ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik
ZK/U
Untersuchungsausschuss #04:
Städtische Essensherstellung
ZK/U
Fact-Finding Committee #04:
Urban Food Production
2018
JAN
FEB
MAR
APR
MAY
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JUL
AUG
SEP
OCT
NOV
DEC
2019
JAN
FEB
MAR
APR
MAY
URBAN FOOD
SIMONE HÄCKEL
LENA FRITSCH
THOMAS LEHNEN
SUSANNE SCHRÖDER
LARISSA KRAUSE MICHEL KLAUS SPERBER
SIMONE SCHRÖDER
#01
#02
JUL
AUG
SEP
OCT
LEITUNG ____________________________
UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS
JUN
#03
#04
NOV
DEC
Untersuchungsausschuss #04 (UA #04):
Städtische Essensherstellung
Leitung:
Stadtfrauenküche (SFK)
Erstellt im Rahmen der Untersuchungsausschüsse am
ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik, Berlin
Untersuchungszeitraum
1. Mai – 31. August 2019
URBAN FOOD
PRODUCTION
This zine is partly translated into English.
The content is available through the QR code.
VORWORT
Die Untersuchungsausschüsse des ZK/U haben
es sich zur Aufgabe gemacht Themen zu erforschen, die relevant sind für Berlins Stadtgesellschaft, aber in der politischen Debatte und Praxis
zu wenig Beachtung finden.
Essen ist Grundbedürfnis und wird seit Jahren
politisch von verschiedensten Akteuren der Zivilgesellschaft beackert – von großen Bündnissen
wie „Wir haben es satt“, neueren Organisationen
wie dem Ernährungsrat Berlin oder selbstorganisierten Gruppen wie den regionalen SoLaWis.
Das ZK/U hat seit seiner Gründung 2012 das gemeinsame Essen als Vermittlungs- und Begegnungskonzept in sein Programm integriert. Essen
kreiert nicht nur einen sozialen Raum, sondern
ist in der internationalen Gemeinschaft des ZK/U
und der Stadt auch immer ein Werkzeug für interkulturellen Austausch. Intern werden bei unseren
Monday Dinners in der Künstlerresidenz mit dem
kleinen Budget von 50 € Gerichte aus einfachen
Zutaten gekocht; die diversen kulturellen Hintergründe unserer Resident*innen werden beim
gemeinsamen Kochen neu gemischt. Öffentliche
Formate wie das wöchentliche Speisekino und
der monatlich stattfindende Gütermarkt bringen
verschiedenste Menschen an langen Tafeln zum
gemeinsamen Essen zusammen. Über diese Formate hinaus hat das ZK/U politische Aktionen wie
die Schnippeldisko unterstützt, bei der Freiwillige
die Zutaten für eine Suppe mit 9.000 Portionen
zerkleinern.
landwirtschaftliche Themen den Gesprächsstand
der vielfältigen ernährungspolitischen Akteure in
Berlin analysiert und die Ernährungsstrategie des
Berliner Senats kritisch beleuchtet.
Der UA #04 schaffte binnen kürzester Zeit, das
Thema Ernährungswende in unserem Kiez, aber
auch in Berlins Mitte zu einem Teil der stadtpolitischen Debatte zu machen. Grund dafür ist auch
die Vertrautheit mit dem Ort, den Menschen und
den Abläufen des ZK/U, die den UA #04 auszeichnet; dies hat es ihnen ermöglicht, schnell ein lokales Netzwerk aus Initiativen wie den Moabees, den
Baufachfrauen, dem nachbarschaftlichen Schulgarten und dem Bürger*innengarten in ihre Arbeit
hier einzubinden. Mit dem Bau einer Terrasse auf
einem Container vor dem ZK/U haben sie zudem
einen neuen Begegnungsort geschaffen – einen
Ort, an dem Diskussionsrunden während des
Gütermarkts stattfanden, Bienen auf Wildblumen
treffen und eine Seilbahn das selbst angebaute
Essen nun direkt auf den Mittagstisch des ZK/U
befördert. Unweit vom ZK/U engagiert sich die
vom UA #04 eingeladene Künstlerin Silke Riechert
gemeinsam mit der Garten- und Landschaftsplanerin Laura Tenenboim im „Planungsverfahren
Nahraum Bremer Straße“ für einen Wandel hin
zu Beteiligungsgärten und nachbarschaftlichem
Essensanbau in Moabit. Mit der Veranstaltung
„Lebensmittelpunkt am Alex? Ernährungswende
von unten!“ am 17. August 2019 hat der UA #04
auf die Möglichkeit hingewiesen, das Thema „Gutes Essen für alle“ von Beginn an in die Planung
des neuen Kiezes rund um das Haus der Statistik einzubeziehen. Im Rahmen der Pioniernutzung
„Ernährungshof Essen und Begegnung“, die der
UA #04 am Haus der Statistik initiiert hat, sollen Synergien und Kreislaufsysteme geschaffen
werden, die direkt auf die Herausforderungen der
Klimakrise und Resscourcenknappheit eingehen,
um den Zugang zu gutem Essen für alle zu sichern.
Mit dem von der Stadtfrauenküche geleiteten
Untersuchungsausschuss #04, Urban Food
Production, wurde nun der Blick in Richtung Produktion und Verteilung erweitert. Die Stadtfrauenküche, bestehend aus Simone Häckel, Simone
Schröder und Susanne Schröder, begleitet das
ZK/U nicht nur kochend bei vielen Formaten – zwei
Partnerinnen der männlichen Direktoren des ZK/U
sind Teil dieses Projekts und auch schon länger
parallel als Zentrum für Kunst, Feministik und Urbanistik (ZK/FU) aktiv. Bezeichnenderweise haben
sie beim Thema Ernährung Karin Ehrle-Horst, die
Partnerin des dritten Direktors, an Bord geholt,
um gemeinsam die tiefer liegenden Strukturen der
Versorgung zu untersuchen. Für dieses Heft hat
sie mit ihren Erfahrungen in Netzwerken rund um
Die Ernährungswende von unten hat längst begonnen – doch nur mit einem stadtweiten und
spartenübergeifenden Umdenken können wir dafür sorgen, dass die Versorgung mit gutem Essen
für alle Stadtbewohner*innen in die Planungsprozesse der Stadtentwicklung eingebunden wird.
Lotta Schäfer und Philip Horst
ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik
2
FOREWORD
lyzed the state of the discussions of the diverse
stakeholders of food policy in Berlin, and has critically examined the food strategy of the Berlin
government.
Within a very short time, the Fact-Finding Committee #04 managed to make the topic of change
in the food system part of this city's political —
not just in our neighborhood, but also in Berlin’s
center. One reason for this is the familiarity with
the place, the people, and the processes at ZK/U
which characterize the Fact-Finding Committee
#04; this enabled its members to integrate a local
network of initiatives like Moabees, Baufachfrauen, the neighborhood school garden, and the citizen’s garden into their work here quite quickly.
With the construction of a terrace on top of a container, they also created a new meeting space—a
place where panel discussions took place during
Gütermarkt, where bees encounter wild flowers,
and a ropeway transports the homegrown food
directly to the lunch table of the ZK/U. Not far
from ZK/U, at the invitation of the Fact-Finding
Committee #04, the artist Silke Riechert, together
with the garden and landscape planner Laura Tenenboim works for a change toward community
gardens and communal food-growing in Moabit,
as part of the “Planungsverfahren Nahraum Bremer Straße” (Planning Process Area Bremer Straße). In the event “Lebensmittelpunkt am Alex? Ernährungswende von unten!” on August 17, 2019,
the Fact-Finding Committee #04 pointed out the
possibility of integrating the topic of “good food
for everybody” into the planning process of the
new neighborhood around Haus der Statistik from
the very beginning. As part of the pioneer project
“Ernährungshof Essen und Begegnung” that the
Fact-Finding Committee #04 initiated at Haus der
Statistik, synergy and circulation systems were
created that directly address the challenges of
climate crisis and resource scarcity in order to
ensure access to good food for everybody.
The Fact-Finding Committees of of the Center
for Art and Urbanistics set itself the task of researching topics that are relevant for Berlin’s urban society but don’t get enough attention in the
political debate and practice.
Food is a basic need, and for years has been
addressed by a wide range of actors of civil society—from large alliances like “Wir haben es satt”
(We are fed up) to newer organizations like the
Food Council Berlin, or self-organized groups like
the regional CSAs (community-supported agriculture).
Since its establishment in 2012, ZK/U has integrated shared meals as a concept for communication and getting together. Food does not just
create social space, but within the international
community of the ZK/U and the city it has always
also been a tool for intercultural exchange. During our Monday Dinners in the artists’ residence,
meals are cooked with simple ingredients (and
a small budget of 50 €), and the diverse cultural
backgrounds of our residents are remixed when
we all cook together. Public formats like the weekly Speisekino (food & footage) and monthly Gütermarkt (commodities market) bring together a
wide range of people at long tables for shared
meals. In addition to these formats, ZK/U has
supported political actions such as the Schnippeldisko, where volunteers cut up the ingredients
for a soup with 9,000 servings.
With the Fact-Finding Committee #04 Urban
Food Production, directed by Stadtfrauenküche,
we now broadened our view to include production
and distribution. Stadtfrauenküche, consisting of
Simone Häckel, Simone Schröder and Susanne
Schröder, does not just cook for ZK/U at many
events and formats—two partners of the male
directors of ZK/U are part of this project, and
they have also been active as Center for Art, Feministics und Urbanistics (ZK/FU). Tellingly, for
the topic of food, they brought on board Karin
Ehrle-Horst, the third director’s partner, in order
to jointly research the deeper structures of supply
and provision. For this issue, with her experience
in networks around agricultural topics, she ana-
The change in food systems from below has started long ago—but only with a city-wide and interdisciplinary rethinking we can ensure that the
supply of good food for everybody in the city is
integrated into the planning processes of urban
development.
Lotta Schäfer and Philip Horst
ZK/U – Center for Art and Urbanistics
3
Öffentliche Veranstaltungen des UA #04 im ZK/U
18. August 2019 | 11:00 –17:00
Silke Riechert & Laura Tenenboim
Die Bohne. Offene Werkstatt
ZK/U Unit 1
2. Juni 2019 | 14:00 –17:00
Zero Waste DIY Workshop I
Wir nähen ein Furoshiki Tuch
(mit Leonie Weber)
Eröffnung der ZK/FU Dachterrasse
mit Stammtisch
22. August 2019
Openhaus +
Präsentation in Unit 1
Wildpflanzenmenü in
Kooperation
mit dem Speisekino
7. Juli 2019 | 14:00 –17:00
Zero Waste DIY Workshop II
Wir nähen einen Gemüsebeutel
(mit Leonie Weber) & Wildpflanzen
Textil-Siebdruck
Inhaltsverzeichnis
I
Intro von Stadtfrauenküche
6
II
Karin Ehrle-Horst: Ernährungswende in Berlin!
8
III
Silke Riechert & Laura Tenenboim:
Grüne Karta / Moabit
19
IV
Essbare Kreisläufe für das ZK/U
Geländeplan
Parzelle im Bürgergarten
Milpa – Die Drei Schwestern
ZK/FU – Zentrum für Kunst, Feministik und Urbanistik
Food Funicular – eine Seilbahn mit frischem Gemüse
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V
Wildpflanzen
33
VI
Nicht ohne Tattoo in die Küche
39
1. September 2019 | 14:00 –17:00
Zero Waste DIY Workshop III
Wir nähen eine Butterbrottasche
(mit Leonie Weber)
17. August 2019 | 14:00 –17:00
Lebensmittelpunkt am Alex?
Ernährungswende von unten!
Ort: Haus der Statistik, Musterhaus
(Autoscooter), Parkplatz
Berolinastraße 22, Berlin-Mitte
4
5
INTRO
Liebe Akteur*innen und Mitmenschen, liebe Zivilgesellschaft, liebe Lidl-,
denn's-, Hamberger-, HelloFresh-, Edeka- und LPG-Kund*innen, liebe Fördermittelantragsteller*innen, liebe Zeitgeistrechercheure, liebe Kinder und
Jugendliche, liebe Erzeuger, einfache Angestellte, verbeamtete Lehrer*innen,
Bekenntnisliteraten, Postenköche, Bundesjugendspielversager, Influencer,
Speiseisanhänger, Clean Eaters, Raucherinnen, Tiefbeetfreunde, Kümmerer,
Netzwerker, Polyamorist*innen, Städtetouristen, Narrativisten im Affiliate
Marketing, liebe aggressive Mütter.
Es ist Sommer 2019. Peaches’ erste institutionelle Einzelausstellung eröffnet, Ursula von der Leyen wird EU-Kommissionspräsidentin, Angela Merkels
Beine zittern. In Brandenburg stehen die Stockrosen in hoher, bunter
Pracht. Mit halb geneigtem Blick überreichen wir den Output unseres
Stipendiums Untersuchungsausschuss #04: Urban Food Production im
Zentrum für Kunst und Urbanistik Berlin.
Wer hätte das geahnt. Damals war es ein gehässiges Schimpfwort unterforderter Mittelschicht-Teenager einer westdeutschen Stadt. Es gab diesen
Laden, mitten in der Innenstadt, eine Mischung aus Primark und Action.
Er hieß Urban. „Ist das von Urban?“, tuschelten die Esprit-, Marc O'Polo-,
Benetton-Trägerinnen mit abfälligem Blick, und in der ungegerbten Lederschultasche wartete Die Wolke von Gudrun Pausewang.
Jetzt allerdings, Jahre später, hat das Wort Hochkonjunktur. So schön kosmopolitisch, gute Klangqualität, annähernde Kongruenz von Form und der
im jeweiligen Subjekt entstehenden inhaltlichen Idee. Viele Möglichkeiten
der Projektion. Urban Outfitters, Urban Design, Center for Art and Urbanistics. Ob es je etwas Post-Urbanes geben wird? ZK/O - Zentrum für Kunst
und Orbinistik?
Und dazu das Thema Food, noch so ein triefender Brocken. Food – korrekt
und inkorrekt – ist total in. Dafür interessieren wir von der Stadtfrauenküche
uns.
In jeder Lifestyle-Zeitschrift gibt es Ratschläge zu nachhaltigem und zu
Zero-Waste-Konsum. Jedes Kindergartenkind weiss, dass eine Avocado viel
Wasser verbraucht und viel Weg zurücklegt.
den Machern des ZK/U verbunden, die die Entstehung des Hauses begleitet haben und besonders in der hauseigenen Küche eine Spielwiese für
sich entdecken konnten. Die sich fragen, was gute Care-Kreisläufe sind, im
großen Betrieb und in der modernen Kleinfamilie. Die sich fragen, wie das
zusammengehen kann – die große Kraft, die es kostet, einfache und gute
Lebensmittel herzustellen, so viel Zeit, die zugleich Erfüllung und Sinnhaftigkeit bereitet – und der ökonomische Druck, unter dem man steht.
Wir haben uns zu diesem Untersuchungsausschuss selbst eingeladen und
danken Lotta Schäfer vom ZK/U für ihren Enthusiasmus und ihre Kompetenz. Wir wissen manchmal (nicht) genau, was wir tun. Wir haben immer
zu wenig Zeit und nie genug Geld. Wir finden es großartig, uns in diesem
Kulturbetrieb zu Expertinnen selbst zu ermächtigen, Behauptungen aufzustellen, andere Frauen mit an Bord zu holen, Impulse zu geben. Motto
vielleicht: Essbare Kreisläufe? Es gibt ja gerade einen ziemlichen Kreislauf-Druck: Sackgassen und Widersprüche müssen endlich überwunden
werden, wegen des Klimas. Und stellen sich doch immer wieder ein, nirgendwo ein Schleier der Ahnungslosigkeit, hinter dem man sich verstecken
könnte.
Hier ein kurzer Einblick in die Themen des Heftes: Ernährungswende.
Die größte Avantgarde seit den Präraffaeliten. Hier kommt alles zusammen:
Klima, gute Arbeit, Wertschätzung, Gemeinschaft, Zukunft. Es gibt in Berlin
und den umliegenden Bundesländern eine unglaubliche Dichte an Kompetenz
in Sachen industriefreier Landwirtschaft und kreativer politischer Arbeit. Ein
paar Begriffe werden vorgestellt.
Die Initiative thf.vision hat das Konzept für einen Ernährungshof in den
ehemaligen Offizierskantinen des Flughafen Tempelhof entwickelt. Auch im
einstigen Haus der Statistik am Alexanderplatz in Mitte, das zu einem neuen
Kiez umgebaut wird, könnte ein LebensMittelPunkt entstehen. Die Akteurinnen Silke Riechert und Laura Tenenboim fordern die Grüne Karta Moabit, in der Parkanlagen in Stadtacker verwandelt werden.
Hinzu kommen noch unsere eigenen Experimente mit Wildpflanzen,
nicht-subkutaner Tinte, einer Essens-Seilbahn auf einer Container-Dachterrasse und der Ackerbaumethode Drei Schwestern vor Ort im
ZK/U. Ein buntes Potpourri aus privater und politischer, zivilgesellschaftlicher und professioneller Perspektive.
Unsere Schülerzeitung zum Thema Urban Food Production ist kein Atlas
und auch kein Bericht. Wir starten bei uns: ein paar Cis-Frauen im besten
Alter, im weitesten Sinn beruflich im Kulturbereich angesiedelt, familiär mit
6
7
I
INTRO
I
KARIN EHRLE-HORST
II
Ernährungswende
in Berlin!
In Berlin sind Lebensmittel so gut wie immer und überall verfügbar – und das völlig
selbstverständlich. Die Auswahl ist riesig:
Wir können wählen zwischen unverpackt
und Discounter, zwischen kambodschanisch und Zero Waste, wir holen uns Essen to go oder nutzen einen der zahlreichen
Lieferdienste. Keine Stadt zählt so viele
Foodtrucks wie Berlin, und auch hier ist die
Auswahl nahezu unbegrenzt: Burger, Käsespätzle, Falafel, Dumplings... Diese Liste
lässt sich beliebig lange fortsetzen. Immer
neue Food-Start-ups entstehen, ein Ernährungstrend jagt den anderen. Berliner*innen fotografieren ihr Essen millionenfach
und posten es in den sozialen Medien,
die Food-Blog-Szene wächst, die Zahl der
Food-Apps und Food-Markets auch – kurz:
Der Food-Markt boomt. Essen ist Trend.
Dass Essen für unser Leben von existentieller Bedeutung ist, wird durch diesen
Trend jedoch verschleiert. Viele Berliner*innen wissen nicht, woher ihre Lebensmittel
stammen und wie viel Zeit und Arbeit in
ihnen steckt. Da ein Zehntel der Bewohner*innen dieser Stadt auf Sozialleistungen
angewiesen ist und sich die Wohnraumsituation bei steigenden Mieten immer weiter zuspitzt, entwickeln sich die Ausgaben
für die beiden Grundbedürfnisse Wohnen
und Essen zunehmend zu konkurrierenden
Posten. Und auch die Struktur des Berliner
Senats macht deutlich, dass Nahrungsmittel ein Randthema sind: Während dem
Grundbedürfnis Wohnen schon im Namen
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
und Wohnen zentraler Stellenwert eingeräumt wird, ist das Thema Ernährung und
Lebensmittel lediglich ein Teilbereich der
Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung.
Insgesamt mangelt es in Berlin nach wie
vor an einer wirklichen Auseinandersetzung
mit dem Thema Ernährung – ob es nun um
die persönlichen Essgewohnheiten oder
den bewussten Umgang mit Lebensmit-
teln geht. Nach Angaben des Robert KochInstituts sind in Deutschland zwei Drittel der
Männer übergewichtig, die Hälfte der Frauen auch – in Berlin dürften sich die Zahlen
ähnlich gestalten. Die meisten Menschen
essen zu viel, zu fett und zu zuckerhaltig,
was gesundheitliche Folgen nach sich zieht.
Zudem werden in Berlin unzählige Tonnen
an Lebensmitteln weggeworfen: Bei uns zuhause, weil wir keine Lust mehr darauf haben, im Supermarkt, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, und auch bei
den landwirtschaftlichen Betrieben, weil
das Produkt nicht den Wünschen des Handels oder der Konsument*innen entspricht.
Wir können nur
so gut produzieren
wie die Erzeuger
sind. Außer wir
schmeißen überall
Currypulver
drüber.
Deutschlandweit haben die Bäuer*innen
mit dem Grundsatz „Wachse oder weiche“ zu kämpfen; insbesondere kleine und
mittlere Betriebe schwinden rasant. Seit
den 1960er Jahren ist ihre Zahl um 80 %
geschrumpft, jährlich kommen weitere
5.000 Bauernhöfe hinzu.
Die Berliner Supermärkte werben indes
mit wöchentlichen Super-Schnäppchen:
Beim Kauf von zwei Gläsern Marmelade
gibt es den Buttertoast gleich gratis dazu –
„GUT & GÜNSTIG“, so der Slogan. Günstig
ist die Ware aber nur im Laden – die wirklichen Kosten sind versteckt, denn nichts
verschlingt so viele Steuern wie die industrielle Landwirtschaft, mit denen viele Lebensmittel für wenig Geld erzeugt werden.
Der hohe Preis, den unsere Umwelt zahlt,
8
ist da noch gar nicht mit eingerechnet. Die
intensive Form der Landwirtschaft, wie
sie heute verbreitet ist, setzt Pflanzengifte
ein, die in unseren Gewässern landen, und
greift auf Kunstdünger zurück, die unsere
Böden auf Dauer auslaugen. Die in diesem
Sektor gängigen Niedriglöhne und schlechten Arbeitsbedingungen sind darüber hinaus Motor für soziales Elend.
Dieses Ernährungssystem braucht einen
Wandel. Seit 2011 demonstrieren jedes
Jahr mehrere Zehntausend Menschen unter dem Motto „Wir haben es satt“ gegen
Massentierhaltung, Umweltschäden durch
den Einsatz von Pestiziden, den zunehmenden Preisdruck und die negativen Auswirkungen auf die bäuerlichen Strukturen.
Vielerorts in Berlin und Brandenburg entstehen nachhaltige Ernährungsinitiativen,
in zahlreichen Urban-Gardening-Projekten
wird Gemüse selbst angebaut, solidarische
Formen der Lebensmittelherstellung als Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften werden populärer – in Form von solidarischer
Landwirtschaft (SoLaWi) oder von Foodcoops, die Brücken zwischen Hersteller*innen
und Konsument*innen schlagen. Aus Konsument*innen werden Prosument*innen,
die aktiv Verantwortung übernehmen. Zudem wächst die Zahl der Ernährungsräte in
Deutschland rasant; der 2016 gegründete
Berliner Ernährungsrat gehört mit seinem
Kölner Pendant zu den Pionieren. Immer
mehr Städte und Regionen verpflichten sich
im Rahmen von Netzwerken oder Abkommen wie dem Milan Urban Food Policy Pact
(Pakt von Mailand zur urbanen Ernährungspolitik) dazu, sich für gesündere und fairer
hergestellte Lebensmittel stark zu machen.
Seit drei Jahren findet parallel zur BIOFACH
in Nürnberg, der größten Messe für biologische Lebensmittelherstellung, der Kongress STADTLANDBIO statt, bei dem es
vor allem um Ansätze für eine Ernährungswende auf kommunaler Ebene geht. Die
Ernährungswende hat schon begonnen.
KARIN EHRLE-HORST
II
Food Systems Change
in Berlin!
In Berlin, food is almost always and everywhere available – as a matter of course.
The selection is vast: we can choose unwrapped food and discount stores, between Cambodian and zero waste, we get
food to go or use one of the numerous
delivery services. No city has as many
food trucks as Berlin. And here, too, the
selection is almost unlimited: burgers,
spaetzle, falafel, dumplings… This list
could be continued at length. New food
start-ups emerge all the time, as do new
food trends. Berliners photograph their
food millions of times and post it on social
media, the food blogger scene is growing,
as is the number of food apps and food
markets. In short: the food market is booming. Food is fashionable.
That food is of existential significance
for our lives is veiled by this trend. Many
Berliners don’t know where their food comes from, and how much time and work
was invested in it. Since a tenth of the
city’s inhabitants is relying on social benefits, and the housing market is getting
tighter due to rising rents, the expense
of the basic needs of housing and food
are increasingly competing with each
other. The structure of the Berlin Senate
also shows that food is a marginal issue.
Whereas the basic need of housing is
evident even in the name of the Senate
Department for Urban Development and
Housing, nutrition and food are dealt
with in a sub-department of the Senate
Department for Justice, Consumer Protection, and Anti-Discrimination.
On the whole, there is still a lack of a
real engagement with the topic of food—
be that personal eating habits or a more
aware use of foodstuff. According to the
Robert Koch Institute, two thirds of men
in Germany are overweight, as are half the
women. In Berlin, the numbers are likely to
be similar. Most people eat too much food
that contains too much fat and sugar, with
consequences for their health. In addition,
countless tons of food are thrown away
in Berlin: at home because we don’t feel
like eating it, in the supermarkets because the sell-by date has been reached,
and also in agricultural companies because
the product does not meet the expectations of retailers or customers. Throughout Germany, farmers are struggling with
the principle of “grow or perish,” especi-
Since a tenth of the
city’s inhabitants
is relying on
social benefits, and
the housing market
is getting tighter
due to rising rents,
the expense of the
basic needs
of housing and food
are increasingly
competing with
each other.
ally small and medium-sized farms are disappearing rapidly. Since the 1960s, their
number has declined by 80 %, and each
year another 5,000 farms close down.
Berlin’s supermarkets meanwhile advertise weekly super bargains: if you buy
two jars of jam, you get a package of bread
for free. “Good and cheap” is the slogan.
But food is only cheap in the shops—the
true costs are hidden, because nothing
eats as much taxpayer’s money as industrial agriculture so that many foodstuffs can
9
be produced for very little money. The high
price for the environment is not even included in the calculations. Intense farming
as we know it today uses herbicides that
end up in our rivers and lakes, and uses
chemical fertilizers that exhaust the soil.
The low wages paid in this sector and the
bad working conditions foster social deprivation.
This food system needs to change. Since 2011, every year tens of thousands of
people have been demonstrating with the
motto “Wir haben es satt” (We are fed
up) against factory farming, environmental
damage caused by pesticides, increasing
price pressure, and the negative consequences for regional small agricultural
structures. In many places in Berlin and
Brandenburg, sustainable food initiatives
have emerged. In numerous urban gardening projects people are growing vegetables, solidarity-based forms of food production as producer-consumer-communities
are becoming increasingly popular—in the
form of community-supported agriculture
(CSA) or of food co-ops that build bridges
between producers and consumers.
Consumers become prosumers who actively take on responsibility for the food
they eat. Also, the number of food policy
councils is growing rapidly in Germany;
the Berlin Food Council (Ernährungsrat)
established in 2016, together with its
Cologne counterpart, were pioneers in
this field. More and more cities and regions have committed, as part of networks
or pacts such as the Milan Urban Food Policy Pact, to working for healthier food that
is fairly produced. For three years now, the
conference STADTLANDBIO has been taking place in parallel to the largest fair for
organic food production in Nuremberg,
BIOFACH. Above all, the conference adresses approaches to changing the food
system on a regional level. The change of
the food system has already started.
ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
II
ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
II
Ernährungsräte
Gründungsdaten der
Ernährungsräte in Deutschland
Gutes Essen ist keine Privatsache
Ernährungsräte stellen in Deutschland ein wichtiges Sprachrohr zu Themen der Ernährungsgestaltung und Lebensmittelgerechtigkeit
dar. Philipp Stierand bietet in seinem Artikel Ein Ernährungsrat: Was ist das? eine gute Zusammenfassung:
22.04.2016
30.06.2016
28.11.2016
30.08.2017
21.10.2017
25.11.2017
24.01.2018
05.02.2018
18.06.2018
07.09.2018
26.11.2018
04.05.2019
03.06.2019
in Gründung
in Gründung
„Ein Ernährungsrat (engl.: Food Policy Council) ist der wichtigste Ansatz der Stadtplanung für
eine Gestaltung des Ernährungssystems. Ernährungsräte rücken die Belange von Bürgern
und Kommunen in der Lebensmittelversorgung in den Mittelpunkt. Sie setzen auf der lokalen
Ebene an um das Ernährungssystem zu gestalten.“ 1
Es hat einige Jahre gedauert, bis es das Konzept des Ernährungsrats nach Deutschland geschafft hat. Mit der Gründung von Ernährungsräten in Berlin und Köln 2015 und 2016 nahm die Entwicklung an Fahrt auf: Im Juli 2019 zählt Deutschland rund ein Dutzend Räte,
wobei sich weitere in der Gründungsphase befinden. Alle setzen das Thema Ernährung auf die politische Agenda; in ihren Strukturen
und Organisationsformen unterscheiden sie sich jedoch.
Sprecher*innenkreis Ernährungsrat Berlin
(Stand Sommer 2019)
Oke Anyanwu Referent und Berater für weltgesellschaftliche
Transformationsprozesse // Friederike Gaedke Verein
„Die Gemeinschaft“ // Annette Jensen freie Journalistin //
Timo Kaphengst selbständiger Berater für soziale Innovationen Regionalwert, AG Berlin-Brandenburg // Lea Kliem
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) // Frank
Nadler AG „Berlin-Brandenburg“ des Ernährungsrates / Aufbau
von Land-Stadt-Logistikketten Direkthandelskonzepten in Berlin //
Gülcan Nitsch Yeşil Çember – ökologisch interkulturell gGmbH /
Ashoka // Gundula Christiane Oertel Journalistin und Autorin //
Christine Pohl Gründerin und hauptamtliche Koordinatorin des
Ernährungsrates Berlin // Henrike Rieken Koordinatorin des
„InnoForums Ökolandbau Brandenburg“ an der Hochschule
für nachhaltige Entwicklung Eberswalde // Timo Schmitt
Ernährungspädagoge Berliner Tafel
Quelle: www.ernaehrungsrat-berlin.de
Quelle: Valentin Thurn, Gundula, Christine Pohl: Genial lokal:
So kommt die Ernährungswende in Bewegung, Oekom Verlag,
München 2018
1
Philipp Stierand: Ein Ernährungsrat: Was ist das?, 20.06.2015, auf: https://speiseraeume.de/, abrufbar unter: https://speiseraeume.de/faq-ernaehrungsrat-food-policy-council/
10
11
ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
II
Landwirtschaft
solidarisch
Angesichts der aktuellen Entwicklungen
ist es für lokale, kleine und mittelgroße
landwirtschaftliche Betriebe, aber auch
für das Ernährungshandwerk oft schwer,
dem globalen Preisdruck standzuhalten.
Damit Menschen trotzdem in den Genuss
von Lebensmitteln kommen können, die
aus der Region stammen, wurden in den
letzten Jahren unterschiedliche Ansätze
entwickelt: So bilden in der solidarischen
Landwirtschaft (SoLaWi) Landwirt*innen
und Verbraucher*innen Gemeinschaften,
in denen die Konsument*innen die Kosten
des gesamten landwirtschaftlichen Betriebs tragen – und nicht die des einzelnen
Lebensmittels. Im Gegenzug erhalten die
Mitglieder Ernteanteile. Auf diese Weise
werden Risiken und Gewinne aus der Ernte
im gleichen Maß geteilt; in einigen Fällen
wird darüber hinaus auch die Feldarbeit
durch die Verbraucher*innen unterstützt.
In den USA ist diese Form der Landwirtschaft unter dem Namen CSA (Community Supported Agriculture) verbreitet. In
Deutschland haben sich bisher knapp 250
SoLaWis in einem Netzwerk zusammengefunden; die Produkte reichen von Fleisch
über Obst und Gemüse bis hin zu Kräutern
und anderen Sonderkulturen.
Seit wenigen Jahren entwickeln sich zudem
als Gegenmodell zu den EU-Argrarsubventionen Regionalwert Aktiengesellschaften –
Aktiengesellschaften von Bürger*innen,
die heimische landwirtschaftliche Unternehmen unterstützen und für die Region
sowohl einen ökologischen als auch einen
sozialen Mehrwert schaffen. Bisher profitieren vor allem Freiburg, Hamburg, das
Rheinland, der Raum Isar/Inn und bald
auch Berlin/Brandenburg von ihren Investitionen in die Betriebe im direkten Umkreis
ihrer Stadt oder Region.
Eine weitere Strategie, um niedrigere Preise für regionale Lebensmittel zu erzielen,
ist die Umgehung des Zwischenhandels.
An dessen Stelle treten dann Foodcoops,
selbstverwaltete und selbstorganisierte
Einkaufsgemeinschaften, oder Social Startups wie Marktschwärmer, eine Kombination aus Online-Shop und Bauernmarkt. Bei
letzterem bestellen und bezahlen die Konsument*innen ihre Ware im Vorfeld online,
während die Landwirt*innen die Produkte
zum wöchentlichen Markttermin oder zu
einer anderen Ausgabestelle liefern. Die
Verbraucher*innen wissen, was sie bekommen; die Bäuer*nnen, was sie loswerden.
ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
II
Gutes Essen für alle
Die Ernährungsstrategie des Berliner Senats
Berlin ist als erste deutsche Stadt den europäischen Vorreitern London, Brighton,
Hove, Amsterdam, Malmö und Brüssel gefolgt und hat sich die Entwicklung einer Ernährungsstrategie zum Ziel gesetzt. Aber:
Jede Stadt ist anders – und so auch ihre
Strategie für ihre lokale Ernährungspolitik.
Die besondere Herausforderung für das
zwar bunte und kreative, aber auch arme
Berlin lautet: Gutes Essen, gesunde und faire Lebensmittel für alle. Die Fragen, die sich
dabei stellen, betreffen vor allem die kon-
krete Umsetzung: Weniger Zwischenhandel oder mehr regional? Weniger Abfall –
aber wie? Fair nur für alle Berliner*innen –
oder auch für die Herkunftsländer der
Lebensmittel?
Den Weg hin zu einer Ernährungswende hat die Hauptstadt dabei schon 2015
eingeschlagen, als der „Rat für gutes Essen“ gegründet wurde: Als erste Stadt in
Deutschland hat sich Berlin zu einer umfassenden, langfristigen und sozial gerechten Ernährungspolitik verpflichtet und den
Pakt von Mailand unterzeichnet. Ziel ist,
dass Berliner*innen dauerhaft und verlässlich Zugang zu vielfältigen, fairen, gesunden
und nährstoffreichen Lebensmitteln erhalten. Auch der rot-rot-grüne Senat bekannte
sich in seinem 2016 unterzeichneten Koalitionsvertrag zum Mailänder Abkommen
und kündigte an, gemeinsam mit dem
zivilgesellschaftlichen, 2016 gegründeten
Ernährungsrat Berlin hierfür eine Ernährungsstrategie zu entwickeln.
2018 hat die Senatsverwaltung für Justiz,
Quelle: Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
Grafik: Stefan Gothe: Verbraucher und Ernährungskultur. Die Region als Wertschöpfungsraum, kommunare GbR
12
Verbraucherschutz und Antidiskriminierung in einem gemeinsamen Verfahren
mit Vertreter*innen von Vereinen und
Verbänden, Wissenschaft und Bildung
Empfehlungen erarbeitet und eine Strategie entwickelt. Diese liegt seit Anfang des
Jahres 2019 den verschiedenen Abteilungen des Senats zur Abstimmung vor. Der
Entwurf macht dabei vor allem eines deutlich: Wenn das Ernährungssystem Berlins
und der Hauptstadtregion verändert wer-
den soll, ist dies eine Querschnittsaufgabe. So sieht die Strategie etwa vor, dass
das Essen in Schulen, öffentlichen Mensen und Pflegeeinrichtungen künftig als
Vorbild für gute und gesunde Ernährung
dienen soll. Wie der Speiseplan verändert
werden muss, damit der Preis trotz eines
höheren Anteils regionaler Lebensmittel
gleich bleibt, soll dabei ein Ausbildungsund Beratungszentrum mit dem Arbeitstitel
„House of Food“ vermitteln. Damit künftig
13
mehr Gemüse aus Brandenburg eingesetzt
wird, sollen Liefer-, Lager- und Logistikketten optimiert werden. Zudem ist geplant, in jedem Berliner Bezirk sogenannte
LebensMittelPunkte einzurichten – Orte,
an denen Lebensmittel gelagert und gehandelt, zubereitet und gemeinsam gegessen werden, an denen über sie gesprochen
wird, kurz: an denen regionale und faire Lebensmittel in der Stadt wieder mehr Aufmerksamkeit und Raum bekommen.
ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
II
ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
II
LebensMittelPunkte
Lebensmittel in Kopf und Topf
Eine wichtige Säule der Berliner Ernährungsstrategie stellen sogenannte LebensMittelPunkte dar. Worum es sich dabei
genau handelt, geht aus einer Beschreibung auf der Website des Berliner Ernährungsrats hervor:
„An diesen offenen Orten werden überwiegend regionale, hochwertige Nahrungsmittel gehandelt, gelagert, verarbeitet, gekocht und gegessen. Wo es
die Gegebenheiten zulassen, soll zudem
Gemüse und Obst in gemeinschaftlich
betriebenen Gärten oder mobilen Beeten
angebaut werden. Gemeinschaftsküchen
dienen sowohl der Zubereitung von Speisen, werden aber auch für Kochkurse und
Ernährungsbildung aller Generationen genutzt.
LebensMittelPunkte sind ein Treffpunkt,
ein Lern- und Austauschort für verschiedenste Menschen vor allem aus dem jeweiligen Kiez oder Bezirk. Darüber hinaus
sind sie Stadtteilzentren für konkreten und
erfahrbaren Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz und wirken der Lebensmittelverschwendung entgegen.“ 2
Berlin zählt bisher drei LebensMittelPunkte.
Abhängig von Größe und Ausstattung
haben sie unterschiedliche Visionen und
Angebote – als Bildungsort zum Kochen,
als Lagerort oder als Ort des Austauschs
über Lebensmittel. So beschreiben sie
sich selbst:
LebensMittelPunkt
Spandau
„Die AG will mit praktischen Aktionen wirken. Bei einem
Apfelfest haben wir mit über 100 BesucherInnen in Kleingärten eingesammeltes Obst verwertet. [...] Als nächstes will die
AG die Einrichtung eines zentralen Ortes erreichen, an dem
ein sogenannter LebensMittelPunkt entsteht. Dort soll es die
Möglichkeit geben, Ernten zu sammeln, zu lagern und gemeinsam zu verarbeiten. [...] „Die AG LebensMittelPunkt Spandau
ist ein Zusammenschluss von aktiven Bürgern und Bürgerinnen in Zusammenarbeit mit der AG Stadt & Ernährung, der
Gartenarbeitsschule An der Kappe und der KlimaWerkstatt
Spandau.“ 3
2
LebensMittelPunkt
Lichtenberg
„Wir engagieren uns für einen Ort in Lichtenberg,
wo regionale Lebensmittel verarbeitet, gelagert,
getauscht und weitergegeben werden können, wo
Wissen ausgetauscht, Erfahrungen gemacht und
benötigte Geräte verfügbar sind. Der entstehende
Ort heißt LebensMittelPunkt und dient ErzeugerInnen, VerarbeiterInnen und VerbraucherInnen – also
uns allen!“ 4
Ernährungsrat Berlin: LebenMittelPunkte, abrufbar unter: http://ernaehrungsrat-berlin.de/lebensmittelpunkte
Quelle: Broschüre thf.vision, 2018
LebensMittelPunkt
Tempelhofer Flughafen
„Die Bürgerinitiative thf.vision schlägt vor, das Tempelhofer Flughafengebäude
zu einem Gemeingut zu machen: Vielfältige Gruppen, Organisationen, Betriebe und Forschungseinrichtungen sollen hier zusammen ein Reallabor für eine
enkeltaugliche Stadt betreiben. Im Gebäudeteil K2 gibt es fünf leerstehende
Küchen, mehrere Kantinenräume, Säle und Lagerräume – ein idealer Ort, um
einen LebensMittelPunkt
einzurichten.“ 5
Klimawerkstatt Spandau: LebensMittelPunkt Spandau – eine Initiative für Klimaschutz und Ernährung, abrufbar unter: https://www.klimawerkstatt-spandau.de/regional/
projekte-regional/lebensmittelpunkt-projekte-regional
3
4
Ernährungsrat Berlin: LebenMittelPunkt Lichtenberg, abrufbar unter: http://ernaehrungsrat-berlin.de/lebensmittelpunkt-lichtenberg
5
Ernährungsrat Berlin: LebenMittelPunkt Tempelhof, abrufbar unter: http://ernaehrungsrat-berlin.de/lebensmittelpunkt-tempelhof
14
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ERNÄHRUNGSWENDE IN BERLIN!
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II
„House of Food“
Kantinen werden geschult
Ein wesentlicher Bestandteil der Berliner Ernährungsstrategie ist das „House of Food“.
Anders als der Titel vermuten lässt, verbirgt
sich hinter dem Projekt kein Gebäude, sondern ein Ausbildungszentrum für Küchenpersonal in der Gemeinschaftsverpflegung.
Nach dem Vorbild Kopenhagens sollen
Mitarbeiter*innen der Küchen und Kantinen
von Schulen, Kitas oder Justizvollzugsanstalten befähigt werden, den Bio- und Regionalanteil der Lebensmittel bei gleichbleibendem Preis deutlich zu erhöhen. Dies ist
in Kopenhagen in nur drei Jahren gelungen.
Bei der Ausschreibung durch den Senat
wurden drei Parteien eingeladen ein Angebot einzureichen, der Zuschlag ist bereits
vergeben. Ein Auszug aus der Ausschreibung des Berliner Senats liest sich wie folgt:
II.2.4) Beschreibung der Beschaffung
In Berlin soll ein „House of Food (Arbeitstitel)“ nach dem Vorbild Kopenhagens von einem Projektträger gegründet und betrieben
werden. Mithilfe von Vor-Ort-Analysen in Küchen und Kantinen der Gemeinschaftsverpflegung, der Entwicklung und Durchführung
von Schulungen, insbesondere für das Küchenpersonal, Veranstaltungen sowie weiteren öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen
soll das „House of Food (Arbeitstitel)“ zu einer grundlegenden Veränderung in der Gemeinschaftsverpflegung von Schulen, Kindertagesstätten, Justizvollzugsanstalten sowie in jeglicher Form von Betrieben und Behörden in Berlin führen. Der Bio-Anteil des
Gesamtwareneinsatzes in den teilnehmenden Institutionen soll in den ersten drei Jahren der Projektlaufzeit auf 60 % gesteigert
werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass möglichst in allen Komponenten der jeweiligen Portionen der Bio-Anteil erhöht wird. Des
Weiteren soll der Projektträger Kenntnisse und Kontakte an die Teilnehmer/innen vermitteln, die dazu führen, dass für den Wareneinsatz verstärkt nachhaltige Produkte aus dem regionalen Anbau berücksichtigt werden. Ziel ist es, eine jährlich steigende Anzahl
von öffentlichen und privaten Institutionen mit Gemeinschaftsverpflegung für das „House of Food (Arbeitstitel)“ zu gewinnen und
die dauerhafte Umstellung der Ernährung in der Berliner Gemeinschaftsverpflegung nach den vorgenannten Kriterien zu erreichen.
II.2.5) Zuschlagskriterien
Der Preis ist nicht das einzige Zuschlagskriterium; alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt.
II.2.6) Geschätzter Wert
Wert ohne MwSt.: 3.200.000,.00 EUR
II.2.7) Laufzeit des Vertrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems
Beginn: 01/06/2019
Ende: 31/12/2019
Dieser Auftrag kann verlängert werden: ja
Beschreibung der Verlängerungen:
Geplanter Projektbeginn ist am 01.06.2019. Die Projektlaufzeit endet am 31.12.2019. Es ist beabsichtigt, das Projekt um weitere
zwei Jahre, vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2021, zu verlängern. Die Verlängerung steht unter dem Vorbehalt, dass die erforderlichen
Haushaltsmittel für das Projekt zur Verfügung gestellt werden.
II.2.9) Angabe zur Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden
Geplante Anzahl der Bewerber: 3
Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern:
1) Erfahrung des Projektträgers mit vergleichbaren Vorhaben
2) Qualifikation und Erfahrung der Projektleitung 6
Lebensmittelpunkt am Alex? Ernährungswende von unten!
Öffentliches Treffen zur Ernährungsdemokratie in Berlin
17. AUGUST 2019 \ 14:00 – 17:00 UHR
HAUS DER STATISTIK \ MUSTERHAUS (AUTOSCOOTER) \ PARKPLATZ BEROLINASTRASSE 22 \ BERLIN-MITTE
Die Frage nach gutem, für alle zugänglichem Essen gehört in Zeiten der Klimakrise und der Ressourcenknappheit zu den zwingenden Herausforderungen unserer Gesellschaft. Wir treffen uns mit Expert*innen und
Akteur*innen aus der Praxis, um zu erkunden, was Ernährungsdemokratie in Berlin ist und sein könnte.
Gemeinsam sprechen wir u.a. über die Beziehung zwischen Stadt und Land und lernen die aktuell entwickelte
„Ernährungsstrategie“ des Berliner Senats kennen. Wir erfahren, was ein LebensMittelPunkt (LMP) und ein
Ernährungshof sind.
Mit dieser Veranstaltung initiiert der UA #04 die Pioniernutzung „Ernährungshof Essen und Begegnung“ am Haus
der Statistik (HdS). Rund um das ehemalige HdS am Alexanderplatz entsteht mitten in Berlin in den kommenden
Jahren ein neues Quartier. Von Beginn an nutzt der UA #04 die Möglichkeit, das Thema „Gute Ernährung für Alle“, die
Produktion und das Angebot nachhaltiger, bezahlbarer, gesunder, fairer und vielfältiger Lebensmittel mitzudenken
und in die Planung des HdS am ALLESANDERSPLATZ miteinzubeziehen.
Gäste auf dem Podium:
Daniel Diehl, VDSKC Verband deutscher Schul- und Kita Caterer e.V. \ Lea Ligat, Markthalle 9 \ Andrea Hofmann, ZKB Zusammenkunft Berlin eG \ Annette Jensen, thf.vision / Flughafen Tempelhof \ AJohanna Kühner,
SuperCoop Berlin \ Jonas Merold und Isis-Victoria Rampf, Sun Seeker e.V., Gemeinschaftsgarten Sonnenbeet am
Haus der Statistik \ Kerstin Meyer, Gemeinwohlökonomie Berlin-Brandenburg \ Gundula Oertel, Ernährungsrat
Berlin \ Gerard Roscoe, foodsharing e.V. \ Ann-Christin Weber, Ernährungsreferentin bei SenJustVa \ Frank
Wesemann, SoLaWi Waldgarten und Gregor Siems, Hof Walden Saal \ Ebenfalls anwesend: Die Mobile Bohne von
Silke Riechert \ Moderation: Silvia Bender, BUND e.V.
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Projektförderung „House of Food“. Referenznummer der Bekanntmachung: 2019-3, abrufbar unter: https://ausschreibungen-deutschland.de/517733_Projektfoerderung_House_
of_FoodReferenznummer_der_Bekanntmachung_2019-3_2019_Berlin
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III
GRÜNE KARTA / MOABIT
SILKE RIECHERT, LAURA TENENBOIM
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GRÜNE KARTA/MOABIT
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GRÜNE KARTA / MOABIT
GRÜNE KARTA / MOABIT
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GRÜNE KARTA /
MOABIT
Ni!schplätze
n wehreren Orten der B-erner S'.'d>se. insbesondere n den Strdße"buchen werden Hochbeete un:erschiedlicner Höhe, te lweise m t Ral stuhlen
.mtPrfah-bar. errichtet, in denen Mischkult.JrPn wachsPn. lJntPrsrhiPdl1rhP
Bewd:»e•ung:,:,trdteg en werden genullt. E:, ddrf frei geerntet werden.
Pfleee erfolgt durch Paten aus der Nachbarschaft mit Unterstützune des
Gartenpflege-Teams.
AUTOFREIER
STADTTEIL
Die Bohne mac ht
fruchtbaren Boden.
Entsiegelte bepflanzte Flächen
Sie ist die BodenVorbereiterpflanze,
Entlang der weiten Teilen der Bremer Straße gibt es langgezogene entsiegelte Flächen, die sich für Pflanzungen w ie Sanddorn, Johanisbeere sowie kleine
ökologisch wertvolle und fru chtende Hecken (z.B. Bienenbaum,
Holunder, Bitterorange, Sanddorn, Johanisbeere) eignen. Durch den Trittschutz, den die Büsche bieten, hätten Wildpflanzen im Bodenbereich eine
bessere Chance auf Etablierung.
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Stickstoff produziert.
Sie macht die Landwirtschaft
unabhängig vo11 Welt11arktpre is des
~ls/Stickstoffs und
beendet di e we l tweite
Oberdüngung durch St i c kstoff.
Die Bohne spart Geld durch
geringere Nahrungsmittelproduktionskosten, anstatt der
k li11aschädlichen Fleischprodukioni
durch ihren hohen Prot ei ng ehalt.
Freizeit - Garten
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