Die Jllustrirte Berliner Wochenschrift i Der Bär) erscheint wöchentlich regelmäßig am Sonnabend, kostet vierteljährlich
2 Mark und ist durch alle Buchhandlungen, Zeitungsspeditionen und Postämter, sowie durch die Expedition, Berlin XV., Lützowstraf;e 7,
zu beziehen. — Literarische Beiträge sind an die Redaction der Jllustrirten Berliner Wochenschrift (Der Bär), Berlin XV.,
Lützowstraße 7, zu senden. — Inserate, pro 3gesp. Petitzeile 40 Pfg., werden von allen Annoncenexpeditionen sowie von der
Berlags-BuchHandlung entgegengenommen.
Werkln,
den 26. Februar
8 1881.
tlottchcn Lindhoß.
Eine Berlinische Geschichte aus dem 17. Jahrhundert von Linloinca iitUkul (Fortsetzung.)
Vierundzwanzigstcs Kapitel.
Iräutein von Iehr.
Ja, sie ist schön, der ganze Mai umschwebet
Ihr weißes lächelndes Gesicht.
Hölty.
Eines solchen Frühlings konnte sich Mark Brandenburg
seit Menschengedenken nicht erinnern, das blühte und wuchs,
sproßte und reifte mit schier un
natürlicher Geschwindigkeit. Wenns
so weiter ging, mußte man vor
Johanni ernten und die Trauben
waren im Juli reis; nach den über-
inäßig strengen Wintern der letzten
Jahre begrüßte man dies Früh
jahr mit doppelter Freude und
der kurfürstliche Hof lvar zeitig
nach Potsdam aufgebrochen, das
zum Aerger der Berliner mehr
und mehr von Friedrich Wilhelin
begünstigt wurde. Hier machte
sich allerdings der Einfluß der
Kurfürstin geltend, die Potsdam
vorzog, weil die dortigen Einwoh
ner ihr iveder das Mißtrauen, noch
den Haß der Berliner entgegen
trugen.
Die Schloßgcbäude von Pots
dam bildeten im Frühjahr 1683
ein förmliches Viereck, das mit
einem Waflergraben umzogen war,
der bei dem mittelsten Vorsprung
irach dem Lustgarten einen Halb-
cirkel bildete und an zwei Stellen
zugänglich war. An der inneren Seite des Grabens befanden
sich an den vier Ecken Wachthäuser; auf der Mitte des Haupt
gebäudes stand ein Thurm von zlvci Absätzen, die mit einer
Galerie versehen lvaren. Hoch oben auf der flachrunden
vr. Rudolf Löget,
Generalsuperintendent der Kurmark, Ober-Hofprediger
und Ober-Konsistorialrath.
Kuppel des Thurmes funkelte ein vergoldeter Stern in der
Sonne. Das Gebäude sprang von beiden Seiten vor, das
Dach war mit Thürmchen besetzt, in deren Mitte die Schorn
steine angebracht waren. Von den drei Eingängen ging das
Hauptportal wie noch hellt in das untere Geschoß. Am
mittleren Vorsprung zeigte sich ein Fronton, hier führte auch
die grüne Treppe hinauf, eine Auffahrt, die bis ins zweite
Geschoß reichte und ihren Namen
von der hier aufgestellten Oran
gerie hatte. Seit zehn Jahren
bestand das Schloß in dieser Ge
stalt, aber schon hatte Nering den
Befehl erhalten, es zu vergrößern
und man hatte zu diesem Zweck
schon mit dein Abreißen einziger
Häuser nach dem Markte zu be
gonnen.
Der Hof befand sich in dem
großen Saal, dessen Thür auf die
grüne Treppe führt, der heutige
Marmorsaal. Seine vier Fenster,
sowie die Thür waren geöffnet,
der Wind wehte den berauschenden
Duft der Orangenblüthen in den
Saal hinein, der von goldenen
Zierrathen prunkte und gleißte.
Der Blick schweifte über die grünen
Bäume und Sträucher des Lust
gartens hinweg, klar blau lag
der Himmel darüber, Frau von
Bethune konnte heut nicht von
nordischen Nebeln reden und doch
sah sie so müde rmd gclanglveilt
aus, wie es die Etikette nur irgend erlaubte. Die Kurfürstin
hatte ihr schon mehrmals einen unzufriedenen Blick zugeworfen,
aber sie schien nicht darauf zu achten, eine um so größere Unauf
merksamkeit, als sie, den eigentlichen Hofstaat ausgenommen.