IV/1961
Seite 151
Nr. 93
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Minderjährige, die sich in Freiwilliger Erziehungshilfe
oder Fürsorgeerziehung befinden.
SR 28
Wer ein Pflegekind aufnimmt (Pflegeperson), bedarf
dazu der vorherigen Erlaubnis des Jugendamts. Kann in
Eilfällen die Erlaubnis nicht vorher erwirkt werden, so ist
sie unverzüglich nachträglich zu beantragen. Wer mit
einem Pflegekind in den Bezirk eines Jugendamts zuzieht,
hat die Erlaubnis zur Fortsetzung der Pflege unverzüglich
einzuholen. Die Erlaubnis kann befristet oder unter einer
Bedingung erteilt oder mit Auflagen versehen werden.
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(1) Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn in der
Pflegestelle das leibliche, geistige und seelische Wohl des
Pflegekindes gewährleistet ist.
(2) Die Pflegeerlaubnis kann widerrufen werden, wenn
das Wohl des Pflegekindes es erfordert.
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Zuständig für die Erteilung und den Widerruf der
Erlaubnis ist das Jugendamt, in dessen Bezirk die Pflege-
person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2. Aufsicht
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(1) Pflegekinder unterstehen der Aufsicht des Jugend-
amts. Das gleiche gilt für uneheliche Kinder, die sich bei
der. Mutter befinden, wenn ihr nicht die elterliche Gewalt
übertragen ist. Die Aufsicht erstreckt sich darauf, daß
das leibliche, geistige und seelische Wohl des Pflegekindes
gewährleistet ist.
(2)' Das Jugendamt hat die Pflegeperson zu beraten
und bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen.
(3) Das Jugendamt kann Pflegekinder widerruflich von
der Beaufsichtigung befreien. Uneheliche Kinder sollen,
solange sie sich bei der Mutter befinden, von der Beauf-
sichtigung widerruflich befreit werden, wenn das Wohl des
Kindes gesichert ist.
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Wer ein nach 8 31 Abs.1 der Aufsicht unterstehendes
Kind in Pflege hat, ist verpflichtet, dessen Aufnahme, Ab-
gabe, Wohnungswechsel und Tod dem Jugendamt unver-
züglich anzuzeigen.
3. Vorläufige Unterbringung
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(1) Bei Gefahr im Verzuge kann das Jugendamt das
Pflegekind sofort aus der Pflegestelle entfernen und vor-
läufig anderweit unterbringen. Das Grundrecht der Un:
verletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs.1 des Grund-
gesetzes) wird insoweit eingeschränkt.
er
(2) Das Jugendamt ist verpflichtet, die Personensorge-
berechtigten, die Pflegeperson und das zuständige Vor-
mundschaftsgericht von der getroffenen Maßnahme unver-
züglich zu benachrichtigen.
Behördlich angeordnete
Familienpflege
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Bei Kindern, die von anderen landesgesetzlich zustän-
digen Behörden in Familienpflege untergebracht werden,
steht die Erteilung der Erlaubnis und die Aufsicht diesen
Behörden zu. Doch kann die Übertragung dieser Befug-
nisse von diesen Behörden auf das örtlich zuständige Ju-
gendamt durch die zuständige Landesbehörde angeordnet
werden.
5. Ermächtigung der Länder
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(1) Das Nähere über die Pflegeerlaubnis, die Aufsichts-
befugnisse und die Anzeigepflicht wird durch Landesrecht
bestimmt.
(2) Durch Landesrecht kann bestimmt werden, inwie-
weit die Vorschriften dieses Abschnitts auf Pflegekinder
anzuwenden sind, die unter der Aufsicht einer Vereinigung
stehen, die der Jugendwohlfahrt dient und durch das
Landesjugendamt für geeignet erklärt ist.
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Die Befugnis der Länder, weitere Vorschriften zum
Schutz der Minderjährigen zu erlassen, bleibt unberührt.
Abschnitt V
Stellung des Jugendamts im Vormundschaftswesen;
Vereinsvormundschaft
4. Amtsvormundschaft
a) Allgemeine Bestimmungen
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Das Jugendamt wird Vormund in den durch die folgen-
den Bestimmungen vorgesehenen Fällen (Amtsvormund-
schaft). Es überträgt die Ausübung der vormundschaft-
lichen Obliegenheiten einzelnen seiner Beamten oder An-
gestellten. Im Umfang der Übertragung sind die Beamten
und Angestellten zur gesetzlichen Vertretung der Mündel
vefugt. Die Übertragung gehört nicht zu den laufenden
Geschäften im Sinne des $ 16.
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(1) Auf die Amtsvormundschaft finden die Bestimmun-
gen des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit folgender Maßgabe
Anwendung. Ein Gegenvormund wird nicht bestellt; dem
Amtsvormund stehen die nach 88 1852 bis 1854 des Bürger-
‚ichen Gesetzbuchs zulässigen Befreiungen zu. Von der
Anwendung ausgeschlossen sind die 88 1788, 1801, 1835,
1836 Abs.1 Satz 2 bis 4 und Abs.2, $ 1837 Abs.2, 88 1838,
1844 und 1886.
{2) 8 1805 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet mit der
Maßgabe Anwendung, daß die Anlegung von Mündelgeld
gemäß 8 1807 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch bei der
das Jugendamt errichtenden Körperschaft zulässig ist. Hat
das Jugendamt Aufwendungen zum Zwecke der Führung
der Vormundschaft gemacht, so sind ihm diese aus dem
Vermögen des Mündels zu ersetzen. Allgemeine Ver-
waltungskosten werden nicht ersetzt.
(3) Der Amtsvormund hat auf das religiöse Bekenntnis
oder die Weltanschauung des Mündels oder seiner Familie
bei der Unterbringung Rücksicht zu nehmen.
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Die Landesgesetzgebung kann bestimmen, daß weitere
Vorschriften des ersten Titels des dritten Abschnitts im
vierten Buche des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche die
Aufsicht des Vormundschaftsgerichts in vermögensrecht-
licher Hinsicht betreffen, gegenüber dem Amtsvormund
außer Anwendung bleiben. Die Prüfung der Schlußrech-
nung und die Vermittlung ihrer Abnahme durch das Vor-
mundschaftsgericht bleiben hiervon unberührt.
b) Gesetzliche Amtsvormundschaft
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(1) Mit der Geburt eines unehelichen Kindes wird das
Jugendamt des Geburtsorts Amtsvormund, wenn die
Mutter Deutsche im Sinne des Grundgesetzes ist; das
gleiche gilt, wenn die Mutter staatenlos oder Flüchtling im
Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechts-
stellung der Flüchtlinge (Bundesgesetzbl. 1953 II S. 559)