Path:
Volume 21. August 1961

Full text: Dienstblatt des Senats von Berlin (Public Domain) Ausgabe 1961 (Public Domain)

IV/1961 
Seite 88 | 
Nr. 66 
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das 
folgende Gesetz beschlossen: 
ABSCHNITT 1 
Allgemeines 
$1 
Inhalt und Aufgabe der Sozialhilfe 
(1) Die Sozialhilfe umfaßt Hilfe zum Lebensunterhalt 
und Hilfe in besonderen Lebenslagen. 
(2) Aufgabe der Sozialhilfe ist es, dem Empfänger der 
Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der 
Würde des Menschen entspricht. Die Hilfe soll: ihn soweit 
wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; hier 
bei muß er nach seinen Kräften mitwirken. 
Br 
82 
Nachrang der Sozialhilfe 
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann 
oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von 
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen 
erhält. 
(2) Verpflichtungen anderer, besonders Unterhalts: 
pflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, wer- 
den durch dieses Gesetz nicht berührt. Auf Rechtsvorschrif- 
ten beruhende Leistungen anderer, auf die jedoch kein An- 
spruch besteht, dürfen nicht deshalb versagt werden, weil 
nach diesem Gesetz entsprechende Leistungen vorgesehen 
sind. 
83 . 
Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles 
(1) Art, Form und Maß der Sozialhilfe richten sich 
nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der 
Person des Hilfeempfängers, der Art seines Bedarfs und 
den örtlichen Verhältnissen. 
(2) Wünschen des Hilfeempfängers, die sich auf die 
Gestaltung der Hilfe richten, soll entsprochen werden, so- 
weit sie angemessen sind und keine unvertretbaren Mehr- 
kosten erfordern. 
(3) Auf seinen Wunsch soll der Hilfeempfänger in einer 
solchen Einrichtung untergebracht werden, in der er durch 
Geistliche seines Bekenntnisses betreut werden kann. 
84 
Anspruch auf Sozialhilfe 
(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit dieses 
Gesetz bestimmt, daß die Hilfe zu gewähren ist. Der An- 
spruch kan nicht übertragen, verpfändet oder, gepfändet 
werden. 
(2) Über Form und Maß der Sozialhilfe ist nach pflicht- 
mäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit dieses Gesetz 
das Ermessen nicht ausschließt. 
5 
Einsetzen der Sozialhilfe 
Die Sozialhilfe setzt ein, sobald dem Träger der Sozial 
hilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird 
daß die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. 
86 
Vorbeugende Hilfe, nachgehende Hilfe 
(1) Die Sozialhilfe soll vorbeugend gewährt werden, 
wenn dadurch eine dem einzelnen drohende Notlage ganz 
oder teilweise abgewendet werden kann. Die Sonderbe- 
stimmungen der 88 36 und 57 gehen der Regelung des 
Satzes 1 vor. 
(2) Die Sozialhilfe soll auch nach Beseitigung“ einer 
Notlage gewährt werden, wenn dies geboten ist, um die 
Wirksamkeit der zuvor gewährten Hilfe zu sichern. Die 
Sonderbestimmungen der $8 40, 49 und 50 gehen der Re- 
gelung des Satzes 1 vor. 
87 
Familiengerechte Hilfe 
Bei Gewährung der Sozialhilfe sollen die besonderen 
Verhältnisse in der Familie des Hilfesuchenden berück- 
sichtigt werden, Die Sozialhilfe soll die Kräfte der Familie 
zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie 
festigen. 
NE) 
Formen der Sozialhilfe 
(1) Formen der Sozialhilfe sind persönliche Hilfe, Geld- 
leistung oder Sachleistung. 
(2) Zur persönlichen Hilfe gehören auch die Beratung 
in Fragen der Sozialhilfe sowie die Beratung in sonstigen 
sozialen Angelegenheiten, soweit letztere nicht von an- 
deren Stellen oder Personen wahrzunehmen ist. Wird Be- 
ratung‘ in sonstigen. sozialen Angelegenheiten auch von 
Verbänden der freien Wohlfahrtspflege wahrgenommen, ist 
der Ratsuchende zunächst hierauf hinzuweisen. 
59 ; 
Träger der Sozialhilfe 
Die Sozialhilfe wird von örtlichen und überörtlichen Trä- 
gern gewährt. 
$ 10 
Verhältnis zur freien Wohlfahrtspflege 
(1) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaf- 
ten des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der freien 
Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und 
ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch 
dieses Gesetz nicht berührt, 
(2) Die Träger der Sozialhilfe sollen bei der Durchfüh- 
rung dieses Gesetzes mit den Kirchen und Religionsgesell- 
schaften des öffentlichen Rechts sowie den Verbänden 
der freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeiten und dabei 
deren Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung 
ihrer Aufgaben achten. 
(3) Die Zusammenarbeit soll darauf gerichtet sein, daß 
sich die Sozialhilfe und die Tätigkeit der freien Wohl- 
fahrtspflege zum Wohle des Hilfesuchenden wirksam er- 
gänzen. Die Träger der Sozialhilfe sollen die Verbände der 
freien Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet 
der Sozialhilfe angemessen unterstützen. 
(4) Wird die Hilfe im Einzelfalle durch die freie Wohl- 
fahrtspflege gewährleistet, sollen die Träger der Sozialhilfe 
von der Durchführung eigener Maßnahmen absehen; dies 
gilt nicht für die Gewährung von Geldleistungen. 
(5) Die Träger der Sozialhilfe können allgemein an 
der Durchführung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz die 
Verbände der freien Wohlfahrtspflege beteiligen oder 
ihnen die Durchführung solcher Aufgaben übertragen, 
wenn die Verbände mit der Beteiligung oder Übertragung 
einverstanden sind. Die Träger der Sozialhilfe bleiben dem 
Hilfesuchenden gegenüber verantwortlich. 
ABSCHNITT 2 
Hilfe zum Lebensunterhalt 
UNTERABSCHNITT 1 P 
Personenkreis, Gegenstand der Hilfe 
S$11 
Personenkreis 
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt ist dem zu gewähren, 
der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht 
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem 
aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. 
Bei nicht getrennt lebenden Ehegatten sind das Einkom- 
men und das Vermögen beider Ehegatten zu berücksich- 
tigen; soweit minderjährige unverheiratete Kinder. die dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.