Dienstblatt des Senats von Berlin Teill Nr.9 9. November 1995
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4 Urinproben
Mittels Urinprobe kann der Nachweis von Medikamenten und
Drogen unter Umständen auch noch längere Zeit nach der. Ein-
nahme geführt werden.
Ergeben sich Anhaltspunkte für die Einnahme von Medika-
menten oder Drogen, ist im Fall des Verdachts einer Straftat
oder einer schwerwiegenden Ordnungswidrigkeit neben der
Blutentnahme auf die Abgabe einer Urinprobe hinzuwirken.
Die Entscheidung trifft die die Blutentnahme anordnende Per-
son gegebenenfalls nach ärztlicher Beratung. Eine solche Maß-
nahme ist jedoch nur mit Einwilligung der betroffenen Person
möglich. Diese ist hierüber zu belehren; die Belehrung ist
aktenkundig zu machen. Für die Untersuchung der Urinprobe
sollte Urin in ausreichender Menge (möglichst 50 bis 100 ml)
zur Verfügung stehen.
Gibt die betroffene Person eine Urinprobe nicht ab, ist bei der
Blutentnahme darauf zu achten, daß nicht nur die für die Alko-
holfeststellung übliche Blutmenge entnommen wird. In diesen
Fällen sollen im Hinblick auf weitergehende Untersuchungen
mindestens 15 ml Blut der betroffenen Person entnommen
werden.
Urinproben sind kühl zu lagern. Sie müssen in dichtschließen-
den Behältnissen sowie festem Verpackungsmaterial gegebe-
nenfalls gemeinsam mit gleichzeitig entnommenen Blutproben
versandt werden. Dabei sollen mit der Blutprobe gleichlau-
tende Identitätsaummern verwendet werden.
Forensisch relevante Analyseergebnisse sind durch Einsatz
spezieller Methoden abzusichern. Der hierzu erforderliche
Standard ist durch regelmäßige interne und externe Qualitäts-
kontrollen zu gewährleisten.
5 Haarproben
Daneben kommt die Sicherung von Haarproben in Betracht,
wenn die länger dauernde Zufuhr von Medikamenten und
Drogen in Frage steht. Die Entnahme einer Haarprobe stellt
sine körperliche Untersuchung dar und darf gegen den Willen
des Beschuldigten nur vom Richter, bei Gefährdung des Unter-
suchungserfolges durch Verzögerung auch durch die Staatsan-
waltschaft und ihre Hilfsbeamten angeordnet werden ($81 a
Abs. 2 StPO).
Die Haarprobe ist durch. eine Ärztin oder einen Arzt (vgl.
Nummer 3.5.1) zu entnehmen.
Bei der Probenahme ist folgendes zu beachten:
Die Probenahme, das Verpacken und Versenden darf nicht
in der Nähe von Rauschmittelasservaten stattfinden.
Die Entnahme sollte in erster Linie über dem Hinter-
hauptshöcker erfolgen. Ist dies nicht. möglich, muß die
Entnahmestelle entsprechend dokumentiert werden.
Die Probe sollte aus einem mindestens bleistift- bis klein-
fingerdicken Strang bestehen. ,
Die Haare sind vor dem Abschneiden mit einem Bindfa-
den, möglichst 2 bis 3 cm von der Kopfhaut entfernt, fest
zusammenzubinden.
Die zusammengebundenen Haare sind möglichst direkt an
der Kopfhaut abzuschneiden. Sollte dies nicht möglich
sein, ist die Länge der zurückgebliebenen Haarreste zu
dokumentieren.
Die entnommene Haarprobe ist fest in Folie einzurollen
und mit Klebefilm auf einem Papierbogen zu fixieren. Die
Probenbeschriftung mit Probenkennung, Bezeichnung der
Entnahmestelle, Kennzeichnung von kopfnahem Ende
und Haarspitze sowie Angaben zur Länge der verbliebe-
nen Haarreste ist auf dem Bogen zu vermerken.
Für die Sicherung der Qualität der Untersuchung gilt Num-
mer 4 Abs. 5 entsprechend.
6 Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrausweisen
6.1 Voraussetzungen
Liegen die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der
Fahrerlaubnis ($ 111 a Abs. 1, 6 StPO, 88 69, 69 b StGB) vor, so
ist der Fahrausweis sicherzustellen oder zu beschlagnahmen
(894 Abs. 3, $ 98 Abs. 1, 8111 a Abs. 6 StPO).
6.1.1 Atemalkoholtestgerät
Ist ein Kraftfahrzeug geführt worden, so hat dies jedenfalls
dann zu erfolgen, wenn bei vorschriftsmäßiger Beatmung des
elektronischen Atemalkoholtestgerätes 0,55 mg/l (oder 1,1
Promille Alkohol im Blut) und mehr angezeigt werden oder
Anhaltspunkte für eine relative Fahruntüchtigkeit bestehen.
6.1.2 Alkoholteströhrchen
Wird ausnahmsweise allein ein Alkoholteströhrchen verwen-
det, erfolgt die Sicherstellung oder Beschlagnahme des Fahr-
ausweises, wenn aufgrund der Gesamtumstände (z. B. Ausfall-
erscheinungen, unsichere Fahrweise, Unfall) von einer relati-
ven oder absoluten Fahruntüchtigkeit gemäß 88315 a, 315 c,
316 StGB auszugehen ist.
6.1.3 Weigerung
Der Fahrausweis ist auch dann sicherzustellen oder zu
beschlagnahmen, wenn von einer relativen oder absoluten
Fahruntüchtigkeit auszugehen ist und der Beschuldigte sich
weigert, an der Atemalkoholprüfung mitzuwirken.
6.2 Verfahren
6.2.1 Abgabe an die Staatsanwaltschaft
Der sichergestellte oder beschlagnahmte Fahrausweis ist
unverzüglich mit den bereits vorliegenden Ermittlungsvorgän-
gen der Staatsanwaltschaft zuzuleiten. Die Vorgänge müssen
vor allem die Gründe enthalten, die eine vorläufige Entziehung
der Fahrerlaubnis erforderlich erscheinen lassen.
6.2.2 Rückgabe an Betroffene
Steht fest, daß lediglich eine Ordnungswidrigkeit in Betracht
kommt, und befindet sich der sichergestellte oder beschlag-
nahmte Fahrausweis noch bei der Polizeidienststelle, ist seine
Rückgabe an den Betroffenen unverzüglich im Einvernehmen
mit der Staatsanwaltschaft zu veranlassen.
6.2.3 Ausländische Fahrausweise
Nummer 6.2.1 und 6.2.2 gelten auch für ausländische Fahraus-
weise, die zum Zwecke der Anbringung eines Vermerkes über
die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis sichergestellt oder
veschlagnahmt worden sind ($111 a Abs. 6 StPO). Nach der
Anbringung des Vermerkes sind sie unverzüglich zurückzu-
geben.
7 Bevorrechtigte Personen
7.1 Abgeordnete
Soweit von Ermittlungshandlungen Abgeordnete des Deut-
schen Bundestages, der Gesetzgebungsorgane der Länder oder
Mitglieder des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepu-
blik Deutschland betroffen sind, wird auf das Rundschreiben
des Bundesministers des Innern vom 10. Januar 1983 (P II
5 - 640180/9, GMBI S. 37) verwiesen.
Danach ist es nach der Praxis der Immunitätsausschüsse in
Bund und Ländern zulässig, nach Maßgabe von Nummer 191
Abs. 3 Buchstabe h, Nr. 192 b Abs. 1 RiStBV Abgeordnete zum