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16.
menden Aufgaben einigen. Dabei soll das Wohl des
Jugendlichen oder Heranwachsenden die Entschei-
dung bestimmen. Nach Rechtskraft einer Entschei-
dung ist das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich
der Jugendliche: oder Heranwachsende seinen ge-
wöhnlichen Aufenthalt hat.
Das für das Jugendwesen zuständige Mitglied des
Senats — Arbeitsgruppe Gerichtshilfe — JGH — ist
zuständig für
sämtliche Aufgaben der JGH in Strafverfahren ge-
gen Jugendliche und Heranwachsende, die in Berlin
inhaftiert oder durch, Gerichtsbeschluß anderweitig
untergebracht sind, aber ihren gewöhnlichen Auf-
enthalt außerhalb des Landes Berlin haben, soweit
deren gesetzliche Vertreter oder Erziehungsberech-
tigte nicht in Berlin wohnen.
Im Einzelfall kann diese Stelle nach Absprache mit
dem zuständigen Jugendamt oder auf dessen Vor-
schlag die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe über-
nehmen, wenn dies zweckmäßig ist;
die beim Vernehmungsrichter gegebenenfalls wahr-
zunehmenden Aufgaben der JGH und die Termin-
vertretung vor dem Schnellgericht beim Bereit-
schaftsgericht Tiergarten;
die im Rahmen der JGH erforderlichen sozialpäd-
agogischen Maßnahmen für J ugendliche oder Heran-
wachsende in
der Untersuchungshaftanstalt,
der Jugendvollzugs- und Haftanstalt für Frauen
bezüglich der U-Häftlinge und Arrestanten,
Heimen, soweit es sich um Unterbringungen nach
den 88 71 bis 73 JGG handelt,
der Jugendstrafanstalt Plötzensee in den Fällen, in
denen eine Zuständigkeit nach 14.1 gegeben ist.
Die zuständigen Jugendämter oder sonstigen Behör-
den sind rechtzeitig zu unterrichten.
Die gesetzlichen Rechte der Jugendgerichtshelfer in
den Bezirken werden dadurch nicht berührt.
Das für das Jugendwesen zuständige Mitglied des
Senats, Arbeitsgruppe Gerichtshilfe — JGH —, ist zu-
ständig für
Aufstellung von Richtlinien oder Herausgabe von
Hinweisen für die Arbeit der JGH,
Sicherstellung der einheitlichen Handhabung,
einzelne Aufgaben von zentraler Bedeutung,
Entscheidungen von Zweifelsfragen, die durch diese | 22.
Ausführungsvorschriften nicht geklärt sind,
fachliche Fortbildung und Erfahrungsaustausch der | 23.
Jugendgerichtshelfer; Unterrichtung über Entwick- |
lungstendenzen auf dem Gebiet des Strafrechts und
des Strafvollzugs,
Wahrnehmung der Interessen in allen grundsätz-
lichen und wichtigen Fragen der J ugendgerichtshilfe
gegenüber anderen Behörden.
Diesem Ziel dienen vor allem Arbeitsbesprechungen
für sämtliche Jugendgerichtshelfer, mit denen auch
Einzelfälle und grundsätzliche Fragen von allgemei-
nem Interesse erörtert werden.
24.
IT.
JGH-Bericht
Der JGH-Bericht hat den Zweck, der Anklagebehörde
und dem Gericht durch umfassendes Tatsachenmate-
rial die Unterlagen für ein zutreffendes und mög-
lichst vollständiges Bild von der Persönlichkeit des
Jugendlichen oder Heranwachsenden zu vermitteln.
Er hat die Umwelt und die im Leben des Jugend-
lichen oder Heranwachsenden wirksamen Faktoren
sowie die Beweggründe und Ursachen, die zur Tat
geführt haben, aufzuzeigen (psychosoziale Diagnose),
damit eine zuverlässige Beurteilung des Jugendlichen
oder Heranwachsenden und eine persönlichkeitsange-
paßte Entscheidung des. Gerichts möglich ist.
25.
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25.3
Der Bericht gibt auch eine pädagogische Empfeh-
Jung für die weitere Behandlung des Beschuldigten.
Er ist sowohl für den Sachverständigen als auch
denjenigen wichtig, der die richterliche Entscheidung
später auszuführen oder ihre Befolgung an Stelle
des Jugendgerichtshelfers zu überwachen hat.
Das gesammelte Tatsachenmaterial bildet die Grund-
lage des JGH-Berichtes. Es sind die familiären Ver-
hältnisse und sozialen Beziehungen, die Anlagen, die
Entwicklung, der Lebensweg, die Schul- und Berufs-
ausbildung, das Arbeitsleben, das bisherige Verhal-
ten, die Leistungen und alle anderen Umstände zu
ermitteln, die für die Beurteilung der Eigenart des
Jugendlichen oder Heranwachsenden und seines Ent-
wicklungsstandes von Bedeutung sind. Soweit über
einen Beschuldigten oder die Familie Vorgänge bei
anderen Behörden oder einer Vereinigung für Ju-
gendhilfe bestehen, sind diese bei Bedarf heranzu-
ziehen. '
Für Jugendliche oder Heranwachsende, die aus dem
übrigen Bundesgebiet zugezogen sind, können die
zuständigen Jugendbehörden um Amtshilfe gebeten
werden.
Soweit Ermittlungen bei Personen notwendig werden,
die nicht über die Straftat unterrichtet sind, ist im
Interesse des Jugendlichen oder Heranwachsenden
und seiner Angehörigen mit größter Vorsicht vor-
zugehen.
Das Ergebnis der Ermittlungen ist unter Angabe der
Quellen zu einem übersichtlichen, Tatsachen und
eigene Ansichten streng trennenden Bericht zusam-
menzustellen, der das Gericht in den Stand setzt,
sich ein Bild von dem Beschuldigten zu machen,
Der Bericht schließt mit einer Zusammenfassung,
die den wesentlichen Inhalt kurz und übersichtlich
wiedergibt. Dabei ist auch Stellung zu nehmen, ob
die Voraussetzungen von $ 3 JGG gegeben sind,
8 105 JGG anzuwenden ist und ob im Sinne von 8 17
JGG schädliche Neigungen vorliegen. Soweit frühere
Beurteilungen Berücksichtigung finden, dürfen sie
nicht ungeprüft übernommen werden. Die Anregung
für die zu treffenden Maßnahmen ist so.zu formu-
lieren, daß sie dem Jugendgerichtshelfer, der an der
Hauptverhandlung teilnimmt, die Möglichkeit gibt,
den Vorschlag dem Verlauf der Verhandlungen anzu-
passen.
Der Name des Verfassers des JGH-Berichtes muß
erkennbar sein.
Entstehen Zweifel über die strafrechtliche Verant-
wortungsreife des Jugendlichen ($ 3 JGG) oder über
die Persönlichkeitsreife des Heranwachsenden ($ 105
JGG) bzw. über die Zurechnungsfähigkeit des Be-
schuldigten ($ 51 Abs. 1 oder 2 StGB), so ist bei der
Staatsanwaltschaft oder dem Gericht rechtzeitig —
eventuell gesondert vor Fertigstellung des JGH-Be-
richts — die Heranziehung eines Sachverständigen
anzuregen.
In der abschließenden Beurteilung sind Äußerungen
anderer Stellen, insbesondere der Heime, zu berück-
sichtigen. Unmittelbare Übermittlung von Berichten
anderer Einrichtungen an das Gericht, die möglicher-
weise einen von der Meinung der Jugendgerichtshilfe
abweichenden Vorschlag enthalten, ist zu vermeiden.
Ergeben die Ermittlungen die entsprechenden Vor-
aussetzungen, so ist anzuregen:
das Absehen von der Verfolgung oder die Einstellung
des Verfahrens (88 45, 47 JGG, 88 153, 154 StPO),
die Überweisung des Verfahrens an den Vormund-
schaftsrichter ($ 53 JGG),
der Erlaß oder die Änderung eines Unterbringungs-
beschlusses nach 88 71 bis 73 JGG bis zur Rechts-
kraft des Urteils,