den Ausschlag: sie
beschloß nach Berlin zurückzukehren.
Nach dem Winteraufenthalt in Webau bewog Friedrich die Mutter
ihn Ostern auf einer Ferienreise nach Oberitalien zu begleiten. Nachdem
einmal die Skrupel, ob sich für sie „alte Frau solch flottes Reisen auch
noch schicke“, überwunden waren, nahm sie mit Freuden alle neuen Ein—
drücke in sich auf. Sie war durch eine Schwäche im Rücken zu sehr
gehemmt, um den Kunstwerken nachzugehen. Wo sie aber ohne An—
strengung ein schönes, altes Bild sehen konnte, wie z. B. in der Kirche
von Lugano, da empfand sie große Freude daran; ein solcher Ein—
druck haftete tief und sie kam in der Erinnerung oft darauf zurück. Auch
das Wiedersehen alter Freunde brachte ihr die Reise: in Basel einen Be—
such bei dem Bruder Friedrich und seiner Familie, in Genug ein Ju—
sammentreffen mit Professor Allen Thomson aus Glasgow und dessen
Frau und Nichten, und in Mentone einen Aufenthalt bei Friedrichs schwer
Feidendem Schwiegervater Fabricius und seiner Frau. Auf der Rückreise
landete die Mutter zunächst für längere Zeit in Straßburg und schreibt
zon dort an ihre Töchter:
Indem ich die Sorgen und mit dankbarem Herzen auch die
Freuden des einen Kinderhanuses wieder ganz teile, fühle ich die Auf—
Jaben der auderen mit. Jugendliche Kraft soll ja ihre Last tragen.