nicht ängstlich, wenn er auch fürs erste noch schmal bleibt — er wird
eben der Mutter nachschlagen wie die meisten ersten Söhne.“
Man muß Großmutter Ferdinande an das Bettchen eines kleinen
Neugeborenen haben treten sehen, wie sie ihm das Kißchen zurechtrückte,
wie sie ihm mit milder Stimme zusprach: es lag in alledem nicht nur
der Ausdruck hingebender Liebe, sondern auch etwas wie Ehrfurcht vor
der kleinen Menschenknospe, diesem heiligen Geheimnis, das uns anver—
traut ist. Ter harmlose Ausdruck, mit dem der Berliner ein kleines Kind
bezeichnet: „das kleene Wurm“, brachte Ferdinanden in vollcu Harnisch.
Sie sagt: „Ich will keine Behauptung über die menschliche Natur auf—
stellen, aber ich sehe immer wieder, wie wir älteren, im ordinären Leben
verstaubten Menschen die Kinder aus ihrem Himmelsleben herunterziehen
und es trüben. Ich freue mich, wenn ihr jungen Mütter dafür Auge
und Sinn habt, und in den Kindern das Schöne, was ihnen Gott in
das Herz gelegt hat, glaubt und es ihnen bewahren helft.“ Weil Fer⸗
dinande von dem Grundsatz ausging, daß vieles Schlechte erst von außen
dem Kinde nahe gebracht, viel Gutes mit Leichtigkeit früh in ihm geweckt
werden könne, darum wollte sie die erste Kinderpflege mit so großem
Ernst, mit Gewissenhaftigkeit und Vernunft gehandhabt sehen. Sie stimmte
dem Wort eines Pädagogen zu, daß die Schläge, womit ein Kind nach
dem vierten Lebensjahre gestraft werde, den Eltern zukämen, dafür, daß
sie ihr Kind bis dahin nicht besser erzogen hätten.
Wiewohl manches selbstverständlich scheinen mag, führen wir hier
noch in kurzem aus, wie Ferdinande in der Praxis ihre Grundsätze durch—
führte. Vielleicht läßt eine unberatene junge Mutter sich gern von der
dewährten alten Hand auf einen guten Weg leiten.
In der Umgebung eines kleinen Kindes durfte nie Wortwechsel oder
erregtes Gespräch geführt werden: heftiges Schreien des Kindes suchte Fer—
dinande durch mildes Zureden und sanftes Nlopfen mit der flachen Hand
zu begütigen und forschte nach jeder Falte oder Beengung der kleinen
Hlieder, die Unbehagen schaffen konnte. Tas Kind durfte aber nicht
herumgetragen werden und sich nicht vor der bestimmten Zeit eine Mahl—
zeit erzwingen. Sie glaubte nicht an die Eifersucht, welche Kinder em
ofinden sollen, wenn ein Jüngeres der Hauptgegenstand der Pflege wird.
Indem sie das Kind früh zu Liebe, zu Mitteilen und Nachgeben erzog,
wehrte sie dem Egoismus. Nie durfte ein Ausspruch des Kindes in
seiner Gegenwart wiederholt, nie ein Kind im Spiel, in das es vertieft
war, unnötig angesprochen und darüber berufen werden. Ferdinande gab
dent Kind auf jede — auch die wunderlichste — Frage mit freundlichem
Ernst Bescheid und verwies der schwachen Mutter in solchem Fall unan—
gebrachtes Lachen. In der Unbefangenheit sah sie überhaupt das wahre
Paradies der Kinder, aus dem sie nur durch Schuld ihrer Umgebung
bertrieben würden. Zärtlichkeitsbezeugungen, Küssen und Liebkosen ließ
Ferdinande nicht aufkommen: auch das Beschenken und „Mitbringen“ hielt
ie nicht für gut. Sie schreibt: „Gewöhne die Kinderlein recdhst volles.