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Full text: Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen / Thiel, Susann (Rights reserved)

Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen Bedarfe, Praxisansätze und Handlungsempfehlungen DEUTSCHER PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND GESAMTVERBAND e. V. | www.paritaet.org Impressum Herausgeber: Der Paritätische Gesamtverband Oranienburger Straße 13-14 D-10178 Berlin Telefon: +49 (0) 30/2 46 36-0 Telefax: +49 (0) 30/2 46 36-110 E-Mail: info@paritaet.org Internet: www.paritaet.org Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Ulrich Schneider Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage, Juni 2020 Autorinnen: Susann Thiel, Der Paritätische Gesamtverband Kapitel II in Co-Autorinnenschaft mit Indre Bogdan, Paritätisches Bildungswerk Bundesverband Einzelne Beiträge von Gülin Mansur, Patricia Morosan und Fatuma Musa Afrah Redaktion: Susann Thiel, Der Paritätische Gesamtverband Gestaltung: Christine Maier, Der Paritätische Gesamtverband Bilder © Samantha Font-Sala (Titel), Patricia Morosan (S. 9, 21, 34,35), Fatuma Musa Afrah (S.12), penyushkin - Adobe stack (S. 25), JPC-PROD- shutterstock (S. 27), Arbeit und Bildung e.V. (S. 30, 31), Gülin Mansur (S. 32,33), Wildwasser Oldenburg e.V. (S. 43), Inhalt Danksagung ........................................................................................................................................................................ 3 Vorwort ................................................................................................................................................................................ 4 1. Geflüchtete Frauen in Deutschland – Genderspezifische Bedarfe und Herausforderungen im Aufnahme- und Integrationsprozess ................................................................................................................ 6 2. Warum Empowermentarbeit so wichtig ist und wie sie konkret unterstützen kann ................................... 13 3. Beispiele aus der Praxis: Gelungene Ansätze in der Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen ......... a) Zugangsmöglichkeiten zu Informationen über eigene Rechte und dem Hilfs- und Unterstützungssystem für gewaltbetroffene geflüchtete Frauen ............................................................................ b) Traumasensible Stabilisierung als wesentliche Voraussetzung für Verarbeitung von Gewalterfahrungen und den weiteren Integrationsprozess ....................................................................................... c) Sensibilisierte und geschulte Kultur- und Sprachmittler*innen für die Vermittlung und Wahrnehmung von sexuellen und reproduktiven Rechten ....................................................................................................................... d) Kulturelle und kreative Workshops zur Stärkung der Selbstwirksamkeit .............................................................. e) Stärkung der Selbsthilfe zur Integration in den Arbeitsmarkt .................................................................................... f ) Kreative und stärkende Unterstützungsangebote für besonders schutzbedürftige geflüchtete Mädchen und junge Frauen in Unterkünften ................................................................................................................... g) Peer-to-peer: Stärkung der Selbsthilfepotentiale und Aufbau von Selbsthilfestrukturen von und für geflüchtete Frauen............................................................................................................................................... h) Selbststärkung und Gewaltprävention von jungen geflüchteten Frauen durch Selbstverteidigungstechniken ............................................................................................................................................... i) Stärkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch langfristige Unterstützung und Begleitung .... j) Stärkung von haupt- und ehrenamtlichen Akteuren in der Arbeit mit LSBTIQ*-Geflüchteten ....................... k) Verhinderung von sekundärer Traumatisierung in der Arbeit mit geflüchteten Mädchen und Frauen ..... 21 22 24 26 30 36 37 38 39 40 41 42 4. Tipps für die Praxis: Handlungsempfehlungen für die Unterstützungsarbeit mit geflüchteten Frauen ....... a) Projektplanung: Vorbereitende Überlegungen und Maßnahmen ............................................................................. b) Rahmenbedingungen gestalten: Besondere Bedarfe im Blick haben ..................................................................... c) Zugänge ermöglichen: Wie erreiche ich die Zielgruppe und wie spreche ich sie an? ......................................... d) Kontinuität der Teilnahme erhalten: Zum Umgang mit unregelmäßigen Teilnehmenden .............................. e) Zur Arbeit mit traumatisierten und von Gewalt betroffenen geflüchteten Frauen ............................................. f ) Zur Frage der Einbindung von geflüchteten Männern ................................................................................................... 44 44 48 51 55 58 61 5. Weiterführende Literaturhinweise und Praxistipps für die Arbeit mit geflüchteten Frauen und anderen besonders schutzbedürftigen Personen ............................................................................................... a) Praxistipps für Fachkräfte und ehrenamtlich Engagierte .............................................................................................. b) Informationsmaterial für Geflüchtete ................................................................................................................................... c) Wissenswertes: Fachinformationen, Studien, Berichte ................................................................................................... 62 62 65 67 1 „Wir brauchen Projekte wie diese, wir brauchen einen women space.“ „Women empowerment!“ „Ich bin eine Frau und habe Rechte wie andere.“ „Frauen können alles machen – man muss sie nur lassen.“ r erkennen und allen zeigen.“ „Frauen haben viele Stärken – sie müssen sie aber noch besse „Frauen sollten die Arbeit tun, die auch Männer tun, weil sie genauso fähig sind, alles zu machen.“ motivieren, ihnen Mut zu machen, „Wir brauchen neue Wege, Frauen zu “ ngen von Ablehnung gemacht haben. insbesondere dann, wenn sie Erfahru „Was Frauen stärkt? Dass wir uns treffen und etwas gemeinsam machen und unsere Stärken zeigen, dass wir gut sind und alles machen können.“ ich, dass ich mit Problemen „Früher habe ich immer Männer um Hilfe gefragt. Jetzt weiß nicht mehr.“ auch zu euch kommen kann. Ich brauche die Männer jetzt „Ich habe so etwas noch nie gemacht! Ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann.“ „Hier können wir so sein wie wir sind, ohne uns zu verstellen.“ s und das ist gut so.“ un „Wir Frauen sind unter „Ich weiß jetzt, dass ich nicht allein bin.“ „Ich habe von euch in einer Woche mehr gelernt als im Wohnheim in sechs Monaten.“ „Ich habe hier richtige Freundinnen gefunden und viel Freude erlebt.“ „Ich habe hier eine gute Orientierung bekommen.“ „Ich habe hier einen Ort gefunden, an dem ich mich ohne Angst vor Missve rständnissen äußern kann.“ „Ich kann wieder lachen!“ „Ich fühle mich heute wieder wohl!“ Zitate geflüchteter Frauen, die im Rahmen der Paritätischen Arbeit durch Beratungsangebote und Projekte erreicht wurden und ihre Meinungen zu den Angeboten äußern bzw. zur Frage, warum Empowermentarbeit so wichtig für geflüchtete Frauen ist. 2 Danksagung Wir danken allen, die durch ihre Arbeit, ihre Erfahrungen und Expertise sowie durch kritische Anstöße maßgeblich zum Entstehen dieser Publikation beigetragen haben. Ein besonderer Dank gilt den Frauen, die im Rahmen einer Paritätischen Umfrage ihre Expertise und Perspektive vertrauensvoll mit uns geteilt haben. Hierdurch konnten wichtige Bedarfe geflüchteter Frauen identifiziert und Anregungen für die Handlungsebene abgeleitet werden. Daneben möchten wir den Projektverantwortlichen und weiteren Beteiligten, die mit ihrer Unterstützungsarbeit wichtige Angebote mit und für geflüchtete Frauen im Rahmen des Paritätischen realisieren, ganz herzlich für ihr Engagement, ihre Fachlichkeit sowie die wertvollen Praxiserfahrungen und -reflexionen danken. Der stets bereichernde und konstruktive kollegiale Austausch war grundlegend für die Inhalte dieser Publikation. Ganz besonders sollen dabei die Paritätischen Mitgliedsorganisationen, die im Rahmen des von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration geförderten Projektes „Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“ einen essentiellen Beitrag zum Aufnahme- und Integrationsprozess geleistet haben, hervorgehoben werden: 3 • Arbeit und Bildung e.V. (Marburg, Hessen) • Das Boot Wismar e.V. (Wismar, Mecklenburg-Vorpommern) • Familienhaus Magdeburg gGmbH (Magdeburg, Sachsen-Anhalt) • Familienzentrum Müze e.V. (Limburg, Hessen) • frauenBeratung nürnberg für gewaltbetroffene Frauen & Mädchen (Nürnberg, Bayern) • Frauenberatungs- und Kontaktstelle Gelsenkirchen e.V. (Gelsenkirchen, Nordrhein-Westfalen) • Frauen für Frauen e.V. Leipzig (Leipzig, Sachsen) • Frauen für Frauen e.V. Ludwigsburg (Ludwigsburg, Baden-Württemberg) • Frauengesundheitszentrum SIRONA e. V. (Wiesbaden, Hessen) • Frauen helfen Frauen in Not e.V. / Frauentreff Elmshorn (Elmshorn, Schleswig-Holstein) • Frauenhilfe München gGmbH (München, Bayern) • Frauenzentrum Cottbus (Cottbus, Brandenburg) • Frauenzentrum TOWANDA Jena e.V. (Jena, Thüringen) • Für eine kulturvolle, solidarische Welt e.V. c/o Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I. (Berlin) • Mannheimer Frauenhaus e.V. (Mannheim, Baden-Württemberg) • Mütterzentrum-Vahr e.V. (Bremen-Vahr, Bremen) • pro familia Landesverband Hamburg e.V. (Hamburg) • pro familia Landesverband Rheinland-Pfalz e.V. (Mainz, Rheinland-Pfalz) • Refugio München (München, Bayern) • Stiftung Akademie Waldschlösschen (Gleichen, Niedersachsen) • SUANA/ kargah e.V. (Hannover, Niedersachsen) • Tritta e.V. – Verein für feministische Mädchenarbeit (Freiburg, Baden-Württemberg) • VIBB Essen e.V. (Essen, Nordrhein-Westfalen) • Wildwasser Oldenburg e.V. (Oldenburg, Niedersachsen) Vorwort Die vorliegende Publikation ist auf Grundlage der jahrelangen fachlichen Expertise und Praxiserfahrungen des Paritätischen und seiner Mitgliedsorganisationen sowie der Perspektiven und Rückmeldungen geflüchteter Frauen1 entstanden. Ausgehend von einem Überblick über die Lebensbedingungen und aktuellen Herausforderungen im Aufnahme- und Integrationsprozess in Deutschland, zeigt sie konkrete Bedarfe geflüchteter Frauen auf und stellt diesbezüglich gelungene Praxisansätze aus der Unterstützungsarbeit mit geflüchteten Frauen vor. Daraus werden zentrale Erkenntnisse abgeleitet und als praktische Tipps und Impulse in Form von Handlungsempfehlungen für die (weitere) Arbeit mit geflüchteten Frauen gegeben. Im Zentrum steht dabei immer die Frage, wie geflüchtete Frauen am besten unterstützt und gestärkt werden können, welche Haltung seitens Sozialer Arbeit dafür wichtig ist, welche Zugänge, Ansätze und Formate sich für die verschiedenen Bedarfe der Unterstützung eignen und welche Möglichkeiten es gibt, auf Herausforderungen im Rahmen dieser Arbeit zu reagieren. Die Publikation richtet sich somit in erster Linie an Fachkräfte und Engagierte vor Ort, die Angebote für geflüchtete Frauen durchführen (wollen) sowie an die interessierte Fachöffentlichkeit. erst ermöglichen und befördern können. Hierzu trägt die Arbeit unserer Mitgliedsorganisationen wesentlich bei. Zahlreiche Paritätische Mitgliedsorganisationen sind mit ihrer Arbeit zu wichtigen Anlaufstellen für geflüchtete Frauen geworden. Dazu zählen u.a. Fachberatungsstellen für gewaltbetroffene Frauen, psychosoziale Zentren und Frauenhäuser genauso wie Bildungseinrichtungen und Familien- und Gesundheitszentren. Die Expertise und Erfahrungen von Migrant*innen(selbst)organisationen im Verband sind dabei zentral für die Qualität und Weiterentwicklung der Arbeit mit der Zielgruppe. Immer mehr Mitgliedsorganisationen versuchen flucht- und geschlechtssensibel die Zielgruppe der geflüchteten Frauen und Mädchen sowie andere besonders Schutzbedürftige mit ihren Angeboten zu erreichen und bedarfsgerecht zu unterstützen. Neben der Umsetzung mehrerer Bundesprogramme im Bereich Migration (u.a. Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer, Gemeinwesen orientierte Projekte, Migrantinnen einfach stark im Alltag – MIA) setzt sich der Paritätische Gesamtverband im Rahmen der Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ des Bundesfamilienministeriums seit 2016 verstärkt für verbesserte Rahmenbedingungen des Gewaltschutzes und der Unterbringung für geflüchtete Frauen und weitere besonders Schutzbedürftige ein. Wesentlich für die vorliegende Publikation sind darüber hinaus die Erfahrungen aus dem Projekt „Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“. Von 2016 bis 2019 förderte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Projekte des Paritätischen zur Unterstützung von Frauen mit Fluchterfahrungen und anderen besonders schutzbedürftigen Personengruppen wie bspw. LSBTIQ*, traumatisierte Geflüchtete, Minderjährige, etc. Im Jahr 2019 wurden in diesem Rahmen 24 Paritätische Mitgliedsorganisationen in ihrer Arbeit gefördert. Bedauerlicherweise wurden die Paritätischen Projekte in der Förderung durch die Integrationsbeauftragte ab 2020 jedoch nicht mehr berücksichtigt. Ziel der Projekte war es, geflüchtete Frauen durch ein breites und bedarfsorientiertes Angebot mit vielfältigen Ansätzen an Beratung, Gewaltprävention, Austausch und Empowerment bei der Viele der nach Deutschland geflüchteten Frauen haben erhebliche Menschenrechtsverletzungen erfahren. Sie suchen in erster Linie Schutz und eine Perspektive für ihre Zukunft. Ihre spezifischen Lebenslagen und Herausforderungen müssen vor diesem Hintergrund ganz besonders stark im Fokus der Aufnahme- und Integrationspolitik stehen. Die Vermittlung von Sicherheit und Orientierung im Aufnahmeland, der Aufbau von Stabilität und Vertrauen sowie die Stärkung der Selbstwirksamkeit und des Selbstwertgefühls – all dies sind wichtige Grundpfeiler, die einen weitergehenden Integrationsprozess 1 Der Begriff „Frau“ oder „Mädchen“ wird in der vorliegenden Publikation als Teil der sozial konstruierten Zweigeschlechtlichkeit benutzt. Damit besteht die Gefahr der Reproduktion der binären Kategorien von „Frau“ und „Mann“ und des Unsichtbar-Machens von allen, die sich außerhalb dieses binären Normsystems verorten. Gleichzeitig erscheint es wichtig, mit der Markierung als „Frau“ auf die ungleichen Besitz- und Machtverhältnisse sowie die strukturellen Unterschiede hinzuweisen und in dieser Analyse Forderungen im Sinne einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe zu stellen. Menschen, die sich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Gender-Identität als LSBTIQ* (lesbisch, schwul, bi, trans, inter, queer oder andere Identitäten) definieren, müssen dabei immer mitgedacht und genannt werden, da sie ähnlichen Unterdrückungsmechanismen ausgesetzt sind. 4 Orientierung in ihrem neuen Lebensumfeld und der Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens zu unterstützen. Bundesweit konnten zahlreiche wirksame Angebote und Unterstützungsleistungen geschaffen sowie Strukturen für die Zielgruppe auf- und ausgebaut werden. Daneben wurden wichtige Konzepte für Sensibilisierungen und Schulungen für Fachkräfte in Unterkünften und anderen Feldern der Sozialen Arbeit entwickelt, sodass weitere Akteure für die Arbeit mit geflüchteten Frauen und anderen besonders Schutzbedürftigen gestärkt werden konnten. Die Lebensbedingungen von geflüchteten Frauen sowie die Unterstützungsarbeit mit ihnen sind durch die Ausbreitung von COVID-19 und den damit zusammenhängenden Schutzmaßnahmen und Beschränkungen akut und nachhaltig geprägt worden. Besonders betroffen sind geflüchtete Frauen, die in Großunterkünften leben und aufgrund der schwer einzuhaltenden Schutzmaßnahmen vermehrt Risikofaktoren ausgesetzt sind. Räumliche Enge und fehlende Privatsphäre machen ein Einhalten der allgemeinen Vorsorgemaßnahmen unmöglich und können die gesundheitliche und psychosoziale Situation erheblich beeinträchtigen. „Social distancing“ und ein „Rückzug“ in das eigene Zuhause ist für viele von ihnen nicht möglich. Hinzu kommt, dass vielerorts Beratungsstellen und Unterstützungsangebote nicht mehr im gewohnten Maße zugänglich waren bzw. es teilweise noch immer nicht sind. Ein komplettes Umstellen auf internetbasierte Kommunikation kann hier für einige Angebotsbereiche eine Alternative bieten, jedoch hat auch diese Form der Unterstützung ihre Grenzen. Für die hier vorliegenden Praxisansätze und Handlungsempfehlungen, die vor dem Ausbruch der Pandemie entwickelt worden sind, müssen diese Bedingungen und Schutzmaßnahmen stets mitgedacht und berücksichtigt werden. Sie machen noch einmal mehr deutlich, wie wichtig der Zugang zu bzw. die Schaffung von Angeboten der Unterstützungs- und Empowermentarbeit für geflüchtete Frauen ist. Susann Thiel Referentin für Flüchtlingspolitik und -hilfe beim Paritätischen Gesamtverband 5 1. Geflüchtete Frauen in Deutschland – Genderspezifische Bedarfe und Herausforderungen im Aufnahme- und Integrationsprozess Viele Frauen haben geschlechtsspezifische Gewalt in ihren Herkunftsländern und auf der Flucht erlebt Die Situation von geflüchteten Frauen in Deutschland ist durch spezifische Fluchtursachen und ihre Folgen sowie besondere Bedürfnisse und Herausforderungen im Aufnahme- und Integrationsprozess charakterisiert. Ihr besonderer Schutz- und Unterstützungsbedarf, aber auch ihre Stärken werden noch immer nicht hinreichend berücksichtigt, sodass dadurch erhebliche Lücken in der Gewährung und Wahrnehmung von Rechten und gesellschaftlicher Teilhabe für geflüchtete Frauen entstehen.2 In den weltweiten Fluchtbewegungen spielen Frauen eine immer größere Rolle. 70,8 Millionen Menschen waren 2018 auf der Flucht – die Hälfte davon weiblich.3 Frauen fliehen, genau wie viele andere auch, aufgrundaufgrund von Krieg, politischer Verfolgung, ethnischer und religiöser Zugehörigkeit, Armut, Hunger, Folgen von Umweltzerstörung oder mangelnder Bildung und medizinischer Versorgung. Sie sind zudem jedoch weiteren spezifischen Menschenrechtsverletzungen und verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt, die fast ausschließlich Frauen betreffen, so z. B. Zwangsverheiratungen, Ehrenmorde, FGM*FGC (female genital mutilation und female genital cutting), häusliche Gewalt, Zwangsprostitution, Frauenhandel, sexualisierte Gewalt (insbesondere auch als Kriegsstrategie) und Bestrafungen aufgrund von Ehebruch oder wegen des Verstoßes gegen Bekleidungsvorschriften. Auch während der Flucht besteht für Frauen die konkrete Gefahr, Opfer von (organisiertem) Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung bzw. zur Arbeitsausbeutung zu werden.4 Als Lesben, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queer sind sie darüber hinaus häufig von spezifischer Diskriminierung und Verfolgung aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung betroffen.5 So können bspw. geschlechtsspezifische Traumatisierungen und die Verantwortung für mitreisende Kinder die Mobilität geflüchteter Frauen, ihre Teilnahme an Bildungsangeboten sowie den Zugang zu medizinischer und psychosozialer Versorgung erheblich einschränken. Dies wiederum kann vielfältige Auswirkungen auf die Integrations- und Teilhabechancen haben. Geflüchtete Frauen werden insbesondere beim Spracherwerb, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu geflüchteten Männern und zu anderen Frauen ohne Fluchtbiografien benachteiligt und sind in diesen Bereichen auffallend unterrepräsentiert. Die Beschränkungen durch die Corona-Pandemie verstärken diese Effekte um ein Vielfaches. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit einer gendersensiblen Aufnahmeund Integrationspolitik und werden im Folgenden näher beleuchtet. Im Jahr 2018 machten die ca. 70.000 weiblichen Geflüchteten mehr als 43 Prozent der Asylerstantragsteller*innen aus.6 Die Mehrheit der Frauen kommt dabei aus Syrien, Irak, Afghanistan, Iran, Nigeria, und Eritrea; aus Ländern, in denen seit Jahren Krieg und Vertreibung herrscht und physische, sexualisierte wie auch psychische und strukturelle Gewalt alltäglich ist.7 3 Vgl. United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) (2018): Global Trends. Forced Displacement in 2018. Geneva. 4 Vgl. Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel – KOK e.V. (2017): Policy Paper „Flucht & Menschenhandel – Betroffene erkennen, unterstützen, schützen“. Berlin. https://www.kok-gegen-menschenhandel.de/ fileadmin/user_upload/medien/Projekte/KOK_PolicyPaper_2017_WEB.pdf 5 Siehe Dörr, P. & Träbert, A. (2019): LSBTI*-Geflüchtete im Asylverfahren. Verfolgung aufgrund der sexuellen und geschlechtlichen Identität. In: Asylmagazin Ausgabe 10-11/2019, S. 352-359. 6 Vgl. BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Ausgabe Dezember 2018. 7 Siehe u.a. Amnesty International, Report 2017/2018. Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, S. Fischer. 2 Siehe dazu auch Bektaş, L, Kovačević, T, und Thiel, S. (2019): Die Situation geflüchteter Frauen im Asylverfahren. In: Asylmagazin Ausgabe 12/2019, S. 392-400. 6 Geflüchtete Frauen sind verstärkt von Risiken psychischer Erkrankungen betroffen Die aktuelle Lebens- und Unterbringungssituation kann negative Folgen für das (psychische) Wohlbefinden geflüchteter Frauen haben Das Erleben geschlechtsspezifischer Gewalt kann erhebliche Auswirkungen auf die (psychosoziale) Gesundheit von Frauen haben. Basierend auf den Daten der repräsentativen Längsschnittbefragung des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und aktuellen Analysen8 ist anzunehmen, dass Geflüchtete im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt einem höheren Risiko ausgesetzt sind, an Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und Depressionen zu erkranken. Unter den Geflüchteten sind Frauen verstärkt betroffen. Die Forscher*innen schätzen, dass das Risiko einer Erkrankung bei Frauen über 35 Jahren bei 56 Prozent und bei Frauen über 45 Jahren sogar bei 69 Prozent liegt. Frauen verfügen zudem über ein weitaus geringeres psychisches Wohlbefinden, unter ihnen treten häufiger Symptome für depressive Erkrankungen und Ängstlichkeit auf. Erkenntnissen der Autor*innen einer Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK9 zufolge, hängt die schlechtere Einschätzung des Wohlbefindens und der psychosozialen Gesundheit mit einer schlechteren Lebenssituation in den Erstaufnahmeeinrichtungen sowie den ungewissen Zukunftsperspektiven zusammen.10 Dies bestätigen auch Schouler-Ocak/Kurmeyer11, die mit ihrer Studie geflüchtete Frauen in den Fokus gerückt haben: Mehr als die Hälfte bezeichnet ihre Wohnsituation demnach als schlecht oder sehr schlecht. Die Bedingungen in den Unterkünften ermöglichen ihnen keine Privatsphäre oder Rückzugsmöglichkeiten. Die Wohnverhältnisse sind beengt, die Lautstärke belastend, die Lage meist isoliert und die Mobilität und Teilhabe durch mangelnde Infrastruktur erschwert sowie durch eingeschränkte Handlungsund Selbstbestimmungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Zudem werden die hygienischen Bedingungen, die häufig nicht nach Geschlechtern getrennten Sanitärräume und die mancherorts nicht abschließbaren Toiletten und Duschen kritisiert. All dies kann sich negativ auf den Gesundheitszustand auswirken und sich in Traurigkeit, der Neigung zum Weinen, Schlafschwierigkeiten, Nervosität, Angstgefühlen und einem Gefühl der Einsamkeit niederschlagen. Dabei müssen, neben möglichen traumatischen Erfahrungen vor oder während der Flucht, auch weitere Einflussfaktoren im aktuellen Lebenskontext geflüchteter Frauen berücksichtigt werden. So können bspw. die aufenthaltsrechtliche Situation, unsichere Zukunftsperspektiven oder die Wohnsituation Traumata potentiell verstärken und negative Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden haben. 8 Vgl. Brücker, H., Croisier, J., Kosyakova, Y., Kröger, H., Pietrantuono, G., Rother, N. & Schupp, J. (2019): Zweite Welle der IAB-BAMF-SOEP-Befragung Geflüchtete machen Fortschritte bei Sprache und Beschäftigung. BAMFKurzanalyse Ausgabe 01/2019. Nürnberg. https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/ kurzanalyse1-2019-fortschritte-sprache-beschaeftigung.pdf?__ blob=publicationFile 9 Vgl. Schröder, H.; Zok, K. & Faulbaum, F. (2018): Gesundheit von Geflüchteten in Deutschland – Ergebnisse einer Befragung von Schutzsuchenden aus Syrien, Irak und Afghanistan. WidO-monitor 01/2018. Berlin. https://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/ archiv/2018/widomonitor_1_2018_web.pdf 10 Siehe u.a. Albers, H. (2013): Lebensbedingungen und psychische Gesundheit der Bewohner der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, Living conditions and mental health of residents of the shared accommodation centre for asylum seekers in Würzburg, Germany. 11 Vgl. Schouler-Ocak, M. & Kurmeyer, C. (2017): Study on Female Refugees. Abschlussbericht. Repräsentative Untersuchung von geflüchteten Frauen* in unterschiedlichen Bundesländern in Deutschland. Berlin. https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/ Kurzanalysen/kurzanalyse1-2019-fortschritte-sprache-beschaeftigung. pdf?__blob=publicationFile&v=12“&HYPERLINK „https://www. bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Kurzanalysen/ kurzanalyse1-2019-fortschritte-sprache-beschaeftigung.pdf?__ blob=publicationFile&v=12“v=12 7 Geflüchtete Frauen sind nicht hinreichend vor Gewalt in Aufnahmeeinrichtungen geschützt Der Zugang zu Informationen über die eigenen Rechten sowie das Wissen und die Zugänge zu Teilhabemöglichkeiten sind für viele geflüchtete Frauen eingeschränkt Geflüchtete Frauen und andere besonders schutzbedürftige Menschen wie bspw. LSBTIQ* sind in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften in einem besonderen Maße der Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt durch ihre Partner*innen, andere Bewohner*innen, Mitarbeitende oder Sicherheitsdienste der Einrichtungen ausgesetzt. Das Wissen um die eigenen Rechte ist eine grundlegende Voraussetzung für die eigenen Handlungsund Gestaltungsmöglichkeiten. Alle Frauen haben das Recht, die eigenen Rechte zu kennen. Doch in der Praxis hat sich gezeigt, dass viele geflüchtete Frauen nicht oder nicht genügend über ihre Rechte in Deutschland informiert sind und sehr viele Fragen und Unklarheiten diesbezüglich vorhanden sind. Dies betrifft sowohl das Wissen um die eigenen Rechte im Asylverfahren als auch Rechte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit oder psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten bei geschlechtsspezifischer Gewalt. Auch Informationen über Sprachkurse oder lokale Angebote und Veranstaltungen erreichen nicht alle Frauen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen werden viele Frauen durch die Unterbringung in großen Unterkünften isoliert. Zum anderen fehlen vielerorts Angebote zur Sprachmittlung.15 Verschiedene Maßnahmen haben in den letzten Monaten und Jahren zu Verbesserungen geführt. So hat das Bundesfamilienministerium 2016 zusammen mit UNICEF und weiteren Partner*innen Mindeststandards für den Schutz von geflüchteten Menschen in Unterkünften entwickelt und an Modellstandorten erprobt.12 Einzelne Bundesländer sowie Städte haben eigene Schutzkonzepte erstellt. Zuletzt wurden im August 2019 mit der Einführung der bundesgesetzlichen Regelung in § 44 Abs. 2a und § 53 Abs. 3 Asylgesetz Länder und Kommunen verpflichtet, geeignete Schutzmaßnahmen bei der Unterbringung zu treffen. Doch flächendeckend weist der Gewaltschutz in Unterkünften noch immer erhebliche Defizite auf. Noch immer gibt es Orte, an denen Duschen nicht abschließbar sind, Toiletten nur nachts über lange Flurgänge erreichbar sind oder Rückzugsräume und Beschwerdestellen fehlen.13 Noch immer fehlt es an verbindlichen, effektiven, nachhaltigen und „gelebten“ Gewaltschutzkonzepten sowie einer umfänglichen und bedarfsgerechten Hilfe- und Versorgungsstruktur. Vor allem aufenthaltsrechtliche Regelungen und bürokratische Hürden wie bspw. die Residenzpflicht und Wohnsitzauflagen erschweren immer wieder einen effektiven Schutz vor Gewalt.14 12 Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften der Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ https://www.gewaltschutz-gu.de/ themen/die_mindeststandards 13 Vgl. u.a. Dilger, H., Dohrn, K., and in Collaboration with International Women Space (2016): Living in Refugee Camps in Berlin: Women’s Perspectives and Experiences, Weißensee Verlag, Berlin. 14 Siehe Policy Paper: Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – auch in Flüchtlingsunterkünften, hrsg. vom Deutschen Institut für Menschenrechte (2015) https://www.institut-fuer-menschenrechte. de/publikationen/show/policy-paper-nr-32-effektiver-schutzvorgeschlechtsspezifischer-gewalt-auch-in-fluechtlingsunter/. Zudem siehe u.a. „Aktuelle Problemanzeigen im Zusammenhang mit der Wohnsitzregelung nach § 12a AufenthG und dem Schutz vor Gewalt“ des Paritätischen Gesamtverbandes vom Juli 2019: https://www. der-paritaetische.de/fachinfos/aktuelle-problemanzeigen-imzusammenhangmit-der-wohnsitzregelung-nach-12a-aufenthg-und-demschutz/ 15 Vgl. Schouler-Ocak, M. & Kurmeyer, C. (2017), a.a.O. (Fn. 11). Darüber hinaus ist sprachliche Verständigung eine Grundvoraussetzung für den Zugang zu bestimmten sozialen Leistungen und somit für gesellschaftliche Teilhabe, siehe Paritätisches Positionspapier (2018): Sicherstellung der Sprachmittlung als Voraussetzung für Chancengleichheit beim Zugang zu Sozialleistungen, https://www.derparitaetische.de/fachinfo/stellungnahmen-und-positionen/paritaetischespositionspapier-sicherstellung-der-sprachmittlung-als-voraussetzungfuer-chancengleich/ 8 Die Möglichkeiten der Selbstbestimmung und Erfahrungen von Selbstwirksamkeit sind für viele geflüchtete Frauen erheblich eingeschränkt Viele geflüchtete Frauen sind nicht an die Regelstrukturen angebunden. In der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung bestehen erhebliche Defizite Insbesondere in den Strukturen von AnKER-Zentren und anderen Erstaufnahmeeinrichtungen können geflüchtete Frauen wesentliche Aspekte ihres Lebensbereiches nicht selbst und frei bestimmen. Viele von ihnen dürfen sich nicht aussuchen, mit wem sie wohnen, wann und was sie essen, ob sie eine Ausbildung oder Arbeit suchen dürfen. Unter diesen Voraussetzungen ist eine aktive Gestaltung des gesellschaftlichen Umfelds kaum möglich. Traumatisierte und weitere vulnerable Geflüchtete finden selten Rückzugsräume und Privatsphäre, für sie ist dieser Dauerzustand und die Erfahrung der Fremdbestimmung besonders belastend. Frauen und Familien mit kleinen Kindern leiden zudem häufig unter den fehlenden Möglichkeiten, ihren Alltag aktiv gestalten und ihren Kindern genügend Frei- und Spielräume bieten zu können. Für Personen, die durch die Flucht über einen längeren Zeitraum von ihren Familien oder Partner*innen getrennt waren, sind der (Wieder)Aufbau einer stabilen Lebensgrundlage und der Zusammenhalt der Familienstruktur in diesem Kontext besonders erschwert. Die gesundheitliche Versorgung von Asylbewerber*innen wird maßgeblich durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bestimmt. Dieses beschränkt die medizinische Versorgung innerhalb der ersten 15 Monaten auf eine Behandlung bei „akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen“ (§§ 4, 6 AsylbLG) und verhindert, dass bei weiteren gesundheitlichen Beschwerden direkt ein*e Arzt*Ärztin konsultiert werden kann. Zudem bestehen mehrere Barrieren beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, u.a. Kommunikationsprobleme aufgrund fehlender oder genderunsensibler Sprachmittlung, fehlende Rahmenbedingungen für den Zugang von Frauen mit mehreren Kindern sowie häufig auch fehlende Qualifikation und Erfahrung seitens der Ärzt*innen und Behandelnden im Umgang mit Folter, Traumatisierung und weiteren geschlechtsspezifischen Gewalterfahrungen. Geflüchtete Frauen haben einen Bedarf an psychologischer Behandlung, jedoch haben sie häufig keinen Zugang zu dieser.16 Flächendeckend fehlt es an Therapieangeboten. Darüber hinaus können rechtliche Bestimmungen und bürokratische Hürden dazu führen, dass Erkrankungen nicht frühzeitig identifiziert und behandelt werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund fatal, dass es tendenziell geflüchtete Frauen sind, die sich bei Problemen oder Beschwerden zurückziehen und seltener aktiv nach Hilfe suchen. Ergebnisse der Studie der Berliner Charité17 zeigen, dass unter den befragten geflüchteten Frauen 55 Prozent an körperlichen Beschwerden und 40 Prozent an seelischen Beschwerden leiden, aber nur 15 Prozent bei körperlichen und nur 4 Prozent bei seelischen Problemen ärztliches Fachpersonal aufsuchen. Laut einer Bestandsaufnahme des Fachdialognetzes für schwangere, geflüchtete Frauen18 beste16 Ebd; siehe auch BAfF e.V. (2018): Versorgungsbericht, Zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen und Folteropfern in Deutschland, 4. akt. Auflage: http://www.baff-zentren.org/produkt/ versorgungsbericht-zur-psychosozialen-versorgung-von-fluechtlingenund-folteropfern-in-deutschland-4-auflage/ ; siehe auch: https:// mediendienst-integration.de/artikel/gibt-es-genug-therapieplaetze-fuergefluechtete.html 17 Ebd. 18 Vgl. pro familia Bundesverband (2018): Medizinische und psychosoziale Angebote für schwangere, geflüchtete Frauen. Eine Projekt Fotografische Tagebücher © Patricia Morosan 9 hen insbesondere auch bei der Versorgung Geflüchteter in der Geburtshilfe und Hebammenbetreuung erhebliche Barrieren (u.a. aufgrund eines Mangels an Hebammen sowie aufgrund von Aufnahmestopps in gynäkologischen Praxen). Es sind patriarchale Strukturen, die weltweit häufig dazu führen, dass Frauen durchschnittlich geringere formale Bildungsqualifikationen und Erwerbserfahrungen haben. Die aufenthaltsrechtlichen Hürden (u.a. teilweise Arbeitsverbote, eingeschränkter Zugang zur Regelschule, etc.) sowie Vorstellungen von Genderrollen (u.a. die Zuweisung der familiären Sorge- und Betreuungsarbeit für Kinder sowie der Pflege von Angehörigen) verhindern für viele von ihnen einen umfänglichen Zugang zu Integrationsangeboten und zum Arbeitsmarkt.23 Geringere Sprachkenntnisse und Hürden bei der Anerkennung von beruflichen Abschlüssen zählen zu weiteren wesentlichen Herausforderungen für Frauen. Auch Gewalterfahrungen und (psychische) Belastungen müssen in diesem Kontext als zusätzliche Hürde gesehen werden. Diese können bspw. einer erfolgreichen Teilnahme an Sprach,Orientierungs- und Weiterbildungsangeboten sowie einem konzentrierten Lernen entgegenstehen. Geflüchtete Frauen wollen an der Gesellschaft partizipieren. In den zentralen Bereichen gesellschaftlicher Teilhabe wie Bildung, Ausbildung und Arbeit werden sie jedoch noch immer stark benachteiligt Während des Asylverfahrens im Rahmen der Erstunterbringung werden viele geflüchtete Frauen in eine besonders passive Rolle gedrängt. Obwohl die Teilhabe Geflüchteter am Erwerbsleben, an Bildung und Ausbildung in Deutschland aktuell insgesamt gestiegen ist19 und 86 Prozent der geflüchteten Frauen20 gerne eine Beschäftigung aufnehmen wollen würden, weisen sie im Vergleich zu geflüchteten Männern und auch zu jenen Frauen, die in Deutschland geboren sind, deutlich geringere Beschäftigungsquoten auf. Repräsentativen Daten der zweiten Welle einer Längsschnittbefragung von Geflüchteten zufolge hat sich die Erwerbsarbeit geflüchteter Frauen im Jahr 2016 mit 4 Prozent auf nur 6 Prozent im Jahr 2017 erhöht, während der Beschäftigungsanteil geflüchteter Männer in diesem Zeitraum von 15 Prozent auf 30 Prozent gestiegen ist.21 Geflüchtete Frauen arbeiten häufiger in Niedriglohnbranchen, meist unter ihrem eigentlichen Qualifikationsniveau und erzielen durchschnittlich weniger Einkommen. Mit höherer Wahrscheinlichkeit gehen sie einer Teilzeitbeschäftigung nach. Die Geschlechterdifferenz ist vor allem zwischen 25 und 35 Jahren am größten, sodass Frauen mit Kindern eine besonders benachteiligte Gruppe unter ihnen darstellen.22 Darüber hinaus erfahren geflüchtete Frauen weitere Diskriminierung und Ausschlüsse, die erhebliche Auswirkungen auf den Integrationsprozess haben können Es sind Erfahrungen wie bspw. die Ungleichbehandlung von Frauen mit Kopftuch bei der Personalauswahl, die Zurückweisung eines Wohnungsangebotes aufgrund der eigenen Herkunft oder der Anzahl der Kinder, die Kündigung des Jobs nach Bekanntwerden einer Schwangerschaft sowie rassistische und sexistische Übergriffe durch Mitarbeiter*innen auf Ämtern und in Behörden, durch Vorgesetzte und Kolleg*innen, die geflüchtete Frauen in Deutschland machen. Diese wiederum können erhebliche Auswirkungen auf die Integration und die psychische und körperliche Gesundheit der Betroffenen haben.24 23 Vgl. u.a. Wiedner, J., Salikutluk, Z. und Giesecke, J. (2018): Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Potenziale, Perspektiven und Herausforderungen. State-of-Research-Papier 7, Verbundprojekt ‚Flucht: Forschung und Transfer’, Osnabrück: Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück / Bonn: Internationales Konversionszentrum Bonn (BICC); darüber hinaus siehe auch Abschnitt zur „(Re-)Produktion von Ausschlüssen am Beispiel des Zugangs zum Arbeitsmarkt für geflüchtete Frauen*“ im Beitrag „Armut von geflüchteten Frauen*: marginalisiert, schutzlos und unsichtbar?“ von Thiel, S. und Najafi, B. in: Dackweiler, R.-M.; Rau, A. und Schäfer, R. (Hrsg.) (2020): Frauen und Armut – Feministische Perspektiven, Barbara Budrich. 24 Vgl. u.a. Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2016): Bestandsaufnahme. https://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/ Fachpublikationen/Schwangerschaft/Fachdialognetz_Medizinische_und_ psychosoziale_Angebote_fuer_schwangere_gefluechtete_Frauen_2018.pdf 19 Vgl. Brücker et al. (2019): 10-11, a.a.O. (Fn. 8). 20 Vgl. Fendel, T. (2019): Die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen*. WISO direkt 02/2019. Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin, S. 1. 21 Ebd. 22 Vgl. Brücker et al. (2019): 10-11, a.a.O. (Fn. 8). 10 ziehen sich insbesondere gewaltbetroffene Frauen zurück und sind für Hilfs- und Unterstützungsangebote häufig nur schwer erreichbar.25 Auch gibt es noch immer zahlreiche rechtliche Barrieren, die Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind und eine Trennung in Erwägung ziehen, keinen sicheren Schutz bieten. Z.B. dann, wenn sie einen von ihrem gewalttätigen Partner unabhängigen Aufenthalt nicht geltend machen können. Nicht unerwähnt bleiben dürfen illegalisierte Frauen, die ohne Papiere in Deutschland in einem besonderen Maß von Ausschlüssen betroffen sind. Sie befinden sich oft in existenziellen Notlagen und haben keinen Zugang zum Sozialsystem. In ihrer schutzlosen und prekären Lage verfügen die Betroffenen in den seltensten Fällen über eigenen und sicheren Wohnraum oder ein persönliches soziales Netzwerk. Die meisten von ihnen suchen Unterstützung bei der Suche eines sicheren Schlafplatzes, bei der Gesundheitsversorgung sowie Informationen zu den Möglichkeiten eines Bleiberechts bzw. der Legalisierung ihres Aufenthaltes. Der Bedarf ist groß, auch wenn die Zahlen ankommender Geflüchteter allgemein rückläufig sind. Dies zeigen bisherige Erfahrungen Paritätischer Mitgliedsorganisationen, die seit Jahren mit ihren Unterstützungsangeboten auf geflüchtete Frauen und andere vulnerable Gruppen zugehen. Aus den hier dargelegten Gründen braucht es vielerorts eine intensive und kontinuierliche Unterstützung und Begleitung geflüchteter Frauen. Es sind insbesondere niedrigschwellige Angebote notwendig, die Frauen stärken und bei Bedarf in das örtliche Regelsystem überleiten. Insgesamt bestehen demnach noch immer erhebliche Lücken in der Gewährung und Wahrnehmung von Rechten sowie im Versorgungsund Hilfesystem. Es braucht entsprechende politisch-rechtliche Maßnahmen sowie eine spezifische und kontinuierlich ausfinanzierte Unterstützung geflüchteter Frauen im Aufnahme- und Integrationsprozess. Gleichzeitig befindet sich Soziale Arbeit in diesem Kontext auch häufig in einem Dilemma. So wichtig, sinnvoll und notwendig die Unterstützungsarbeit ist – wenn Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen unter den hiesigen rechtlichen und sozialen Bedingungen stattfindet, dann stößt sie auch an ihre Grenzen. Zum einen, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und damit auch der teilweise rassistische Diskurs und die restriktive Flüchtlingspolitik die praktische Arbeit ganz entscheidend beeinflussen. Zum anderen, weil strukturelle Probleme und Versorgungslücken nicht allein auf individueller Ebene von Fachkräften oder gar Ehrenamtlichen aufgefangen werden können. Finanzielle, zeitliche und personelle Ressourcen sind oftmals schnell erschöpft, Verträge auf jedes Jahr neu befristet. Für viele geht es in der Arbeit mit Frauen auch um eine solidarische Herzensangelegenheit, Überstunden sind daher schnell gemacht. Doch die Erfahrung, mit der eigenen Unterstützungsarbeit an rechtliche und institutionelle Grenzen zu stoßen, kann bei einigen auch zu Momenten des Frusts und der Überforderung führen. Zunehmend werden die besonderen Bedarfe geflüchteter Frauen auch von der Politik und Öffentlichkeit wahrgenommen. Vielerorts wurden finanzielle Mittel zur Stärkung des Unterstützungs- und Hilfesystems gestellt, bedarfsgerechte Maßnahmen entwickelt und der Zugang zu bestehenden Regelangeboten erleichtert. Doch noch immer sind erhebliche Lücken im Versorgungssystem zu verzeichnen. Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen sind häufig nicht flächendeckend auf- und ausgebaut und zudem nicht gleichermaßen für alle zugänglich. Insbesondere in ländlich geprägten Regionen werden geflüchtete Frauen nicht hinreichend versorgt, z.B. weil es häufig an Informationen und Sprachmittlung mangelt. Hinzu kommt, dass geflüchtete Frauen und insbesondere Frauen mit Traumatisierungen, Alleinerziehende, Frauen mit Behinderungen etc. sich tendenziell seltener im Sozialraum bewegen und häufiger im direkten Umfeld der Unterkünfte oder ihrer Wohnung verbleiben. So Diskriminierungsrisiken für Geflüchtete in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. https:// www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/Beratung/Gefluechtete_und_ Neuzugewanderte/Diskriminierungsrisriken/gefluechtete_node.html 25 11 Vgl. Schouler-Ocak/Kurmeyer (2017), a. a. O. (Fn. 11). Um elementare Rechte geflüchteter Menschen durchzusetzen, strukturelle Versorgungslücken auf Dauer zu schließen und somit nachhaltige Veränderungen zu erwirken, braucht es entsprechende rechtliche Anpassungen sowie inklusive Konzepte und förderpolitische Maßnahmen auf Seiten der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Diesbezüglich und weiterführend sei an dieser Stelle auf die Empfehlungen aus dem Abschlussbericht der Study on Female Refugees von Schouler-Ocak und Kurmeyer (2017) sowie auf die Impulse der Publikation des Paritätischen Gesamtverbandes „Perspektivwechsel Empowerment. Ein Blick auf Realitäten und Strukturen in der Arbeit mit geflüchteten Frauen“ (2016) verwiesen. 12 2. Warum Empowermentarbeit so wichtig ist und wie sie konkret unterstützen kann Der folgende Beitrag ist in Co-Autorinnenschaft mit Indre Bogdan vom Paritätischen Bildungswerk entstanden. Doch worin sehen geflüchtete Frauen selbst einen Bedarf, gestärkt zu werden? Welche Rahmenbedingungen sollten dabei beachtet werden? Und wie können Angebote des Empowerments geflüchtete Frauen wirklich erreichen und stärken? Empowerment kann sowohl als ein selbstinitiierter Prozess der Selbstbestimmung und -ermächtigung als auch als Unterstützung und Förderung dieser Praxis verstanden werden.26 Auch wenn es „gut“ oder „emanzipatorisch“ gemeint ist – bei Empowerment geht es nicht darum, einer anderen Person etwas aufzuzwingen. In der Praxis gibt es dennoch Erfahrungen von paternalistischen Verhaltensweisen, häufig vor allem dann, wenn es Machtgefälle zwischen den Personen gibt. Soziale Arbeit muss hier eine selbstkritische Rolle und Funktion einnehmen. Denn sie kann wichtige Anknüpfungspunkte bieten und mit ihren Unterstützungsangeboten für geflüchtete Frauen Prozesse des Empowerments entwickeln und gestalten. Im Rahmen einer Umfrage im Projekt „Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“ des Paritätischen Gesamtverbandes in Kooperation mit dem Projekt „Frauen iD“ (von „Kultur macht stark plus“ gefördert durch das BMBF) des Paritätischen Bildungswerkes wurden im Jahr 2018 geflüchtete Frauen aus den jeweiligen Projekten mit Hilfe eines mehrsprachigen Fragebogens zu ihren Bedarfen, ihren Stärken und zu ihrer Sicht auf die Projekte selbst befragt. Es handelt sich hierbei um eine nicht repräsentative, anonymisierte Befragung, an der sich insgesamt 298 Frauen beteiligt haben. Sie wurden als Teilnehmende der jeweiligen Angebote und Projekte adressiert, die sowohl Beratung und Begleitung als auch Frauencafés und Kunst- und Theaterprojekte umfassten. 26 Siehe u.a. zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Empowerment-Begriff: Der Paritätische Gesamtverband (2016): Perspektivwechsel Empowerment. Ein Blick auf Realitäten und Strukturen in der Arbeit mit geflüchteten Frauen: https://www.der-paritaetische.de/ publikationen/migration-und-flucht/perspektivwechsel-empowermentein-blick-auf-realitaeten-und-strukturen-in-der-arbeit-mit-gefluechtete/ 13 Zum Hintergrund der Befragung: Der Fragebogen wurde auf Deutsch sowie in den Sprachen Englisch, Farsi und Arabisch zwischen Juni und September 2018 an die jeweiligen Projektträger der Projekte „Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“ und „Frauen iD“ versandt und von den teilnehmenden geflüchteten Frauen selbst oder teilweise auch mit Unterstützung von Sprachmittler*innen und der Projektverantwortlichen ausgefüllt. Die beteiligten Frauen wurden in einem Anschreiben über die Zielsetzung und Nutzung des Fragebogens informiert: „Wir möchten daher mehr von Ihnen lernen! Wir würden gerne erfahren, wie es Ihnen mit diesen Angeboten geht und was sie daraus für sich mitnehmen. Wir würden gerne mehr darüber wissen, was Sie stärkt, was Sie brauchen und was Sie sich wünschen. Ihre Erfahrungen helfen uns, Projekte und Angebote für geflüchtete Frauen* in Zukunft noch besser an Ihre Bedarfe anzupassen und politisch darauf aufmerksam zu machen.“ (Auszug des versendeten Fragebogens) Neben den thematischen Schwerpunkten des Fragebogens wurden auch allgemeine soziobiographische Aspekte abgefragt. Zudem gab es sowohl die Möglichkeit, vorgegebene Antworten anzukreuzen als auch eigene freie Antworten auf offen formulierte Fragen zu geben, welche anschließend professionell zurück ins Deutsche übersetzt wurden. Insgesamt haben 298 geflüchtete Frauen den Fragebogen ausgefüllt. Wer wurde befragt? Ein Blick auf die Ressourcen und Hintergründe der befragten Frauen • Alter: Über die Hälfte ist zwischen 18 bis 26 Jahre alt, 20 Prozent sind zwischen 26 und 35 Jahre und nur rund 4 Prozent sind unter 18 Jahre alt. • Herkunftsland: Mehr als ein Viertel kommt ursprünglich aus Afghanistan, rund 20 Prozent kommen aus Syrien, gefolgt von Irak und Iran, Türkei, Eritrea und Nigeria. • Sprachen: 40 Prozent der Befragten sprechen Farsi oder Dari als Muttersprache, 30 Prozent sprechen Arabisch, 12 Prozent Kurdisch und 5 Prozent Tigrinya. Fast alle geben an, in einer Art und Weise Deutsch zu lernen, nicht alle haben jedoch Zugang zu Sprachkursen. Ca. 19 Prozent haben bereits B1 erreicht, gefolgt von A2 und A1. Ca. 45 Prozent sprechen neben ihrer Muttersprache und Deutsch auch noch eine weitere Sprache. Darunter sind Englisch, Türkisch, Paschtu und Französisch die am häufigsten genannten. • Aufenthalt in Deutschland: Rund ein Drittel ist bereits zwei bis drei Jahre in Deutschland, ist also in den Jahren 2015 und 2016 angekommen. Fast 25 Prozent sind zwischen einem und zwei Jahren hier, während knapp 19 Prozent weniger als ein Jahr in Deutschland sind. Die Hälfte der Befragten hat eine Aufenthaltserlaubnis, rund ein Viertel befindet sich noch im laufenden Asylverfahren. Knapp 5 Prozent haben eine Duldung. • Wohnort: Fast 45 Prozent der befragten Frauen wohnen in einer Geflüchtetenunterkunft alleine oder zusammen mit anderen Personen. Dem gegenüber stehen etwa ähnlich viele der Befragten, die angeben, in einem eigenen Apartment – entweder allein oder mit ihren Familienangehörigen – zu wohnen. • Familienstand und wichtige Bezugspersonen: Es sind 43 Prozent Frauen, die mit einer*einem Partner*in zusammenleben. Ihnen gegenüber stehen 41 Prozent ledige Frauen. Ca. 8 Prozent leben in einer getrenn14 ten Partner*innenschaft. Als wichtige Bezugspersonen in ihrem Leben nannten rund 35 Prozent der befragten Frauen ihre Kinder, gefolgt von dem Ehepartner und den Eltern. • Bildungsabschlüsse: Ca. ein Viertel hat in ihrem Herkunftsland ausschließlich eine Grundschule besucht, während knapp 35 Prozent auf einer weiterführenden Schule waren. 13 Prozent haben einen Abschluss, vergleichbar mit dem Abitur. Fast 14 Prozent geben an, in ihrem Herkunftsland eine Hochschule besucht zu haben. 5 Prozent haben eine Ausbildung absolviert. Fast 20 Prozent verfügen über keinen formalisierten Abschluss. • Beruf und Beschäftigung: Ein Drittel der Befragten gab an, Student*in bzw. Schüler*in im Herkunftsland gewesen zu sein. 25 Prozent haben hauptsächlich Haus- und Carearbeit übernommen. Die andere Hälfte der Befragten übte Berufe als Dozent*in oder Lehrer*in, Verkäufer*in, Krankenpfleger*in oder Bürokraft aus oder war im kreativen Bereich tätig. 10 Prozent hatten im Herkunftsland keine Arbeit. In Deutschland nehmen fast 50 Prozent an einem Deutschkurs teil, rund 20 Prozent besuchen einen Integrationskurs, 14 Prozent gehen zur Schule, ca. 9 Prozent besuchen ein Praktikum und 4 Prozent gehen einer Ausbildung nach. Nur knapp 3 Prozent besuchen eine Hochschule. Danksagung: Den teilnehmenden Frauen gilt ein ganz besonders herzlicher Dank dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, die Fragebögen auszufüllen und bereit waren, ihre wichtigen Perspektiven zu teilen. Ebenso sei den Sprachmittler*innen und den jeweiligen Projektverantwortlichen gedankt, die bei der Einführung und Verteilung der Fragebögen und teilweise auch beim Ausfüllen dieser unterstützt haben. Bei der Erstellung des Fragebogens war Fatuma Musa Afrah – die einst selbst in einer Flüchtlingsunterkunft lebte, mittlerweile Gründerin des Vereins United Action e.V. ist und als Projektleiterin und Beraterin zur Stärkung geflüchteter Frauen arbeitet – mit ihrer Expertise eine wichtige beratende Hilfe, genauso wie das sozialwissenschaftliche und analytische Knowhow von Greta Schabram, die bei der Auswertung der Daten unterstützt hat. Zentrale Ergebnisse: neuen Umgebung zu stellen. Insgesamt wird deutlich, dass sich viele der Frauen in die Gesellschaft einbringen und sie mitgestalten wollen und dass die verschiedenen Unterstützungsangebote sie maßgeblich dabei unterstützen, sich zu informieren, die Sprache zu lernen, sich auszudrücken und andere Menschen kennen zu lernen. Es wird aber auch deutlich, dass geflüchtete Frauen spezifische Bedarfe haben und entsprechende Rahmenbedingungen für Unterstützungsarbeit nötig sind. Die Ergebnisse können als Empfehlungen verstanden werden, die bei der weiteren Konzeption und Umsetzung von Angeboten und Projekten hilfreich sind. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse aus der Befragung dargestellt. Sie verdeutlichen die Bedürfnisse und Perspektiven geflüchteter Frauen auf Empowermentprozesse sowie die Bedeutung von Unterstützung und Förderung dieser Praxis durch Angebote der Sozialen Arbeit. So unterschiedlich sie in ihren Biographien und als Individuen sind – geflüchtete Frauen haben viele Stärken, Kompetenzen und Fähigkeiten. Sie übernehmen Verantwortung für sich und andere, haben im Laufe ihrer Bildungs- und Erwerbsbiographien verschiedene Kompetenzen erworben, sprechen neben ihrer Muttersprache häufig noch eine oder mehrere weitere Sprachen. Sie eint die Erfahrung der Flucht sowie der Mut, sich der Bewältigung eines neuen Alltags in einer 15 Aktueller Handlungsbedarf aus der Perspektive geflüchteter Frauen: Worin sollten geflüchtete Frauen gestärkt werden? en und allen zeigen.“ erkenn sen sie aber noch besser n viele Stärken – sie müs „Frauen habe „Frauen können alles machen – “ powerment! „Women em man muss sie nur lassen.“ „Frauen sollten die Arbeit tun, die auch Männer tun, weil sie genauso fähig sind, alles zu machen.“ F 23 Worin sollten Frauen gestärkt werden? 100 1. Selbststärkung/ Autonomie, Unabhängigkeit von Männern/ Familie 80 2. körperliche und psychische Gesundheit, Beratung, Unterstützung, Infos über Rechte, Umgang mit Diskriminierung 73 3. Bildung (v.a. Sprache, Erziehung) Anzahl 60 40 20 50 34 38 4. Selbstbewusstsein, sicht- und hörbar werden 40 5. Zugang zu Arbeit, Ausbildung 6. Stärkung allgemein 20 16 15 7. im Miteinander, Kontakt mit "Deutschen" 8. Kulturelle Projekte 0 Worin sollten Frauen gestärkt werden? 16 Die befragten Frauen wünschen sich Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Kontakt und Austausch mit anderen Menschen sowie eine selbstbestimmte und eigenständige Lebensführung. Sie selbst sehen den Bedarf, geflüchtete Frauen in ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Selbstvertrauen zu stärken sowie ihre Stimmen und Meinungen sicht- und hörbar(er) zu machen. Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung der Aspekte, zu denen sich geflüchtete Frauen wünschen gestärkt und unterstützt zu werden: • Spracherwerb, Bildung, Ausbildung, Arbeit (eigenständiges unabhängiges Lernen) • Selbstbewusstsein (eigene Stärken und Fähigkeiten erkennen, erfahren, nutzen und ausleben, Frauen sollten das tun, was sie tun wollen und sie sollten Vertrauen haben in sich und das, was sie können) • Meinungsäußerung (Frauen sollen den Mut haben, ihre Meinung sagen zu können, was sie gerne möchten und nicht möchten) • Wissen um eigene Rechte (Mehr Informationen über Frauenrechte in Deutschland, Mut sich für eigene Rechte einzusetzen) • Selbständigkeit und Unabhängigkeit (selbstständig und finanziell unabhängig sein, selbst über das eigene Leben bestimmen können, einen Beruf ausüben und eigenes Geld verdienen, Entscheidungen selber treffen können) • Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung (eigene Stärken und Fähigkeiten erfahren und selber etwas bewegen, Balance zwischen Familie/ Kinder und Arbeit/ Selbstverwirklichung) • Stärke gegen Gewalt (Sicherheit und Schutz in Unterkünften und in der Familie gegen gewalttätige Ehemänner, Umgang mit Rassismus) • Gesundheit und psychische Unterstützung (Umgang mit Stress, Trauma, Depressionen) 17 Wie können Frauen unterstützt und gestärkt werden? Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit geflüchtete Frauen entsprechende Angebote und Projekte wahrnehmen und Erfahrungen von Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung erleben können? „Wir brauchen Projekt wie diese, wir brauchen einen women space.“ „Wir brauchen neue Wege, Frauen zu motivieren, ihnen Mut zu machen, insbesondere dann, wenn sie Erfahrungen von Ablehnung gemacht haben .“ „Dass wir uns treffen und etwas gemeinsam machen und unsere Stärken zeigen, dass wir gut sind und alles machen können.“ „Wir müssen ihnen zeigen, dass sie auch alles ohne Männer tun können. Zunächst müssen sie jedoch daran glauben, dass und was sie tun wollen.“ F 24 Wie können Frauen gestärkt werden? 60 57 39 Anzahl 40 20 1. durch Stärkung Rechte Frauen, Unabhängigkeit von Männern, Umgang mit Gewalt/ Diskriminierung 32 39 34 2. körperliche und psychische Gesundheit 3. Bildung, Projekte 21 17 4. Ausbildung, Arbeit, Weiterbildung, 5. gegenseitige Unterstützung, Vertrauen, frei entscheiden können 6. Sprache 0 7. Kulturelle Projekte Wie können Frauen gestärkt werden? 18 Empowermentprozesse können auf verschiedenen Wegen in Gang gesetzt werden. Die befragten Frauen haben vielfältige Vorstellungen von ihrem Stärkungsbedarf. Dabei ist die vertrauensvolle gegenseitige Unterstützung und autonomes Handeln von besonderer Wichtigkeit. Der folgende Handlungsbedarf verdeutlicht die Bedeutung von Unterstützungs- und Empowermentangeboten für geflüchtete Frauen. Es braucht verstärkt Angebote der Beratung und Unterstützung, kreative Projekte genauso wie Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Frauen, die die Förderung von Teilhabe in ihrem Alltag stärken: • Kontakt, Vernetzungsmöglichkeiten und Austausch mit anderen Frauen (mit und ohne Fluchtbiographie) / gegenseitige Unterstützung (mehr Orte, Treffpunkte und Formate, die Möglichkeiten für Begegnungen und Austausch schaffen, gegenseitige Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und Orientierung im neuen Lebensumfeld, z.B. durch Pat*innenschaften und Mentoring, geschützter Erfahrungs- und Meinungsaustausch, andere Perspektiven kennenlernen, nicht alleine sein, Hilfe annehmen und anbieten, gelebte Solidarität, voneinander lernen) • Safe spaces (Angebote und Räume von und für Frauen, Wunsch nach einem sicheren und unterstützendem Umfeld) • Spracherwerb (Wunsch nach Verbesserung der Sprachkenntnisse durch Teilnahme an Angeboten/ Projekten, Informationen zu Sprachkursen) • • Vertrauen und Kontinuität/ Zeit (Ansprechpartner*innen der Angebote und Projekte besser kennenlernen) Bildung und Arbeit (Informationen zur Orientierung und Förderung des Zugangs zu Ausbildung, Weiterbildung und Arbeit, Anerkennung von Abschlüssen, Unterstützung bei der Ausbildungsplatz- und Jobsuche, Bewerbungstraining, Gründung eines eigenen Unternehmens, Unterstützung bei bürokratischen Angelegenheiten, etc. 19 • Kreative Angebote und kulturelle Workshops (u.a. Malerei, Design, Schreiben, Theater, Tanzen, Gesang, Musik, aber auch Sport und Freizeit wie z.B. Fahrradfahren) • Beratung und Begleitung (Zugriff auf Ansprechpartner*innen bei Problemen, Informationen und Unterstützung bei Problembewältigung im Alltag, wie z.B. Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche und Unterstützung bei rechtlichen Fragen, Schutz und Versorgung bei Gewaltbetroffenheit, gesundheitliche und psychosoziale Versorgung, Beratung in Bezug auf Schwangerschaft) • Sicherung der körperlichen und psychischen Gesundheit • Bewältigung von Gewalt und Diskriminierung • Informationen über eigene Rechte (Informationsveranstaltungen und Kurse für Frauen über Frauenrechte und wie sie damit in der Gesellschaft umgehen können, wie sie Rechte bekommen und durchsetzen können) • Eigenes Engagement stärken (Möglichkeiten und Strukturen schaffen, auch im Rahmen von Projekten, die dazu ermutigen, dass sich Frauen mit ihren Stärken einbringen können, Engagement und Selbständigkeit durch Kontakte und Finanzen fördern) • Angebote ohne Kinder bzw. mit Kinderbetreuung (es braucht eine organisatorische Struktur, die Frauen mit Kindern eine Teilnahme an Angeboten ermöglicht) • Organisatorische und zeitliche Struktur (kurzund langfristige Angebote und Projekte, Erinnerung an Termine, kostenfreie Angebote, Teilnahme-Zertifikate, etc.) Wobei können Angebote zum Empowerment geflüchtete Frauen konkret unterstützen und stärken? Für die Mehrheit der befragten geflüchteten Frauen sind die Unterstützungs- und Empowermentangebote für sich und ihren Alltag sehr wichtig. Auf die Frage hin, inwiefern die wahrgenommenen Angebote unterstützend waren bzw. sind, wurden nachstehende Antworten gegeben. Es wird deutlich, dass die Angebote und Projekte wichtige mittel- und unmittelbare Anknüpfungspunkte für die Deckung der spezifischen Bedarfe geflüchteter Frauen bieten. Geflüchtete Frauen haben dabei die Möglichkeit, andere Frauen kennenzulernen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und ihre Fähigkeiten und Stärken zu erkennen und auszubauen. Im Folgenden sind die Aspekte aufgeführt, die für geflüchtete Frauen besonders unterstützend und stärkend waren: • Kontakt und Austausch mit anderen Frauen (insbesondere mit Frauen, die in Deutschland aufgewachsenen sind) • Spracherwerb (bzw. Weiterentwicklung von deutschen Sprachkenntnissen) • Orientierung im Sozialraum (besseres Kennenlernen des eigenen Wohnumfeldes) • Stärkung der Selbstwirksamkeit (Möglichkeit, sich kreativ ausdrücken zu können und etwas Neues zu erlernen wie z.B. durch Malerei, Design, Schreibworkshop, Theater, Tanzen, Gesang, Musik) • Partizipation (Mut und Motivation, sich in die Gesellschaft bzw. Community einbringen zu können bzw. Ermutigung, sich in das bestehende Projekt aktiv mit einzubringen und eigene Stärken und Talente an andere zu vermitteln) • Verbesserung der eigenen Gesundheit und des individuellen Wohlbefindens • Stärkung des Selbstvertrauens (Bestärkung, mit anderen Menschen zu kommunizieren, die eigene Meinung zu äußern oder sich für Frauenrechte einsetzen) F15: : Wozu haben Ihnen die Angebote/ Projekte geholfen/ genützt? Anderes und zwar: 5,0 Deutschkenntnisse verbessert 47,7 Habe mein Umfeld besser kennen gelernt 37,2 besser aktiv in Community einbringen 32,9 Gesundheit/Wohlbefinden verbessert 30,5 Kreativ ausdrücken/ erlerne Handwerk 33,2 an Selbstvertrauen gewonnen 26,5 Ich treffe andere Frauen 57,4 0 50 Anteil in Prozent 20 100 3. Beispiele aus der Praxis: Gelungene Ansätze in der Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen Paritätische Mitgliedsorganisationen im Bereich der Frauenberatung, Gewaltschutzarbeit und Geflüchtetensozialarbeit weisen eine langjährige Expertise und vielfältige Erfahrungen in der Empowerment- und Unterstützungsarbeit mit Frauen und anderen besonders schutzbedürftigen Personen auf. Durch ein breites und bedarfsorientiertes Angebot mit unterschiedlichen Ansätzen wird das Ziel verfolgt, geflüchtete Frauen bei der Orientierung in ihrem neuen Lebensumfeld und der Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens zu unterstützen. Parallel dazu erfolgt ein intensiver Aufbau von Vernetzungsstrukturen, um die Expertise und den Zugang zu verschiedenen Akteuren zu bündeln und Wege in das Hilfs- und Unterstützungssystem zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. In diesem Rahmen sind verschiedene Formate erprobt worden, die auf zentrale Herausforderungen und Bedarfe geflüchteter Frauen reagieren. Dabei sind die folgenden Praxisansätze entstanden, die als Grundlage und Folie auch auf weitere Standorte und Kontexte übertragen werden können und und Impulse für die weitere Arbeit mit geflüchteten Frauen geben. Projekt Fotografische Tagebücher. Porträt und Tableaux von Kadiatou Bailo Barr © Patricia Morosan 21 a) Zugangsmöglichkeiten zu Informationen über eigene Rechte und dem Hilfs- und Unterstützungssystem für gewaltbetroffene geflüchtete Frauen Hannover, Niedersachsen kargah e.V. – Verein für interkulturelle Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit / SUANA-Beratungsstelle für von häuslicher Gewalt, Stalking und Zwangsheirat betroffener Migrantinnen ationen über „Der Bedarf geflüchteter und insbesondere gewaltbetroffener Frauen an Inform ls an Informationen zu Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten ist groß. Allerdings fehlt es oftma n Hannover. Genau hier den Strukturen, Netzwerken und der Angebotsvielfalt der Stadt und Regio hlichen Informationen setzt unser Projekt an: Wir wollen die Zugangsmöglichkeiten zu muttersprac chland stärken.“ für geflüchtete Frauen zu ihren eigenen Rechten und zum Hilfesystem in Deuts Naß, kargah e.V.) (Sibylle Projekt: Beratung und Unterstützung von Gewalt betroffenen und traumatisierten geflüchteten Frauen Das Projekt richtet sich an geflüchtete Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt (häusliche Gewalt, Stalking, Zwangsverheiratung und FGM) betroffen sind und verfolgt das Ziel, den Zugang zu Informationen zu ihren Rechten zu ermöglichen und sie in der Wahrnehmung dieser zu bestärken. Die Projektmitarbeitenden bieten Betroffenen eine vertrauliche, parteiliche und mehrsprachige psychosoziale Beratung, zeigen konkrete individuelle Hilfs- und Handlungsmöglichkeiten auf und versuchen dabei die Hemmschwellen und ggf. Vorbehalte gegenüber dem Unterstützungssystem zu mindern. Zudem findet Bestärkungs- und Stabilisierungsarbeit durch vielfältige kulturelle und künstlerische Aktivitäten statt und es werden gemeinsame Ausflüge organisiert. der psychosozialen Beratung, der Aufenthalts- und Sozialberatung in der Beratungsstelle SUANA und dem Flüchtlingsbüro sowie in den Sprachkursen oder dem Begegnungscafé bei kargah wird auf das spezielle Angebot aufmerksam gemacht, sodass sich betroffene Frauen bei Bedarf direkt an die Mitarbeitenden wenden können. Die enge Vernetzung mit Haupt- und Ehrenamtlichen in der Flüchtlingssozialarbeit sowie den Sozialarbeiter*innen in den Unterkünften ist dabei eine wesentliche Voraussetzung für den Zugang der Zielgruppe zu diesem Angebot. Als Selbstorganisation hat kargah e.V. langjährige Erfahrungen in der Beratungsarbeit mit geflüchteten Frauen. Dadurch, dass ein Teil der Mitarbeiter*innen selbst eine eigene Fluchtbiographie hat, können sie die Lebenswirklichkeiten der Betroffenen oftmals sehr gut nachvollziehen und erwecken ein besonderes Vertrauen. Um Frauen den Zugang zu diesem Angebot zu ermöglichen, werden mehrsprachige Informationsveranstaltungen und Gesprächsrunden direkt in den Unterkünften und in Stadtteileinrichtungen durchgeführt. Dabei stehen häufig Themen wie Frauenrechte, Gesundheit, Gewaltformen und -schutz im Mittelpunkt. Wichtig dabei ist, dass diese in einem geschützten Rahmen und mit Kinderbetreuung stattfinden. Betroffene Frauen können anschließend auch eine Einzelberatung in Anspruch nehmen, die persönlich, telefonisch und nach Wunsch anonym und muttersprachlich angeboten wird. Auch im Rahmen Mehr Informationen zum Projekt: https://empowerment.kargah.de 22 „Die Förderung der Selbsthilfe und Selbstermächtigung ist wesentlicher Bestan dteil der Beratung. Frauen werden somit darin unterstützt, ihre Alltagsherausforderungen des Integrationsprozesses zu bewerkstelligen und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Unser Handl ungsansatz basiert auf einer prozesshaften, ressourcenorientierten und mehrsprachigen Bestär kungs- und Stabilisierungsarbeit, die die Frauen ermutigt und ihnen Perspektiven aufzeigt. Sie werde n nachhaltig in ihrem eigenen Selbstbewusstsein sowie Selbstbestimmungsrecht als Frau gestärkt – das verstehen wir als unsere Empowermentarbeit.“ (Tanja Kovačević, kargah e.V.) Information ist Empowerment! Im Rahmen der Projektförderung und in gemeinsamer Herausgeberschaft mit dem Paritätischen Gesamtverband hat kargah e.V. das Booklet „Rechte für alle Frauen“ weiterentwickelt und veröffentlicht. In mittlerweile neun Sprachen informiert das kleine illustrierte Heft über grundlegende Rechte von Frauen und thematisiert die Gleichberechtigung sowie die Gleichstellung aller Frauen, unabhängig von Herkunft, Religion, Kultur und sexueller Orientierung. Seit Veröffe n t l i c h u n g des Booklets Anfang des Jahres 2018 kommt es b u n d e s we i t als Informations- und Unterrichtsmaterial sowohl in der Geflüchtetensozialarbeit und Gewaltpräventionsarbeit in Unterkünften, in Frauenberatungsstellen, Familienzentren, Sprach- und Integrationskursen als auch in Gesundheitszentren, Bildungseinrichtungen und Ämtern zum Einsatz. Mehr Informationen zum Booklet: https://frauenbooklet.kargah.de Das Booklet richtet sich insbesondere, aber nicht ausschließlich an geflüchtete Frauen und bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit, zu diesen Themen miteinander ins Gespräch zu kommen. Es eignet sich somit vor allem für Personen, Einrichtungen und Organisationen, die mit Geflüchteten arbeiten. „Für unsere Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete sind leicht verständliche Broschüren zum Thema Frauenrechte essentiell, um den Frauen erste Informationen über ihre Rechte in Deutschland bereitzustellen.“ „Es haben uns so viele Frauen eine positive Rückmeldung zu der Broschüre gegeben. Vor allem haben die Frauen gesagt, dass die Broschüre so formuliert ist, dass die Männer nichts dagegen haben werden, da die Texte absolut sachlich seien.“ nehmen und mit der Familie „Wir finden die Booklets sehr gelungen – auch weil man es mit nach Hause mit manchem unserer oder Freund*innen besprechen kann. Wir können uns auch gut vorstellen, diese älteren männlichen Jugendlichen zu diskutieren.“ 23 b) Traumasensible Stabilisierung als wesentliche Voraussetzung für Verarbeitung von Gewalterfahrungen und den weiteren Integrationsprozess München, Bayern Frauenhilfe München gemeinnützige GmbH „Ein großer Teil der geflüchteten Frauen in den Unterkünften ist durch massive und vielfache Gewalterfahrungen vor, während und nach der Flucht hochgradig belastet und leidet unter starken Traumafolgestörungen. Viele von ihnen sind nach wie vor nicht an die reguläre psycho-soziale Versorgung angebunden, weil es an Kapazitäten fehlt und Angebote häufig zu hochschwellig ausgelegt sind. Schwere Traumafolgen prägen sich unbehandelt vollumfänglich nach ca. zwei bis drei Jahren aus, so dass sich aus posttraumatischen Belastungsreaktionen andauernde Persönlichkeitsänderungen entwickeln können, die durch eine feindliche oder misstrauische Haltung gegenüber der Welt, durch sozialen Rückzug, Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl der Anspannung wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdungsgefühl gekennzeichnet sind. Ein Integrationsprozess wird damit unmöglich. Vielmehr braucht es Vermittlung von Sicherheit, Herstellen von Vertrauen, Steigerung der Selbstwirksamkeit und Stärkung des Selbstwertgefühls – dies sind Grundpfeiler, auf denen ein weiterer Integrationsprozess aufbauen kann und deshalb setzt unser Projekt direkt hier an.“ (Lydia Dietrich, Frauenhilfe München) Projekt: Mobile psychosoziale Sprechstunde für besonders belastete gewaltbetroffene Flüchtlingsfrauen in Unterkünften Das Projekt richtet sich an besonders belastete gewaltbetroffene geflüchtete Frauen und bietet ihnen eine niedrigschwellige aufsuchende individuelle gewalt- und traumasensible Fachberatung, die mobil in verschiedenen Unterkünften im Großraum München für geflüchtete Frauen und ihre Kinder zum Einsatz kommt. Eine Traumatherapeutin nimmt sich bei einer regelmäßig wöchentlich stattfindenden Sprechstunde mit Kurzzeitinterventionen und weitergehenden Stabilisierungsangeboten hochbelasteter und komplex traumatisierter Bewohnerinnen der Unterkunft an und wird von professionellen Dolmetscherinnen unterstützt. Als besonders wichtig erweist sich zudem die Fachberatung und Supervision der Fachkräfte vor Ort, die regelmäßig im Nachgang zu den Beratungsterminen angesetzt ist. Ziel ist es, die teilnehmenden geflüchteten Frauen in ihrer Handlungskompetenz zu stärken, sie in ihrem Alltag zu stabilisieren, in ihren Ressourcen zu aktivieren und bei der Entwicklung von Zukunftsperspektiven zu stärken. Traumata, die unverarbeitet sind, ziehen die Aufmerksamkeit in die Vergangenheit und projizieren Ängste und Befürchtungen in die Zukunft. Ruhe und Sicherheit lassen sich nur in der Gegenwart aufbauen. Durch das Projekt wird es ermöglicht, Betroffene mit besonders schweren Traumatisierungen zu identifizieren und an das bestehende Hilfesystem vor Ort weiterzuleiten. Mehr Informationen zum Projekt: https://www.frauenhilfe-muenchen.de/willkommen/ 24 (Symbolbild) „Es braucht Zeit, um Gewalterfa hrungen zu verarbeiten. Aus die sem Grund haben manche Frauen teilweise zunächst kei n Interesse oder Hemmnis, An gebote des Hilfe- und Unterstü zungssystems aufzusuchen. Zu tdem bleibt die aufenthaltsrech tliche Unsicherheit oder der fehlende Familiennachzug ein e große Herausforderung für vie le geflüchtete Frauen – so ist keine Stabilität und Bearb eitung von Traumata möglich . Unsere Arbeit kann somit teilweise auch nur eine „Erste Hilfe“ sein, aber genau diese Hil fe ist sehr wichtig, da sie bestärkend und stabilisierend und damit letztendlich auch em powernd sein kann.“ (Caroline Beekmann, Frauenhilf e München) „Durch die Nutzung unseres Angebots über einen längeren Zeitraum sind die Betroffenen über die Symptomatik bei schweren Traumafolgestörungen informiert und können das eigene Erleben entsprechend einordnen. Schritt für Schritt bauen sie Vertrauen auf und erlernen in Einzelberatung oder in der ressourcenorientierten Stabilisierungsgruppe Übungen zur Selbstberuhigung und Stressregulation, Techniken zur Kontrolle und Distanzierung von belastenden Erinnerungen, Möglichkeiten, sich positive innere Bilder aufzubauen und erhalten Anregungen für einen leichteren Umgang mit Stress-Situationen und Hilfestellungen, wieder mehr selbst wirksam zu werden und die eigenen Fähigkeiten deutlicher zu spüren.“ (Caroline Beekmann, Frauenhilfe München) 25 c) Sensibilisierte und geschulte Kultur- und Sprachmittler*innen für die Vermittlung und Wahrnehmung von sexuellen und reproduktiven Rechten Hamburg pro familia Landesverband Hamburg e.V. „Aus unserer Beratung wissen wir, dass geflüchtete Frauen aufgrund der Belastungen durch die Flucht, die unsichere Zukunftsperspektive, die beengten Wohnverhältnisse aber auch aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Rollenbild der Frau oftmals Konflikte in ihrer Partnerschaft haben. Zudem fehlt es häufig an Informationen zu den Themen Gesundheit, Körper und Sexualität und es gibt einen starken Wunsch nach einem Schutzraum, um über sexuelle und reproduktive Rechte sprechen zu können. Insbesondere Mädchen und Frauen, die in Sammelunterkünften oder in Privatwohnungen leben, aber nicht integriert und oft alleine mit der Bewältigung ihres Alltags sind, brauchen verstärkt Unterstützung bei dem Zugang zu diesen Informationen, denn desto besser können diese auch in Anspruch genommen werden. Zudem braucht es mehr sensibilisierte und gut geschulte Fachkräfte in der Kultur- Sprachmittlung, denn im Beratungskontext – und insbesondere bei intimen Themen – kommt ihnen eine sehr bedeutsame Rolle im Kontakt mit geflüchteten Frauen zu. Mit unserem Projekt versuchen wir diesem Bedarf zu begegnen.“ (Kerstin Falk, pro familia Hamburg) Projekt: Flucht Focus Frau Um geflüchteten Frauen einen besseren Zugang zu grundlegenden Informationen zu ihren sexuellen und reproduktiven Rechten und Gesundheit zu ermöglichen, bieten die Projektmitarbeitenden in Zusammenarbeit mit einer Ärztin oder Sexualpädagogin Informationsveranstaltungen zu den Themen Frauengesundheit, Schwangerschaft, Geburt, Familienplanung, Verhütungsberatung, sexuelle Gesundheit, FGM, etc. direkt in den Unterkünften an. Bei Bedarf haben die teilnehmenden Frauen anschließend die Möglichkeit eine Einzel- oder auch Paarberatung in Anspruch zu nehmen. Für die Beratung und den Austausch mit den geflüchteten Frauen sind sensibilisierte Kultur- und Sprachmittler*innen unerlässlich. Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist es daher, diese Kultur- und Sprachmittler*innen zu Themen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit fortzubilden. In einem weiteren Schritt werden sie zu „Multiplikatorinnen“ ausgebildet, damit sie ihre Erfahrungen und Bewältigungsstrategien an diejenigen weitergeben können, die noch nicht so lange in Deutschland sind. Weitere Informationen zum Projekt: https://www.profamilia-hamburg.de 26 Empfängnisverhütung (Symbolbild) „Wir möchten, dass Mädchen und Frauen in geschützten Räumen ihre Selbstwirksamkeit erfahren können, Stabilisierung erfahren, Verantwortung für sich übernehmen und sich in Gemeinschaft wohl fühlen können. Dazu gehört für uns auch, sich untereinander Hilfe zu geben und sich (Nahid Yakmanesh, pro familia Hamburg) Hilfe holen zu können.“ „Das Wissen um Verhütung vo n ungeplanten und ungewollte n Schwangerschaften, aber au die Bestärkung der eigenen Ide ch ntität und der eigenen Vorstellu ng von Sexualität, ist unserer fahrung nach ein wichtiger Sch Erritt zum Empowerment von Fra uen. Wir möchten mit unserem Projekt einen Beitrag dazu leis ten, dass Frauen mehr Gestaltu ngsmöglichkeiten erhalten. Ein weiteres Ziel ist es, einen Schutz raum für die Mädchen und Fra uen zu bieten, damit sie einen Raum zu Selbstermächtigung bekommen, damit sie über die Themen sprechen können, da sie Strategien entwickeln und mit bereits vorhandene Strategien wahrnehmen. In diesem Raum soll die Selbstbestimmung in Bezug auf das Frau-Sein und ihre eigene Sexualität geförde werden. Diese ist grundlegend rt für das Ausleben von selbstbe stim mt er Se xu ali tät . “ (Nahid Yakmanesh, pro familia 27 Hamburg) pro familia Landesverband Hamburg e.V. Sexuelle Bildung und ein Recht auf Informationen für alle von Kersten Artus, pro familia Hamburg Im Rahmen des geförderten Projektes hat pro familia Hamburg 16 Sprachmittlerinnen mit einer selbst konzipierten Veranstaltungsreihe fortgebildet. Ein bislang einzigartiges Projekt, das Erfolg hat. „Da unten“ kann vieles bedeuten. Bei pro familia Hamburg wissen die Berater*innen und Sexualpädagog*innen allerdings meistens, was damit gemeint ist. Sie machen in ihren Beratungen und Veranstaltungen oft die Erfahrung, dass viele Menschen über bestimmte Körperregionen nicht sprechen können oder wollen, geschweige denn innere und äußere Geschlechtsorgane benennen oder zuordnen können. Eben die „da unten“. Oft ist Scham ein Grund, Dinge nicht aussprechen zu können, um die es bei pro familia geht. Es kommt vor, dass Ratsuchende Begriffe gar nicht erst kennen. Nicht nur inhaltliche Begriffe sind bei Zeiten unbekannt; auch jene, die sich um das Angebot von pro familia Hamburg drehen. In manchen Sprachen gibt es den Begriff „Beratung“ nicht. Es muss also erklärt werden, dass man sich da gegenübersitzt und nicht etwa einer Anweisung folgen muss. In vielen Teilen auf der Welt ist es nicht üblich, bei Problemen fremde Menschen aufzusuchen – dafür gibt es die Familie. Aber wie kann man gut beraten und beraten werden, wenn die Voraussetzungen zwischen Ratsuchenden und Ratgebenden so verschieden sind? Vor allem Sprachmittler*innen leisten hier eine wichtige Arbeit zum Verständnis, die über das reine Übersetzen hinausgeht. Das gilt nicht nur für das Vermitteln von Sprache, sondern auch von Gefühlen wie beispielsweise Sorgen und Ängste. Nahid Yakmanesh, ausgebildete Krankenschwester ist bei pro familia als Kulturmittlerin tätig. Gemeinsam mit zwei Sexualpädagoginnen hat sie eine Fortbildung für Sprachmittler*innen entwickelt, die aus einer Informationsveranstaltung und fünf Tagesmodulen besteht. Sorgen um genügend Interessent*innen für diese Fortbildung machten sie sich nicht: „Wir verfügen über ein gut funktionierendes Netzwerk in communities, Arbeitskreise und Netzwerke, in denen Frauen wirken und arbeiten. Daher konnten wir eine Fortbildung mit 16 Frauen stattfinden lassen. Zu einigen von ihnen bestand schon vorher ein guter Kontakt“, berichteten sie. 16 Frauen, die 13 Sprachen mitbrachten. Einige hatten ihre Kinder dabei – auch dies ist eine Tatsache, die dazu gehört, wenn Frauen sich weiterbilden wollen. Eine wichtige Voraussetzung war, dass den Teilnehmer*innen diese berufliche Qualifikation bezahlt wurde. 28 In der Auftaktveranstaltung stellte sich pro familia als Verband sowie die Arbeitsweise der Berater*innen und Sexualpädagog*innen vor. Wer sich danach vorstellen konnte, zu all den vielen Themen von Sexualität(en) Sprache mitteln zu wollen, war willkommen an den Fortbildungsmodulen teilzuhaben. Zu Beginn ging es um die Reflexion zur eigenen sexuellen Sozialisation. In vertrautem Rahmen wurde über viele ähnliche wie kontroverse, aber durchweg persönliche Themen gesprochen. Beeindruckend war, wie respektvoll über Unterschiede gesprochen wurde. Einig waren sich alle darüber, dass sich Ratsuchende mit Fluchtbiographie in deutschen Institutionen oft stigmatisiert und zum Opfer degradiert fühlen. Sie nehmen dann keine Ratschläge oder Hilfe mehr an. Eine Haltung, die man verstehen sollte, um auf Augenhöhe zu bleiben. Und so wurde die Fortbildung eine gemeinsame Reise des gegenseitigen Lernens. Vorhandene Schamgefühle kennen lernen oder Begriffe identifizieren, bei denen man sich nicht wohl fühlt, wenn man sie ausspricht. Oder wenn es eben kein Wort für ein Körperteil gibt. Wie beschreibt man zum Beispiel das kleine Organ, von dem man äußerlich nur einen kleinen Hügel sieht und fühlen kann, das aber als Teil der Vulva eine wesentliche Funktion für die weibliche Sexualität hat? Es ging bei der Fortbildung also auch darum, eine fachliche Selbstverständlichkeit herzustellen und passende Formulierungen zu finden, damit sich auch die Sprachmittlerin wohl fühlt und professionell handeln kann. Den Abschluss der Module bildete eine Ideensammlung für Materialien, die zum Beispiel für die Bildungs- und Beratungsarbeit hilfreich sein können: Flyer, Grafiken, Figuren. Und es entstand eine Sammlung von Begriffen in den verschiedenen Sprachen, die beim Übersetzen immer wieder vorkommen. Die Fortbildung war ein voller Erfolg und wird nun als Regelangebot von pro familia Hamburg verankert. Weitere Interessierte stehen auf der Warteliste – das Angebot hatte sich in den communities schnell herumgesprochen. Deutlich wurde darüber hinaus, dass es eine kontinuierliche Bildungsarbeit zwischen Beratungsstelle und Sprachmittler*innen geben müsste: „In der Einwanderungsgesellschaft, die von sozialer Ungleichheit geprägt ist und Menschen demnach nicht die gleichen Chancen und Handlungsoptionen bietet, schlagen die Sprachmittler*innen eine Brücke“, sagen die pro familia Mitarbeiterinnen. Auch wir müssen diese Brücke schlagen, um die strukturelle Benachteiligung zu verändern. Und um Bündnisse zu schließen: Nur in der Zusammenarbeit können wir dafür sorgen, dass alle Frauen und Mädchen von ihrem Recht auf Aufklärung und auf Beratungsund Bildungsangebote erfahren und gleichwertige Zugänge zu Ressourcen und Dienstleistungen erhalten. 29 d) Kulturelle und kreative Workshops zur Stärkung der Selbstwirksamkeit Marburg, Hessen Arbeit und Bildung e.V. ist bei den einzelnen „Über das künstlerische Ausdrücken von Bildern, Erinnerungen, Emotionen sprochen werden. Frauen viel passiert und nicht immer alles musste aufgearbeitet und ausge Situationen in Vieles geschah dabei auch ohne Worte. Die Pädagoginnen haben viele dieser Diese Form der Einzelgesprächen aufgegriffen und Ansätze zur Bewältigung geben können. und Bildung) pädagogischen Begleitung war im Projekt sehr wichtig.“ (Kordula Weber, Arbeit Projekt: Kultur Integriert Im Rahmen des Projektes erhalten geflüchtete Frauen einen solchen Raum: Hier können sich geflüchtete Frauen, ganz unabhängig von verschiedenen Sprachniveaus, künstlerisch-kreativ und unter pädagogischer Anleitung in Workshops zu verschiedenen Themenschwerpunkten ausprobieren. „Früher habe ich immer Männer um Hilfe gefragt. Jetzt weiß ich, dass ich mit Problemen auch zu euch kommen kann. Ich brauche die Männer jetzt nicht mehr!“ oder „Ich habe so etwas noch nie gemacht! Ich hätte nicht gedacht, dass ich das kann!“ – Diese Zitate verdeutlichen, wie wichtig ein safe space und ein Projekt speziell für Frauen ist. Es braucht einen sicheren Raum, damit neue Handlungsstrategien entwickelt und Probleme selbstwirksam bearbeitet werden können. So behandelte bspw. ein Workshop das Thema „Mein Leben, meine Familie und ich“. Werke, die vermisste Familienmitglieder, kriegerische Szenen oder sogar Personen in Gefängnissen darstellen, zeigten, dass die Kunst als Ausdrucksmittel für traumatische Erlebnisse dienen kann, für die die Worte fehlen. Die teilnehmenden Frauen konnten sich somit ein Stück weit selbst aus ihrer eigenen Sprachlosigkeit befreien und durch die Kunst ihre eigene Lebenssituation und Gefühlslage zum Ausdruck bringen. In einem anderen Workshop wurde ein Wandgemälde unter den Titel „Global Sisterhood“ in einer Unterkunft erstellt. Darunter wurden Gesichter unterschiedlicher Frauen gemalt, die alle trotz ihrer Verschiedenheit vereint sind. Die bemalten Wände bringen nachhaltig Farbe in die Tristesse der Unterkunft und werden auch künftigen Bewohner*innen ihren Lebensraum auf Zeit verschönern. Mehr Informationen zum Projekt: https://www.arbeit-und-bildung.de/projekte/ frauen/kultur-integriert 30 der Workshops „Von großer Bedeutung sind darüber hinaus die Gespräche, die während fnisse oder stattfinden. Die Frauen konnten sich untereinander über ihre Wünsche, Bedür Die künstlerische auch Ängste austauschen und erfuhren dadurch Stärkung untereinander. onen zu den Arbeit in den Workshops gab den Frauen nicht nur die Möglichkeit, ihre Emoti anderen Teilbearbeiteten Themen auszudrücken, sondern durch den Austausch mit den Erfahrungen und nehmerinnen auch das Gefühl, damit nicht alleine zu sein. Das Teilen von und Empfindungen das Erkennen von Gemeinsamkeiten in der Fluchtgeschichte, Erlebnissen l der Verbundenweckte bei den Teilnehmerinnen gegenseitiges Verständnis und ein Gefüh und kann Reflexion heit. Kunst erweist sich somit als verbindendes Mittel der Kommunikation (Kordula Weber, Arbeit und Bildung) und Ausdruck jenseits von Sprache ermöglichen.“ „Für Frauen, die nie zuvo r den Umgang mit Farbe und Pinsel geübt hatten, shops eine völlig neue Au stellten die Worksdrucksmöglichkeit dar un d stärkten zudem das Se der Teilnehmerinnen. Vie lbstbewusstsein le Frauen entdeckten durch die Kunst bisher unbekann Fähigkeiten und wurden te Talente und sich somit eigener Kompe tenzen bewusst. Zudem ka dadurch aus einer Passivit m en die Frauen ät heraus und konnten ihr en eigenen Lebensraum aktiv mitgestalten.“ (Kordula Weber, Arbeit un d Bildung) Kunst als Ausdrucksmittel © Arbeit und Bildung e.V. 31 Empowerment durch Kreativität am Beispiel des Projektes „Music for Chance & Change“ von Gülin Mansur „Ich finde, dass es etwas Tolles ist, die ses Projekt, weil es die Frauen stärkt. Also weil man dadurch seine Fähigkeiten und seine Stärken entdecken kann. Ich finde, dass das etwas sehr Schönes ist, weil wir waren sehr viele Frauen und es hat uns sehr zusammengeschweißt, so dass wir uns nicht als Einzelperson allein gefühlt haben, sondern wirklich als Team gemeinsam stark.“ (Sevinj, 19 Jahre) Das über Kultur-ID geförderte Projekt „Music for Chance & Change“ wurde 2018 mit insgesamt 14 jungen Frauen aus Aserbaidschan, Afghanistan, Kurdistan und Syrien, unter Einbindung von Ehrenamtlichen, Gästen und pädagogischen bzw. künstlerischen Fachkräften mit Erfolg umgesetzt. „Wir werden durch Musik der menschlichen Seele einen kreativen Ausdruck verleihen“, war unser Ansatz, um Frauen durch Kreativität zu empowern. Das Ziel von „Music for Chance & Change“ war es, junge Frauen durch Musik zu empowern, neue Sichtweisen für die Gestaltung ihres Lebens in Deutschland zu entwickeln, ihnen eine neue Form des Ausdrucks und der Verarbeitung von Erlebtem zu vermitteln. Genauso wichtig waren der Aufbau unterstützender sozialer Beziehungen, der Abbau von Vorurteilen und die Stärkung jeder Einzelnen in ihrer Rolle als Frau. Musik diente dabei als Sprachrohr, Ventil und Chance zu Veränderung und zum Ausdruck von Emotionen. Auf einer spielerischen und kreativen Ebene wurde den jungen Frauen dadurch die Möglichkeit gegeben, sich mit ihrer eigenen Identität und Lebenssituation auseinanderzusetzen. Die Teilnehmerinnen konnten für ihren weiteren Werdegang ermutigt werden und fühlen sich gestärkt, sich auch zukünftig selbstständig(er) in die Gesellschaft einzubringen. „Wir lernen voneinander und lernen miteinander.“ Viele der teilnehmenden Frauen berichteten, dass sie kreative Workshops als wichtig empfinden, um den Gebrauch der fremden, neuen Sprache zu erlernen. Als positive Nachwirkung wurden dabei Freundschaften aufgebaut und Frauen fühlen sich wieder lebendiger und mächtig. „Ich habe gelernt, wenn man was wil l, dann schafft man das auch!“ (Songtextpassag e Fatima) 32 Musik setzt keine Grenzen, sondern überwindet und erweitert diese © Gülin Mansur „Die Zeit hier war schön, die wir gemeinsam verbracht haben. Wir haben gemeinsam getrunken, gegessen und gelacht. Wir haben neue Freundinnen kennengelernt und neue Freundinnen gefunden! Das Wichtigste in diesem Projekt war die Liebe, die es hier reichlich gab. Was ich aus diesem Projekt mitgenommen habe, ist im Wesentlichen, dass ich verschiedene Menschen kennengelernt habe, verschiedene Religionen… v.a. Frauen. Z.B. Manche Wünsche, die ich seit dem Kindesalter hatte, wurden hier erfüllt durch die Musik!“ In vielen der Herkunftsländer gibt es kaum kreative Angebote für Frauen und es ist nicht üblich, solche Workshops zu besuchen. Viele Frauen besuchten die Schule, wenn auch nur die Grundschule. 18 Prozent der Frauen haben keine Schulbildung, so dass die meisten von ihnen Analphabetinnen sind. Nur ein kleiner Teil, 13,1 Prozent, ging zur Universität. Kreative Maßnahmen bieten somit die Möglichkeit unabhängig von Bildungsunterschieden teilzunehmen. Es entsteht keine Benachteiligung in Bezug auf ihre Herkunft, Erziehung und der schulischen Bildung, da Musik keine Grenzen setzt, sondern diese überwindet und erweitert, so dass Frauen motiviert werden sich weiterzubilden und auch ohne schulische Bildung sich stark fühlen und vieles erreichen können. Empowerment unter Frauen ist somit vor allem in den Bereichen Bildung, Sprache, Erziehung der Kinder, Jobmöglichkeiten und der Entwicklung des Selbstbewusstseins sehr wichtig. „Das ist so ein Gefühl, das ich vorher noch nie hatte.“ (Ilhama) „Ein Gefühl, das ich mir seit meiner Kin dheit wünschte. Ich hatte einen Traum, als ich noch klein war, dass alle meine Stimme hör en. (...)Und als ich den Song mit meiner Stimme hörte, hatte ich unglaubliche Gefühle, das warme Gefühl es endlich geschafft zu haben – dass me in Traum wahr geworden ist. Ich hatte so schöne Gefühle.“ Wichtige Rahmenbedingungen sind Kinderbetreuung, Zeit und der Aufbau von Vertrauen. Das Herstellen eines sicheren Ortes unter Frauen ist dabei ein wesentlicher Faktor für die Stärkung der weiblichen Identität. (Songtextpassage von Somaye) 33 Fotografische Tagebücher – Eine kreative Biographiearbeit von Patricia Morosan Das Projekt „Fotografische Tagebücher“ wurde von der Fotografin Patricia Morosan und der gemeinnützigen Organisation Artistania e.V. ins Leben gerufen und vom Paritätischen Bildungswerk durch das Programm „Frauen ID“ finanziert. Insgesamt 25 Frauen nahmen an dem Projekt teil, das 2018 in den Räumlichkeiten des Frauenzentrums Schokofabrik, der Notunterkunft im Rathaus Friedenau und der Urania in Berlin durchgeführt wurde. Die Biographiearbeit wird als eine Einladung für Erwachsene beschrieben, ihre Lebensgeschichten und Erinnerungen mit Hilfe von narrativen und kreativen Methoden wiederzugeben.27 Die biographischen Erkundungen sollen Potenziale für die Gestaltung des eigenen Lebens in der Gegenwart und in der Zukunft ermöglichen. Gerade Frauen mit Fluchterfahrungen und Frauen ohne Aufenthaltsrechte haben kaum die Möglichkeit, ihr Leben als gestaltbar zu erleben. Polaroids der Teilnehmerinnen © Patricia Morosan tigungen und eines der wichtigsten Identitätsmerkmale. Mehr als die Hälfte war allein nach Europa gekommen und hatte Familie und Kinder hinter sich lassen müssen. Die Isoliertheit war frappant: außer den umliegenden Straßen der Notunterkunft und den Menschen, die dort arbeiteten, war ihnen Berlin fremd. Mit diesen Dimensionen, dem persönlichen Erzählen, Vernetzen und Raum für Fragen, ging es darum, den Frauen die Viabilität und die Anpassung in das für sie neue Umfeld zu fördern, einen „Möglichkeitsraum“ zu schaffen. In dem Projekt „Fotografische Tagebücher “ wurde Fotografie hauptsächlich als Instrument eingesetzt, um Narrative anzustoßen, Distanzierungen mit den eigenen Erlebnissen zu ermöglichen und Ermutigung für die Zukunft der Frauen zu generieren. Dafür sollten die Teilnehmerinnen des Projektes ein Fototagebuch führen. Die Aufgabe war es, den eigenen Alltag in Berlin fotografisch zu dokumentieren und 20 Fragen mit Bildern zu beantworten. Mehr noch als kreative Kompetenzen standen die Stärkung der Resilienz, der Selbstwirksamkeit, des Selbstkonzeptes und die Erweiterung des eigenen Möglichkeitshorizonts im Mittelpunkt. Die intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie kombiniert mit einzigartigen Gruppenprozessen führte oft zu einer starken Emotionalisierung des Lernprozesses. Lachen und Tränen begleiteten uns. Schmerzhafte Fluchtgründe und Fluchterfahrungen wurden durch die Bilder kenntlich gemacht. So versuchten wir beim Bedauern von schwierigen Erfahrungen auf die erfolgreiche Bewältigungsstrategie aufmerksam zu machen. Bei der Frage „Was magst du machen?“ suchten wir bei unseren Treffen Verknüpfungen zu ihrem neuen Leben in Berlin herzustellen und Potentiale hervorzuheben. So konnten wir z.B. bei Vorlieben wie „Nähen“ die Geduld und Präzision oder auch bei „Fußball spielen“ die Teamfähigkeit und „den“ Ehrgeiz betonen. Das Projekt wurde mit zwei Gruppen in zwei sechsmonatigen Zyklen durchgeführt. Das „Muttersein“ war in beiden Gruppen eines der wesentlichen Hauptbeschäf27 Vgl. Schweighofer-Brauer et al. (2012): REALIZE –Transkulturelle Biographiearbeit für die Erwachsenenbildung: Projektbeschreibung. In: ProjektpartnerInnen von “REALIZE – Transcultural Biography Work for Adult Education (Hrsg): Transkulturelle Biographiearbeit.– Ein Grundtvig I Projekt. 34 Für eine Übung baten wir die Frauen, sich in eine fantasievolle Zukunft zu projizieren und einen Tag in zehn Jahren zu beschreiben. Diese Übung verlangte viel Diskussion und Erklärung: wir merkten, wie schwer es für die Frauen ist, sich in die Zukunft zu projizieren, sei es auch nur, um die Einbildungskraft zu üben. Zwei Sitzungen lang dauerte es, bis sich persönliche Träume in den Diskussionen entfalteten: Rokiatou Sidibe aus der Elfenbeinküste stellte sich als Fußballtrainerin vor. Sie schreibt in ihrem Zukunftstagebuch vom 09. September 2028: „Heute trainieren wir. Eine Woche vor dem großen Rennen und Constance ist in Bestform. Gestern hat sie sogar 70,5km/h geschafft. Ich bin so stolz, die schnellste Frau der Welt zu trainieren! Sogar schneller als Mbappe. Sie ist ‘ne Rakete!“ Fototagebücher-Treffen (Bild links) und Szenen aus der Ausstellung © Patricia Morosan Als Reaktion auf die Frage „Was oder wen vermisst Du?“ brachten die Frauen Bilder mit ganz unterschiedlichen Assoziationen. Es waren Bilder von einem besonderen Obst oder auch von den bei den Großeltern gelassenen und vermissten Kindern: der Austausch über diese ermöglichte ein Gefühl von „nicht alleine sein“. Des Weiteren konnte „Fremdes“ und „Vertrautes“ mit Hilfe der Bilder eingefangen und angesprochen werden. Der Austausch von Erfahrungen anhand der Fotografien war ein besonderer Moment, in dem wir uns in das Leben der anderen versetzten und uns gegenseitig zuhörten. Viele wichtige Details kamen tröpfchenweise und nebenläufig und wir mussten sie mit Takt aufgreifen. Zwischen den Zeilen erwähnten die Frauen schockierende Erlebnisse wie Vergewaltigung oder auch weibliche Genitalverstümmelungen und wir nahmen uns mehr und mehr Zeit für Einzelgespräche. Sensibles Nachfragen und Kommentieren waren nicht immer einfach: die radikale Diskrepanz zwischen unserer privilegierten Position und den diskriminierten Positionen der Frauen führte dazu, dass wir oft nicht wussten, inwiefern wir eingreifend waren. Wir merkten schnell, dass das Erzählen einen subsidiären Freiraum schaffte, in dem es möglich war, Ereignisse mit der eigenen Perspektive zu modellieren. Techniken des aktiven Zuhörens halfen den Frauen, sich nicht als passive Zuschauerinnen, sondern als aktive Gestalterinnen ihres Lebens, als mutige Entscheidungstrefferinnen und unglaubliche Überlebenskünstlerinnen zu erzählen. Des Weiteren war die Sorgfalt, mit der wir mit den Bildern umgingen, auch eine Arbeit zur Würde und Stärkung des Selbstkonzeptes. Die patriarchalen Strukturen der Familien, die multiplen Gewalterfahrungen sowie die Verachtung seitens des deutschen Staatsapparates hatten tiefe Spuren im Selbstwert und in der Selbstachtung der Frauen hinterlassen. Vor allem die Fotoshootings hatten hier eine positive Wirkung. Wir verwandelten den sterilen Raum der Notunterkunft in ein kleines Fotostudio mit besonderen Lichteffekten und farbigen Hintergründen. Die Frauen wurden gleichzeitig zu Fotografinnen und Models: sie holten ihre feinsten Kleider, machten sich Frisuren, schminkten sich und posierten entsprechend. Die schwangeren Bäuche, die erst als „eklig“ bewertet wurden, wurden nach und nach gezeigt und sogar inszeniert. Als die Bilder gedruckt wurden, freuten wir uns über ihre Reaktionen: „I’m so beautiful“ oder „What a great foto I did“. 35 e) Stärkung der Selbsthilfe zur Integration in den Arbeitsmarkt Wiesbaden, Hessen Frauengesundheitszentrum SIRONA e.V. „Die Suche nach einem Arbeitsplatz ist häufig sehr frustrierend. Die Frauen brauchen viel Ausdauervermögen und Kraft. Doch die regelmäßigen Treffen und der gemei nsame Austausch sind sehr tiefgehend und hilfreich. Wichtig ist vor allem, die Frauen in ihren Fähigkeiten und Kompetenzen zu stützen und zu stärken.“ (Sigrid Schellhaas, Frauengesundheitszentrum SIRONA e.V.) Projekt: E mpowerment und Selbsthilfe für geflüchtete Frauen – Angeleitete Selbsthilfe zur Integration in das Berufsleben Das Frauengesundheitszentrum SIRONA e.V. bietet psychosoziale Unterstützung und gesundheitliche Beratung auch für geflüchtete Frauen an. Aufgrund der starken Nachfrage nach Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt, wurde eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Diese verfolgt das Ziel, den Austausch geflüchteter Frauen zu stärken, Möglichkeiten ihrer beruflichen Situation aufzuzeigen und beim Zugang zum deutschen Bildungs- und Beschäftigungssystem zu unterstützen. In der Selbsthilfegruppe sind 25 Frauen. An den regelmäßig wöchentlichen Treffen nehmen 5-10 Frauen mit Berufs- oder Hochschul(vor) ausbildung teil. In Kooperation mit arbeitsmarktrelevanten Partner*innen (u.a. Gewerkschaften, Netzwerke für die berufliche Förderung von Frauen) werden Informationen durch themenbezogene Vorträge von Expert*innen von Fach- und Beratungsstellen mit lokalem und regionalem Bezug vermittelt. Gemeinsame Besuche von politischen und kulturellen Veranstaltungen und Ausstellungen vertiefen den Kontakt in der Gruppe und den Zugang in die Gesellschaft. Darüber hinaus unterstützen sich die teilnehmenden Frauen gegenseitig beim Verfassen von Bewerbungsschreiben oder der Begleitung zu Ämtern und Behörden. Die Teilnehmenden entwickeln somit eigene Ideen zur Umsetzung einer beruflichen Tätigkeit, erlernen einen sicheren Umgang mit Behörden und Bürokratie und erfahren mehr über Arbeits- und Frauenrechte. Bisher haben fünf Frauen durch das Projekt eine Anstellung gefunden. Zudem ist die Gruppe auch motivierend, um Sprachkurse zu suchen, zu besuchen und zu einem Abschluss (B1, C1) zu bringen. Mehr Informationen zum Projekt: https://fgz-sirona.de/projekte/ ermöglicht ein Empowerment zur eigenen „Der Austausch mit anderen betroffenen Frauen Ideen zur Umsetzung einer beruflichen Tätigkeit beruflichen Situation und die Ermutigung, eigene sicherer im Umgang mit Behörden und der zu entwickeln. Die teilnehmenden Frauen werden ärkt und können ihre eigenen Möglichkeiten Bürokratie. Sie sind in ihrem Selbstbewusstsein gest den Arbeitsmarkt besser einschätzen. und notwendigen Maßnahmen zur Integration in tem, zu Arbeitsrecht und zu Frauenrechten. Sie erlangen auch Wissen zum Krankenkassensys SIRONA e.V.) (Sigrid Schellhaas, Frauengesundheitszentrum 36 f ) Kreative und stärkende Unterstützungsangebote für besonders schutzbedürftige geflüchtete Mädchen und junge Frauen in Unterkünften München, Bayern REFUGIO München, Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer „Junge Mädchen und Frauen mit Fluchterfahrungen stellen eine besonders vulnerable Zielgruppe dar, die häufig ein hohes Maß an (kultur-)sensibler Hürdenhilfe benötigt, um passen de Unterstützungsangebote wahrnehmen zu können. Die Mädchentage sind für unsere Teilnehmerinnen ein fester Bestandteil, ein Fixpunkt im sonst so unruhigen und unsicheren Alltag. Wir begegnen dieser schwierigen Lebenssituation vor allem durch ein intensives Vertrauensverhältnis. Wir bauen stabile Grupp en auf und unterstützen die Mädchen durch langfristige Zusammenarbeit bei ihren Themen und Proble men. Das Projekt stellt die Förderung der Kreativität in den Vordergrund und vermittelt den jungen Frauen Selbstvertrauen. Das Medium Kunst dient uns hierbei als nonverbale Ausdrucksmöglichkeit, um sowoh l negative als auch positive Erlebnisse zu verarbeiten und mitzuteilen.“ (Annette Hartmann, Refugio München) Projekt: MÄDCHENTAGE – Empowerment für besonders schutzbedürftige geflüchtete Mädchen und junge Frauen Im Rahmen des Projektes ist eine Gruppe von geflüchteten Mädchen und jungen Frauen entstanden, die sich während niedrigschwelliger aufsuchender Arbeit in Flüchtlingsunterkünften gebildet hat. Diese sog. Mädchenkreativgruppe ist einerseits vor Ort in der Unterkunft im geschützten Raum aktiv, andererseits unternimmt sie auch gemeinsame Aktionen in München, z.B. Ausstellungsbesuche. Die Mädchen und Frauen erfahren gemeinsam in der Gruppe eine erholsame Pause vom anstrengenden Alltag und gedrängtem Leben in der Unterkunft, kommen beim bildnerischen Gestalten zur Ruhe und lernen, sich im neuen Lebensfeld München zurechtfinden. zurecht und genießen es, sich jenseits von Bewertungen, Erwartungen und Rollenvorgaben auszudrücken. Die regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Aktionen richten sich nach den Interessen und Ressourcen der Teilnehmerinnen und zielen auf deren emotionale Stabilisierung und die Stärkung ihres Selbstwertgefühls. Der Ansatz ist niederschwellig und verbindet Kunst- bzw. Kulturpädagogik mit Medien sowie erlebnispädagogischen Elementen – z.B. ein Kino-Abend im Mutter-Kind-Haus oder eine im Gruppenraum der Gemeinschaftsunterkunft aufgebaute Fotostation. Mehr Informationen zum Projekt: https://www.refugio-muenchen.de/angebote-fuer-menschen-mit-fluchterfahrung-und-migrationshintergrund/kunstwerkstatt/ Der unmittelbare, kreative Ausdruck kann sich befreiend und stärkend auswirken. Auch Mädchen, die neu dazukommen finden sich meist schnell in diesem Freiraum en Frauen einen gemeinsamen Erfahrungs„Gemeinsame Ausstellungsbesuche bieten den jung lemzentrierten Alltagswelt und damit raum, der ihnen ermöglicht, fernab ihrer häufig prob lung zu erleben. Zugleich bietet das Unverbundenen Stigmatisierungen, Momente der Erho tragfähige Vertrauensbasis zu entwickeln, terwegssein in der Gruppe, gute Möglichkeiten eine ll an andere Hilfsangebote weitervermitteln die maßgeblich ist, um die Mädchen im Bedarfsfa tische Angebot von Refugio aber auch der zu können. Dank der Rückbindung an das therapeu IMMA oder dem Frauennotruf, konnte bisher guten Vernetzung zu weiteren Beratungsstellen wie zwei jungen Frauen erreicht werden.“ eine psychische Stabilisierung und Stärkung von Bierner, Refugio München) (Katharina 37 g) Peer-to-peer: Stärkung der Selbsthilfepotentiale und Aufbau von Selbsthilfestrukturen von und für geflüchtete Frauen Berlin Für eine kulturvolle, solidarische Welt e.V. – Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I. s eingebunden und „Das Projekt ist in den frauenspezifischen Aktivitäten und Ressourcen des Träger Gruppenbasiert auf langjährigen Erfahrungen in der muttersprachlichen Einzel- und erinnen“ sind, arbeit durch und für Migrantinnen. Daher wissen wir, wie wichtig „Brückenbau haben. Daher stred.h. z.B. Frauen mit Fluchterfahrung, die sich bereits in Deutschland integriert terinnen und ben wir auch in diesem Projekt an, dass sowohl die Referentinnnen, Workshoplei innen sprechen.“ Künstlerinnen als auch die Beraterinnen dieselbe Muttersprache wie die Nutzer (Janina Argilagos, S.U.S.I.) Projekt: Women for Fun In Zusammenarbeit mit Fatuma Musa Afrah und ihrem Verein United Action e.V. sind mehrere Gruppenangebote initiiert und erfolgreich durchgeführt worden. Das Angebot „Women for fun“ ist ein niedrigschwelliges Gruppenangebot mit Frauen-Café (offene Treffen), sportlichen Freizeitaktivitäten und gemeinsamen Essen, zu denen auch Expert*innen eingeladen werden, so dass wichtige Informationen zu bestimmten Themen vermittelt werden, wie z.B. zu Frauenrechten, Genitalverstümmelung, Unterstützungsangebote vor Ort u.v.m. Weitere Informationen zum Projekt: www.susi-frauen-zentrum.com/ „Die meisten Newcomer-Frauen, mit denen wir zusammenarbeiten, sta mmen aus Ländern, in denen Frauenrechte als nic ht so wichtig angesehen werden bzw . für einige buchstäblich nicht existieren. Wenn wir mit den Frauen zusammen sind, dan n können wir die vollen Potenziale der Frauen erkenn en, die sie schon immer mit sich get ragen haben, aber nicht zeigen konnten. Der beste We g, die Frauen zu ermutigen, besteh t darin, ihnen eine Stimme zu geben und sie in versch iedene pädagogische, gemeinschaftl iche und interkulturelle Projektaktivitäten einzubezie hen. Die Teilnahme gibt ihnen die Möglichkeit, integrativ zu sein und Neues zu lernen. Ein weiterer wichtiger Weg, um die Newcomerinnen zu empowern, besteht darin, mit ihnen und nicht für sie zu arbeiten. Dies gib t ihnen die Chance und Verantwortung, gemeinsam mit anderen im Lernprozess Dinge zu tun und Vertrauen zu entwickeln. Die Selbstorganisat ion von Newcomerinnen ist ein weiter er sehr wichtiger Weg, um ihre Fähigkeit zu stärken, mit Unterstützung anderer mehr für sich selbst zu tun. Das Gefühl, Verantwortung zu überne hmen und sich selbst zu organisieren, ist so wichtig, dass sie ihre Positionen in der Gemeinsch aft verstehen und einfordern, ein we sen tlicher Teil der von Männern dominierten Gesellschaften zu sein bzw. zu werden. Sie über ihre Rechte aufzuklären, ist eine weitere Möglichkeit, die Frauen zu unterstützen. Mit unserem Projekt versuchen wir all dies zu berücksichtigen.” (Fatum a Musa Afrah, United Action e.V.) 38 h) Selbststärkung und Gewaltprävention von jungen geflüchteten Frauen durch Selbstverteidigungstechniken Freiburg, Baden-Württemberg Tritta e.V. „Wen-Do wurde vor vielen Jahren von Frauen* für Mädchen* und Frauen* entwic kelt und hat zum Ziel, sie stark zu machen und ihren Schutz, ihre Sicherheit, ihre Würde und Wohlbefinde n in den Mittelpunkt zu stellen. Vermittelt werden wirksame, schnell erlernbare Techniken aus ostasia tischen Methoden der Selbstverteidigung. Neben Selbstverteidigungstechniken bilden Sensibilisieru ng für Grenzsetzung und Rollenspiele zum besseren Wehren den zweiten Schwerpunkt.“ (Annette Krings, Wen-Do-Trainerin* bei Tritta e.V.) Projekt: Empowerment für geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* durch Wen-Do (Selbstbehauptung und Selbstverteidigung) Durch Wen-Do wurden unzählige Mädchen* und junge Frauen* in den letzten Jahrzehnten in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Kraft gestärkt. Immer wieder stellen die Mitarbeiter*innen von Tritta e.V. fest, dass es für Mädchen* und junge Frauen*, die Lebenserfahrungen haben, die sie nicht mit den Mädchen* der Mehrheitsgesellschaft teilen, sehr positiv ist, Wen-Do in einem erfahrungshomogenen Setting zu trainieren. Empowerment heißt dann, dass die ähnlichen Lebenserfahrungen im Mittelpunkt stehen. In diesem Rahmen können sich somit auch Mädchen* und junge Frauen* mit Fluchterfahrung bewusster über die vielen einschränkenden Faktoren in ihrer Lebenssituation „nach der Flucht“ und „im Wohnheim“ werden, genauso wie sie ihre Solidarität untereinander in positiver Weise entwickeln können. Sie lernen eigene Stärken kennen und spüren ihre körperliche Kraft. Diese Erfahrung in Kombination mit den erlernten Techniken verhilft ihnen dazu, sich selbst zu behaupten. Wen-Do ermöglicht es somit, die Ziele „Geschützter Raum“, „Gewaltprävention“, „Empowerment“ und „Solidarität und Bewusstmachung“ zusammen umzusetzen. Zusätzlich zu den geschützten Räumen im Projekt der Wen-Do-Kurse können geflüchtete Mädchen* und junge Frauen* an allen Gruppen- und Kursangeboten der Einrichtung kostenfrei teilnehmen: das sind z.B. Theater, Genusstag, Fotokurs, Kanutag, Longboard, Musikprojekte, Feriencamps und vieles mehr. Die Mädchen* und jungen Frauen* können somit viele neue Dinge lernen, zu denen sie sonst kaum Zugang hätten. Mehr Informationen zum Projekt: https://www.tritta-freiburg.de mkeit erleben kön„Sie erfahren Empowerment dadurch, dass sie sich selbst in ihrer Selbstwirksa n im gemeinsamen nen und dass sie Kontakte mit anderen Mädchen knüpfen und vertiefen könne ssituation, die sie mit Tun. Die Teilnehmerinnen werden bewusster über die Faktoren in ihrer Leben Trennende sichtbar ist. anderen Mädchen gemeinsam haben - Nicht wie sonst oft, wenn v.a. das ander entwickeln.“ Geflüchtete und nicht-geflüchtete Mädchen* können somit Solidarität mitein (Martina Hocke, Projektleiterin*, Tritta e.V.) 39 i) Stärkung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch langfristige Unterstützung und Begleitung Essen, Nordrhein-Westfalen ViBB Essen e.V. „Nach dem Erhalt eines Aufenthaltstitels bestehen für geflüchtete Frauen zwar Sicherheit im juristischen Sinn sowie Möglichkeiten der Integration. Zugleich ergeben sich für sie aber auch enorme Herausforderungen und geschlechtsspezifische Hürden: Insbesonder e alleinerziehende und sich in Trennung befindende Frauen stehen häufig allein vor einem Neuan fang hinsichtlich beinahe aller Lebensbereiche in einer noch oft als sehr fremd empfundenen Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, diese Frauen dabei zu unterstützen, ihren spezifischen Bedür fnissen entsprechend neue Lebensperspektiven in ihrer neuen Heimat Essen bzw. dem Ruhrgebiet zu entwickeln.“ (Chandralekha Trettin-Deb, ViBB Essen e.V.) Projekt: ( Ein-) Leben in Essen – Integrationshilfen für Frauen mit Fluchterfahrung und andere besonders schutzbedürftige Personen Das Projekt hat zum Ziel, geflüchtete Frauen darin zu empowern, dass sie selbstbewusst und zunehmend selbständig am gesellschaftlichen Leben in ihrer neuen Umgebung teilhaben. Durch vielfältige aufeinander abgestimmte Angebote lernen die Teilnehmer*innen wesentliche Möglichkeiten zur Gestaltung ihres Alltagslebens kennen und lernen diese auch entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen zu nutzen. Die Beratungen und Begleitungen in den vergangenen Jahren zeigen erste Erfolge hinsichtlich der beruflichen Integration von Teilnehmer*innen. Dabei ging es nach der Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen durch deutsche Behörden v.a. um die Anbindung an fachlich passende Möglichkeiten zu berufsspezifischen Fortbildungen, Praktikumsstellen und (potenziellen) Arbeitsplätze. Hinsichtlich der Integrationshilfe in den Arbeitsmarkt kann das Projekt in den kommenden Jahren noch erheblich mehr als bislang für die Teilnehmer*innen leisten, da viele Frauen inzwischen das für den Arbeitsmarkt notwendige Sprachniveau B1/B2 und evtl. schon C1 erreicht haben. So bieten regelmäßige Gruppentreffen Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch integrationsrelevanter Themen und ein gemeinsames Erlernen praktischer Fähigkeiten für den Lebensalltag. Durch gemeinsame Ausflüge lernen die Frauen vielfältige Möglichkeiten zur Teilhabe am soziokulturellen Leben kennen. Eine zusätzliche intensive Einzelbetreuung geht auf weitere individuelle Bedürfnisse der Frauen ein. Zentrale Themen dabei sind: Einkommenssicherung, Spracherwerb, Wohnungssuche, Gesundheitsvorsorge bzw. Behandlungsmöglichkeiten, Verlauf eines Trennungs-/ Scheidungsprozesses, Umgangsrecht bzgl. Kindern, Umgang mit Behörden sowie die mittelfristige berufliche Entwicklung. Um interessierte Frauen enger an den Verein zu binden, wird darüber hinaus eine Gruppe von Multiplikator*innen ausgebildet, die im Rahmen des Projektes lernen, anderen Frauen mit ähnlichen Problemlagen Unterstützung zu geben. Mehr Informationen zum Projekt: https://www. vibb-essen.de/verein/gefoerderte-projekte/aktuelle-projekte/ ren Anlaufpunkt für viele geflüchtete Frauen „ViBB e.V. ist mittlerweile zu einem wichtigen und siche langfristige Projektförderung sichergestellt wergeworden. Wichtig ist – und das kann nur durch eine e der Teilnehmerinnen über eine lange Zeit vom den –, dass die sich entwickelnden sozialen Netzwerk dralekha Trettin-Deb, ViBB Essen e.V.) Projektträger gefördert und begleitet werden.“ (Chan 40 j) Stärkung von haupt- und ehrenamtlichen Akteuren in der Arbeit mit LSBTIQ*-Geflüchteten Gleichen, Niedersachsen Stiftung Akademie Waldschlösschen Geflüchteten haben einen LSBTIQ*-Hinter„Schätzungsweise 5-10 Prozent der nach Deutschland verfolgt, sondern werden auch in den grund. Sie wurden nicht nur in ihren Herkunftsländern isch und psychisch bedroht. Seit fast vier JahGemeinschaftsunterkünften nicht selten massiv phys und Einrichtungen im öffentlichen Sozial- und ren arbeiten Projekte aus der LSBTIQ*-Community versuchen ihre Situation zu verbessern. InsbeGesundheitswesen mit LSBTIQ*-Geflüchteten und geschlechtliche Vielfalt“ jedoch stark unterresondere in Unterkünften ist das Thema „sexuelle und Informationen zu den aktuellen Veränderungen präsentiert. Zudem gibt es einen großen Bedarf an ngungen – so zum Beispiel zur Einführung in den rechtlichen und institutionellen Rahmenbedi n) n Rosenberger, Stiftung Akademie Waldschlössche eines dritten positiven Geschlechtseintrags.“ (Kevi Projekt: Durchführung von Fortbildungen und Vernetzungstreffen für ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter*innen im Bereich LSBTIQ*-Geflüchtete Im Rahmen des Projektes werden bundesweite Fortbildungen und Vernetzungstreffen für Ehren- und Hauptamtliche aus Projekten der LSBTIQ*-Community, AIDS-Hilfen und Einrichtungen im öffentlichen Sozial- und Gesundheitswesen durchgeführt. Die Teilnehmenden erhalten Informationen und konkrete Impulse für ihren Arbeitskontext u.a. durch rechtliche Grundlagen und Inputs zur Arbeit mit traumatisierten LSBTIQ*-Geflüchteten genauso wie zu Diskriminierung und Rassismus im Alltag von LSBTIQ*-Geflüchteten. Sie werden zur Reflexion ihrer eigenen Arbeit angeregt und setzen sich in einem Erfahrungs- und Perspektivenaustausch zum Umgang mit schwierigen Situationen auseinander. Wie spreche ich bspw. über Sex, Liebe und Beziehung in der Beratung? Aber auch: Ist es überhaupt notwendig, mehr über die „Anderen“ zu wissen oder ist es nicht wichtiger, mehr über sich selbst und den vorwiegend eigenen westlich geprägten Vorstellungen zu wissen? Welche sind die Fragen, die sich Sozialarbeiter*innen selbst stellen sollten? Wie sind die (Macht)strukturen geprägt, in denen sie im Kontext von Flucht arbeiten und welche Auswirkung hat dies auf die Arbeit, wenn es um die unterschiedlichen Sexualitäten und Liebesleben in den verschiedenen kulturellen Prägungen geht? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen stärkt somit nicht nur die Akteure selbst, sondern wirkt sich konkret positiv auf LSBTIQ*-Geflüchtete aus. Mehr Informationen zum Projekt: https://www.waldschloesschen.org „Die Vernetzungstreffen und die Fortbildungen sind ein wichtiges kontinuierliches Angebot für viele Fachkräfte. Sie sind notwendig, um Handlun gsorientierungen im Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu erwerben und die Soziale Arbeit in Bezug auf die Arbeit mit LSBTIQ*-Geflüchteten zu sensibilisieren und zu professionalisieren.“ (Wolfgang Vorhagen, Stiftung Akademie Waldschlö sschen) 41 k) Verhinderung von sekundärer Traumatisierung in der Arbeit mit geflüchteten Mädchen und Frauen Oldenburg, Niedersachsen Wildwasser Oldenburg e.V. Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Mädchen und Frauen en. „Kriegserfahrungen, sexualisierte Gewalt und Flucht können Traumata auslös enden, denen Und zwar nicht nur bei den direkt Betroffenen, sondern auch bei den Zuhör a ist ansteckend. geflüchtete Schutzsuchende ihre dramatischen Erlebnisse anvertrauen. Traum Verletzlichkeit, HilfTraumaerfahrungen anderer konfrontieren Helfer*innen mit der eigenen rungen oder die losigkeit und Ohnmacht. Vielen Helfer*innen gehen die gehörten Gewalterfah ken „überspringt“, Eindrücke z.B. in Flüchtlingsunterkünften nicht aus dem Kopf. Wenn der Schrec rschöpfung“. sprechen Fachleute von „Sekundärer Traumatisierung“ oder auch „Mitgefühlse omen, die auch Diese Form der Traumatisierung äußert sich bei Betroffenen in Form von Sympt te Wachsamkeit und bei Posttraumatischen Belastungsstörungen auftreten. Zum Beispiel: erhöh OhnmachtsÜbererregung, Vermeidung von traumaassoziierten Reizen, Interessensverlust, gien zu kennen, die gefühle und Wiedererleben. Um dies zu verhindern ist es unerlässlich, Strate wenn ich selbst stabil zur eigenen psychischen und körperlichen Stabilisierung dienen. Denn nur Beziehungsmöglichkeit bleibe, kann ich traumatisierten Menschen eine tragfähige Kontakt- und zu erkennen und ausanbieten, die sie zur Heilung so dringend benötigen. Die eigenen Grenzen ngen, um eine Anstereichend für die eigene Psychohygiene zu sorgen sind wichtige Voraussetzu ckung mit dem Trauma zu verhindern und einem Burn Out vorzubeugen.“ (Frauke Janßen, Wildwasser Oldenburg e.V.) Projekt: Trauma – was tun?! Im Umgang mit traumatisierten geflüchteten Mädchen und Frauen treten häufig Verunsicherungen und Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht bei den Unterstützenden auf. Gutes Rüstzeit zur Bewältigung ist für alle – Betroffene wie Helfende – wichtig. Die Teilnehmenden lernen somit Grundlagen der Psychotraumatologie kennen und erhalten einen Einblick, welche Folgen Trauma-Erfahrungen für das Verhalten und Erleben Betroffener haben kann. Mithilfe von anschaulichen Materialien des sog. Traum(a)-Koffers werden praktische Strategien zur Stabilisierung nach traumatischen Erfahrungen vorgestellt und ihre Übertragbarkeit auf verschiedene Lebensfelder bezogen. Mit dem Ziel, einer sekundären Traumatisierung entgegenzuwirken und alle Beteiligten zu stärken, werden im Rahmen des Projektes Fachfortbildungen und Informationsgespräche für Fachkräfte und Ehrenamtliche, die mit geflüchteten Frauen arbeiten, durchgeführt. Bisher nutzen vor allem Flüchtlingssozialarbeiter*innen, Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen, Pädagog*innen, Studierende sowie Integrationslots*innen, Bildungspat*innen und engagierte Bürger*innen in der Integrationsarbeit diese Angebote. Mehr Informationen zum Projekt: http://www.wildwasser-oldenburg.de/Erwachsene/Praeventionsangebote 42 „In der Arbeit mit traumatisierten Mensch en zeigt sich immer wieder, dass Reflektieren und Besprechen allein nicht langfristig hilfr eich sind. Vielmehr sind Betroffene und auc h ihre Bezugspersonen dankbar für konkrete, direkt umsetzbare Handlungsstrategien zur Distanzierung und Stabilisierung. Der Trau m(a)-Koffer enthält verschiedene Materialien , die als sogenannte „Stabis“ zur Stabilisierun g im Alltag verwendet werden können – wie z. B.: Leuchtsterne als „Gegenwartsanker“ gegen Alpträume, Stopp-Zeichen für eine deutliche Abgrenzung, Fingermassageringe zur Stressreduzierung, Lebenskärtchen mit erm utigenden Botschaften, Kraftlöwen zur Selb stwertstärkung und eine „wenn-dann-Liste“ für das Hilfeholen in Notsituationen. Bezugspers onen erfahren so konkrete Handlungsmöglichkeiten, wie sie zur alltäglichen Stabilisie rung nach Traumata beitragen und die Mat erialien auch zur eigenen Stabilisierung (Psy chohygiene) benutzen können.“ (Kerstin Koletschka, Wildwasser Oldenburg Der Traum(a)-Koffer kann bei Wildwasser bestellt werden. 43 e.V.) 4. Tipps für die Praxis: Handlungsempfehlungen für die Unterstützungsarbeit mit geflüchteten Frauen Ausgehend von der langjährigen Expertise und den praktischen Erfahrungen Paritätischer Mitgliedsorganisationen, u.a. im Rahmen des bundesweiten Projektes „Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“, wurden folgende Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet. Diese Empfehlungen können die weitere Arbeit mit geflüchteten Frauen unterstützen und sind sowohl für die Planung von Angeboten als auch für die konkrete Umsetzung von Projekten hilfreich. Neben den konkreten Erfahrungen der Projektträger berücksichtigen die Empfehlungen die Erkenntnisse aus einer Befragung (siehe Kapitel II) und beruhen somit auch auf den Bedarfen und Wünschen geflüchteter Frauen selbst. a) Projektplanung: Vorbereitende Überlegungen und Maßnahmen Eine gute Vorbereitung ist essentiell. Die Beschäftigung mit Fragen zur eigenen Motivation, zu Zielen und Zielgruppen kann bei der Projektplanung und der konkreten Umsetzung der Maßnahmen sehr hilfreich sein. Zudem können mögliche später auftretende Schwierigkeiten im Projektverlauf vorausschauender und effektiver bearbeitet werden. Eigene Motivation und Ziele reflektieren Was motiviert mich bzw. uns als Organisation, ein Angebot für bzw. mit geflüchteten Frauen durchzuführen? • Was möchten wir mit unserem Angebot konkret erreichen? • Wie können wir die Selbstwirksamkeitserfahrung der Zielgruppe stärken? • Können geflüchtete Frauen durch unser Angebot mit anderen vernetzt und zur Selbsthilfe ermutigt werden? • Welche Ziele verfolgen wir dabei für uns und welche für die Zielgruppe? Welches Verständnis haben wir von unserer Rolle in diesem Projekt? • Wie sind wir im Team aufgestellt, welche Positionen und gesellschaftlichen Positionierungen nehmen wir ein, welche nimmt unsere Zielgruppe ein? Welche Herausforderungen könnten damit im Projektverlauf verbunden sein und wie können wir damit umgehen? Diese und weitere Fragen können ein wichtiger erster Schritt sein, um sich vor Projektbeginn ehrlich und selbstkritisch mit der eigenen Haltung und auch mit Erwartungen an das Projekt und die Zielgruppe auseinander zu setzen. Zudem können mögliche Schieflagen wie bspw. unterschiedliche aufenthaltsrechtliche Privilegien oder Sprachbarrieren bewusst(er) gemacht werden. Wichtig ist, dass Paternalismus genauso wie Rassismus und weitere Diskriminierung besprechbar werden und Konsequenzen für das eigene und gemeinsame Handeln daraus abgeleitet werden. Es empfiehlt sich, diese Fragen im Projektverlauf immer wieder aufzurufen und neu für sich und das eigene Team zu beantworten. Je nach Bedarf kann es auch hilfreich sein, eine kollegiale Beratungspraxis oder Supervision im Team zu etablieren. Bevor es an die konkrete Planung und Projektumsetzung geht, ist es zunächst wichtig, die eigene Motivation und die damit verbundenen Ziele in den Vordergrund zu stellen: • • 44 Weiterführende Literaturempfehlungen: Die Zielgruppe und ihre Bedarfe kennen  Wen möchten wir mit unserer Arbeit erreichen? Was wissen wir über unsere Zielgruppe, ihre Lebenssituation, ihre Rechte und ihre Bedarfe vor Ort – und was wissen wir nicht? Richtet sich unser Angebot nach den Interessen und Ressourcen der Zielgruppe? Wie sollte unser Angebot also möglichst ausgestaltet sein, damit wir auch tatsächlich diejenigen erreichen, die wir erreichen möchten?   E ine Sammlung zahlreicher Reflexionsfragen u.a. in Bezug auf das Selbstverständnis und die Ziele der eigenen Arbeit befinden sich in der Broschüre „Willkommen ohne Paternalismus“ von glokal e.V., einem Berliner Verein für machtkritische Bildungsarbeit, der seit 2006 in der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung tätig ist. Die Reflexionsfragen basieren auf Erfahrungen mit der Empowermentarbeit mit Geflüchteten: https://www.glokal.org/wp-content/ uploads/2017/02/Willkommen-ohne-Paternalismus_Reflexionshilfe.pdf Geflüchtete Frauen wissen selbst am besten, was sie brauchen. Warum also nicht einfach sie selbst fragen? Auch Fachkräfte, die vor Ort mit der Zielgruppe arbeiten sowie Fachberatungsstellen können ein wichtiger Startpunkt für die Projektplanung sein. Zudem ist es sinnvoll, das Projektvorhaben im zeitlichen Verlauf an die konkreten Bedarfe und Wünsche der Zielgruppe sowie etwaigen weiteren Entwicklungen anzupassen bzw. direkt mit ihnen weiterzuentwickeln (bedarfsund prozessorientiertes Arbeiten). Entsprechend sollte schon vor Projektbeginn eine gewisse Flexibilität und Möglichkeit der Veränderungen der Maßnahmen eingeplant werden. I m Rahmen der Broschüre „Patenschaften mit geflüchteten Menschen“, die 2017 vom Paritätischen Gesamtverband und vom Paritätischen Landesverband Berlin herausgegeben wurde, befindet sich auch ein Kapitel zum Thema „Begegnung auf Augenhöhe? Über Herausforderungen und Fallstricke in Patenschaften mit geflüchteten Menschen.“ Hier werden potentielle Schwierigkeiten in Patenschaften mit geflüchteten Menschen erläutert, die auch auf die Arbeit mit geflüchteten Frauen bezogen werden können, siehe S. 19-23: https://www.der-paritaetische.de/publikationen/patenschaften-mit-gefluechteten-menschen/ Geflüchtete Frauen bilden keine homogene Gruppe. Sie haben unterschiedliche Biographien und Sozialisationserfahrungen gemacht, haben verschiedene Bildungs- und Berufshintergründe und bringen verschiedene Interessen, Stärken und Kompetenzen mit. Es ist demnach essentiell, sich mit der eigenen Zielgruppe differenziert auseinander zu setzen, damit Angebote nicht an den Bedarfen der Zielgruppe vorbei konzipiert werden.  Darüber hinaus illustriert folgendes Video, welche möglichen Irritationen und Grenzen in der Unterstützungsarbeit mit geflüchteten Menschen aufkommen können. Das Reflexionsvideo „Unterstützungsarbeit – auf Augenhöhe mit Geflüchteten?!“ vom Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik und dem IQ-Landesnetzwerk Baden-Württemberg (2016) möchte Impulse geben, diese Arbeit in Fortbildungen oder Gruppendiskussionen zu reflektieren und weiter zu entwickeln. Es soll helfen, schwierige Situationen besser zu verstehen, Stereotypisierungen bewusst zu machen und Frustrationen auf beiden Seiten zu vermeiden: https://www. rassismuskritik-bw.de/erklaervideo/ Zudem sind geflüchtete Frauen als Asylsuchende, Geduldete oder Anerkannte mit unterschiedlichen rechtlichen Rahmen- und Lebensbedingungen konfrontiert. Die Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und in sog. AnKER-Zentren, Zugangsbeschränkungen zu Integrationsangeboten sowie zur gesundheitlichen Versorgung, Residenzpflicht und Wohnsitzregelung – all diese Regelungen haben reale Auswirkungen auf die Unterstützungsarbeit mit geflüchteten Frauen, weshalb grundlegende Kenntnisse zum Asyl- und Aufenthaltsrecht empfehlenswert sind. 45 Zudem kann es generell – und nicht nur in der Arbeit mit geflüchteten Frauen – hilfreich sein, die eigenen Erfahrungs- und Wissensbestände auszuweiten und sich mit anderen Perspektiven und Konzepten auseinanderzusetzen. Was kann es bspw. bedeuten und welche Auswirkung hat es auf der Beziehungsebene, wenn familiäre Strukturen fluchtbedingt über Monate oder Jahre getrennt werden? Welche Konzepte von bspw. Familie und Erziehung gibt es und welchen Stellenwert haben sie für andere? Oder: Inwiefern ist das Konzept des Hilfesuchens außerhalb des familiären Bereichs bzw. das Anvertrauen einer externen Berater*in bekannt und vertraut? eines Vorhabens entscheiden. Noch weiter geht die Selbstbestimmung und -organisation; hier gehen sowohl Initiative als auch Entscheidungen und Verwaltung von der Gruppe selbst aus. Letztendlich ist es wichtig, dass allen Beteiligten klar ist, welche entsprechende Form der Partizipation möglich ist und welche Erwartungen damit verknüpft sind. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass Partizipation als zweiseitiger Prozess auch immer von einer privilegierteren Seite gewollt und ermöglicht werden muss. Weiterführende Literaturempfehlungen: Partizipation ermöglichen!? Soziale Arbeit kann mit ihren Unterstützungsangeboten und dem Fokus auf Empowerment wichtige Strategien und Maßnahmen zum Aufbau und zur Stärkung partizipativer Strukturen fördern. Wesentlich dafür sind zwei Aspekte: Zum einen eine Haltung, die geflüchtete Menschen nicht als passive, sondern aktiv Handelnde ernst nimmt. Zum anderen ist es essentiell, sich kritisch mit dem Konzept von Partizipation auseinanderzusetzen. Dies kann damit beginnen, sich mit allen Beteiligten über das eigene bzw. über ein gemeinsames Verständnis von Partizipation auszutauschen. Dazu gehört neben der Formulierung von Zielen und Erwartungen auch die Klärung von Fragen, bspw. wie entsprechende Zugänge zu Partizipationsstrukturen ermöglicht und welche Entscheidungsspielräume und Ressourcen für konkrete Partizipationsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden können. All dies ist wichtig, damit Partizipation schließlich mehr als eine „Alibi“-Beteiligung wird. Partizipation kann verschiedene Formen annehmen. Der Zugang und die Vermittlung von Informationen können bereits eine essentielle Voraussetzung für Partizipation insbesondere für geflüchtete Frauen darstellen, v.a. weil ihnen häufig Informationen über ihre eigenen Rechte fehlen. Ein wichtiger Aspekt bei der Förderung von Partizipation bspw. als Förderung des Engagements im Rahmen eines vorgegebenen Projektes ist, dass zwischen Mitwirkung und Mitbestimmung unterschieden wird; bei Letzterem können geflüchtete Frauen auch selbst über die Umsetzung 46  D  ie Broschüre „Partizipation in der Arbeit mit geflüchteten Frauen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege fasst die Ergebnisse aus den Vorträgen, Workshops und Diskussionen der Teilnehmenden des Fachtages „Partizipation in der Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“ am 18. Oktober 2018 zusammen und gibt Impulse zur Stärkung der Partizipation für die Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen und anderen schutzbedürftigen Personen: https://www.der-paritaetische. de/publikation/partizipation-in-der-arbeit-mit-gefluechteten-frauen/  W eitere Impulse zur Partizipation geflüchteter Menschen in den Unterkünften sowie eine Sammlung zahlreicher Reflexionsfragen zur Schaffung besserer Partizipationsmöglichkeiten finden sich auch hier: http:// beratungsforum-engagement.berlin/dokumentation-bfe-werkstatt-2-2018-partizipation-und-empowerment-gefluechteter-menschen-in-den-unterkuenften/ sowie in der Broschüre „Willkommen ohne Paternalismus“ des Berliner Vereins glokal e.V.: https://www.glokal.org/wp-content/ uploads/2017/02/Willkommen-ohne-Paternalismus_Reflexionshilfe.pdf Kooperationen und Netzwerke vor Ort aufund ausbauen Selbstfürsorge – Eigene Ressourcen und Grenzen kennen Welche Akteure und Angebote gibt es bereits in unserem Wirkungsumfeld? Wer arbeitet konkret mit geflüchteten Frauen vor Ort, wer zu zielgruppenrelevanten Themen? Wer hat bereits Zugang zu Unterkünften und ist gut vernetzt? Der Kontakt zu und die Arbeit mit geflüchteten Frauen kann auch für die Projektdurchführenden selbst belastend und manchmal überfordernd sein. Persönliche Fluchtgeschichten, die Schilderung aktueller Lebensumstände oder Erlebnisse von Gewalterfahrungen können teilweise ziemlich nah berühren. Gefühle von Ohnmacht können aufkommen und nicht immer ist dabei ein professioneller Umgang möglich. Aber auch Erwartungen an die Unterstützung können manchmal die eigenen übersteigen und zu Stress und Überforderung führen. Vielerorts gibt es Initiativen und Organisationen, die mit ihrer Arbeit die Lebensbedingungen geflüchteter Menschen verbessern wollen und entsprechende Strukturen aufgebaut bzw. ihre Angebote für die Zielgruppe geöffnet haben. Es ist daher empfehlenswert, diese Akteure zu identifizieren und ggf. Kontakt aufzunehmen. Vielleicht ergeben sich somit Kooperationen, durch die der Zugang zur Zielgruppe oder die Bekanntmachung eines neuen Angebotes erleichtert werden kann. Es ist auch möglich, dass sich eine konkrete Zusammenarbeit entwickelt, bspw. wenn sich die jeweiligen Angebote gegenseitig gut ergänzen. Es empfiehlt sich daher bereits in der Vorbereitungsphase Möglichkeiten der Selbstfürsorge, des kollegialen Austauschs, der Supervision, der Fachberatung sowie der Fort- und Weiterbildung des Teams einzuplanen. Ein regelmäßiger Austausch im Team kann Überforderungsgefühlen, aber auch Frustration Raum geben. Fälle können praxisnah besprochen und mögliche Lösungsansätze für das weitere Vorgehen gemeinsam erarbeitet werden. Aber vor allem ist es wichtig, vorab Grenzen für sich zu setzen und gegenseitige Erwartungen aneinander und die Reichweite der Unterstützung vorab transparent zu machen. Insbesondere in der Arbeit mit geflüchteten Frauen ist der Aufbau von Kooperationen und Netzwerken wichtig, weil so frühzeitig Strukturen geschaffen werden, die beim Übergang von der Erstaufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft oder in eine private Wohnung eine bessere Anbindung an das Hilfe- und Unterstützungssystem ermöglichen können. 47 b) Rahmenbedingungen gestalten: Besondere Bedarfe im Blick haben Neben dem eigentlichen Inhalt des bedarfsgerechten Angebotes28 ist es wichtig, die organisatorische Struktur in den Blick zu nehmen. Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit die Zielgruppe an dem Angebot teilnehmen kann? Eine fehlende Kinderbetreuung oder eine fehlende Sprachmittlung kann die Teilnahme geflüchteter Frauen an einem Angebot bspw. erheblich erschweren. Dementsprechend sollten dafür auch Ressourcen eingeplant werden. Sprachmittler*innen an (wie bspw. zum Thema Körper und Sexualität, siehe Projektansatz von pro familia Hamburg in Kapitel III). Sie können somit einerseits ein*e vertrauensvolle*r Türöffner*in sein, andererseits aber auch verhindern, einen Zugang zu Personen zu erlangen. Eine trauma- und geschlechtssensible Sprachmittlung ist somit unerlässlich. Es empfiehlt sich auch, die Sprachmittler*innen in einem Vorgespräch kennenzulernen bzw. nach der ersten Zusammenarbeit zu überlegen, ob eine Fortführung oder ein Wechsel sinnvoll erscheinen. Noch besser ist es, wenn eine Berater*in selbst die Muttersprache der Ratsuchenden spricht und somit keine dritte Person dazwischen geschaltet sein muss. Kinderbetreuung Geflüchtete Frauen mit Kindern haben häufig nicht die Möglichkeit an Angeboten teilzunehmen, wenn es keine parallele Betreuung für ihre Kinder gibt. Denn nicht alle Kinder haben Zugang zu einer Kindertagesstätte oder Schule. Und nicht alle können oder wollen auf familiäre Unterstützungsstrukturen oder andere nahe Bezugspersonen zurückgreifen. Die Organisierung einer parallelen qualifizierten Kinderbetreuung kann somit von grundsätzlicher Bedeutung sein, um die Teilnahme für bestimmte Frauen zu ermöglichen. Eine weitere Herausforderung ist die Entscheidung darüber, welche Sprachen in den Blick genommen werden und welche ggf. nicht abgedeckt werden (können). Welche Sprachen werden gebraucht, wenn noch gar nicht klar ist, wer mit welchem Sprachbedarf an unserem Angebot teilnimmt? Ist es ausreichend, diejenigen Sprachen zu fokussieren, die auch durch die häufigsten Herkunftsländer bzw. -sprachen abgedeckt werden? Wollen wir mit unserem Angebot alle bzw. möglichst viele Frauen erreichen? Wollen wir eine ganz bestimme Gruppe an Frauen erreichen, die u.a. aufgrund ihrer Sprache sonst nur schwer erreichbar ist? Oder aber wollen wir ein möglichst inklusives Gesamtprojekt umsetzen und alle ansprechen? Hier sind also entsprechende Vorüberlegungen zur Zielgruppe und zu den eigenen Zielen wichtig, die natürlich nicht unabhängig von den für die Sprachmittlung verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen zu betrachten sind. Es sollte aber bewusst gemacht werden, dass eine Entscheidung für oder gegen bestimmte Sprachen potentiell auch immer Personen ausschließen kann. Darüber hinaus sollte mit einer gewissen Flexibilität bei der Projektumsetzung gerechnet werden, insbesondere weil sich der Bedarf an Sprachmittlung durch bspw. Fluktuation bzw. Umverlegung in einer Unterkunft kurzfristig ändern kann. Sprachmittlung Für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung sind Sprache bzw. Kommunikation elementar. Sprachmittlung – als Oberbegriff für Dolmetschung und Übersetzung – sollte daher als selbstverständlicher Bestandteil fest in der eigenen Arbeit verankert werden. Denn Sprachmittler*innen spielen als Vermittler*innen eine zentrale Rolle; sie bilden ein aktives und wichtiges Bindeglied zwischen der Organisation bzw. Projektleitung und der Zielgruppe. Sie leisten eine wichtige Arbeit zum Verständnis, die über das reine Sprachmitteln hinausgeht. Dies gilt nicht nur für die Vermittlung der Bedeutung von Wörtern, sondern auch von Gefühlen wie bspw. Sorgen und Ängsten. Insbesondere im Beratungs- bzw. Gesprächskontext mit geflüchteten Frauen kommt es dabei auf die Sensibilität und auch das Wissen zu bestimmten Themen der Insbesondere im ländlichen Raum tritt das Problem auf, dass nicht alle Sprachen durch Sprachmittler*innen vor Ort abgedeckt werden können. Auch wenn eine individuelle und persönliche Sprachmittlung dadurch keinesfalls ersetzt werden kann, so können digitale 28 Was bei der Entwicklung von Angeboten berücksichtigt werden sollte und welche Bedarfe geflüchtete Frauen haben siehe Kapitel II. 48 Safe spaces Hilfsangebote oder eine Videodolmetschung hier eine mögliche sinnvolle Ergänzung in der Unterstützung sein und den Zugang zu bestimmten Informationen durch bspw. mehrsprachige Webseiten erleichtern. „Safe spaces“ können wichtige „geschützte Räume“ sein, in denen geflüchtete Frauen temporär unter sich sein können, d.h. ohne Anwesenheit von geflüchteten Männern oder Frauen ohne Fluchtbiographie. Safe spaces können eine verletzungs- und hierarchiearme Kommunikation und einen persönlichen Austausch von bspw. schambesetzten Themen oder traumatischen Diskriminierungserfahrungen in einer vertrauensvollen Atmosphäre ermöglichen. Erfahrungen zeigen, wie wichtig und bestärkend es sein kann, einen Raum für die von Frauen eingebrachten Themen zur Verfügung zu stellen und damit eine geschützte Auseinandersetzung zu ermöglichen. Dadurch, dass Themen besprochen und reflektiert und eben nicht ignoriert werden, können sich die Teilnehmenden gegenseitig stärken und bei weiteren Schritten im Prozess unterstützen. Insofern können safe spaces einen gemeinsamen Erfahrungsraum bieten, der es geflüchteten Frauen ermöglicht, fernab ihres häufig problemzentrierten Alltags, Momente der Erholung zu erleben. Tipps für Gespräche mit Sprachmittlung: • Planen Sie die doppelte Zeit ein: Ein Gespräch mit Sprachmittlung dauert häufig länger! • Führen Sie ein Vorgespräch mit der sprachmittelnden Person, um das Thema und ggf. Vorgehen im Gespräch anzukündigen und Regeln abzusprechen. • Erklären Sie vorab Schweigepflicht und Rahmenbedingungen: Weisen Sie sowohl zu Beginn jedes Gesprächs (auch des zweiten, dritten etc.) als auch im Beisein der Klient*in auf die Schweigepflicht hin und klären Sie die Rollenverteilung („Ich möchte mit Ihnen sprechen und die*der Sprachmittler*in hilft uns dabei.“). • Lassen Sie während des Termins Klient*in und Sprachmittelnde nicht allein: Das trägt zur Wahrung der nötigen Distanz und Unparteilichkeit bei. • Führen Sie ein Nachgespräch: Geben Sie der*dem Sprachmittelnden Feedback, erfragen bzw. klären Sie ggf. kulturelle Nuancen oder schwierige Begriffe. • Nutzen Sie Teamsitzungen, um Situationen mit Sprachmittler*innen zu analysieren und gemeinsam zu reflektieren (u.a. Was hat die Anwesenheit der Sprachmittlung verändert?).  Q uelle: Paulus, M. und Kühner, A. (2018): Frühe Hilfen für geflüchtete Familien. Impulse für Fachkräfte. Herausgegeben vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH). Köln, S. 43ff: https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/ user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Publikation-NZFH-Impulse-fuer-Fachkraefte-Fruehe-Hilfen-fuer-gefluechtete-Familien.pdf  D  er Paritätische Gesamtverband (2020): Sprachmittlung in der Migrations- und Flüchtlingsberatung – Eine Arbeitshilfe für Fachkräfte der Migrationssozialarbeit https://www.der-paritaetische.de/publikationen/migration-und-flucht/ Soziale Arbeit kann somit einen Rahmen für empowernde Prozesse bilden. Trägerorganisationen können safe spaces unterstützen bzw. entsprechende Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen, indem sie z.B. einen Raum organisieren, eine erste Einladung zum Austausch initiieren und ggf. Vertreter*innen von Selbstorganisationen einladen. Dies ist insbesondere deshalb sinnvoll, weil viele Frauen, die in Deutschland ankommen, zu Beginn nur wenige soziale Kontakte haben. Auch wenn sie vielleicht in einer Einrichtung untergebracht sind, heißt das nicht automatisch, dass sie sich begegnen und kennenlernen. Um die Selbstorganisierung zu fördern, hilft es auch, bestehende Netzwerke auszubauen und Frauen miteinander zu vernetzen, die sich in ähnlichen Lebenslagen befinden. Viele geflüchtete Frauen haben auch den Bedarf, sich mit Frauen ohne Fluchtbiographie auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Es empfiehlt sich demnach, entsprechende Vernetzungsmöglichkeiten mit einzuplanen und bei Bedarf zu initiieren. 49 Übergänge ins Hilfe- und Unterstützungssystem gestalten Vernetzung mit dem örtlichen professionellen Unterstützungssystem, den zuständigen Kommunen, Behörden, Migrationsberatungsstellen, dem Bildungssystem sowie Anbietern von Integrations- und Sprachkursen, Selbstorganisationen der Migrant*innen und Religionsgemeinschaften aufzubauen, um den Zugang zu und die Anbindung an Einrichtungen der Regelstrukturen zu unterstützen. Folgende bundesweite Datenbanken können dabei u.a. hilfreich sein: Im Fokus der Arbeit mit geflüchteten Frauen sollte neben den eigenen Projektinhalten und -zielen auch die Identifizierung von weitergehendem besonderen Unterstützungsbedarf stehen und die damit verbundene mögliche Begleitung bzw. Weiterleitung ins örtliche Hilfe- und Unterstützungssystem. Denn häufig haben Frauen einen großen Bedarf an weiterführender bzw. spezialisierter Unterstützung durch Regelangebote, jedoch werden diese nicht immer frühzeitig im Rahmen der Erstaufnahme erkannt. Zudem sind viele von ihnen mit rechtlichen Einschränkungen konfrontiert oder es fehlen ihnen Informationen, um entsprechende Angebote wahrnehmen zu können. Bei einigen von ihnen bilden sich aber auch Misstrauen und Hemmschwellen, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Hier ist es wichtig, zunächst einmal zuzuhören, um eine etwaige Ablehnung der Kontaktaufnahme zu deutschen Institutionen nachvollziehen zu können. Nicht selten machen Frauen stigmatisierende Erfahrungen und fühlen sich nicht ernst genommen und auf Augenhöhe von deutschen Behörden behandelt. Für einige ist es aber auch unverständlich und unvorstellbar, sich fremden Personen und Institutionen anzuvertrauen, wo dies doch eigentlich häufig auch die Familie oder Community auffangen kann. Niedrigschwellige Angebote und Informationen, die die Rolle und Funktion von bspw. einer Hebamme, einer Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt oder eines Jobcenters näher bringen, können jedoch auch wieder Vertrauen schaffen und eine Weiterleitung bei Bedarf unterstützen. Zudem kann es für einige Frauen hilfreich sein, diesen Weg nicht alleine bewältigen zu müssen. Es ist empfehlenswert, eine persönliche Begleitung und ggf. auch eine Sprachmittlung für einen ersten Termin anzubieten oder sich nach dem Verlauf des Termins zu erkundigen und weitere Schritte gemeinsam zu planen.  B  eratungsstellen zu Flucht und Migration: https://adressen.asyl.net/  F rauennotrufe und Frauenberatungsstellen: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/ hilfe-beratung.html  F rauenhäuser: https://www.frauenhauskoordinierung.de/hilfe-bei-gewalt/frauenhaussuche/ Barrierefreiheit: Kommunikation und Räumlichkeiten Bereits bei der Projektplanung sollten gewisse Fragen zu weiteren möglichen Barrieren, die den Zugang zu dem Angebot erschweren könnten, im Blick behalten werden. Ist das Angebot für die Zielgruppe örtlich gesehen leicht und möglichst barrierearm zu erreichen? Ist das Angebot kostenfrei? Werden bestimmte Fähigkeiten oder Vorkenntnisse vorausgesetzt? Für einige Frauen können diese Aspekte für ihre Teilnahme entscheidend sein. Es ist wichtig, dass zu Beginn eventuelle Hemmschwellen behutsam abgebaut werden. Hilfreich ist auch das Benennen einer Ansprechperson mit Möglichkeit einer Kontaktaufnahme (Mail-Adresse, Telefonnummer). Der Ort sollte gut überlegt sein. Falls dieser nicht direkt in der Unterkunft ist, ist er gut für die Teilnehmenden erreichbar? Gibt es eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr? Gibt es einen Fahrstuhl oder Möglichkeiten, einen Kinderwagen im Erdgeschoss abzustellen? Gibt es eine mehrsprachige Ausschilderung, die das Aufsuchen des Raumes erleichtert? Auch die Zeit und Dauer des Angebotes ist wesentlich, u.a. für die Frage, ob ein sicherer Weg der Teilnehmer*innen auch nach Ende der Veranstaltung gegeben ist. Es geht aber auch um weitere lokale Angebote, die im Sozialraum verankert sind und es den Frauen ermöglichen, ihr Umfeld besser kennenzulernen. Aktionen in der Nachbar*innenschaft, bestehende Mutter-Kind-Gruppen sowie Sport- und Freizeitangebote in der Nähe des Wohnortes können regelmäßig vorgestellt und ggf. gemeinsam besucht werden. Es ist also notwendig, solche Angebote im Vorfeld zu recherchieren und eine gute 50 (Lern)Erfolge sichtbar machen und feiern es ggf. sinnvoll ist, das Angebot persönlich bekannt zu machen. Gibt es vielleicht bereits Personen, die an einem ähnlichen Angebot von uns teilgenommen haben und die einen guten Draht in die Community und Unterkunft haben? Häufig sprechen sich Angebote auch von Mund-zu-Mund weiter. Ein wichtiger „Türöffner“ können auch offene Frauencafés sein, da hier Informationen zu möglichen Beratungsangeboten gegeben werden können. Schon kleine Fortschritte können für manche Menschen einen riesigen Unterschied machen und das Selbstbewusstsein und die eigene Selbstsicherheit stärken. Es kann empowernd sein, scheinbar kleine Schritte sichtbar zu machen und wertzuschätzen. Dies kann durch bestärkende Worte und Feedback, die Reflexion mit Hilfe eines eigenen Lerntagebuches oder bei Abschluss des Projektes durch ein Teilnahmezertifikat oder auch durch eine Abschlusspräsentation des Erlernten oder des Produzierten (bspw. eine Fotographie oder ein Kunstwerk) geschehen. Darüber hinaus können Erfolge eines Projektes durch Öffentlichkeitsarbeit sichtbar(er) gemacht werden. Zum Ende eines Projektes empfiehlt sich auch ein Gespräch, in dem die Lernerfolge gemeinsam reflektiert werden und Informationen zu ggf. weiteren (Beratungs-)Angeboten gegeben werden können. Kommunikation über Netzwerke und Kooperationen In den letzten Jahren haben sich das Unterstützungsund Hilfesystem sowie das ehrenamtliche Engagement mit und für Geflüchtete sehr stark (weiter)entwickelt. Vielerorts haben sich Fachberatungsstellen und Hilfsorganisationen für neue Zielgruppen qualifiziert und ihre Angebote geöffnet. Es ist demnach sinnvoll, sich zunächst einen Überblick über die jeweiligen Akteure in der Region zu verschaffen und ggf. Kontakt aufzunehmen. Vielleicht gibt es Akteure in der Umgebung, die ein ähnliches Angebot durchführen? Oder Initiativen, die bereits erfolgreich in den Unterkünften arbeiten und möglicherweise den Kontakt zur Zielgruppe erleichtern, auf das Angebot verweisen können oder vielleicht sogar für die Durchführung einer gemeinsamen Veranstaltung geeignet wären? Zudem kann es hilfreich sein, Orte aufzusuchen, an denen sich geflüchtete Frauen gelegentlich aufhalten (müssen), wie bspw. Ämter und Behörden, Jobcenter, Sprachkurse, etc. Hier können ggf. Informationen für die eigenen Angebote verbreitet werden. Insbesondere in ländlich geprägten Regionen mit einer nicht stark ausgebauten Struktur des Hilfe- und Unterstützungssystems ist Netzwerkarbeit umso bedeutender, weil dadurch insgesamt Zugänge für geflüchtete Frauen zu den vorhandenen zivilgesellschaftlichen Strukturen gestärkt werden können. Wichtig zu bedenken ist, dass Kooperations- und Vernetzungsgespräche Ressourcen und Zeit in Anspruch nehmen und im besten Fall kontinuierlich stattfinden. c) Zugänge ermöglichen: Wie erreiche ich die Zielgruppe und wie spreche ich sie an? Für viele Organisationen und Engagierte ist die Frage nach dem Zugang zur Zielgruppe eine herausfordernde Aufgabe. Denn oftmals besteht zu Beginn kein direkter persönlicher Kontakt zur Zielgruppe. Wie erreiche ich also bestimmte Personen mit meinem Angebot? Und wie mache ich am besten auf mein Angebot aufmerksam? Zunächst einmal: Es gibt kein Patentrezept für „den einen“ Weg des Zugangs. So unterschiedlich Menschen und Bedürfnisse sind, so unterschiedlich und vielfältig sollten auch die Formen sein, um auf das Angebot aufmerksam zu machen. Wichtig für den Beginn ist zunächst die Frage nach möglichen Barrieren der Mobilität und Anbindung an Infrastruktur, die eine Erreichbarkeit vielleicht erschweren könnten. Dann empfiehlt es sich, das Angebot auf mehreren Wegen bekannt zu machen. Je nach Zielgruppe stellt sich dabei u.a. die Frage, ob sich z.B. ein analoger oder digitaler Flyer anbietet, eine niedrigschwellige Informationsveranstaltung einen passenden Rahmen bietet oder Im Rahmen der Arbeit mit und für geflüchtete Frauen haben sich in der Praxis u.a. folgende Akteure als relevante Ansprechpartner*innen und mögliche Kooperationspartner*innen bewährt: 51 • Mitarbeitende in Aufnahmeeinrichtungen, z.B. Leitungspersonal, Sozialarbeiter*innen, Kinderbetreuer*innen oder Ehrenamtskoordination um potentiell Interessierte auf Beratungsangebote o.ä. hinzuweisen. • selbstorganisierte Initiativen und Vereine von und für Geflüchtete oder Migrant*innen sowie muttersprachliche Communities und andere, in den Unterkünften lebende Multiplikator*innen Aufsuchende Arbeit und direkte Ansprache • Flüchtlings- oder Migrationsberatungsstellen und Frauenfachberatungsstellen • Stadtteilzentren und Bürger*innentreffs • Ehrenamts- und Unterstützungskreise • Akteure des Integrationsmanagements • Moscheen, Kirchen, Synagogen und religiöse Gemeinden • Bildungseinrichtungen und Sprachkurse • Freie Träger der Jugendhilfe • Kulturvereine • Verbraucherzentralen • Flüchtlingsräte • Jobcenter und Arbeitsagenturen • Akteure aus dem Gesundheitswesen • Kommunale Verwaltung • Schulsozialarbeit Die Erfahrungswerte aus der bisherigen Praxis haben gezeigt, dass aufsuchende Arbeit in Unterkünften (sowie an anderen Orte, siehe Auflistung unter „Kommunikation über Netzwerke und Kooperationen) und eine direkte, persönliche Ansprache ein empfehlenswerter Weg ist, um geflüchteten Frauen den Zugang zu Unterstützungsangeboten möglich zu machen. Flyer oder Info-Plakate können eine erste Form sein, um eine Zielgruppe für das eigene Projekt anzusprechen und sollten möglichst in viele Sprachen übersetzt werden. Beim Anbringen von Material in Geflüchtetenunterkünften empfiehlt es sich, diese an öffentlichen und an nicht-öffentlichen Plätzen aufzuhängen und kleine Abreißzettel mit entsprechenden Kontaktinfos beizufügen. Sie sollten aber nicht die einzige Form der Ansprache bleiben, da nicht alle Menschen hierdurch erreicht werden können (Analphabet*innen, weniger mobile oder zurückgezogen lebende Menschen, etc.). In persönlichen Treffen (bspw. in Kooperation mit den Sozialarbeiter*innen vor Ort) können Frauen direkt über ein Angebot informiert und eingeladen werden. Je nach Angebot kann es auch hilfreich sein, zunächst eine offene Veranstaltung oder ein Frauen-Café in einer Unterkunft anzubieten. Dies kann Möglichkeiten der Begegnung schaffen und ein Anknüpfungspunkt sein, um Themen und Bedarfe zu eruieren und auf weitere Angebote aufmerksam zu machen. Aber auch die eigenen Organisationsstrukturen und vorhandenen Angebote können ggf. hilfreich sein. Bietet ein Träger bspw. eine Aufenthalts- und Sozialberatung, Sprachkurse oder ein Begegnungscafé an, so können hier entsprechende Informationen zu speziellen Angeboten an andere Kolleg*innen gegeben und ggf. auch Flyer verteilt werden. Dies ist mitunter bei sensiblen Themen wie bspw. Betroffenheit von geschlechtsspezifischer Gewalt eine Möglichkeit, um potentiell Betroffenen aufzuzeigen, dass es Hilfs- und Handlungsmöglichkeiten in ihrer individuellen Situation gibt, auch wenn sie es nicht sofort in Anspruch nehmen. Auch Freizeitangebote oder Kunstprojekte können ein Anknüpfungspunkt sein, Bei Durchführung des Projektes an einem Ort außerhalb der Unterkunft kann es eine Überlegung sein, zu Beginn des Projektes einen Treffpunkt auszumachen, die Teilnehmenden abzuholen und dann gemeinsam zum Veranstaltungsort zu fahren. Dies kann sehr zeitintensiv sein, aber in der Praxis hat sich diese Art der persönlichen Akquise und Begleitung durchaus bewährt. Denkbar ist es auch, das Angebot als mobiles Angebot zu konzipieren und direkt in der Unterkunft bzw. in unmittelbarer Nähe der Unterkunft vor Ort durchzuführen. Dies hat den Vorteil, dass somit auch Personen erreicht werden können, die z.B. weniger mobil sind (körperlich, psychisch, aber auch wegen Kinderbetreuung) oder aus anderen Gründen zurück52 Infrastruktur möglichst niedrigschwellig gestalten gezogen leben und zu externen Angeboten sonst nur schwer Zugang finden. Auch eine Mischung ist möglich. So kann zur Bekanntmachung eines Angebotes eine niedrigschwellige mehrsprachige Informationsveranstaltung direkt in der Unterkunft stattfinden, das tatsächliche Projekt dann aber an einem anderen Ort. So wichtig feste Strukturen und geregelte Abläufe und wie verständlich begrenzte Ressourcen sind, sie können einem niedrigschwelligen Zugang auch entgegenstehen. Wenn es sich einrichten lässt, so ist eine tägliche Erreichbarkeit und ein zuverlässiger Kontakt bzw. eine feste Ansprechperson für eine (erste) Kontaktaufnahme hilfreich. Auch wenn Frauen außerhalb der Öffnungs- bzw. Sprechzeiten kommen oder anrufen, so schafft es einen Zugang, wenn diese nicht gleich weggeschickt, sondern ihr Anliegen angehört und ggf. weitere Schritte vereinbart werden. Eine niedrigschwellige Infrastruktur kann für einige Frauen sehr wichtig sein. Zum Beispiel auch dann, wenn es eine Möglichkeit gibt, die Fahrtkosten bei Anfahrtswegen der Teilnehmer*innen zu übernehmen. Digitale Zugänge Eine digitale Bekanntmachung eines Angebotes bspw. über Social-Media-Kanäle kann ebenso eine mögliche Ansprache sein, ist jedoch nicht grundsätzlich für alle geeignet. Praxiserfahrungen zufolge kann eine digitale Bewerbung abhängig vom Thema eines Angebotes insbesondere für gut vernetzte Zielgruppen zielführend sein. Dabei ist vorab immer zu bedenken und zu prüfen, ob eine digitale Teilhabe für alle Frauen sichergestellt sein kann und datenschutzrechtliche Vorkehrungen getroffen werden.  I m Webzeugkoffer des Paritätischen Gesamtverbandes finden sich Anleitungen, Empfehlungen und Tipps zu Social Media-Kanälen und diversen Tools zur Zusammenarbeit. http:// www.der-paritaetische.de/schwerpunkt/digitalisierung/webzeugkoffer/  I eitere Hinweise zur Unterstützungsarbeit mit Geflüchteten in Zeiten der Corona-Pandemie 2020 mit Praxistipps zu Rahmenbedingungen und Nutzung onlinebasierter Kommunikation finden sich hier: https:// www.der-paritaetische.de/publikationen/ unterstuetzungsarbeit-mit-gefluechteten-in-zeiten-der-corona-pandemie-2020/ Informationen mehrsprachig und niedrigschwellig gestalten Wenn das Angebot mit Hilfe eines Flyers bekannt gemacht werden soll, empfiehlt es sich, diesen nicht nur mehrsprachig zu verfassen, sondern auch ansprechend, z.B. durch die Verwendung von Illustrationen zu gestalten. Eine klare Benennung der Rahmenbedingungen ist wichtig (neben Ort, Zeit, Möglichkeiten der Kinderbetreuung und Sprachmittlung auch die Kontaktdaten der Ansprechpartner*innen) genauso wie die Angabe, an wen sich das Angebot richtet und welche Erwartungen und Ziele mit einer Teilnahme verbunden sind. Je nach Angebot kann es unter Umständen sinnvoll sein, sensibel bei der Wahl des Titels des Angebotes vorzugehen. Eine große Überschrift mit den Worten „Sie werden von ihrem Partner geschlagen und brauchen Hilfe?“ auf einem Aushang mitten im Eingangsbereich einer Unterkunft kann unter Umständen Scham oder Verunsicherung auslösen und potentiell Interessierte davon abhalten, unter Beobachtung von anderen vor dem Aushang stehen zu bleiben. Die Titel sollten daher etwas „unverfänglicher“ bzw. „unauffälliger“ formuliert werden und bspw. die Beratung zur eigenen Gesundheit in den Mittelpunkt stellen. Für manche Frauen ist die Akzeptanz des Angebots durch 53 Spezifische Bedarfe im Blick haben die Partner bzw. durch die Community sogar entscheidend für eine Teilnahme. Ein differenzierter Blick auf die eigene Zielgruppe ist zentral, um diese auch mit dem eigenen Angebot ansprechen und tatsächlich erreichen zu können. Vorab und im Prozess sollte dabei immer wieder auf besondere Bedarfe eingegangen werden. Sind die Themen des Angebotes bspw. auch für junge Frauen interessant oder bewegen sie ganz andere Themen? Haben Frauen mit Behinderungen die Möglichkeit an dem Angebot vollumfänglich teilzunehmen oder gibt es Barrieren, die dies erschweren? Welche Zugangsmöglichkeiten haben illegalisierte Frauen? Welchen spezifischen Bedarf haben ältere Frauen und welchen alleinerziehende Frauen? Wie kann der Zugang auch für Analphabet*innen gewährleistet werden? All diese Fragen sind wichtig, um eventuelle Auswirkungen auf die eigene Arbeit im Blick zu haben und ggf. mit weiteren Ressourcen oder spezialisiertem Knowhow auf neue Zielgruppen bzw. spezifische Bedarfe eingehen zu können. Peer-to-peer-Angebote und Multiplikator*innen als mögliche Brückenbauer*innen Frauen, die vergleichbare Lebensbiographien und ähnliche Erfahrungen teilen oder eine gemeinsame Sprache sprechen, können untereinander eine besondere Art von Vertrauen schaffen und mögliche Hemmschwellen in Bezug auf die Teilnahme an einem Angebot abbauen. Angebote, die in einem peer-topeer-Format, also von und für geflüchtete Frauen konzipiert sind, können daher einen möglichen Vertrauensvorsprung und damit einen Zugang zur Zielgruppe schaffen. So können Frauen, die bspw. bereits länger in Deutschland leben und entsprechende Bewältigungsstrategien für ihren Alltag entwickelt haben, neu ankommende Frauen durch ihr gelebtes Beispiel ermutigen, ihre Erfahrungen teilen, hilfreiche Informationen geben und ihnen Zuversicht in das eigene Handeln vermitteln. Über „heikle“ Themen sprechen Sie können wirksame Multiplikator*innen sein, die eine gute Verbindung zur Zielgruppe bzw. in die Community haben und auf ein bestimmtes Angebot oder Projekt aufmerksam machen. Häufig eröffnet aber auch schon ein mündlicher Erfahrungsaustausch unter Frauen, die einerseits bereits an einem Angebot teilgenommen haben und anderseits interessiert sind, eine Möglichkeit, ein Angebot oder Projekt bekannt(er) zu machen und neue Teilnehmer*innen zu akquirieren. Darüber hinaus können auch vertraute Bezugspersonen, wie bspw. Angehörige oder teilweise auch Ehrenamtliche wichtige Multiplikator*innen sein, indem sie Informationen über Hilfsstrukturen an geflüchtete Frauen weitergeben. Die Frage nach dem Zugang kann auch die Beziehungs- und Gesprächsebene berühren. Praxiserfahrungen zufolge ist es nicht immer leicht, ein vertrautes Setting herzustellen, v.a. dann, wenn es um „heiklere“ Themen wie etwa Verhütung, sexuelle Gesundheit oder FGM*FGC (englisch für female genital mutilation und female genital cutting) geht. Dabei ist wichtig zu betonen, dass das Sprechen über schambesetzte Themen für viele Frauen, ganz unabhängig davon, ob sie geflüchtet sind oder nicht, häufig schwierig ist. An erster Stelle sollte daher der Bedarf der Ratsuchenden stehen, über ein solches Thema überhaupt sprechen zu wollen. Gleichwohl kann ein Gespräch auch offen initiiert werden, bspw. durch die Frage „Wie geht es Ihnen?“. In jedem Fall braucht es einen geschützten Rahmen, Vertrauen und für einige die Sicherheit einer anonymen Beratung. Manchmal können auch allgemeinere Themen wie Gesundheit oder Elternschaft einen Zugang zu anderen Themen eröffnen. Andererseits gibt es auch die Erfahrung, dass bspw. Frauen, die von FGM*FGC betroffen sind, es erleichternd finden, direkt auf ihr Thema angesprochen zu werden, weil sie dadurch eine erleichternde Safe spaces Die Umsetzung eines Angebotes in einem geschützten Raum, der nur für Frauen und/ oder LSBTIQ* geöffnet ist, kann für einige von ihnen entscheidend für ihre Teilnahme sein (siehe weitere Ausführungen unter b) Rahmenbedingungen gestalten.) 54 d) Kontinuität der Teilnahme erhalten: Zum Umgang mit unregelmäßigen Teilnehmenden Normalisierung spüren und sich ggf. auch mit anderen Betroffenen austauschen können. Wichtig ist und bleibt ein sensibler Umgang der Berater*innen. Darüber hinaus ist es besonders wichtig, dass den Ratsuchenden mit Respekt und einer unvoreingenommenen Haltung begegnet wird. Sie sind die Expert*innen in eigener Sache, ihre Ansichten und Wünsche, aber auch ihre Grenzen sollten im Mittelpunkt stehen. Zudem ist eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Motivation und Zielstellung der Beratung wichtig: Um welche Art von Unterstützung geht es hier? Inwiefern liegt der Beratung möglicherweise ein emanzipatorischer Aufklärungsbedarf zugrunde? Auch wenn es „gut“ gemeint ist, stereotype Zuschreibungen und Bilder im Kopf können die Begegnung und das Gespräch maßgeblich beeinflussen. Wichtig bleibt, sich den möglichen Unterschieden in der Sozialisation, den Lebenserfahrungen und vielleicht auch der Generationenfrage bewusst zu sein. Beratung sollte unabhängig und ergebnisoffen sein. Gespräche sollten „auf Augenhöhe“ und nicht belehrend sein; sie sollten den Ratsuchenden das Gefühl geben, auch bei unterschiedlichen Ansichten wieder kommen zu können. Schließlich kann es nicht mehr als um die Öffnung eines Zugangs zu weiteren Informationen gehen, um das Aufzeigen von Angeboten und das Schaffen von Räumen für einen Austausch. „Die Frauen kommen nicht, sie sind nicht an dem Angebot interessiert“ oder „Die Frauen kommen nicht regelmäßig, die Fluktuation ist so hoch und ermöglicht keinen kontinuierlichen Ablauf des Projekts“ - eine mangelnde Kontinuität bei der Teilnahme oder eine wechselnd niedrige oder hohe Teilnehmendenzahl kann für Projektverantwortliche eine große Herausforderung darstellen und mitunter frustrierend sein. Bei festen und regelmäßig stattfindenden Angeboten kann eine unregelmäßige oder wechselnde Teilnahme z.B. dem Entstehen eines vertrauensvollen Gruppengefühls im Wege stehen. Doch es gibt vielerlei Gründe, weshalb ein Angebot nicht wahrgenommen wird bzw. werden kann. Wichtig dabei ist, sich bewusst zu machen, dass niemand sich zu irgendetwas verpflichtet fühlen sollte und die Teilnahme der Frauen auf Freiwilligkeit beruht. Bevor also vorschnell ein Urteil gefällt wird, kann es sinnvoll sein, erst einmal mögliche Ursachen für eine ausbleibende Teilnahme zu ergründen: • In einem ersten Schritt ist es zunächst hilfreich, den Blick kritisch auf sich zu richten. Was könnten die Ursachen sein? Wurde die Zielgruppe vorab mit einbezogen und sind ihre Bedarfe bekannt? Bzw. trifft unser Angebot tatsächlich den Bedarf? Stimmen die organisatorischen Rahmenbedingungen? Ist die Art der Ansprache die passende? Wie verhalte ich mich eigentlich selbst als Teilnehmer*in von Angeboten oder Projekten? Zu welchen Zeiten oder Phasen in meinem Leben kann ich mich komplett und zuverlässig darauf einlassen, in welchen Situationen ist dies vielleicht auch mal nicht der Fall? • Fehlende kontinuierliche Ansprechpartner*innen und fehlende feste räumliche Gegebenheiten: bei mobilen Angeboten kann die kontinuierliche Teilnahme erfahrungsgemäß eine Herausforderung sein. • Insbesondere bei Angeboten in der Erstaufnahme kann es zu Diskontinuitäten und hohen Fluktuati- Für offene Formate wie bspw. Frauen- oder Eltern-Kind-Cafés kann es auch hilfreich sein, externe Berater*innen einzuladen. So können interessierte Frauen in einer ungezwungenen Atmosphäre bspw. mit einer Hebamme oder mit einer Mitarbeiterin einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle über ihre Fragen sprechen. Sofern die Beratung nicht muttersprachlich durchgeführt werden kann, ist auch hier wichtig, entsprechend geschulte Sprachmittler*innen zu engagieren. Insbesondere bei schambesetzten Themen ist eine pragmatische (fachliche) Sensibilität und Unvoreingenommenheit auch bei ihnen unabdingbar. Manchmal kommt es auf die kleinste Konnotation an, die ein Gespräch ggf. sogar moralisch aufladen und beeinflussen kann (siehe auch Praxisansatz von pro familia Hamburg in Kapitel III). 55 onen kommen, etwa dann, wenn ein Übergang in eine Gemeinschaftsunterkunft bzw. in eine Wohnung und damit häufig auch ein Übergang in eine andere Kommune stattfinden. • die Frauen erreichbar ist bzw. Frauen für Angebote schwerer zu erreichen sind. In vielen Erstaufnahme- und AnKER-Einrichtungen bleiben geflüchtete Frauen je nach Herkunftsland und Bleibeperspektive oftmals nur über einen kurzen Zeitraum, bevor sie in eine andere Unterkunft verwiesen werden. Angebote, die von sich aus einen offenen und unverbindlichen Charakter haben, wie bspw. Frauencafés, führen nicht selbstverständlich zu einer festen kontinuierlichen Teilnahme. • Der Alltag geflüchteter Frauen ist häufig geprägt von Zukunftsängsten und Unruhe (z.B. in der Unterkunft, die nicht selten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt) und kann eine Projektteilnahme schnell in den Hintergrund rücken lassen. Vielleicht stehen aber auch Verarbeitungsprozesse traumatischer Erlebnisse im Mittelpunkt, sodass kaum Energie für Angebote oder Projekte vorhanden ist. • Persönliche Termine, wie bspw. die Teilnahme an Deutsch- und Integrationskursen, Schule, Praktikum, Ausbildung, Hochschule sowie Termine bei Ärzt*innen oder dem Sozialamt haben verständlicherweise Priorität. Auch bestimmte Feiertage wie bspw. Ramadan sind zwar nicht für alle ein Abwesenheitsgrund, sollten von den Projektverantwortlichen jedoch immer mitgedacht werden. • Zudem haben einige Frauen (mehrere) Kinder, deren Betreuung und Versorgung ggf. allein ihnen obliegt. Eine fehlende Kinderbetreuung oder die Erkrankung eines Kindes kann eine Teilnahme verhindern. • Individuelle Veränderungen bzgl. des Aufenthaltes in Deutschland können neue Engpässe in den zeitlichen Ressourcen mitbringen, bspw. dann, wenn eine Ausbildung oder ein neuer Job aufgenommen wurde. • Aber auch externe strukturelle Gegebenheiten können ein Hinderungsgrund sein. Vielerorts schließen Unterkünfte wegen rückläufiger Belegungszahlen oder Geflüchtete werden aus anderen Gründen in andere Unterkünfte bzw. Landkreise umverteilt. Dies kann zur Folge haben, dass ein Angebot nicht mehr so gut für In jedem Fall empfiehlt sich jedoch die direkte Kontaktaufnahme: Persönliche Gespräche mit den teilnehmende Frauen könnten eine Möglichkeit bieten, mehr über individuelle Wünsche zu erfahren und Probleme zu identifizieren, die ihnen eine regelmäßige Teilnahme erschweren. Und noch wichtiger scheint die Haltung zu sein, dass sich Frauen im Sinne der Selbstwirksamkeit nicht zu einer Teilnahme verpflichtet fühlen sollten, sondern eher zu einer Selbstgestaltung des Alltags ermuntert werden. In der Projektpraxis haben sich daraus folgende Erfahrungswerte ergeben, die einen Umgang mit einer unregelmäßigen bzw. ausbleibenden Teilnahme ermöglichen: 56 • Offene Formate, wie bspw. Frauencafés, müssen nicht per se eine unverbindliche Teilnahme mit sich bringen. In Erstaufnahmeeinrichtungen können sie vor allem wegen der hohen Fluktuation eine passende flexible Antwort sein. Wichtig ist vielmehr, sich im Vorfeld Gedanken zu der Gestaltung und den Zielen zu machen und auch die Teilnehmer*innen mit einzubeziehen: Was braucht es, damit sich alle wohlfühlen können? Welche Art von Austausch ist gewünscht? Gibt es Bedarf nach einer beratenden Begleitung oder einem konkreten wechselnden Thema, das gemeinsam besprochen wird? Und wie können sich Teilnehmende aktiv und gestaltend mit einbringen? Ein Versuch kann es dabei auch sein, das Angebot mit einem offenen Start zu beginnen. Unerlässlich ist jedoch mindestens eine Person, die sich für die Gestaltung des Raumes und des Zusammenkommens verantwortlich zeigt. • Es empfiehlt sich, bereits im Vorfeld Konzepte zu entwickeln, die einen etwaigen Übergang von der Erstaufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft oder Wohnung gut begleiten und geflüch- tete Frauen mit weiterem Unterstützungsbedarf in lokale Regelangebote vermitteln. Auch Buddy-Systeme oder Pat*innenschaften können hier eine zuverlässige Anbindung gewährleisten, indem sich z.B. immer zwei bis drei Teilnehmende füreinander verantwortlich fühlen und sich bei etwaigen Veränderungen gegenseitig informieren. • Terminvereinbarungen treffen: In Absprache mit den interessierten Frauen kann ein fester Termin für weitere bzw. regelmäßige Treffen festgelegt werden. Die Treffen und gemeinsamen Aktionen richten sich somit nach den Bedürfnissen und Ressourcen der Teilnehmer*innen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, unterschiedliche Projektformate auszuprobieren, sowohl kurze als auch langfristige, auf Dauer angelegte Projekte umzusetzen. Je nach übergreifenden Zielen können Projekte von kürzerer Dauer auch punktuell stärkend wirken und Orientierung im nahen Umfeld bieten, während fortdauernde Projekte, in denen Frauen Kontinuität erleben, tiefergehendes Vertrauen aufbauen und längerfristige Perspektiven entwickeln können. • Das Projekt an Termine und Zeiten anpassen: Der Spannungsbogen in einem Jahr verläuft zyklisch häufig auch entlang der Ferien und Stresszeiten in der Schule. Demnach kann es sinnvoll sein, Projekte anzubieten, die zum Teil in den Ferien stattfinden und andere Projekte, die zu bestimmten, „ruhigeren“ Zeiten in der Schulzeit stattfinden. Zudem kann überlegt werden, ob ggf. während der Feiertage weniger bzw. keine Termine stattfinden. • Konkrete und persönliche Einladungen werden häufig gut angenommen und gelingen, wenn es bereits ein gewisses Vertrauen zwischen den interessierten Frauen und den Projektverantwortlichen gibt. Für einige Frauen braucht es mehr Zeit, um eventuelle Unsicherheiten, Hemmschwellen oder Skepsis abzubauen. Ggf. können hier auch ein persönliches Abholen und auch ein Zurückbringen hilfreich sein, sofern sie das möchten und dies von den Projektverantwortlichen umzusetzen ist. • Erinnerung an Termine: Interessierte Frauen können ggf. über einen Social-Media-Kanal (Chat-Gruppe o.ä.), telefonisch oder über andere Teilnehmende an einen Termin erinnert werden. • Kontakt zur Community: Es kann mitunter sehr hilfreich sein, den Kontakt zu anderen Teilnehmer*innen aufzubauen und ggf. nach ehemaligen Teilnehmer*innen zu fragen, denn häufig gibt es eine gute Vernetzung in einer Community. Dies kann insbesondere auch dann nützlich sein, wenn aufgrund einer Verlegung oder eines Umzuges in eine andere Kommune der Kontakt abgebrochen ist, der Bedarf nach weiterer Unterstützung aber noch gegeben ist. Insgesamt ist eine gewisse Flexibilität erforderlich, v.a. bei Angeboten in Erstaufnahmeeinrichtungen, die mit einer relativ hohen Fluktuation rechnen müssen. Teilweise macht dies sogar eine stets neue Akquise von Teilnehmer*innen erforderlich. Zudem kann es auch sinnvoll sein, den Kontakt zu den kommunalen Strukturen wie z.B. den Integrationsmanager*innen oder den MBE-Stellen (Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer) zu intensivieren. Umgekehrt kann sich auch die Herausforderung ergeben, dass die Zahl interessierter Frauen so hoch wird, dass die Infrastruktur des Projektes die Durchführung nicht mehr gewährleisten kann. Je nach gegebenen finanziellen und personellen Rahmen kann hier ggf. versucht werden, ein zusätzliches Parallelangebot zu installieren. 57 e) Zur Arbeit mit traumatisierten und von Gewalt betroffenen geflüchteten Frauen Weiterführende Literaturhinweise:  W ie erkenne ich Traumasymptome? Gehört das überhaupt in meinen Aufgabenbereich und entspricht meiner Kompetenz? Darf über das Trauma gesprochen werden? Besteht die Gefahr einer Retraumatisierung? Auf diese Fragen und mehr wird im Praxisleitfaden „Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten“ von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) eingegangen. Er umfasst Informationen und Handlungsvorschläge zu den Bereichen Trauma und Flucht, strukturelle Bedingungen der Psychotherapie mit Geflüchteten, Umgang mit Traumasymptomen und Stabilisierung in Belastungssituationen, Selbstreflexion bezüglich der eigenen Position und Arbeit, Vorgehen bei Gewaltvorfällen, Krisen und Suizidalität, sowie Selbstfürsorge: http://www.baff-zentren.org/news/praxisleitfaden-traumasensibler-und-empowernder-umgang-mit-gefluechteten/  E ine traumasensible Herangehensweise ist in der Arbeit mit geflüchteten Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, wichtig. Medica mondiale (2015) möchte mit ihren „Elf Tipps für die Arbeit mit geflüchteten Menschen“, die auch im Umgang mit geflohenen Männern gelten, unterstützen und dazu beitragen, dass Stärken und Grenzen – auf beiden Seiten – erkannt und gewahrt werden: https://www.medicamondiale.org/fileadmin/redaktion/5_Ser vice/Mediathek/ Dokumente/Deutsch/Flyer_Infoblaetter/ Tipps_fuer_Arbeit_mit_Fluechtlingen_Grafik_medica_mondiale.pdf Projektverantwortliche können im Rahmen ihrer Arbeit mit geflüchteten Frauen mit Themen wie Gewalt und Traumatisierung konfrontiert werden. Insbesondere in der Projektarbeit, die nicht vordergründig auf die Bearbeitung von Gewalterlebnissen und Traumatisierungen abzielt, ergeben sich somit häufig große Unsicherheiten und Fragen bzgl. eines geschlechtsund traumasensiblen Umgangs der Projektverantwortlichen mit den Betroffenen. Für die Umsetzung von Angeboten bedeutet dies, dass hier keine unmittelbare Konfrontation mit traumatisierenden Erlebnissen provoziert werden sollte, sondern vielmehr die emotionale Stabilisierung und die Stärkung des Selbstwertgefühls in den Fokus gerückt werden. Grundlegend sollte eine Haltung und Praxis sein, die die betroffenen Frauen als Expert*innen ihrer selbst versteht und ihre Perspektiven in den Mittelpunkt stellt. Um einer sekundären Traumatisierung in der Arbeit mit geflüchteten Frauen entgegen zu wirken und eigene Handlungskompetenzen zu stärken, seien dringend Fortbildungen für Fachkräfte und ehrenamtlich Engagierte von spezifischen Fachstellen empfohlen (siehe auch Projektansatz von Wildwasser Oldenburg e.V. im Kapitel III). Die Arbeit mit gewaltbetroffenen und traumatisierten geflüchteten Frauen setzt i.d.R. eine langfristige bedarfsgerechte, vertrauensvolle und intensive Unterstützung voraus. Dabei haben sich u.a. folgende Aspekte für essentiell erwiesen, die für die eigene Arbeit berücksichtigt werden sollten: Vertrauen aufbauen und Sicherheit gewährleisten brauchen einen geschützten Rahmen, in dem sie über ihr Erlebtes sprechen können, alleine oder in einer vertrauensvollen Gruppe. Es hat sich gezeigt, dass es häufig eine lange Vorlaufzeit und eine kontinuierliche Begleitung braucht, um Vertrauen zu den Projektverantwortlichen, den Berater*innen und auch Sprachmittler*innen zu schaffen. In der Zusammenarbeit Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung und die Gewährleistung von Sicherheit sind zentrale Voraussetzungen für eine nachhaltig erfolgreiche Stabilisierung geflüchteter Frauen mit Gewalterfahrungen durch Angebote der Beratung und Begleitung. Frauen 58 Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen mit Betroffenen von sexualisierter Gewalterfahrung sollten ausschließlich Frauen als Leitungen oder Mitarbeitende eingesetzt werden. Stabilisierende und stärkende Prozesse knüpfen häufig an den eigenen Ressourcen an. Gerade in Situationen der Ohnmacht oder Hilflosigkeit können das Vertrauen auf sich selbst sowie der Austausch mit anderen und das Erleben von eigener Handlungsstärke helfen, neue Kräfte zu sammeln. Durch niedrigschwellige Angebote in einem geschützten Rahmen sind zunehmendes Zutrauen zu sich selbst und Erfolgserlebnisse möglich. Diese geben Sicherheit und erhöhen die Chance, Trauma zu bewältigen. Nach der Trennung einer Gewaltbeziehung sind Frauen häufig plötzlich auf sich allein gestellt oder auch alleinerziehend. In dieser schwierigen und neuen Lebensphase sind sie in besonderem Maße auf Unterstützung angewiesen. Die Förderung der Eigenständigkeit von geflüchteten Frauen (u.a. durch Sprache, gesellschaftliche Partizipation, Ausbildung, Arbeit sowie Aufbau eines sozialen Netzes) ist somit zentral, da Gewalterfahrungen vor, während oder nach der Flucht sowie eine Trennung bei häuslicher Gewalt meist als ein Bruch in der Familie und Biografie mit teilweise großen sozialen Folgen erlebt wird. Gerade nach einer Fluchterfahrung, die oft mit dem Wegfall großer Teile des sozialen Netzes und Verunsicherungen durch die Neuorientierung in einer zunächst ungewohnten Umgebung verbunden ist, kann ein zusätzlicher familiärer Bruch eine besondere Belastung darstellen. Niedrigschwellige Angebote der emotionalen Stabilisierung, Stärkung des Selbstwertgefühls, des Selbstbewusstseins und des Empowerments sowie das Bewusstmachen der eigenen Kompetenzen und Stärken fördern die Eigenständigkeit und können beim Aufbau eines neuen sozialen Netzes unterstützen. Stabilisierung als Stärkung Viele kleine Schritte können große Schritte aus einer anderen Perspektive bedeuten. Alles, was stärkt, kann auch stabilisieren und umgekehrt: alles, was stabilisiert, kann stärken. Stabilisierung ist eine zentrale Voraussetzung, um die eigenen Themen überhaupt erst bearbeitbar zu machen und schließlich empowernde Prozesse beginnen zu können (siehe auch Projektansatz von Frauenhilfe München im Kapitel III). Kontinuität und Verlässlichkeit gewährleisten Eine vertrauensvolle Beziehungsarbeit braucht neben Zeit und Geduld auch Kontinuität. Insbesondere für gewaltbetroffene Frauen, die eine Trennung von der gewaltausübenden Person (noch) nicht beabsichtigen, sind kontinuierliche und verlässliche Hilfsstrukturen enorm wichtig. Zudem braucht es feste Bezugspersonen und Transparenz. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass der Weg aus einer Gewaltbeziehung heraus häufig ein langjähriger, auch durch Rückschläge geprägter Prozess ist. Betroffene brauchen in dieser Lebensphase besonders intensive und stabilisierende Unterstützung. Dabei kann es hilfreich sein, den Raum bzw. Ort nicht zu wechseln, einen möglichst gleichen Ablauf des Angebotes durchzuführen und wiederkehrende Elemente zu etablieren. Der Wechsel einer Sprachmittlerin kann somit unter Umständen zu einer herausfordernden Situation führen, da auch diese ein enormes Vertrauen der begleiteten Frauen brauchen und neue Sprachmittler*innen erneut mit höchster Sensibilität eingesetzt werden sollten. Es braucht klare und feste Ansprechpartner*innen sowie eine Kontaktmöglichkeit. Dabei sollte auch ein zeitlicher Rahmen, in welchem sich Betroffene an die jeweilige Person wenden können, transparent gemacht werden. Zudem ist es wichtig, dass zu Beginn der Rahmen des Angebotes und der möglichen Unterstützung klar kommuniziert werden, damit sich Betroffene auf diesen einstellen können und wissen, was sie erwartet. Darüber hinaus kann auch der Aufbau von Selbsthilfestrukturen unterstützend sein. So z.B. die fachlich begleitende und finanzielle Unterstützung bzw. Kooperation mit einer Gruppe von Geflüchteten, die ihre Community-Struktur stärken und damit einen Schutzraum für geflüchtete Frauen schaffen möchte. Austausch ermöglichen Ein Austausch unter Frauen, die Ähnliches erlebt und Erfahrungen mit Gewalt gemacht haben, kann sehr 59 Kunst und kreative Angebote als Ausdrucksmittel stärkend sein und eine wichtige soziale und emotionale Unterstützung bieten. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn eine Frau mit Loyalitätskonflikten zu kämpfen hat und im Trennungsprozess keinen Rückhalt von der Familie oder der eigenen Community erhält. In einem geschützten Rahmen können persönliche Empfehlungen für Beratungsstellen gegeben oder aber auch eigene Bewältigungsstrategien geteilt werden, die im Entscheidungs- oder Trennungsprozess Rückhalt geben. Ein Austausch ermöglicht es aber auch, andere Perspektiven zu hören und die eigene Selbstreflektion anzuregen. Es können auch selbstorganisierte Geflüchteten- oder Migrant*innengruppen eingeladen werden, die über ihre Arbeit und ihre Erfahrungen berichten. In jedem Fall können Peer-to-per-Formate einen wichtigen Beitrag zu einer psychosozialen Stabilisierung und Stärkung der Widerstandskräfte betroffener Frauen bieten. Eine Möglichkeit für Frauen, sich ganz unabhängig von verschiedenen Sprachniveaus mit ihren eigenen Erfahrungen und Emotionen zu befassen, sind kreative und künstlerische Angebote. Durch den Einsatz verschiedener handwerklicher Techniken und über ihre künstlerischen Werke können sich Interessierte so ausdrücken und ihre Emotionen aufarbeiten. Wichtig hierbei sind eine kunstpädagogische Begleitung und ein vertrauensvolles Setting (siehe auch Projektansatz von Arbeit und Bildung e.V. im Kapitel III). Kollegiale Fallberatung und Supervision Auch diejenigen, die mit betroffenen Menschen arbeiten, sollten nicht aus dem Fokus geraten. Die Dynamiken von Traumaerfahrungen sind häufig komplex, persönliche Geschichten können berühren, emotionale Ausbrüche aufwühlen. Zudem können Gefühle der Ohnmacht und der eigenen Verletzlichkeit einen weiteren Austausch mit geflüchteten Frauen und ein professionelles Arbeiten verhindern. Dieser Gefahr einer „sekundären Traumatisierung“ kann entgegengewirkt werden. Im Kontakt mit gewaltbetroffenen traumatisierten Frauen braucht es daher immer auf beiden Seiten verlässliche Rahmenbedingungen und Auffangstrukturen. Die Arbeit als Prozess verstehen Die größte Herausforderung bei Gewaltbetroffenheit ist die Öffnung der Frauen und die eigene Überzeugung und Bereitschaft, sich ggf. aus der Community, der Familie bzw. vom Partner zu „lösen“. Häufig sind es Kollektivschuldgefühle und Loyalitätskonflikte, die einen solchen Ablösungsprozess verlängern können. Teilweise ist der Partner, der Gewalt ausübt, die einzige Person, die vertraut ist. Hinzu können Ängste vor dem Alleinsein, vor Abschiebung usw. den Entscheidungsprozess beeinflussen. Für die Beratungsarbeit bedeutet dies viel Geduld, Verständnis und Zeit mitzubringen und die Arbeit prozesshaft zu verstehen. Wichtig ist, dass Frauen auch nach „anderer“ Entscheidung wieder „zurückkommen“ können zur Beratung, dass diese also immer parteilich, nicht belehrend und somit auch ergebnisoffen bleibt. Um den Umgang mit den Themen Gewalt und Trauma sensibel zu gestalten und zu stärken, ist es wichtig, das eigene Team durch Fortbildungen, Zeit für gemeinsame Reflexion und kollegiale Unterstützung zu stärken. Es braucht sowohl Wissen um Ausprägungen und Folgen von Trauma als auch die Kenntnis von Strategien für die eigene körperliche und psychische Stabilisierung. Aber auch das Wissen um die eigenen Grenzen ist hierfür bedeutend. Im Rahmen einer kollegialen Fallbearbeitung können z.B. Erfahrungen und Fälle plus ggf. der Unterstützung einer erfahrenen Psychotherapeut*in gemeinsam praxisnah besprochen und mögliche Lösungsansätze für das weitere Vorgehen erarbeitet werden (siehe auch Praxisansatz von Wildwasser Oldenburg e.V. im Kapitel III). 60 f ) Zur Frage der Einbindung von geflüchteten Männern nach mehreren Beratungsgesprächen empfiehlt es sich immer wieder mit den Frauen rückzukoppeln, ob eine weitere Teilnahme des Mannes in Ordnung ist. Zuallererst: Es geht nicht darum, Angebote für geflüchtete Frauen zu ersetzen, sondern sie sinnvoll zu ergänzen. Geflüchtete Frauen und andere besonders schutzbedürftige Personen brauchen geschützte Räume – ohne Anwesenheit von geflüchteten Männern. Denn eigene Schutzräume können eine sichere, vertrauensvolle Atmosphäre und einen Austausch ermöglichen (insbesondere für die Themen Gewalterfahrungen, Frauenrechte oder sexuelle und reproduktive Gesundheit), Begegnungen auf Augenhöhe schaffen und stabilisierende und empowernde Prozesse stärken. Gleichzeitig ist Gewalt ein strukturelles Problem und muss alle Menschen adressieren. Gewaltpräventionsarbeit muss daher auch die Einbindung von Männern mitdenken. Gemeinsame Formate können auch im Rahmen gendersensibler pädagogischer Workshops einen Austausch zwischen allen Beteiligten schaffen. So können bspw. durch die gemeinsame Beschäftigung mit Medien, Kunst und Kultur bestimmte Themen angesprochen und eine Auseinandersetzung mit gewohnten Denk- und Verhaltensmuster angeregt werden. Daneben empfiehlt sich, verstärkt und explizit Angebote für geflüchtete Männer zu schaffen, in denen sie sich kritisch mit Männlichkeiten, patriarchalen Strukturen, Geschlechterrollen, Gewalt sowie Frauenrechten auseinandersetzen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass insbesondere muttersprachliche und niedrigschwellige Angebote wie Sprachcafés, Sportund Musikangebote oder Väterabende in einem Peerto-Peer-Format, also von und für geflüchtete Jungen und Männer, gut angenommen werden. Multiplikator*innen bzw. andere Männer mit Vorbildfunktion können hier einen Zugang zu weiteren männlichen Geflüchteten schaffen. Darüber hinaus empfiehlt sich der Aufbau einer guten Vernetzung zu Sozialarbeiter*innen in Unterkünften sowie Beratungsstellen und Sportvereinen. Gewaltprävention unter Einbeziehung geflüchteter Männer findet innerhalb eines sehr komplexen Spannungsfeldes statt. Es braucht ein Verständnis von Gewalt, in in dem diese weder relativiert, noch zur Stigmatisierung verwendet wird. Denn häufig wird Gewalt in diesem Kontext kulturalisiert, d.h. sogenannte kulturelle Unterschiede bzw. die „Herkunftskultur“ werden zur Erklärung der Gewalt herangezogen. Wichtig sind aber v.a. auch die patriarchalen Strukturen sowie die Folgen für Menschen mit Fluchterfahrung, die durch einhergehende Belastungen gewaltfördernde Effekte haben können. Abhängig von den individuellen Hintergründen und Zielen können gemeinsame Formate für Frauen und Männer gleichwohl durchaus wirksam sein, bspw. dann, wenn sie als Familie (mit Kindern) oder zu weniger verfänglichen Themen wie allgemeine Gesundheitsthemen oder die Beratung zum Arbeitsmarktzugang angesprochen werden. Teilweise können auch gemeinsame Gespräche bei schwierigeren Themen wie Erziehung, präventiver Paarberatung oder Familienbegleitung nach längeren Trennungszeiten (insbesondere bei Familiennachzug) konstruktiv sein. Bei „heikleren“ Themen sollte grundsätzlich die Bereitschaft der Frauen entscheidend sein, ob und in welcher Weise geflüchtete Männer in einen Beratungsprozess einbezogen werden. Sofern gewünscht, kann auch hier die Einbindung geflüchteter Männer in der Rolle der Partner sinnvoll sein. Aber auch 61 5. W  eiterführende Literaturhinweise und Praxistipps für die Arbeit mit geflüchteten Frauen und anderen besonders schutzbedürftigen Personen Die folgende Übersicht bündelt weiterführende praktische Tipps für Fachkräfte und ehrenamtlich Engagierte, Informationsmaterial, das sich direkt an Geflüchtete richtet und in mehreren Sprachen verfügbar ist sowie Hinweise auf Fachinformationen, Studien, Berichte und Webseiten. a) Praxistipps für Fachkräfte und ehrenamtlich Engagierte  P erspektivwechsel   Partizipation Empowerment. Ein Blick auf Realitäten und Strukturen in der Arbeit mit geflüchteten Frauen Herausgegeben von: Der Paritätische Gesamtverband (2016) in der Arbeit mit geflüchteten Frauen Herausgegeben von: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (2018) Die Broschüre fasst die Ergebnisse und Impulse aus den Vorträgen, Workshops und Diskussionen der Teilnehmenden des Fachtages „Partizipation in der Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen“ am 18. Oktober 2018 zusammen. Sie möchte Impulse zur Stärkung der Partizipation für die Empowermentarbeit mit geflüchteten Frauen und anderen schutzbedürftigen Personen geben. https://www.der-paritaetische.de/publikation/partizipation-in-der-arbeit-mit-gefluechteten-frauen/ Die Publikation wagt einen Perspektivwechsel: Was genau bedeutet eigentlich Empowerment? Wie ist Empowerment im Kontext der Arbeit mit geflüchteten Frauen einzuordnen? Wer empowert wen? Und ist überall, wo Empowerment drauf steht, auch Empowerment drin – und umgekehrt? Die Broschüre enthält Praxiserfahrungen von Projektträgern, Berichte und Statements und stellt ganz bewusst verschiedene Perspektiven auf das Thema Empowerment dar. Sie richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen und Aktive von Organisationen, Vereinen und Initiativen, die mit geflüchteten Frauen arbeiten sowie an weitere Interessierte, die sich kritisch mit Ansätzen des Empowerments beschäftigen möchten. https://w w w.der-paritaetische.de/pub likationen/migration-und-flucht/perspektivwechsel-empowerment-ein-blick-auf-realitaeten-und-strukturen-in-der-arbeit-mit-gefluechtete/   Handreichung für die Betreuung und Unterstützung von LSBTTIQ*-Flüchtlingen Herausgegeben von: Arbeiter-Samariter-Bund, Lesben- und Schwulenverband in Deutschland und Paritätischer Gesamtverband e.V. (2017) Die bundesweite Ausgabe gibt eine Einführung in asylrechtliche Grundlagen und wichtige Handlungsempfehlungen für die Arbeit mit LSBTI*-Geflüchteten. Sie enthält darüber hinaus eine bundesweite Übersicht zu spezifischen Beratungsstellen in Deutschland. https://www.der-paritaetische.de/publikation/ migration-und-flucht/aktualisierte-handreichung-fuer-die-betreuung-und-unterstuetzung-von-lsbtti-fluechtlingen/ 62   Wir wollen Sicherheit – Anregungen für eine   Traumasensibler und empowernder Umgang mit Geflüchteten. Ein Praxisleitfaden Herausgegeben von: Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) (2017) gender- und fluchtsensible Praxis im Umgang mit geflüchteten Frauen* Herausgegeben von: Forschungsprojekt „Gender, Flucht, Aufnahmepolitiken” Universität Göttingen, Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt e. V. (2019). Bei vielen Fachkräften und ehrenamtlich Engagierten bestehen Fragen und Unsicherheiten bezüglich des Umgangs mit traumatisierten Geflüchteten. Wie erkenne ich Traumasymptome? Gehört das überhaupt in meinen Aufgabenbereich und entspricht meiner Kompetenz? Darf über das Trauma gesprochen werden? Besteht die Gefahr einer Retraumatisierung? Auf diese Fragen und mehr wird im Praxisleitfaden eingegangen. Er umfasst Informationen und Handlungsvorschläge zu den Bereichen Trauma und Flucht, strukturelle Bedingungen der Psychotherapie mit Geflüchteten, Umgang mit Traumasymptomen und Stabilisierung in Belastungssituationen, Selbstreflexion bezüglich der eigenen Position und Arbeit, Vorgehen bei Gewaltvorfällen, Krisen und Suizidalität, sowie Selbstfürsorge. http://www.baff-zentren.org/news/praxisleitfaden-traumasensibler-und-empowernder-umgang-mit-gefluechteten/ Die Broschüre vereint verschiedene Perspektiven, um über Schutz und Sicherheit für geflüchtete Frauen* nachzudenken: Die Themen behandeln Bereiche wie sexualisierte Gewalt, Bleibeperspektiven, Empowerment und Selbstorganisation, Unterbringung, Arbeitsmarktzugang, Unterstützungsstrukturen und Informationslücken. Neben den geflüchteten Frauen*, die hier als Expert*innen für ihre eigene Situation sprechen, kommen in der Broschüre auch Akteur*innen aus der flüchtlings- und frauenpolitischen Arbeit, aus Menschen- und Frauenrechtsorganisationen sowie Wissenschaftler*innen aus der kritischen Flucht_Migrationsforschung zu Wort. https://www.nds-fluerat.org/40733/ aktuelles/broschuere-wir-wollen-sicherheit-gender-und-fluchtsensible-praxis-im-umgang-mit-gefluechteten-frauen/   Kostenloses E-Learning: Traumasensible Unterstützung für geflüchtete Kinder und Jugendliche   Expertise „FEMPOWERMENT – Geflüchtete Frauen in Deutschland stärken“ Herausgegeben von: PHINEO gAG (2018) Das kostenfreie E-Learning-Programm wurde von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) gemeinsam mit dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) entwickelt. Es richtet sich an Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte, die mit geflüchteten, traumatisierten Kindern und Jugendlichen arbeiten. In den Kursen werden sowohl theoretisches Wissen zu Trauma und Flucht vermittelt als auch praktisches Handlungswissen in Alltagssituationen geübt. Die interaktive Kursdidaktik ist entlang realer Fluchtgeschichten aufgebaut. Das Material ist Was bedeutet gutes Ankommen für geflüchtete Frauen in Deutschland? Und wie lässt sich dieser Prozess wirkungsorientiert begleiten? Die Expertise erläutert diese Herausforderungen und zeigt Lösungsansätze und gute Projektansätze auf. https://www.bmfsfj.de/lob/129754/630babbd1ba33da39f69380f88318f73/phineo-expertise-fempowerment-data.pdf 63 zwar auf den Schulkontext ausgerichtet, viele Hinweise und das Wissen können aber auch in andere Arbeitsbereiche übertragen werden. https://b-umf.de/trauma-sensibel/   Policy Paper: Flucht & Menschenhandel – Betroffene erkennen, unterstützen, schützen Herausgegeben von: Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel – KOK e. V. (2017) Die Publikation zeigt die aktuelle Situation und Entwicklungen im Bereich Menschenhandel im Kontext von Flucht in Deutschland auf. Es wird insbesondere auch den Fragen nach Herkunftsländern und Ausbeutungsort nachgegangen. Im Weiteren werden erste Erklärungen und Ursachen aufgezeigt, warum in den Fachberatungsstellen eine Mehrzahl der Klient*innen mit Fluchthintergrund aus westafrikanischen Ländern stammen und wenig Betroffene aus den Ländern Syrien, Irak oder Afghanistan Unterstützung suchen. Abschließend werden Handlungsempfehlungen an Bund und Länder sowie das deutsche Unterstützungssystem für Betroffene von Menschenhandel aufgestellt. https://w w w.kok- gegen-menschenhandel.de/flucht-menschenhandel-start/policy-paper-betroffene-erkennen-unterstuetzen-schuetzen/   Frühe Hilfen für geflüchtete Familien. Impulse für Fachkräfte. Herausgegeben von: Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut e. V. (DJI) (2018) Die Publikation bietet Fachkräften Orientierung und Impulse sowohl für die Arbeit mit Familien mit Fluchterfahrung als auch für die Arbeit im Netzwerk Frühe Hilfen rund um das Thema Flucht. Die Autorinnen präsentieren mit der Veröffentlichung erste Ergebnisse eines Diskussionsprozesses, zu dem Expertinnen und Experten aus dem Arbeitsfeld der Frühen Hilfen und der Flüchtlingshilfe ihre Erfahrungen beigetragen haben. So finden Fachkräfte in der Broschüre Hintergrundinformationen, Praxis- und Methodenbeispiele sowie Anregungen für den kollegialen Austausch und Fragen zur Selbstreflexion. Die Publikation soll Fachkräfte in einem oft von Barrieren und Grenzen begleiteten Alltag und in der Arbeit mit geflüchteten Familien unterstützen. https://www.fruehehilfen.de/fileadmin/ user_upload/fruehehilfen.de/pdf/Publikation-NZFH-Impulse-fuer-Fachkraefte-Fruehe-Hilfen-fuer-gefluechtete-Familien.pdf   Patenschaften mit geflüchteten Menschen. Eine Arbeitshilfe für Paten/Patinnen und Begleiter/-innen von Patenschaften Herausgegeben von: Der Paritätische Gesamtverband und der Paritätische Landesverband Berlin (2017). Die Publikation enthält Beiträge zu theoretischen Hintergründen, Praxiserfahrungen von Begleiter*innen von Patenschaften sowie kritische Impulse und Handlungsempfehlungen für die eigene Praxis. Sie richtet sich an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen und Aktive von Organisationen, Vereinen und Initiativen, die Patenschaften mit geflüchteten Menschen vermitteln, koordinieren und begleiten sowie an Patenschaftstandems selbst. https://www.der-paritaetische.de/publikationen/patenschaften-mit-gefluechteten-menschen/   Handlungsempfehlungen: Sportangebote für geflüchtete Frauen* und Mädchen* entwickeln Herausgegeben von: Fußball und Begegnung e.V. / DISCOVER FOOTBALL (2017) Geflüchtete Mädchen und Frauen in Sportangebote einzubeziehen, ist eine ganz besondere Herausforderung. Viele von ihnen sind mit einer anderen Geschlechterrollenerwartung aufgewachsen. Oftmals sind sie so eine andere Körper- und Bewegungskultur gewöhnt. Die for- mulierten Handlungsempfehlungen dienen als Anregungen bei der Entwicklung von Sportangeboten für diese Zielgruppe. http://www.discoverfootball.de/home/buecher-und-veroeffentlichungen/handlungsempfehlungen-spor tangebote -fuer-gefluechtete-maedchen-und-frauen/ oft in Unterstützungsgruppen auftauchen und geben Anregungen zu möglichen Ansätze zu deren Überwindung. Abschließend unterstützt eine ausführliche Reflexions- und Praxishilfe die Leser*innen aus Unterstützungsgruppen bei der Analyse und Transformation des eigenen Engagements. https://www.glokal.org/publikationen/willkommen-ohne-paternalismus/   Soziale Arbeit mit Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften – Professionelle Standards und sozialpolitische Basis Herausgegeben von: Alice Salomon Hochschule Berlin (2016) b) Informationsmaterial für Geflüchtete   Rechte für ALLE Frauen Das Positionspapier soll eine Grundlage für die professionelle Selbstverständigung in der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen bieten, aber auch in der übergreifenden sozialpolitischen Diskussion zum Einsatz kommen. Es soll Sozialarbeiter*innen ermöglichen, sich in ihrem Handeln und dessen Begründung auf geteilte berufsethische und fachliche Standards zu berufen. Ferner soll es dazu beitragen, mehr Transparenz und Verbindlichkeit hinsichtlich der Leistungen der Sozialen Arbeit herzustellen und die erforderlichen Rahmenbedingungen einzufordern. Schließlich soll das Positionspapier Qualitätsentwicklungsprozesse im Bereich der Sozialen Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften anregen, um diese noch stärker am Bedarf der sie Nutzenden, das heißt den Geflüchteten selbst, zu orientieren. http://www.fluechtlingssozialarbeit.de/ Herausgegeben von: Suana/ kargah e.V. und der Paritätische Gesamtverband (2018) Das mehrsprachige Booklet „Rechte für ALLE Frauen“ informiert bildhaft über grundlegende Rechte und möchte somit die Selbstbestimmung von Frauen stärken. Es ist zweisprachig in mehreren Sprachen verfügbar und eignet sich somit auch für den Einsatz in Sprach- und Integrationskursen. https://www.der-paritaetische.de/publikation/ migration-und-flucht/rechte-fuer-alle-frauen/   Meine, Deine, Unsere Rechte. Ein kleiner Leitfaden für Frauen* mit Fluchterfahrung Herausgegeben von: DaMigra e. V. | MUT-Projekt (2017) Der Leitfaden möchte Frauen* mit Fluchterfahrung MUT machen, ihre Rechte in den Bereichen Arbeit, Bildung, Asyl, Gesundheit, Ehe und Familie sowie politische und gesellschaftliche Teilhabe einzufordern. Der Leitfaden bietet konkrete Ansprechpartner*innen, an die sich Frauen* mit Fluchterfahrung wenden können. https://www.damigra.de/publikationen/ meine-deine-unsere-rechte/   Willkommen ohne Paternalismus. Hilfe und Solidarität in der Unterstützungsarbeit Herausgegeben von: glokal e.V. (2017) In der 80-seitigen Publikation gehen die Autor*innen aus vielfältigen Perspektiven auf die Phänomene Flucht, Migration, Hilfe und Solidarität ein. glokal e.V. bietet seit Jahren Seminare zu Rassismuskritik, Diskriminierungssensibilisierung und Empowerment an, auch für Geflüchteten-Unterstützungsgruppen. Aus dieser Erfahrung heraus sprechen sie Probleme an, die 65   Gleichberechtigung von Menschen unterschiedlichen Geschlechts bzw. verschiedener sexueller Identität Herausgegeben von: Arbeiter-Samariter-Bund, Lesben- und Schwulenverband in Deutschland und Paritätischer Gesamtverband e.V. (2019) wird und wo betroffene Personen Unterstützung finden können. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/ SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Refugees/Fluechtlingsbroschuere_deutsch.html Die mehrsprachige Broschüre informiert über den gleichberechtigten Status von Frauen und Männern sowie von Menschen verschiedener sexueller Orientierung bzw. geschlechtlicher Identität in Deutschland. Sie betont die gelebte Vielfalt der individuellen Lebensentwürfe sowie ein respektvolles Zusammenleben aller. https://www.der-paritaetische.de/publikationen/gleichberechtigung-von-menschen-unterschiedlichen-geschlechts-bzw-verschiedener-sexueller-identitaet/   Gewaltschutz für Frauen in Deutschland – Rat- geber für geflüchtete Frauen, Migrantinnen und Jugendliche Herausgegeben von: Ethno-Medizinische Zentrum e.V. (2018) Der 40-seitige Ratgeber richtet sich an geflüchtete Frauen, Migrantinnen und Jugendliche und informiert rund um das Thema „Schutz und Sicherheit vor Gewalt” und stellt Rechte und Schutzmöglichkeiten dieser Zielgruppe in Deutschland zusammen. Der Ratgeber wurde im Rahmen des bundesweiten Projekts „MiMi-Gewaltprävention mit Migrantinnen für Migrantinnen” entwickelt und steht in 18 Sprachen zur Verfügung. https://www.mimi-bestellportal.de/shop/publikationen/gewaltpraevention/leitfaden-gewaltschutz-fuer-frauen-deutschland/   Kenne deine Rechte. Informationen für weibliche Geflüchtete Herausgegeben von: IQ Netzwerk Niedersachsen/ Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. (2017) Die Broschüre bietet geflüchteten Frauen hilfreiche Informationen zu unterschiedlichen Aspekten des Lebens in Deutschland. Präsentiert wird Wissenswertes zu den Themen Asylverfahren, Rechte von Frauen und Kindern, Unterstützung bei häuslicher Gewalt, Beratung bei Schwangerschaft, Orientierung auf dem Arbeitsmarkt und Möglichkeiten zur Weiterbildung und Qualifizierung. Die Broschüre steht in mehreren Sprachen zur Verfügung. https://www.nds-fluerat.org/wp-content/ uploads/2017/05/1706_Kenne_deine-Rechte_nds.pdf   Gewaltschutz in Deutschland – Ratgeber für geflüchtete und neu zugewanderte Männer Herausgegeben von: Ethno-Medizinische Zentrum e.V. (2018) Der 40-seitige Ratgeber richtet sich an geflüchtete und neuzugewanderte Männer und möchte helfen, die Orientierung in Deutschland bei Fragen zum Thema Gewalt zu erleichtern. Er möchte über die Schutz- und Unterstützungsmöglichkeiten informieren, sowie über Möglichkeiten, gewalttätiges Verhalten bei sich selbst oder anderen zu erkennen und zu verringern. Der Ratgeber wurde im Rahmen des bundesweiten Projekts „MiMi-Gewaltprävention mit Migrantinnen für Migrantinnen” entwickelt und steht in 18 Sprachen zur Verfügung. https://www.mimi-bestellportal.de/shop/publikationen/gewaltpraevention/ratgeber-gewaltschutz-fuer-maenner-in-deutschland/   Diskriminierungsschutz in Deutschland. Ein Ratgeber für Geflüchtete und Neuzugewanderte. Herausgegeben von: Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2018) In der mehrsprachig verfügbaren Broschüre wird erklärt, wie Diskriminierung rechtlich gefasst 66   Checkliste   Willkommen in Deutschland – Ein Wegbeglei- für schwangere Migrantinnen für die Zeit vor, während und nach der Geburt Herausgegeben von: pro familia Bundesverband (2019) ter für unbegleitete Minderjährige Herausgegeben von: Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. und Jugendliche ohne Grenzen (2016) Geburtshilfliche Gesundheitssysteme funktionieren in vielen Ländern unterschiedlich und zumeist anders als es Frauen aus ihren Herkunftsländern kennen. Die zweisprachige Checkliste bietet eine Hilfe und Orientierung rund um die wichtigsten Fragen der Schwangerschaft in Deutschland. https://www.profamilia.de/publikationen/themen/schwangerschaft-und-geburt.html  In dieser mehrsprachigen Broschüre, die gemeinsam mit Jugendlichen erarbeitet wurde, werden die Rechte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kindgerecht dargestellt. Das dazu gehörige Online-Portal https:// kommgutan.info/ ermöglicht das Abrufen dieser Informationen auch auf dem PC oder dem Smartphone.https://b-umf.de/p/willkommen-in-deutschland/ Frauenärzt*innenbesuch Vokabelliste Herausgegeben von: pro familia Hamburg (2018) Der praktische Flyer enthält Vokabeln zu den Themen Gesundheitsvorsorge, Schwangerschaft, Anatomie, Beschwerden und Sexualität und ist in verschiedenen Sprachen verfügbar. https://www.fachdialognetz.de unter „Mediathek“ c) Wissenswertes: Fachinformationen, Studien, Berichte  Basisinformationen für die Beratungspraxis Weitere themenrelevante Informationen bieten die so genannten „Basisinformationen für die Beratungspraxis“ vom Informationsverbund Asyl und Migration. Sie erscheinen in loser Folge und werden zum Download auf der Webseite https:// www.asyl.net/view/basisinformationen-fuer-die-beratungspraxis/ veröffentlicht und können ggf. auch bestellt werden. Bisher erschienen sind u.a. Ausgaben zum Ablauf des Asylverfahrens in Deutschland, zu Rechten und Pflichten von Asylsuchenden, zu Rahmenbedingungen des freiwilligen Engagements für Schutzsuchende und zum rechtlichen Diskriminierungsschutz für Flüchtlinge.   Neu anfangen: Tipps für geflüchtete Jugendli- che, die mit ihrer Familie in Deutschland leben Herausgegeben von: Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. und Jugendliche ohne Grenzen (2018) Welche Rechte haben Jugendliche in Deutschland und wie kann man diese durchsetzen? Was ist Diskriminierung und was kann man dagegen tun? Welche Perspektiven und Möglichkeiten gibt es für Schule, Ausbildung, Studium und Beruf? Wo und wie können junge Geflüchtete und ihre Familien Unterstützung, Hilfe und Beratung finden? Welche Perspektiven gibt es für den Aufenthalt und die Familienzusammenführung? Und was ist, wenn jemand aus der Familie krank wird? Junge Geflüchtete, die gemeinsam mit ihren Familien nach Deutschland gekommen sind, finden in dieser Broschüre wichtige Informationen zu ihrer ersten Zeit in Deutschland. https://b-umf.de/material/neu-anfangen/   F.A.Q. – häufig gestellte Fragen an der Schnitt- stelle Gewaltschutz und Flucht. Herausgegeben von: Frauenhauskoordinierung e.V. und Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe - Frauen gegen Gewalt e.V. (2018) 67 Das F.A.Q. beantwortet Fragen rund um das Thema Gewaltschutz geflüchteter Frauen und Mädchen. Am Anfang steht ein Glossar zur Klärung zentraler Begriffe und deren Konsequenzen für geflüchtete Frauen. Die Broschüre liegt in englischer sowie in einfacher Sprache vor. https://www.frauenhauskoordinierung.de/ arbeitsfelder/flucht-und-gewaltschutz/faqflucht-und-gewaltschutz/faq-deutsch/ gabe der Innen- und Außenpolitik und macht die Anliegen geflüchteter Frauen sichtbar. https://heimatkunde.boell.de/dossier-frauenund-flucht   Study on Female Refugees. Repräsentative Un- tersuchung von geflüchteten Frauen in unterschiedlichen Bundesländern in Deutschland Von: Schouler-Ocak, Meryam/Kurmeyer, Christine - Charité Berlin (2017)   Mindeststandards zum Schutz von geflüchte- ten Menschen in Flüchtlingsunterkünften Herausgegeben von: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und United Nations Children’s Fund (UNICEF) (2018) Die Studie gibt Auskunft über die psychosoziale Situation geflüchteter Frauen in fünf städtischen und ländlichen Regionen in verschiedenen Bundesländern und berücksichtigt dabei sowohl Erfahrungen in den jeweiligen Herkunftsregionen der Frauen als auch während der Flucht und nach der Ankunft in Deutschland. Die gesammelten Informationen basieren auf einer repräsentativen Umfrage und wurden durch qualitative Daten ergänzt. Die Perspektive der für das Projekt befragten geflüchteten Frauen, insbesondere deren Verbesserungsvorschläge für die psychosoziale Versorgung, wurden von den Autorinnen integriert. https://female-refugee-study.charite.de/ Im Rahmen der Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ wurden bundesweit einheitliche Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften entwickelt. Die Mindeststandards gelten als Leitlinien für die Erstellung und Umsetzung von Schutzkonzepten in allen Flüchtlingsunterkünften. Die Broschüre enthält drei Annexe zur Umsetzung der Mindeststandards für LSBTIQ, geflüchtete Menschen mit Behinderungen sowie geflüchtete Menschen mit Traumafolgestörungen. Darüber hinaus gibt es eine Begleitpublikation zur Umsetzung des Mindeststandards 4 „Prävention und Umgang mit Gewalt- und Gefährdungssituationen/Risikomanagement“. https://www.gewaltschutz-gu.de/themen/die_ mindeststandards/   Vulnerabilität   Forschung zu Schwangerschaft und Flucht Aktuelle Befunde und Forschungslücken Herausgegeben von: pro familia Bundesverband (2018) Expertise mit Befunden zu Lebensbedingungen und Gesundheitszustand von schwangeren, geflüchteten Frauen sowie Hintergrundinformationen zum Zugang zu medizinischen und psychosozialen Angeboten und Leistungen in Deutschland. https://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Fachpublikationen/Schwangerschaft/ Fachdialognetz_Forschung_zu_Schwangerschaft_und_Flucht_2018.pdf – Empowerment – Teilhabe. Ein Dossier. Herausgegeben von: Heinrich-Boll-Stiftung e.V. (2018) Wie können Frauen und Mädchen in ihren Herkunftsländern, aber auch in Deutschland geschützt werden? Wie können sie ökonomische Selbstständigkeit und Teilhabe auf allen Ebenen erreichen? Das E-Paper beschreibt die Förderung und Stärkung von Frauen als Querschnittsauf68   Psychosoziale Unterstützung für Mädchen mit Ruhe zum Lernen oder Spielen finden. Hinzu kommen zum Teil problematische hygienische Bedingungen in den Unterkünften. Sanitäranlagen müssen oftmals von vielen Personen benutzt werden, sind nicht immer abschließbar und somit ein Risiko für die persönliche Sicherheit. Die Versorgung mit Sachleistungen und ein eingeschränkter Zugang zum Gesundheitssystem haben unter anderem zur Folge, dass den individuellen Bedürfnissen und gesundheitlichen Problemen beispielsweise von Kleinkindern und stillenden Müttern nicht ausreichend Rechnung getragen wird. https://www.unicef.de/informieren/materialien/kindheit-im-wartezustand-fluechtlingskinderstudie/137018 Fluchterfahrung. Ressourcen- und Bedarfsanalyse in vier Erstaufnahmeeinrichtungen in Deutschland. Herausgegeben von: Save the Children Deutschland e.V. (2019) Die Broschüre fasst die Ergebnisse einer Analyse zur besonderen psychosozialen Bedarfen und Ressourcen von Mädchen in Erstaufnahmeeinrichtungen zusammen und leitet Empfehlungen für Fachkräfte, Politik und Gesellschaft ab. Zusätzlich soll ein Werkzeugkoffer zur psychosozialen Unterstützung von geflüchteten Mädchen entstehen, der praktische Tipps und Impulse für Mädchen selbst, ihre Eltern sowie Mitarbeiter*innen und Betreiber*innen von Unterkünften enthält. https://www.savethechildren.de/informi e re n / e i n s a t z o r t e / d e u t s c h l a n d / m i g ra tion-und-flucht/maedchen-machen-mut   Uns gibt es, wir sind hier – Geflüchtete Frauen in Deutschland erzählen von ihren Erfahrungen Herausgegeben von: International Women* Space (2018)   Mädchen* und junge Frauen* nach Flucht in der Migrationsgesellschaft Herausgegeben von: LAG Mädchenarbeit in NRW e.V. (2019) Das Buch enthält acht Geschichten. Geschichten, die wütend machen und entmutigen, aber genauso Geschichten, die ermächtigen und aufbauen. Geschichten über die Erfahrungen von Frauen, die in Libyen Opfer von Menschenhandel und zur Prostitution gezwungen wurden; von Flucht vor staatlicher und gesellschaftlicher Unterdrückung in Ägypten, Syrien und dem Iran; von Verfolgung auf Grund von akademischem Aktivismus in der Türkei oder auf Grund von Drogenabhängigkeit in Russland; Frauen, die ihres Rechts auf Selbstbestimmung beraubt wurden; Frauen, die sich der Abschiebung widersetzt haben und täglich gegen Rassismus und rassistische Strukturen in Deutschland kämpfen. https://iwspace.de/uns-gibt-es/ Dokumentation einer qualitativen Erhebung zu Bedarfen und zur Lebenssituation von Mädchen* und jungen Frauen* nach Flucht in NRW. http://www.maedchenarbeit-nrw.de/info/publikation/MujFnF-8819-Dokumentation.pdf   Kindheit im Wartezustand – Studie zur Situa- tion von Kindern und Jugendlichen in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland Herausgegeben von: Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V. im Auftrag von Deutsches Komitee für UNICEF e.V. (2017) Die Studie zeigt, dass die Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften viele Familien vor große Herausforderungen stellt. So führen mangelnde Privatsphäre und fehlende Rückzugsorte in Unterkünften dazu, dass Familien Angst vor Konflikten haben und Kinder und Jugendliche keine 69 d) Weitere hilfreiche Webseiten Unterstützung von multidisziplinären Fachkräften, ehrenamtlichen Initiativen und Migrantenorganisationen – zum Beispiel aus dem Gesundheitswesen, der Geburtshilfe, der psychosozialen Beratung sowie aus Migrationsdiensten oder der Jugendhilfe. Die webbasierte Wissens- und Vernetzungsplattform bietet eine Angebots- und Expert*innendatenbank, eine interaktive Karte mit Beratungsangeboten sowie eine Dokumentensammlungen mit Fachtexten und Broschüren.   https://www.der-paritaetische.de/publikation/ migration-und-flucht Auf der Webseite des Paritätischen Gesamtverbandes gibt es eine Übersicht zu Publikationen speziell im Bereich Flucht und Migration. Es sind sowohl Grundlagen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht als auch thematisch bezogene Publikationen zu finden.  https://www.asyl.net Auf der Website des Informationsverbunds Asyl und Migration sind viele praktische Tipps, Adressen, thematische Ratgeber, Gerichtsentscheidungen und andere Dokumente zu finden. Der Informationsverbund ist ein Zusammenschluss von in der Flüchtlingsarbeit aktiven Organisationen. Gemeinsames Ziel ist es, für die Beratungspraxis relevante Informationen zugänglich zu machen.  https://fluechtlingshelfer.info Die Webseite sammelt nützliches Wissen für die Unterstützung von Geflüchteten – für ehrenamtliche Helfer*innen, für Hauptamtliche aus der Flüchtlingsarbeit und für Geflüchtete selbst. Es sind Arbeitshilfen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht, Handreichungen zum Thema Arbeitsmarktzugang, Hilfsmittel zum Deutschlernen und viele andere Materialien zu finden. Zusammengestellt werden die Informationen vom Informationsverbund Asyl und Migration.   www.gewaltschutz-gu.de Auf der Webseite der Bundesinitiative „Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ finden sich nützliche Informationen und Materialien rund um das Thema Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften, Umgang mit häuslicher Gewalt oder psychosoziale Unterstützung von Geflüchteten. https://www.fachdialognetz.de Das Fachdialognetz für schwangere, geflüchtete Frauen war ein Modellprojekt des pro familia Bundesverbandes. Es dient der professionellen Vernetzung, dem Austausch und der gegenseitigen 70  https://www.frauenhauskoordinierung.de/ Der Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) setzt sich dafür ein, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und die Hilfen für misshandelte Frauen und ihre Kinder zu verbessern. FHK unterstützt Frauenhäuser und Fachberatungsstellen durch Informationen, Austausch und Vernetzung. Die Angebote und Materialien von FHK richten sich vor allem an Mitarbeiter*innen in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen, an Multiplikatoren*innen, Fachpersonen und alle am Thema Interessierten.  https://www.frauen-gegen-gewalt.de Der bff ist der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland. Neben Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen führt der bff Seminare und Tagungen durch, verbreitet Expertise aus Praxis und Forschung und entwickelt Informationsmaterialien zum Thema Gewalt gegen Frauen. Zudem bietet der bff auf seiner Website eine Suchmaske, über die sich lokale Beratungsstellen finden lassen.  https://www.hilfetelefon.de Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung können Betroffene unterstützt werden – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freund*innen sowie Fachkräfte werden anonym und kostenfrei beraten.
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