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Volume 1. November 1972

Full text: Dienstblatt des Senats von Berlin (Public Domain) Ausgabe 1972 (Public Domain)

IV/1972 
Seite 150 
Nr. 50 
[v0] 
Fam/Jug/Sport II B 3 — 4182/2 no 
Fernruf: 2 60 41 (976) 520 | 1° 81972 
An die Bezirksämter 
Ausführungsvorschriften 
für die Jugendgerichtshilfe (JGHV) 
Auf Grund des 8 66 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung 
des Gesetzes für Jugendwohlfahrt und zur Regelung der 
öffentlichen Jugend- und Familienhilfe (AGIWG) vom 
11. Dezember 1970 (GVBl. S. 1997) wird bestimmt: 
Allgemeines 
Die Jugendgerichtshilfe (JGH) ist als Einrichtung 
der Jugendstrafrechtspflege in 8 4 Nr.4 JWG und 
$ 38 JGG verankert: Gegenüber den Gerichten, der 
Staatsanwaltschaft und den Vollzugsbehörden ob- 
liegt die Ausübung der JGH den Jugendgerichtshel- 
fern des Jugendamtes. Ihre Aufgabe ist es, Hilfe für 
straffällig gewordene Jugendliche oder Heranwach- 
sende und für das Gericht zu leisten, indem sie. die 
sozialen und pädagogischen Gesichtspunkte zur Gel- 
tung bringen. { 
Die Hilfe für den Jugendlichen oder Heranwachsen- 
den umfaßt insbesondere 
erzieherische Einwirkung auf den Beschuldigten, 
Beratung der Erziehungsberechtigten in pädagogi- 
schen und anderen Fragen, : 
Veranlassung von Maßnahmen zur Beseitigung eines 
Erziehungsnotstandes, 
Anregung vorläufiger gerichtlicher Entscheidungen, 
Mitwirkung bei der Wiedereingliederung des 
Beschuldigten, 
Es gehört nicht zu den Aufgaben der JGH, Rechts- 
auskünfte zu erteilen. 
d. 
3.1 
Die Hilfe für das Gericht umfaßt die 
Ermittlungshilfe zur Erforschung der Persönlichkeit, 
der Entwicklung und der Umwelt des Beschuldigten 
(Abschn. III); dabei nimmt die JGH keine Funktio- 
nen der Strafverfolgung wahr; auch die Tataufklä- 
rung liegt außerhalb ihres Aufgabenbereiches; 
Beratung des Gerichts über die zu treffenden Maß- 
nahmen; dazu gehören auch Empfehlungen, einen 
Sachverständigen heranzuziehen, Vorschläge für vor- 
läufige Erziehungsmaßnahmen und gutachtliche 
Stellungnahmen vielfacher Art (Abschn. III); 
Überwachung von Weisungen, besonderen Pflichten 
und sonstigen Auflagen des Gerichts, sofern nicht 
andere dazu verpflichtet sind (Abschn. V): 
3.2 
3.3 
Der Jugendgerichtshelfer steht dem Gericht als Be- 
rater in sozialpädagogischen Fragen zur Seite. Er 
kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn er 
durch entsprechende Einführung und eine laufende 
Fortbildung für seine Tätigkeit befähigt wird. 
Damit die JGH ihre Aufgabe erfüllen kann, wird sie 
so früh wie möglich im gesamten Jugendverfahren 
tätig. Dazu erhält sie in der Regel durch den Ein- 
gang des polizeilichen Schlußberichts Gelegenheit. 
Die JGH hat das Recht, jederzeit mitzuwirken und 
mit dem Beschuldigten schon anläßlich der Vorfüh- 
rung beim Vernehmungsrichter oder während der 
Untersuchungshaft oder einer einstweiligen Unter- 
bringung ($8$ 71 bis 73, 93 Abs. 3 JGG) Verbindung 
aufzunehmen. 
Wird die JGH im Strafverfahren nicht herangezogen, 
so ist dies ein Revisionsgrund; es kann jedoch auf 
Anordnung des Gerichts aus Gründen der Staats- 
sicherheit von der Heranziehung der JGH abgesehen 
werden ($ 104 Abs. 3 JGG). 
7, 
8 
4 
10. 
11. 
LI 
L1.2 
12. 
13. 
Die JGH ist nicht zur Anzeige strafbarer Handlun- 
gen über 8 138 StGB hinaus verpflichtet. Dem 
pflichtgemäßen Ermessen der JGH ist es überlassen, 
inwieweit sie sonstige Fälle mitteilt. Dies wird davon 
abhängen, ob die Mitteilung im Interesse des 
Strafverfahrens oder aus erzieherischen Gründen, 
insbesondere bei ausgesprochen kriminellen Neigun- 
gen, ferner z.B. zum Schutze von Minderjährigen 
zegen Mißhandlungen, gegen Ausnutzung der Ar- 
beitskraft, bei schweren Sittlichkeitsdelikten mit 
Rückfallgefahr oder bei schwerer Verletzung der 
Aufsichts- oder Unterhaltspflicht geboten ist. 
Gegen Maßnahmen des Gerichts oder anderer Behör- 
den, die die Tätigkeit des Jugendgerichtshelfers er- 
schweren oder unmöglich machen, steht diesem nur die 
Dienstaufsichtsbeschwerde zur Verfügung. Sie wird 
von dem für das Jugendwesen zuständigen Mitglied 
des Senats oder des Bezirksamtes oder dessen Be- 
auftragten erhoben. 
Für die Mitwirkung der JGH im Bußgeldverfahren 
gegen Minderjährige (Gesetz über Ordnungswidrig- 
keiten vom 24, März 1968) gelten diese Vorschriften 
sinngemäß. 
Von der Heranziehung der JGH kann jedoch abge- 
sehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sach- 
gemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich 
ist ($ 46 Abs. 5 OWiG). 
AL. 
Zuständigkeit 
Die JGH ist Pflichtaufgabe des Jugendamtes (8 4 
Nr. 4 JWG). Sie wird durch die vom Jugendamt be- 
stellten Jugendgerichtshelfer ausgeübt ($ 38 Abs.1 
JGG). Das gleiche gilt grundsätzlich für die Über- 
wachung von Weisungen und auferlegten besonderen 
Pflichten sowie für die Betreuung von Personen, die 
aus Jugendstrafanstalten und Heimen entlassen wer- 
den. Die Durchführung dieser Aufgaben kann im 
Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugend- 
hilfe geschehen; jedoch bleibt das Jugendamt dafür 
verantwortlich. 
Die JGH ist zu ständig für 
Jugendliche, d.h. Personen, die z. Z. der Tat das 14., 
aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten, 
Heranwachsende, d. h. Personen, die z. Z. der Tat das 
18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet 
hatten. 
Diese Zuständigkeit ändert sich nicht, wenn die An- 
klage vor einem für allgemeine Strafsachen zustän- 
digen Gericht (88 102 bis 104 JGG) erhoben wird. 
Auch der Eintritt der Volljährigkeit des Beschuldig- 
ten berührt die Zuständigkeit der JGH nicht. 
Bei Verurteilten, die während der Strafhaft volljährig 
geworden sind, ist für die Vorbereitung der Entlas- 
sung, die Wiedereingliederung und gegebenenfalls 
die Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer die 
Soziale Gerichtshilfe (SGH) zuständig. Zu diesem 
Zweck hat die Jugendgerichtshilfe ihre Akten nach 
eingetretener Volljährigkeit des Verurteilten an die 
SGH abzugeben, wenn alle Verfahren abgeschlossen 
sind. 
Örtlich zuständig für die JGH ist das Jugendamt, 
in dessen Bezirk der Jugendliche oder Heranwach- 
sende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (8 11 
JWG). Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch den 
Mittelpunkt der Lebensinteressen begründet. Er muß 
nicht mit dem Wohnsitz identisch sein. Durch eine 
vorübergehende Heim- oder Anstaltsunterbringung, 
insbesondere in Durchgangsheimen, Lagern oder 
Haftanstalten wird ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht 
begründet. 
Im Zweifelsfall ist eine Einigung zwischen den be- 
teiligten Jugendämtern herbeizuführen. 
Bei der Änderung des gewöhnlichen Aufenthaltes des 
Beschuldigten während des Strafverfahrens müssen 
sich die Jugendämter über die jeweils zu überneh-
	        
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