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Volume Nr. 56-58, 30. Dezember 1976

Full text: Dienstblatt des Senats von Berlin (Public Domain) Ausgabe 1976 (Public Domain)

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12. a) Gegen einen neugewählten Abgeordneten dürfen 
Strafverfahren, die eingeleitet sind, oder bestehende 
Freiheitsbeschränkungen oder eine begonnene 
Strafvollstreckung bei Beginn der neuen Wahl- 
periode nur mit Genehmigung der gesetzgebenden 
Körperschaft fortgesetzt werden, der der Abgeord- 
nete angehört (Nummer 8 Abs.1 der Richtlinien). 
Das gleiche gilt für einen wiedergewählten Abge- 
ordneten, bei dem in der vorangegangenen Wahl- 
periode die erforderliche Genehmigung versagt wor- 
den ist (Nummer 8 Abs. 2 der Richtlinien). 
Gegen einen wiedergewählten Abgeordneten, dessen 
Immunität in der vorangegangenen Wahlperiode 
aufgehoben worden ist, darf das Verfahren fort- 
gesetzt werden. Es ist jedoch auszusetzen, wenn es 
das Parlament verlangt (Nummer 8 Abs. 3 der 
Richtlinien). 
Jedes Strafverfahren und jedes Verfahren über die 
Verwirkung des Grundrechts (Artikel 18 GG) gegen 
einen Abgeordneten sowie jede Haft und jede sonstige 
Beschränkung seiner persönlichen Freiheit sind auf 
Verlangen. des Parlaments aufzuheben (Artikel 46 
Abs. 4 GG, Artikel 35 Abs. 4 VvB). 
Dienstblatt des Senats von Berlin TeilI 
EN HE 
Nr. 56 
8.1334) kann ein Bußgeldverfahren durchgeführt 
oder eine Verwarnung erteilt werden (Nummer 6 
Abs. 5 der Richtlinien). 
Bei einem Verkehrsunfall können die Personalien 
des Abgeordneten festgestellt werden sowie Vor- 
lage des Führerscheins und des Kraftfahrzeug- 
scheins. verlangt werden. Ferner können der Zu- 
stand seines Kraftfahrzeugs festgestellt sowie 
Fahr-, Brems- und andere Spuren vermessen, foto- 
grafiert oder auf andere Weise gesichert werden. 
Unmittelbar nach dem Unfall kann auch gegen 
den Willen des Abgeordneten die Entnahme einer 
Blutprobe gemäß 8 81a StPO veranlaßt werden 
(Nummer 6 Abs. 7 der Richtlinien). 
Ein Verfahren zur Abnahme einer eidesstattlichen 
Versicherung kann durchgeführt und Haft ange- 
ordnet werden, jedoch bedarf die Vollstreckung des 
Haftbefehls der Genehmigung des Parlaments 
(Nummer 6 Abs. 8 der Richtlinien). 
Die Immunität eines Abgeordneten steht den folgenden 
Maßnahmen nicht entgegen: 
a) In einem Verfahren gegen eine andere Person ist 
es zulässig, einen Abgeordneten als Zeugen zu 
vernehmen (an einem anderen Ort als dem Sitz 
des Parlaments nur mit dessen Genehmigung, $8 50 
StPO), eine Durchsuchung vorzunehmen (88 103, 
104 StPO) sowie die Herausgabe von Gegenständen 
zu verlangen (8 95 StPO) (Nummer 10 Buchst. a 
der Richtlinien). Der Abgeordnete ist jedoch be- 
rechtigt, das Zeugnis zu verweigern über eine 
Person, die ihm in seiner Eigenschaft als Abge- 
ordneter oder der er in dieser Eigenschaft Tat- 
sachen anvertraut hat, sowie über diese Tatsache 
selbst (Artikel 47 GG, Artikel 35 Abs. 2 VvB, $ 53 
Abs.1 Nr.4 StPO). Soweit das Zeugnisverweige- 
rungsrecht reicht, ist auch die Beschlagnahme von 
Schriftstücken unzulässig (Artikel 47 GG, 8 97 
Abs. 3 StPO). Beruft sich ein Parlamentsabgeord- 
neter auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, ist eine 
Beschlagnahme oder Durchsuchung abzubrechen. 
Dem Abgeordneten stehen dessen Hilfspersonen 
gleich. Über die Ausübung des Zeugnisverweige- 
rungsrechts der Hilfspersonen entscheidet der Ab- 
geordnete ($ 53 a, 8 97 Abs. 4 StPO). 
Gegen Anstifter, Mittäter, Gehilfen oder andere an 
der Tat eines Parlamentsabgeordneten beteiligte 
Personen (z. B. Hehler, Begünstiger) können Er- 
mittlungsverfahren eingeleitet und durchgeführt 
werden. Ist der Abgeordnete ein Mitglied des Ab- 
geordnetenhauses von Berlin, ist von diesem Ver- 
fahren der Präsident des Abgeordnetenhauses un- 
verzüglich auf dem Dienstweg zu verständigen 
(Nummer 10 Buchst. b der Richtlinien). 
Bei einer Anzeige gegen einen Parlamentsabgeord- 
neten kann die Staatsanwaltschaft Ermittlungen 
über die Persönlichkeit des Anzeigenden und über 
andere Umstände, die zur Beurteilung der Ernst- 
haftigkeit einer Anzeige wichtig sind, durchführen, 
um festzustellen, ob eine Anzeige offensichtlich un- 
begründet  (querulatorisch, vexatorisch) ist (Num- 
mer 6 Abs. 2 der Richtlinien). 
21) 
15. 
IV. Zulässige Maßnahmen bei bestehender Immunität 
14. Ohne Aufhebung der Immunität durch das Parlament 
können die folgenden Maßnahmen getroffen werden: 
a). Die Polizei kann eine Anzeige entgegennehmen oder 
fertigen. 
Ein Verfahren kann ohne Ermittlungshandlungen 
eingestellt werden; 
ein Privatklageverfahren kann vor Anberaumung 
einer Hauptverhandlung eingestellt werden (8 383 
Abs. 2 Satz 1 StPO); 
von der Erhebung. einer öffentlichen Klage kann 
abgesehen werden ($ 153 Abs.1l, 8 153b Abs.1, 
8 154 Abs. 1 StPO). 
(Nummer 6 Abs. 1 der Richtlinien). 
Gegen Abgeordnete ist ein Sühneverfahren ($ 380 
StPO) zulässig, jedoch darf eine Ordnungsstrafe 
gegen den Abgeordneten weder angedroht noch ver- 
hängt werden (Nummer 6 Abs. 4 der Richtlinien). 
Ein Abgeordneter kann bei Begehung der Tat oder 
im Laufe des folgenden Tages festgenommen wer- 
den (z. B. Artikel 46 Abs. 2 GG). Die Festnahme 
eines Berliner Abgeordneten ist hingegen nur ZzU- 
lässig, wenn er bei Begehung der Tat angetroffen 
wird (Artikel 35 Abs.3 VvB). In diesen Fällen 
bedarf die Einleitung eines Strafverfahrens nicht 
der Genehmigung des Parlaments. Die Polizeivoll- 
zugsbeamten sind im Rahmen des Legalitätsprin- 
zips (8 163 StPO) berechtigt und verpflichtet, die 
Tat zu erforschen und die dazu erforderlichen poli- 
zeilichen Maßnahmen zu treffen (z. B. Durch- 
suchungen, $ 102 ff. StPO; Beschlagnahmen, $ 94 ff. 
StPO; körperliche Untersuchungen, 88 81a, 81c 
StPO). Das Ermittlungsverfahren kann auch dann 
weitergeführt werden, wenn der Abgeordnete im 
Laufe des Verfahrens freigelassen wird. Jedoch 
bedarf die erneute Vorführung oder Verhaftung 
der Genehmigung des Parlaments (Nummer 7) 
Abs. 6 der Richtlinien). 
Im Rahmen der geltenden Gesetze sind Maßnahmen 
des polizeilichen Gewahrsams zur Abwendung von 
Gefahren für das menschliche Leben und Maß- 
nahmen nach 8 34 ff. des Bundes-Seuchengesetzes 
zulässig. Die zuständige Behörde hat jedoch unver- 
züglich den Parlamentspräsidenten über die einem 
Abgeordneten gegenüber getroffene Maßnahme zu 
unterrichten (Nummer 6 Abs. 9 der Richtlinien). 
Polizeiliche und andere Verwaltungszwangsmaß- 
nahmen mit Ausnahme der Vollziehung einer 
Zwangshaft oder der zwangsweisen Vorführung 
dürfen durchgeführt werden (Nummer 6 Abs. 6 der 
Richtlinien). 
Auf Grund des Gesetzes über Ordnungswidrig- 
keiten vom 24. Mai 1968 (BGBlLl.I 8.481 / GVBl. 
16. 
Von jedem Verfahren gegen einen Abgeordneten, in 
dem nicht nach Abschnitt V die Aufhebung der Im- 
munität beantragt wird, und von jeder Einschränkung 
der Freiheit eines Parlamentsabgeordneten haben die 
zuständigen Behörden den Parlamentspräsidenten un- 
verzüglich direkt Kenntnis zu geben (Nummer 11 der 
Richtlinien). 
V. Aufhebung der Immunität 
17. 
Abgesehen von den Regelungen des IV. Abschnitts 
bedarf die Einleitung und Durchführung eines’ Ermitt- 
lungs- oder Strafverfahrens gegen einen Parlaments- 
abgeordneten wegen einer mit Strafe bedrohten Hand- 
lung oder die Beschränkung der persönlichen Freiheit 
aines Parlamentsabgeordneten der Genehmigung des
	        
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