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Nr. 97
D. Verfahren
Eine wirkungsvolle Lärmabwehr setzt die rechtzeitige
und vollständige Anwendung aller speziellen und allgemein-
polizeilichen Rechtsvorschriften sowie eine stetige enge Zu-
sammenarbeit aller beteiligten Ordnungsbehörden voraus.
Hierbei ist folgendes zu beachten:
Lärmabwehrmaßnahmen hat jede Ordnungsbehörde
nach ihren eigenen besonderen Gesetzen oder Verord-
nungen unter den darin festgelegten tatbestandsmäßi-
gen Voraussetzungen (z.B. Nachteil, Belästigung, Ge-
fährdung) zu treffen. Spezialgesetzliche Regelungen
haben somit den Vorrang. Des Nachweises einer kon-
kreten Gefahr oder einer bereits eingetretenen Störung
(8 41 PVG) bedarf es insoweit nicht.
Teil B dieser Verwaltungsvorschrift findet keine An-
wendung.
Ein ordnungsbehördliches Einschreiten auf Grund der
$8 14 und 41 PVG im HEinzelfall ist grundsätzlich nur
möglich, wenn der betreffende Lärmsachverhalt durch
spezielle gesetzliche Vorschriften überhaupt nicht oder
nicht erschöpfend geregelt ist. In derartigen Fällen gilt
das Opportunitätsprinzip, d.h. es liegt im pflichtmäßi-
gen Ermessen der Ordnungsbehörde, ob sie überhaupt
eingreifen und welche Maßnahmen sie im Falle eines
Eingreifens treffen will. Entscheidend ist, ob das ord-
hungsbehördliche Einschreiten vom Standpunkt des
5ffentlichen Interesses nach Lage aller in Betracht
kommenden Umstände (z. B. zeitliche und örtliche Ver-
hältnisse) zweckmäßig und geboten erscheint. Was
zweckmäßig und geboten ist, ist objektiv zu ermitteln.
Ferner sind die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit
und der Bestimmtheit zu beachten ($ 41 Abs. 2 und 3
PVG).
Ein Einschreiten auf Grund der 88 14 und 41 PVG oder
einer Spezialvorschrift (z.B. $ 11 Abs. 1 Buchst. b GaG)
setzt nicht voraus, daß der vom Lärm Betroffene nicht
zivilrechtlich vorgehen könne. Die zivilrechtlich ge-
gebenen Rechtsschutzansprüche nach 88 862, 906 und
1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.d. F. vom
22. Dezember 1959 (BGBII S.781 / GVBl11960 S. 56)
schließen ein ordnungsbehördliches (polizeiliches) Ein-
schreiten gegen Geräuscheinwirkungen nicht aus.
Ist ein ordänungsbehördliches Einschreiten unter den in
Nummer 1 und Nummer 2 dargestellten Voraussetzun-
gen, z.B. bei vorübergehenden, geringfügigen Geräusch-
einwirkungen, nicht möglich, kann der Beschwerde-
führer nur auf den zivilen Rechtsweg verwiesen werden.
Beschwerden der Bevölkerung über Lärmeinwirkungen
aller Art sind, sofern sie bei einer unzuständigen Be-
hörde eingehen, unverzüglich an die zuständige Ord-
nungsbehörde weiterzuleiten. In der Abgabennachricht
an den Beschwerdeführer hat sich die unzuständige Be-
hörde jeder Äußerung über Art und Notwendigkeit der
Mittel zur Beseitigung der Lärmursachen zu enthalten.
Die zuständige Ordnungsbehörde sorgt für eine um-
gehende Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse,
prüft baldigst alle für ein Einschreiten bedeutsamen
Voraussetzungen, notfalls unter Beteiligung anderer
mitbetroffener Ordnungsbehörden und entscheidet,
welche Lärmabwehrmaßnahmen eingeleitet werden
können und müssen. Mitwirkenden Ordnungsbehörden
sind alle zur Beurteilung eines. Beschwerdefalles not-
wendigen Aktenvorgänge zuzuleiten; sie sind über den
Fortgang oder die Erledigung eines Falles zu unter-
richten.
In Fällen einer unmittelbaren Gefährdung der Gesund-
heit des Betroffenen sind die erforderlichen Abwehr-
maßnahmen unverzüglich zu treffen.
Zur Frage einer möglichen Gesundheitsgefährdung im
Einzelfall hat sich das jeweils zuständige Bezirksamt
(Abteilung: Gesundheitswesen) im Wege der Amtshilfe
(8 5 VwVerfG) zu äußern.
7.
Ein gleichzeitiges Einschreiten mehrerer. Ordnungs-
behörden in der gleichen Angelegenheit ist zur Ver-
meidung von Überschneidungen und Doppelbearbeitung
zu unterlassen. Ebenso sind wiederholte örtliche Er-
hebungen, soweit zur Erforschung des Sachverhalts er-
forderlich, durch verschiedene Ordnungsbehörden mög-
lichst zu verhindern.
Zur weiteren Bearbeitung von Lärmbeschwerden wird
besonders auf 8 7 (Widerspruch) PolZG und 8 14 (In-
halt und Form der Verwaltungsakte) VwVerfG sowie
auf die Dbl-Vfg. 1/1960 Nr. 30 (Erteilung von Rechts-
mittelbelehrungen) verwiesen.
Änderungen der in dieser Verwaltungsvorschrift. an-
geführten Vorschriften sind dem Senator für Gesund-
heitswesen alsbald schriftlich mitzuteilen, damit recht-
zeitig Berichtigungen veranlaßt werden können.
8.
9,
E. Schlußvorschriften
Die Dienstblatt-Verfügung V/1958 Nr.6 — V1I/1958
Nr.6 — Abl 1958 Nr.10 vom 29. Januar 1958 betr.
Lärmbekämpfung wird. mit Wirkung vom 15. Oktober
1963 aufgehoben.
Diese Verwaltungsvorschriften treten mit Wirkung vom
15. Oktober 1963 in Kraft.
In Vertretung
Dr. von Renthe-Fink
1;
N
Hinweise auf Gesetze,
Verordnungen und Zeitschriftenaufsätze,
die für die Verwaltung des Landes Berlin
von Bedeutung sind
Zusammengestellt von der Senatsbibliothek Berlin
Fernruf: 34 04 01 — (971) 149 —
Hinter jedem Titel wird in fettgedruckter Zahl — siehe
laufende Nummer der Zeitschriftensammlung der Senats-
bibliothek im Dienstblatt 1/1960 Nr. 72 — auf die jeweilige
Zeitschrift verwiesen. Die folgenden. Zahlen bezeichnen
Jahrgang und Heft.
Die Zeitschriften können im Lesesaal der Senatsbibliothek
eingesehen oder kurzfristig entliehen werden.
Folge 62 ;
Bundesrecht / Bundesaufgaben
Ziller, Gebhard: Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zu
Rechtsverordnungen? 77: 1963/21
Maurer, Hartmut: Das richterliche Prüfungsrecht zur Zeit der
Weimarer Verfassung. Ein Beitrag zum historischen Vorverständ-
nis des Art. 100 GG. 162: 1963/17/18
Anders, Georg: Zum Prüfungsrecht des Bundespräsidenten. 162:
1963/17/18
Schumann, Ekkehard: Zur Prüfungspflicht des Bundesverfassungs-
gerichts bei Verfassungsbeschwerden. Das Beruhen gerichtlicher
Entscheidungen auf dem Grundrechtsverstoß. 69: 1963/11
Spanner, Hans: Notstandsrecht und Bundesverfassungsgericht.
162: 1963/17/18
Grundmann, Werner: Die neue Verfassungsbeschwerde. Zur Neu-
regelung des Verfahrens durch 893 a BVerfGG. 162: 1963/19-20
Klein, Julius: Häufige Fehler bei der Einlegung von Verfassungs-
beschwerden. 85: 1963/29
Rößler, P.: 10 Jahre Bundesverwaltungsgericht. Festakt in Berlin-
Charlottenburg am 4. Juli 1963. 162: 1963/19-20
Naumann, Richard: Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungs-
gerichtsbarkeit. 162: 1963/19-20
Koehler, Alexander: Verfahren und Gerichtsverfassung in der All-
gemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. und in der Verfassungs-
Berichtsbarkeit des Bundes und der Länder. 162: 1963/19-20
Lochbrunner, Franz Xaver: Der Bundesdisziplinaranwalt und seine
Weisungsgebundenheit. (Ein Beitrag zum 10jährigen Bestehen
der Behörde.) 235: 1963/9/10
_indgen, Erich: Nochmals: Stärkung der Stellung des Bundes-
disziplinaranwalts. 235: 1963/9/10