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Volume 11. Februar 1965

Full text: Dienstblatt des Senats von Berlin (Public Domain) Ausgabe 1965 (Public Domain)

1V/1965 
Seite 12 
Nr. 9 
55. 
56. 
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39 
BO. 
a1 
h) Ersetzung des Unterbringungsbeschlusses nach den 
88 71, 72 JGG durch einen Haftbefehl, wenn der in 
einem Heim untergebrachte Jugendliche zu einer 
längeren. Jugendstrafe verurteilt worden ist, da es 
sich in der Regel nicht empfiehlt, einen solchen 
Jugendlichen nach der Hauptverhandlung bis zur 
Rechtskraft des Urteils wieder in das Heim zurück- 
zubringen; 
Aufrechterhaltung des Haftbefehls bis zur Rechts- 
kraft des Urteils, wenn in diesem die FE ange- 
ordnet worden ist, oder Ersetzung des Haftbefehls 
durch einen Unterbringungsbeschluß nach $ 72 
Abs. 3 JGG. 
Der Vertreter der JGH muß als Repräsentant des 
Jugendamtes stets bestrebt sein, für seine Person dazu 
beizutragen, daß die Verhandlung für den Angeklagten 
eindrucksvoll gestaltet wird. Die Autorität des Gerichts 
ist in jeder Beziehung zu achten. 
In der Hauptverhandlung erhält der Vertreter der JGCH 
auf Verlangen das Wort (8 50 Abs. 3 Satz 2 JGG). Er 
hat darauf zu achten, daß die im JGH-Bericht vorge- 
brachten wesentlichen Tatsachen und Gesichtspunkte 
in der Verhandlung erörtert werden, damit sie für die 
gerichtliche Entscheidung verwertet werden können 
und daß bei Bedarf, falls der Angeklagte ihre Richtig- 
keit bestreitet, Beweis darüber erhoben wird. 
Eine Verlesung des JGH-Berichtes ist nur insoweit zu- 
lässig, als er Tatsachen und eine gutachtliche Äußerung 
über den Angeklagten an Hand bestimmter Tatsachen 
enthält. Eine Wertäußerung über die Persönlichkeit 
und den Ruf des Angeklagten ohne Angabe bestimmter 
Tatsachen ist als behördliches. Leumundszeugnis anzu- 
sehen und darf nicht verlesen werden. Wenn die Wert- 
äußerung für die Entscheidung erheblich sein sollte, 
muß mit der Vernehmung der Ermittlungsperson, die 
das Werturteil gefällt .hat, gerechnet werden. Das 
gleiche gilt, wenn tatsächliche Angaben des JGH- 
Berichtes vom Angeklagten bestritten werden. Die 
Verlesung privater Leumundszeugnisse, z. B. des Er- 
ziehungsheimes einer Vereinigung für Jugendhilfe ist 
statthaft. 
Ein mündlicher Vortrag des Vertreters der JGH ist 
nicht vorgeschrieben. Sollte das Gericht ihn wünschen, 
so sind Hinweise, die für den anwesenden Jugendlichen 
von erzieherischem Nachteil sein könnten, in seiner 
Anwesenheit möglichst zu vermeiden. 
Ist zu befürchten, daß durch eine Erörterung, z. B. 
durch einen Bericht, ein Gutachten oder ein Plädoyer, 
Nachteile für die Erziehung des Jugendlichen entstehen 
könnten. oder daß ein Zeuge in Gegenwart des An- 
geklagten nicht die Wahrheit sagen werde, So hat der 
Vertreter der JGH darauf hinzuwirken, daß der An- 
geklagte für die Dauer der Erörterung oder Verneh- 
mung von der Verhandlung ausgeschlossen wird (8 ‚51 
Abs. 1 Satz 1 JGG). Das gleiche gilt entsprechend, 
wenn gegen die Anwesenheit von Angehörigen, Er- 
ziehungsberechtigten oder des gesetzlichen Vertreters 
Bedenken bestehen ($ 51 Abs. 2 JGG). 
Der Vertreter der JGH muß unter Umständen auch 
gine für den Angeklagten oder seine Angehörigen un- 
günstige Beurteilung offen vor Gericht vertreten. Im 
Gewissenskonflikt des Vertreters der JGH verdient 
wegen dessen Stellung in der Jugendstrafrechtspflege 
die dem Gericht zu leistende Hilfe im Zweifel den 
Vorzug gegenüber dem Vertrauensverhältnis zu dem 
Angeklagten und seinen Angehörigen. Zum Wohl des 
Angeklagten gehören im rechtlichen Sinne,‚auch seine 
richtige Beurteilung und seine Wiedereingliederung in 
die Gemeinschaft. Sein Wohl wird nicht durch das 
Verschweigen von. Tatsachen und Gesichtspunkten ge- 
wahrt, die für die Meinungsbildung‘ des Gerichts von 
maßgeblicher Bedeutung sein können. 
Ein selbständiges Fragerecht steht dem Vertreter der 
JGH in der Hauptverhandlung nicht zu. Er besitzt kein 
gesetzliches Antragsrecht, sondern nur ein Anhörungs- 
recht. Er hat sich zu den Maßnahmen zu äußern, die 
zu ergeifen sind. In diesem Rahmen kann er Empfeh- 
lungen. und Anregungen geben. 
Der Vertreter der JGH muß bereit sein, seine eigene 
Beurteilung dem Ergebnis der Hauptverhandlung an- 
zupassen und gegebenenfalls zu revidieren. Er hat je- 
doch auch bei Darlegung seiner eigenen Überzeugung 
auf Bedenken hinzuweisen, die im Zusammenhang mit 
der Fertigstellung des JGH-Berichts geäußert worden 
sind und nicht gänzlich unbegründet erscheinen. 
62. 
63. 
Hält das Gericht eine Beweiserhebung über den Inhalt 
des JGH-Berichtes für erforderlich, so kann der Ver- 
treter der JGH als Zeuge vernommen werden, aller- 
dings nur über Tatsachen, über die er aus eigener 
Wahrnehmung aussagen kann. Zur Vermeidung einer 
Vertagung ist es daher zweckmäßig, nach Möglichkeit 
eine Personalunion zwischen Ermittler, Berichterstatter 
und Terminsvertreter anzustreben. In seiner Eigen- 
schaft als Fürsorger steht dem Vertreter der JGH 
wegen der gesetzlich umrissenen Aufgaben kein ge- 
setzliches Zeugnisverweigerungsrecht zu. Er unterliegt 
dann als Zeuge den allgemeinen Vorschriften, insbe- 
sondere auch über die Vereidigung und darf ihm per- 
sönlich von dem Angeklagten und den Angehörigen 
anvertraute Tatsachen, die für die Entscheidung des 
Gerichtes von Bedeutung sein können, nicht ver- 
schweigen, und zwar auch dann nicht, wenn ihm die 
Tatsachen ohne das bestehende Vertrauensverhältnis 
nicht mitgeteilt worden wären. Wird der für die Ent- 
scheidung des Gerichts erhebliche Inhalt des JGH- 
Berichtes von dem Angeklagten, seinen Angehörigen 
oder den Zeugen bestätigt oder kommt das Gericht 
auf andere Weise zu der Überzeugung seiner Richtig- 
keit, so erübrigt sich eine Vernehmung des Vertreters 
der JGH. 
In der Beratungspause und nach Schluß der Haupt- 
verhandlung sind der Angeklagte und seine Ange- 
hörigen, soweit notwendig, über weitere sozialpäd- 
agogische Maßnahmen zu beraten. Auch sonst kann 
dem Angeklagten in seinem Interesse bezüglich der 
Ausschöpfung vorhandener rechtlicher Möglichkeiten 
Rat erteilt werden. 
64. 
65. 
Über den Gang der Hauptverhandlung hat der Ver- 
treter der JGH einen Verhandlungsbericht anzufertigen, 
der sich besonders über das Verhalten des Jugendlichen 
oder Heranwachsenden und seiner Angehörigen aus- 
läßt. Er ist ausführlich zu halten, damit er Hinweise 
über die Einstellung des Jugendlichen oder Heran- 
wachsenden zu seiner Tat, den Mißbrauch des Per- 
sonensorgerechts durch die Eltern, die Verbindungen 
zu Mittätern oder Zeugen und die Zweckmäßigkeit der 
Einleitung weiterer oder vorbeugender Maßnahmen, 
insbesondere gegen strafunmündige Mittäter, geben 
kann. Aus dem Verhandlungsbericht muß der Wort- 
laut der gerichtlichen Entscheidung ersichtlich ‚sein. 
66. Eine Abschrift des Verhandlungsberichtes erhält 
a) das örtlich zuständige Jugendamt, wenn der Termin 
von JGH-Vertretern des Landesjugendamtes wahr- 
genommen worden ist und der Jugendliche oder 
Heranwachsende seinen Aufenthalt im Bereich des 
Landesjugendamtes oder im übrigen Bundesgebiet 
hat; 
das Landesjugendamt, Referat Öffentliche Erziehung, 
in zweifacher Ausfertigung, wenn FEH gewährt, 
FE angeordnet oder die Weisung erteilt worden ist, 
in. einem vom Landesjugendamt zu bestimmenden 
Heim zu wohnen; 
das Landesjugendamt, Referat Gerichtshilfe, wenn 
das Urteil auf Jugendstrafe lautet oder dem Urteil 
eine Untersuchungshaft vorangegangen ist; 
der zuständige Bewährungshelfer, wenn eine Be- 
währungsaufsicht angeordnet worden ist oder wenn 
ihm das Gericht die Überwachung der Befolgung 
einer Weisung übertragen hat.
	        
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