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Full text: Pat*innen, Mentor*innen, Lots*innen: Engagiert für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe / Klein, Ansgar (Rights reserved)

Pat*innen, Mentor*innen, Lots*innen: Engagiert für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe 4. BBE-Fachkongress im Programm „Menschen stärken Menschen“ 1 | TEXT 2 | IMPRESSUM Herausgeber: Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) Michaelkirchstr. 17 / 18 10179 Berlin Tel.: +49 (0)30 62980-110 Fax: +49 (0)30 62980-151 E-Mail: info@b-b-e.de Web: www.b-b-e.de Redaktionsteam (BBE): Madleen Bernhardt Dr. Behzad Fallahzadeh Wiebke Kunstreich Sanga Lenz Dr. Lilian Schwalb Layout & Satz: Daniela Rusch www.die-projektoren.de V.i.S.d.P.: PD Dr. Ansgar Klein (BBE) Bildnachweise: Elke Jung-Wolff www.jung-wolff.de ISBN: 978-3-948153-08-3 Erscheinungsdatum: August 2020 Kommt INHALT INHALT | 4 Einleitung.............................................................................................................................6 Grußwort............................................................................................................................11 Pat*innenschaften stützen: Vom persönlichen Blick zu den Forderungen an die Engagementpolitik ..............................................................14 Sackgasse soziale Herkunft? Patenschaften als Chance für den Bildungserfolg.........................................................24 WORLDCAFÉ Kommunikation & Vernetzung – Wie erreicht man seine Zielgruppe?..........................34 FISHBOWL Welche Rahmenbedingungen brauchen Pat*innenschaftsund Mentoringprogramme mit Kindern und Jugendlichen?..........................................37 MEET THE EXPERT Welche Chancen und Herausforderungen birgt die Digitalisierung im Kontext von Pat*innenschaften?.......................................................40 WORKSHOP „Welches Potenzial haben Sozialräume für Pat*innenschaften und Mentoring?“................................................................................43 Panel I Helfen in allen Lebenslagen? Pat*innen und Mentor*innen als pädagogische Laien ...................................................................................................47 Panel II Wann kommen wir an? – Der lange Weg in die Arbeitswelt...........................................50 Panel III Verbunden über Generationen? – Beziehungsarbeit in Pat*innenschafts- und Mentoringprogrammen..............................................................53 Panel IV Schlüssel für Teilhabe und Integration? – Chancen und Grenzen ehrenamtlicher Sprachförderung...............................................56 Handlungsempfehlungen.................................................................................................60 Lesung...............................................................................................................................63 Mitwirkende.......................................................................................................................67 Zum Weiterlesen...............................................................................................................71 EINLEITUNG 6 | EINLEITUNG Einleitung Das bürgerschaftliche Engagement im Rahmen von Pat*innenschaften und Mentoringbeziehungen bietet vielfältige Perspektiven - für beide Seiten, Pat*innen bzw. Mentor*innen und Mentees. Mit neuen Ansätzen in Forschung und Praxis sowie guten Rahmenbedingungen der Engagementförderung befasste sich der 4. BBE-Fachkongress im Programm „Menschen stärken Menschen“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) am 5. und 6. November 2019 in Berlin. „Pat*innen, Mentor*innen, Lots*innen: Engagiert für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe“, unter diesem Titel trafen sich rund 200 Expert*innen zur fachlichen Auseinandersetzung im Themenfeld Zivilgesellschaft - Teilhabechancen - gesellschaftliche Integration. Seit 2016 fördert das Programm „Menschen stärken Menschen“ des BMFSFJ das freiwillige Engagement von Menschen für ihre Mitmenschen. An über 500 Standorten bundesweit sind mittlerweile mehr als 94.000 Pat*innenschaften gestiftet worden. Neben der Verbesserung von Teilhabe und mehr Bildungsgerechtigkeit zielt das Programm auf die Unterstützung der Engagementlandschaft durch die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement und auf eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ab. Mit der Erweiterung der Programmperspektive auf herkunftsunabhängige Chancenpat*innenschaften Ende 2018 zielt das Programm verstärkt auf eine verbesserte Teilhabe und Chancengerechtigkeit besonders jüngerer Zielgruppen im Bildungsbereich. Vor diesem Hintergrund setzt der diesjährige Kongress einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Perspektiven bürgerschaftlichen Engagements für Zugänge zu Bildung und für gesellschaftliche Teilhabe. Denn: Im Engagement, insbesondere in Pat*innenschaftsprogrammen, liegt sehr viel Bildungspotenzial. Alle Beteiligten einer Pat*innen- oder Mentoringbeziehung profitieren, sowohl in formalen als auch in informalen und informellen Bildungskontexten. Die Keynote von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Autor der 18. Shell-Jugendstudie, thematisierte den engen Zusammenhang von sozialer Herkunft und der Bewältigung vielfältiger Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen sowie die Potenziale von Pat*innenschaften und Mentoring diesen Zusammenhang aufzubrechen. Dabei machte er deutlich, dass Pat*innenschaften in sämtlichen Feldern der Entwicklung, nicht nur im Bildungsbereich, erfolgreich zum Einsatz kommen könnten. Pat*innenschaftskonzepte setzten häufig an Bildungsübergängen und Veränderungsprozessen an und böten auf die jeweilige Situation abgestimmte Angebote an, um insbesondere in herausfordernden Situationen zu begleiten und zu unterstützen. Hierfür bedarfe es komplexer Rahmenbedingungen. Dies wurde auch in dem vertieften Austausch in den Fachformaten deutlich, die ein breites inhaltliches Spektrum bearbeiteten. In Podiumsdiskussionen und Debatten im Plenum standen neben engagement- und bildungspolitischen Themen auch Perspektiven des Bundesprogramms im Fokus. Dies vor dem Hintergrund, dass zum Zeitpunkt der Veranstaltung weitreichende Kürzungen für das Bundesprogramm im Raum standen. Weiterhin gab ein „Meet & Greet“ Möglichkeiten zum fachlichen Austausch und zur Vernetzung. Abgerundet wurden die Formate durch eine Lesung, die persönliche und reflektierte Einblicke in eine Pat*innenschaft und ihre Rahmenbedingungen bot. 7 | EINLEITUNG Bildungspotenziale im Engagement heben Anlässlich der inhaltlichen Erweiterung des Programms „Menschen stärken Menschen“ Ende 2018 gerieten zunehmend bildungspolitische Aspekte zu Teilhabe und Chancengleichheit in das Blickfeld der Programmträger, die sich dabei immer auch an der Schnittstelle zu Engagement- und Demokratiepolitik befinden. Ein „Politisches Gespräch zu Engagement und Bildung“ am ersten Kongresstag setzte bei dieser Thematik an und diskutierte aktuelle Fragestellungen, die unter anderem durch die Programmträger im Zuge eines BBE-Fachworkshops im Vorfeld gemeinsam erarbeitet wurden. Das Gespräch führten Michael Tetzlaff, Leiter Zentralabteilung 1 Demokratie und Engagement des BMFSFJ, die Bundestagsabgeordneten Dr. Karamba Diaby (SPD) und Martin Patzelt (CDU) sowie Carola Schaaf-Derichs, BBE-Sprecher*innenrat und Geschäftsführerin der Landesfreiwilligenagentur Berlin. Eröffnet wurde die Runde mit einem Blick auf die Erweiterung von „Menschen stärken Menschen“, durch die seit Ende 2018 neben Geflüchteten auch andere Zielgruppen von dem Programm profitieren können. Grundlegend hierfür war die Tatsache, dass der Bedarf an Unterstützung durch Pat*innenschaften und Mentoring auch herkunftsunabhängig besteht. So ist zu erwarten, dass 2019 30.000 weitere Pat*innenschaften gestiftet werden. Die angelaufene zweite Wirkungsanalyse wird Ende 2020 erscheinen und dies zeigen. Das Programm fördere ein zentrales Element für Pat*innenschaften, die Beziehungsarbeit. Da es sich um einen hochsensiblen Bereich handele, brauche es Spezialist*innen im Hauptamt, die als Back-Up sicherstellen, dass das Ehrenamt gut geleistet werden könne. Pat*innenschaften bedürften einer Perspektive nach vorn, dazu gehörten auch Entwicklungsmöglichkeiten im Sinne eines „train the trainer“. Für all dies werde finanzielle Stabilität benötigt. Der Bildungsbegriff müsse erweitert werden, so sei z.B. die emotionale Bildung in früher Kindheit sehr wichtig und Versäumnisse an dieser Stelle durch kognitive Bildung später schwer nachholbar. Hilfestellungen und Interventionen durch das bürgerschaftliche Engagement sollten dabei die ganze Familiensituation berücksichtigen. Die zentrale Frage müsse lauten: Wie kommen wir zu einer solidarischen Gesellschaft und welchen Beitrag leistet Engagement hierfür? In der Bildungspolitik müssten Bildungsangebote außerhalb des Lernorts Schule verstärkt wahrgenommen werden. Außerschulische Angebote bieten vielfältige Gelegenheiten, Themen wie 8 | EINLEITUNG Anti-Rassismus, Nachhaltigkeit und Ökologie lebensnah und relevant zu vermitteln. Außerdem sei es wichtig, dass Schulen sich noch mehr für Engagement- und Lernangebote öffneten und das Thema verstärkt Eingang in die Curricula der Bildungseinrichtungen finde. In Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Kongresses drohenden, später im Jahr abgewendeten, massiven Kürzungen für das Programm im Jahr 2020 erkannte das Ministerium an, dass die fehlende Perspektive hinsichtlich einer Kontinuität der Förderung zu Verunsicherungen im Trägerfeld führe. Eine längerfristige Förderung sei erstrebenswert, Grundlage dafür sei aber eine tragfähige Rechtsgrundlage, die es bislang nicht gäbe. BMFSFJ und BMI würden prüfen, welche rechtlichen Verbesserungen möglich seien. Das Demokratiefördergesetz ziele bereits in die Richtung von mehr Planungssicherheit. Die Bedeutung von rechtlichen Rahmenbedingungen, um Mentoring und bürgerschaftliches Engagement in der Bildung zu fördern, wurde hervorgehoben: Daueraufgaben gehörten dauergefördert, die Engagementpolitik solle dahingehend ausgerichtet sein, gut funktionierende Programme und die bestehende Infrastruktur, auf Bundes- wie auf lokaler Ebene, zu unterstützen. So könne das hohe Engagementpotenzial in der Gesellschaft genutzt werden, um den gesellschaftlichen Wandel produktiv zu gestalten, vielfältige Vorbilder zu schaffen, Radikalisierung entgegenzutreten und um Empathie und Resilienz zu stärken, die wichtige Grundfeste für eine lebendige Zivilgesellschaft und Demokratie seien. Letztlich gäbe es weder wirtschaftliche Prosperität noch politische Stabilität ohne gesellschaftliche Stabilität. Sichere Rahmenbedingungen für eine starke Engagement-Infrastruktur Die den Kongress beschließende Diskussionsrunde bündelte und reflektierte zentrale Inhalte der beiden Veranstaltungstage und nahm potenzielle Perspektiven des Programms in den Blick. Das Gespräch führten Dr. Christoph Steegmans, Unterabteilungsleiter Zentralabteilung 1 Demokratie und Engagement des BMFSFJ, Michael Bergmann, BBE-Sprecher*innenrat und Leiter Engagementförderung beim Deutschen Caritasverband, Olaf Ebert, Geschäftsführer der FreiwilligenAgentur Halle-Saalkreis, sowie Elisabeth Kaneza, Gründerin der Kaneza Foundation for Dialogue and Empowerment und BBE-Themenpatin für Junges Engagement. Die Teilnehmenden positionierten sich eingangs mit Statements zu ihren engagementpolitischen Visionen für die nächsten fünf bis zehn Jahre. In die folgende Diskussion flossen auch die wichtigsten Befunde aus der vorangegangenen Arbeit in den Panels „Wissenschaft trifft Praxis“ ein. 9 | EINLEITUNG Pat*innenschaften und Mentoring ermöglichten Begegnungen auf Augenhöhe – gut umgesetzt wie im Programm „Menschen stärken Menschen“ leisteten sie einen bedeutenden Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Generationsübergreifend, mit der Grundhaltung des gegenseitigen Lernens und Entwickelns könnten die Lebenserfahrungen und Kompetenzen beider Seiten fruchtbar gemacht werden. Idealerweise entstehe daraus ein gegenseitiges Empowerment, das Teilhabechancen fördere, und eine „Kultur des selbstverständlichen Engagements“, die zivilgesellschaftliches, solidarisches und demokratisches Handeln fördere. Bildungseinrichtungen sollten sich stärker für partizipative Ansätze (z.B. Schülerbeteiligungen) und Engagement öffnen. Alternative Gestaltungsformen von Bildung, z.B. mittels einer Reflexion des eigenen Engagements im Service Learning, seien geeignet, um Vorurteilen zu begegnen. Obwohl Deutschland ein Einwanderungsland ist, sei Chancengleichheit keine Selbstverständlichkeit, sondern nach wie vor ein Privileg des bessergestellten Teils der Mehrheitsgesellschaft. Mentoring könne Brücken zu mehr Teilhabemöglichkeiten bauen, wobei das Engagement alle Beteiligten stärke. Empowerment für Minderheiten sei wichtig, visionäres Ziel dabei: Diversität als Norm zu verstehen. Es bedürfe guter Rahmenbedingungen gleichermaßen für Hauptamtliche, Pat*innen/Mentor*innen und Mentees, damit die Programme stabil und qualitätsvoll umgesetzt werden könnten. Diese müssten durch einen gesellschaftspolitischen Rahmen flankiert werden, der über Parteigrenzen hinaus integrierend wirken sollte. Die Programmfinanzierung dürfe nicht zum Spielball haushaltspolitischer Konjunkturen gemacht werden, starke finanzielle Schwankungen bürgten die Gefahr, Engagierte zu verschleißen und verspielten das bestehende Vertrauen der Träger in die Förderer. Es bedürfe einer langfristigen Perspektive für die Weiterentwicklung des Programms. Im Sinne von Nachhaltigkeit sollte die jüngst gegründete Deutsche Stiftung für Ehrenamt und Engagement evaluieren, wie die Programme untereinander wirkten. Angesichts der Tatsache, dass die Gesellschaft sich in einem dynamischen Wandel befinde, müssten Programme stabil aufgestellt sein, um sich entsprechend neu justieren zu können. Der radikalisierte politische Diskurs, besonders geführt in den Sozialen Medien, aber auch die zunehmenden rechtsextrem motivierten Übergriffe und Gewalttaten machten deutlich, dass Engagement und gesellschaftlicher Zusammenhalt zunehmend wichtig seien. Nur mithilfe einer starken lokalen Infrastruktur könne die Demokratie und das Engagement vor Ort und in der Fläche wirksam gestärkt werden. DANKSAGUNG Der BBE-Pat*innen-Kongress gab den Rahmen für einen vielseitigen und inhaltsreichen Austausch – auf der Bühne, in den Fachforen und auch in den Pausen wurden spannende Diskussionen geführt und nachhaltige Impulse gesetzt. Wir danken allen Referent*innen für ihren Einsatz und die eingebrachte Expertise und allen weiteren Teilnehmenden für die Bereicherung aller Formate durch ihre aktive Beteiligung am fachlichen Austausch, der Vernetzung und einem offenen Miteinander. Weiterhin gilt unser Dank den weiteren Trägern für die professionelle und kollegiale Zusammenarbeit im Programm, die einen der Pfeiler für den Erfolg des Programms bildet. Nicht zuletzt danken wir dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und seinen Vertreter*innen des Bundesprogramms sehr herzlich für die immer sehr gute Zusammenarbeit und für die Ermöglichung des Kongresses. GRUSSWORTE 11 | GRUSSWORTE Grußwort JULIANE SEIFERT, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Sehr geehrter Herr Dr. Röbke, Sehr geehrte Frau Dr. Schwalb, Sehr geehrte Damen und Herren, als Odysseus sich auf den Weg machte, um mit Agamemnon, Achilles und vielen anderen gegen Troja zu ziehen, ließ er seine Familie auf Ithaka zurück: seine Frau Penelope und seinen Sohn Telemachos. Die Erziehung von Telemachos übergab er seinem alten Jugendfreund Mentor. So erzählt es Homer. Dort kommt der Begriff des Mentors her. Oft ein älterer, lebenserfahrener Mensch, der sich um einen jüngeren kümmert - der ihn auf seinem Lebensweg berät, begleitet und unterstützt. Von diesen Mentoren, Lotsen oder Paten gibt es viele in unserem Land – Frauen und Männer. Sie sind aktiv in der Hausaufgabenhilfe, als Vorlesepatinnen und -paten, als Integrationshelferinnen und Integrationshelfer und vieles mehr. Menschen, die auf andere zugehen, ihnen Hände reichen und Wege weisen. Menschen, denen unser Zusammenhalt am Herzen liegt. Menschen, die sich darum kümmern, dass an unserer Gesellschaft alle teilhaben. Dazu gehören auch Sie, die vielen Engagierten im Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“. Sie zeigen tagtäglich, was Engagement alles bewegen kann. Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz. Mit diesem vierten Kongress blicken wir auf vier gute Jahre zurück. Vier Jahre mit zehntausenden Patenschaften, vier Jahre des Miteinanders und Füreinanders. Am Anfang stand eine Idee: Das große Engagement der Menschen in unserem Land zu nutzen, um zu uns geflüchteten Menschen das Ankommen zu erleichtern. Weil man eine Sprache leichter lernt, wenn man sie nicht nur im Unterricht in Rollenspielen übt, sondern sie im Alltag anwendet. Beispielsweise um sich über Kindererziehung, die letzten Fußballergebnisse oder Kochrezepte auszutauschen. Und weil man weniger Berührungsängste hat, wenn man einfach mal mitgenommen wird: Beim ersten Mal einkaufen, beim ersten Arztbesuch, bei der Eingewöhnung der Tochter in der Kita. Wir im Bundesfamilienministerium verstehen uns als Gesellschaftsministerium. Daher haben wir gesagt: Wir dürfen die Menschen nicht allein lassen, die sich überall im Land einbringen. Die anpacken, anstatt zu resignieren, die gestalten, anstatt zu mäkeln. Das war der Startschuss für unser Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“. Dieser Schuss hallt bis heute nach. Das zeigen dieser Kongress und der Programmerfolg. Seit dem Start haben wir über 94.000 Patenschaften gestiftet. Eine unglaubliche Zahl, zumal da ja oft mehrere Personen, manchmal ganze Familien dazugehören. Ein Schlüssel zum Erfolg von „Menschen stärken Menschen“ sind die 29 Programmträger. Und die über 500 lokalen Einrichtungen, die das Programm gemeinsam umsetzen. Das Programm gibt kein bestimmtes Konzept vor, kein „one fits all“. Die Einrichtungen vor Ort kennen die Menschen und die Herausforderungen. Sie wissen, was gebraucht wird und sorgen dafür, dass das Angebot dazu passt. Dabei werden sie von den Trägern unterstützt: zum Beispiel mit administrativem Know-How und Öffentlichkeitsarbeit. Viele von Ihnen sind heute hier. Daher will ich diese Gelegenheit nutzen und Danke sagen. Vielen Dank für Ihren Einsatz! Ohne Sie wäre dieser Erfolg, wäre dieses Programm undenkbar. Sie sorgen für das Matching von potenziellen Patinnen, Paten und 12 | GRUSSWORTE Mentees. Sie begleiten die Patenschaften, beraten alle Beteiligten und halten den Kontakt oft noch weit über die eigentliche Patenschaft hinaus. Das führt mich direkt zum zweiten Schlüssel des Erfolgs: den Engagierten. Es sind Menschen, die handeln, die aufeinander zugehen und einen Unterschied machen. Eine Patenschaft ist eine ganz besondere Art des Engagements. Sie verlangt von beiden Seiten, sich aufeinander einzulassen. Sie bedeutet, eine andere Perspektive kennenzulernen und auch mal Kritik zu ertragen und Konflikte auszutragen. Sie kostet viel Zeit und Kraft, oft mehr als eine einfache Vereinsmitgliedschaft, wo man einmal in der Woche oder im Monat hingeht – oder auch nicht. In einer Patenschaft steckt viel Arbeit. Aber anderen helfen macht auch viel Spaß. Das sagt uns die Wirkungsanalyse des Programms. Bei einem Träger haben zum Beispiel 93 Prozent der Befragten angegeben, dass ihnen ihr Engagement Spaß macht und sie persönlich weiterbringt. So wie bei Malik aus Afghanistan. Einige Zeit nach seiner Ankunft in Deutschland bekam er 2017 einen Lernpaten, der ihn beim Deutschlernen und im Alltag unterstützt hat. Er besucht mittlerweile die 12. Klasse des Berufskollegs in Ratingen und will nach seinem Abschluss gerne Informatik studieren. Kürzlich hat er eine Wohnung gefunden, in der er mit seinem Bruder bald einziehen möchte. Weil für ihn zu einem echten Zuhause die Familie einfach dazugehört. Er hat es geschafft. Er ist angekommen – und will nun anderen helfen, das Gleiche zu erreichen. Er will der Gesellschaft und den vielen Menschen, die ihn unterstützt haben, etwas zurückgeben. Seit dem letzten Jahr hat er selbst eine Patenschaft übernommen und gibt einem Schüler aus der siebten Klasse Nachhilfe in Mathematik. Die Erfolge und die Vielfalt der Angebote haben uns im letzten Jahr (2018, Anm. d. Red.) darin bestärkt zu sagen: Wir weiten das Programm aus. Alle Menschen, die sich in einer schwierigen Situation befinden, haben Unterstützung und ihre Chance verdient. Und wenn das nicht reicht, eine zweite oder dritte: Die Chancenpatenschaften waren geboren. Ob junge Schulabbrecher, die Begleitung auf ihrem Weg zurück ins Bildungssystem benötigen, ältere Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind und drohen, zu vereinsamen, oder Strafgefangene, die sich auf ihr Leben in Freiheit vorbereiten wollen. Sie alle können unterstützt werden. Der Erfolg des Programms und Ihr Einsatz sprechen für sich. Sie sind die beste Werbung für bürgerschaftliches Engagement. Für den Wert, den ein persönliches Engagement für einen selbst und für unsere Gesellschaft insgesamt hat. Und Sie sind mit Ihrem Einsatz nicht allein. Es gibt weitere Programme, die den Mentoring- oder Patenschaftsansatz erfolgreich nutzen. Etwa die „Aktion zusammen wachsen“, die seit 2008 über ihre eigene Projektdatenbank potentielle Mentoren und Patinnen und Paten mit Projekten zusammenbringt. Projekte, die wiederum Kinder und Jugendliche in ihrer Sprach- und Lesekompetenz und auf ihrem Bildungsweg unterstützen. Da die „Aktion zusammen wachsen“ sich auch an ältere Menschen nach der Erwerbsphase richtet, trägt sie zugleich zum Dialog zwischen den Generationen bei. Das kann für unsere älter werdende Gesellschaft nur gut sein. Ein anderes Programm, das sich der Unterstützung und Begleitung von Familien widmet, ist unser ESF-Programm „Elternchance“. Über 12.000 pädagogische Fachkräfte haben wir damit zu Elternbegleiterinnen und Elternbegleitern qualifiziert. Sie sind nah an den Familien dran. Und das bundesweit. Sie arbeiten in Familienzentren, Kitas, Mehrgenerationenhäusern, Jugendämtern und anderen Stellen. Sie kennen die Angebote vor Ort für Familien und stehen Eltern mit Rat und Tat zur Seite. Zum Beispiel bei der Suche nach einem Kita-Platz, der weiterführenden Schule oder anderen Förderangeboten. Hier die Zusammenarbeit und den Austausch voranzubringen, ist sicher 13 | GRUSSWORTE wertvoll. Auf diese Weise können wir gemeinsam vorhandenes Wissen nutzen, um die Qualität von Patenschaftsprogrammen, ihre Angebote und Möglichkeiten weiterzuentwickeln. Das stärkt jedes einzelne Projekt und das bürgerschaftliche Engagement insgesamt. Dafür setzen wir uns auch mit der Deutschen Engagementstiftung ein, die wir noch in diesem Jahr gründen. Sie wird eine Anlaufstelle für alle sein, die sich für unser Gemeinwesen einbringen wollen. Mit der Stiftung wollen wir Engagement überall, aber besonders in strukturschwachen Regionen stärken. Wir wollen für einen besseren Austausch untereinander sorgen, damit gute Beispiele schneller Schule machen. Und damit Engagierte schnelle Antworten finden, wenn sie sich zum Beispiel fragen: Welche Partner gibt es für meine Initiative im Umkreis? Wo finde ich Fortbildungsangebote? Oder: Wie werbe ich Spenden ein und was muss ich beim Thema Datenschutz besonders beachten? Mit der Stiftung wollen wir den Engagierten in Deutschland den Rücken stärken. Dieses wertvolle Engagement hat einen stabilen Rahmen und Förderung verdient. Meine Damen und Herren, Sie arbeiten mit Ihrem Engagement in Patenschaftsprogrammen dafür, dass alle Menschen ihren Weg gehen können. Sie arbeiten für gesellschaftliche Teilhabe, für Bildungs- und Chancengerechtigkeit. Für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für alle. Wie das noch besser gelingen kann, darüber werden Sie sich heute und morgen austauschen. Ich danke den vielen Fachleuten, die ihr Wissen hier einfließen lassen. Und ich danke dem Bundesnetzwerk für Bürgerschaftliches Engagement, das für Sie wieder ein spannendes, vielseitiges Programm auf die Beine gestellt hat. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit und wünsche Ihnen einen erfolgreichen Kongress. Es gilt das gesprochene Wort. 14 | GRUSSWORTE Pat*innenschaften stützen: Vom persönlichen Blick zu den Forderungen an die Engagementpolitik DR. THOMAS RÖBKE, Vorsitzender des BBE-Sprecher*innenrats, Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte heute mit Ihnen einen Parforceritt absolvieren, nämlich von ganz persönlichen, oft sehr berührenden, manchmal ernüchternden, ja frustrierenden, manchmal stolz machenden Erfahrungen (mein erster Punkt) über die Frage, was bürgerschaftliche Pat*innenschaften leisten können (mein zweiter Punkt), bis hin zu den rahmensetzenden und fördernden Bedingungen der Engagementpolitik (mein dritter Punkt). Ich komme also vom Einzelnen ins Allgemeine. 1. Persönliche Erfahrungen Vor fünf Jahren begann ich ehrenamtlich zwei Jugendliche zu unterstützen, die als unbegleitete Flüchtlinge nach Nürnberg kamen. Die Bedingungen damals waren noch sehr entspannt, keine vollen Aufnahmeeinrichtungen, die von Sicherheitsdiensten bewacht wurden, wie sie nach dem großen Ansturm über die Balkanroute im Herbst 2015 aus dem Boden gestampft wurden, sondern eine gut ausgestattete Jugendhilfeeinrichtung, in der beide ihre eigenen Zimmer hatten. Ich wollte mich engagieren und wandte mich an eine Anlaufstelle der Arbeiterwohlfahrt, die derartige ehrenamtliche Tätigkeiten in Nürnberg vermittelt. Und so kam ich dann zu Ali und Sultan (Namen geändert), die einen Nachhilfelehrer suchten. Obwohl sie erst seit ein bzw. zwei Jahren in Deutschland lebten und ihre Deutschkenntnisse noch äußerst lückenhaft waren, wollten sie unbedingt einen qualifizierten Hauptschulabschluss schaffen. Dass Bildung der Schlüssel zur Integration ist, musste man ihnen nicht eintrichtern. Das wussten sie schon selbst. Ich lernte zwei wissbegierige, freundliche Jungen kennen, die unglaublich schnell die deutsche Sprache erlernten und die Kugeloberfläche berechnen konnten. Meine Frau sagte mir, als beide dann tatsächlich den qualifizierten Hauptschulabschluss geschafft hatten, so voller Stolz und Freude hätte sie mich schon lange nicht mehr gesehen. Und in der Tat: Das hat mir schon die Tränen in die Augen getrieben. Bei dem von mir spendierten Belohnungseis hatte ich ihnen dann das Du angeboten und meinte auch, dass mein Einsatz jetzt zum Ende gekommen sei. Aber beides lehnten sie ab. Sie wollten weiter Sie zu mir sagen, weil man das eben zu Lehrern aus Respekt so sagt, meinten sie. Und außerdem wollten sie jetzt die Mittlere Reife machen und da brauchten sie meine Unterstützung. Naja, das hat mich nochmal stolz gemacht, muss ich zugeben. Ich habe aus der Innensicht eines betroffenen Ehrenamtlichen mal versucht, meine Rolle zu definieren: Ehrenamtliche können keine offiziellen Dokumente ausstellen oder Traumata psychologisch aufarbeiten. Aber sie können für eine freundliche Normalität sorgen und Vertrauen herstellen. Also unangestrengt und selbstverständlich für Beheimatung sorgen. Das ist oft beglückend, aber auch manchmal frustrierend. Es stößt sich auch an politischen Gegebenheiten, deshalb haben sich auch viele Flüchtlingshelferkreise öffentlich zu Wort gemeldet. Man muss sich auch 15 | GRUSSWORTE immer wieder selbst motivieren, obwohl ich doch gerade von den Jungen viel Wertschätzung erfahren habe. Ich habe mal auf einer längeren Taxifahrt in Berlin meine Erlebnisse einem afghanischen Taxifahrer erzählt, der schon Jahrzehnte in Deutschland lebt. Er sagte mir: „Sie wissen gar nicht, wieviel sie diesen Jungen bedeuten, sie sind doch hier einer der wichtigsten Anker für sie.“ Das hat mir auch meine Verantwortung aufgezeigt. Aber ich habe viel gelernt, nicht nur über andere Kulturen, sondern auch über meine eigene. Es ist einfach unglaublich, welche Sicht man auch auf seine eigene erhalten kann, wenn man sie gleichsam durch fremde Augen reflektiert. Mir ist aufgegangen, nur als kleines Beispiel, in welch unsäglichem Deutsch die meisten mathematischen Textaufgaben formuliert sind. Das ist zum Teil hanebüchen. Und warum muss man sich sieben unterschiedliche sprachliche Ausdrücke für Plus und ebenso viele für Minus ausdenken, wenn man doch nur Gleichungen in Sprache übersetzt? Was hat das mit der Praxis zu tun? Dann scheitern Schüler nicht an der Rechnung, sondern an einem komplizierten und schlechten Deutsch, das niemand spricht. Über die lange Zeit hat sich das persönliche Vertrauen vertieft. Ali und Sultan fragen mich schon mal, wie das mit den Mädchen ist, und ich denke, ich sollte da nicht anders reagieren als bei meinem eigenen Sohn: die Nöte hören, über die ungeheure Schüchternheit sprechen, über den Respekt, sich dem anderen Geschlecht zu nähern. Als die Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln bekannt wurden, reagierten sie mit absolutem Unverständnis. Die folgende Diskussion hat übrigens dazu geführt, dass wir gemeinsam in den Film „Suffragetten“ gegangen sind. Sie haben mitgefiebert mit den Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in England für das allgemeine Wahlrecht gekämpft haben. Und wir haben alle herzlich gelacht, als im Abspann des Filmes in chronologischer Reihenfolge die Länder aufgezählt wurden, die das Frauenwahlrecht eingeführt haben. Da stand dann an vorletzter Stelle die Schweiz (1971), danach kam Saudi-Arabien, das 2015 das kommunale Frauenwahlrecht einführte. Auch wenn wir zu unseren Grundwerten stehen, so hat mich diese Erfahrung doch zwei Dinge gelehrt: Erstens, unsere Grundwerte wurden erkämpft, sie existieren nicht schon seit einer europäischen Ewigkeit und dieser Kampf ist auch noch nicht zu Ende, denn die Gleichberechtigung der Frauen ist heute immer noch auf der Tagesordnung. Zum anderen sollten wir nicht in das Vorurteil verfallen, dass muslimische Jungs grundsätzlich anders denken. Ich will damit die Probleme der Integration keinesfalls kleinreden. Aber ich glaube doch, dass die Rolle einer ehrenamtlichen Begleitung, die eben freundlich darüber aufklärt, wie unsere 16 | GRUSSWORTE Gesellschaft tickt, für gelingende Integrationsprozesse von großer Bedeutung ist. Denn viele Konflikte beruhen nicht auf einem prinzipiellen „Clash of Cultures“, sondern eher auf der Unsicherheit, welche Regeln gelten, welche feinen Signale im gesellschaftlichen Verkehr zu beachten sind, um keinen Fauxpas zu begehen. Ich erlebe die Begegnung mit den beiden für mich wie ein Gegengift zu jenen Nachrichten, die mich täglich erreichen. Sultan ist Sunnit und kommt aus dem Norden Pakistans, Ali ist Schiit und stammt aus Afghanistan. Sie sind Freunde und respektieren einander. Sie haben mir den Unterschied erklärt, der in der Auffassung über die Nachfolge des Propheten seinen Ursprung hat. Ich dachte mir, naja, was so kleine Abweichungen für große Wirkungen erzielen können. Aber wir waren ja im Christentum auch nicht anders: Unser Streit über das Abendmahl oder noch früher über das Wesen der Dreifaltigkeit hat im Christentum zu großen Schismen geführt, die zum Teil in blutigen Glaubenskriegen ausgefochten wurden. Gemeinsam besuchen wir die beiden Moscheen, in denen Sultan und Ali ihr Gebet verrichten. Die sind, von außen gesehen, die letzten Bruchbuden, von innen betrachtet liebevoll hergerichtete Gebetsräume. Der Imam empfängt mich respektvoll, wir kommen ins Gespräch, anfangs schüchtern, dann immer herzlicher. Sultan übersetzt, was ihn sichtlich stolz macht. Wir reden darüber, dass für den Frieden in der Welt jeder Mensch wichtig sei, ungeachtet seiner religiösen Zugehörigkeit. Es komme doch auf die Begegnung an. Im Hintergrund spielen Kinder Fangen, sausen jauchzend über die Teppiche und schlugen sich dort frei, wo sonst der Vorbeter seinen Platz einnimmt. Der Imam lächelt etwas schüchtern. Die wüssten, das könnten sie sich herausnehmen, weil ja jetzt Besuch da sei. Wir lachen gemeinsam. Ich zeige Sultan und Ali, gleichsam als Gegenbesuch, den Nürnberger Johannisfriedhof und die Lorenzkirche mit ihren imposanten Kulturschätzen. Im Zeitalter einer besseren ökumenischen Verständigung, denke ich mir, wäre es schön, wenn man mal die Räume der Gottesdienste wechseln würde. Über die Jahre bleiben die Kontakte regelmäßig, aber sie werden auch weniger und dann erfahre ich, mit welchen Zufällen, aber auch mit welcher Härte politische Schläge die so hoffnungsvollen Wege krümmen können. Sultan ist in Pakistan geboren. Die Region, aus der er stammt, war ein wichtiges Rückzugsgebiet der Taliban, auch Bin Laden hatte dort seinen Unterschlupf gefunden. Die Taliban wollten dort mit Gewalt den Menschen ihre strengen Regeln aufzwingen, daher hat er sich auf den Weg gemacht und seine Heimat verlassen, kurz nachdem er seinen Vater bei einer Bombenexplosion verloren hatte. Als Ältester sollte er wenigstens in Sicherheit kommen, um die Familientradition fortzuführen. Diese Haltung ist uns modernen Kleinfamilien vielleicht fremd und sie hat auch ihre Untiefen, wie man noch sehen wird. Die Taliban wollten einen Gottesstaat errichten, sie wollten dafür eine Kinderarmee unter Zwang rekrutieren, der sich auch einige Spielgefährten und Schulkameraden Sultans anschließen mussten. Mit entführten Kindern wollten sie ihre Kampfgruppen verstärken. Mädchen und Frauen mussten sich in eine Burka hüllen. Die Taliban schlossen die Schulen, zerstörten sogar die Schulgebäude. Kinder und Frauen trauten sich nicht mehr auf die Straße. Das Leben in Pakistan war seit dieser Zeit von Extremen geprägt. In der Kulturmetropole Punjab singen Sufi-Rocker von Liebe und Leidenschaft, während radikale Islamisten den Hass auf Andersgläubige predigen. Pakistan an sich ist ein sehr schönes Land, alle sind sehr höflich und gastfreundlich, sagt Sultan. „Aber ich habe gesehen, wie schnell sich eine Kultur spalten und selbst zerstören kann, durch Fanatismus und Gewalt, die überall Misstrauen säen.“ 17 | GRUSSWORTE Sultan kommt nach längeren Irrfahrten nach Deutschland. Er lernt schnell. Schon nach einem Jahr kommt er in eine Regelschule. In 2014 besteht er den qualifizierten Hauptschulabschluss mit einem Durchschnitt von 2,3. Das war der zweitbeste Abschluss der ganzen Schule. Er will in zwei Jahren die mittlere Reife machen. Nach einem guten Zeugnis nach dem ersten Jahr bekommt er von einer Firma einen Lehrvertrag angeboten, aber er kann nicht zusagen, weil er vom Ausländeramt keine Arbeitserlaubnis erhält. Er klagt, verliert vor Gericht, er bekommt keinen Aufenthaltstitel. Pakistan gilt als einigermaßen sicher, die Bedrohung, die er als Kind erfahren hatte, nicht so schwerwiegend. Das ist die Situation, als er im zweiten Schuljahr für die Mittlere Reife steckt. Seine Noten werden schlechter, er lässt die Schule schleifen, verfehlt dann die Mittlere Reife, was er mir aber verheimlicht. Immer mehr zieht er sich in eine Community von pakistanischen männlichen Jugendlichen zurück. Er gerät in eine Schlägerei mit indischen Jugendlichen, obwohl er selbst nicht Hand anlegt, wird das eben polizeilich vermerkt. Irgendwann werde ich von Sultans sozialpädagogischem Betreuer davon in Kenntnis gesetzt, dass Sultan immer öfter in der Schule fehlt. Ich versuche mich für ihn einzusetzen. Er ist doch gut integriert und hat sogar eine Lehrstelle in Aussicht, das muss doch zählen. Das Ausländeramt in Nürnberg ist allerdings bekannt für seine Unnachgiebigkeit, es halte sich an das Gesetz, lege es aber kaum aus nach den auch möglichen Spielräumen, sondern bleibe buchstabentreu. So sagt man. Ich selbst kann das nicht beurteilen. Ich wende mich an den Oberbürgermeister. Er verspricht auch zu unterstützen. Ich nenne im Gespräch mit ihm den in Schweden so erfolgreich umgesetzten Spurwechsel, wo Asylbewerber, die sich integriert und gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt haben, eine Chance erhalten, bleiben zu können. Der Bürgermeister sagt, schöne Idee, aber das wird dauern, bis das kommt. Seit Mai 2019 gibt es jetzt das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“, das den Spurwechsel vorsieht, aber für Sultan kommt das zu spät. Er zieht seine eigenen Schlüsse. Ich weiß nicht, ob er wirklich akut von einer Abschiebung bedroht ist oder in Panik gerät. Er verheimlicht das, und eines Tages ist er verschwunden. Der Kontakt reißt ab, aber Ali bekommt mit, dass Sultan auf irgendeinem sozialen Medium immer mal wieder postet. Seine Stationen in den letzten eineinhalb Jahren: Italien, dann Calais, er will nach England, was misslingt, dann soll er wieder nach Deutschland gekommen sein. Dann reist er zu seiner Familie nach Pakistan, geht aber nach Kurzem wieder nach Europa – ob seine Familie ihn wieder geschickt hat, um als ältester Sohn das Familienerbe aufrechtzuerhalten? Er will über Europa nach Kanada, es misslingt. Heute soll er bei Mailand sein. Er will zurück nach Deutschland. Von was lebt er? Will ich es wissen? 18 | GRUSSWORTE 2. Nun zu der hellen Geschichte mit einem guten Ausgang: Ali stammt aus Afghanistan. Er gehört zur Volksgruppe der Hazara, die von den Taliban verfolgt wird. Im Dezember 2012 kommt er alleine nach Deutschland. Sein kleiner Bruder war anfangs mit ihm auf der Flucht, aber hat es körperlich nicht durchgestanden und musste zurück. Jetzt ist er tot, von Taliban erschossen. Ali ist im Krieg geboren. Sein liebstes Spielzeug waren Patronenhülsen. Taliban bedrohen und töten Hazara, weil sie schiitischen Glauben haben. Auch der Onkel und die Mutter Alis wurden, nachdem Ali schon in Deutschland in Sicherheit war, von Taliban ermordet. Trotz dieser Schicksalsschläge verzagt Ali nicht. Er ist kein so guter Schüler wie Sultan, schafft den qualifizierten Hauptschulabschluss mit Ach und Krach, geht auf eine Sozialpflegeschule, wird nach zwei Jahren dort auch mit Ach und Krach gerade seinen Abschluss schaffen, aber er schafft ihn. Und er hat eine große lebenspraktische Intelligenz. Er jobbt schon während seiner Schulzeit bei der Caritas, die ihm nach der absolvierten Schule eine feste Stelle in Aussicht stellt. Er holt sich die nötige Hilfe, um durch den ganzen Antragsdschungel durchzukommen. Jetzt hat er eine Arbeitserlaubnis, einen festen Job und eine feste Wohnung. An der Wohnung zeigt sich wieder einmal, wie wichtig Ehrenamt sein kann. Der Vermieter verspricht sie ihm, vorausgesetzt an einem festen Termin ist die Kaution auf dem Konto. Die Überweisung durch das Amt verzögert sich, der Vermieter will abspringen, ich überbrücke mit einem Kredit. Sonst wäre die Wohnung weg gewesen. Wegen zwei Wochen! Ali drückt mir immer wieder seine Dankbarkeit aus. Am meisten freut mich, dass er selbst ehrenamtlich tätig geworden ist: Als Übersetzer und als Betreuer eines Sprachcamps für junge Flüchtlingskinder. 3. Rollen der ehrenamtlichen Pat*innenschaften Soweit meine Erfahrungen als Pat*innenonkel. Ein wirkliches Wechselbad der Gefühle! Nun habe ich natürlich viele Menschen, mit denen ich meine Erfahrungen teilen kann und die wie ich professionell im sozialen Bereich arbeiten. Die Einsatzstelle bei der AWO, die Fortbildungen und regelmäßigen Austausch der Ehrenamtlichen anbietet, ist mal für zwei Jahre finanziert, dann fehlt das Geld, dann gibt es mal wieder etwas, dann wird sie wieder zurückgefahren. Was machen die Pat*innen, die auf diese Unterstützung mehr als ich angewiesen sind? Gerade wenn man auch solche Situationen bei den Pat*innenschaften durchlebt. 19 | GRUSSWORTE Dafür ist es unabdingbar, klar herauszuarbeiten, was die wichtigsten Vorteile ehrenamtlicher Hilfestellungen und Unterstützungsleistungen sind. Denn oft höre ich auch die Meinung: „Jetzt, da es ja einen gut aufgestellten hauptamtlichen Mitarbeiterstab wie Asylberater oder Integrationslotsen gibt (der natürlich auch schon wieder bröckelt, weil ja angeblich die akuten Hilfesituationen zurückgehen), dann können die Ehrenamtlichen ja gerne wieder nach Hause gehen.“ Das ist Unsinn, weil sie gerade etwas ganz Spezielles mitbringen, was Hauptamtliche gar nicht so leisten können. Ehrenamtliche spielen in diesem Integrationsprozess immer noch eine wichtige Rolle. Sie können freundliche Brückenbauer, Begleiter und Übersetzer sein. Sie können menschliches Vertrauen aufbauen und viele alltägliche Hilfestellungen geben, ob im Verein, in Schule und Kindergarten oder beim Ämtergang. Aber sie sind keine Angestellten der Polizei oder der Asylberatung, die durch ihre Stellung Autorität besitzen. Also mein zweiter Punkt: Die Rollen der Ehrenamtlichen in unserer Gesellschaft im Allgemeinen und der Pat*innenschaften im Besonderen kann man folgendermaßen umschreiben: • Die Engagierten haben eine Vorbildfunktion: Sie können andere Menschen immer wieder aufs Neue überzeugen, dass Engagement und Ehrenamt nicht nur wichtig und ehrenhaft, sondern auch sinnergebend und bereichernd sind. Konkrete Bereiche in denen das ehrenamtliche Engagement besondere Qualität hat, gibt es viele. Sie können vor allem Hilfe leisten, wo gerade Hilfe gebraucht wird, ganz unbürokratisch, siehe meine Kaution! • Empathie zeigen: Jeder Mensch braucht – neben materiellen Grundlagen – Zuwendung, für jeden ist Zuneigung ein sehr wertvolles Gut. Die hauptamtlichen Helfer haben vor allem eine professionelle Aufgabe, auch wenn sie diese mit Empathie persönlich erfüllen. Bei Ehrenamtlichen steht Empathie ganz weit oben, weil sie ja das, was sie tun, freiwillig und unentgeltlich tun, und sie es ja nicht tun würden, wenn es ihnen nicht um den einzelnen Menschen ginge. • Orientierung geben: Wir dürfen nicht unterschätzen, wie kompliziert unsere Welt für Bedürftige ist. Da ist natürlich einerseits die Kompliziertheit des heutigen Lebens und heutiger Konfliktsituationen im Großen und Kleinen. Da ist aber auch eine andere Kompliziertheit: Wir haben in unserem sozialen Gemeinwesen gottseidank sehr viele Hilfsangebote: Beratung, materielle Hilfen, pädagogische Hilfen und vieles andere mehr. Wo es selbst für Hauptamtliche schwierig ist, die Übersicht zu bewahren, ist das für Ehrenamtliche – wie gut auch immer sie sich qualifizieren – kaum möglich. Aber sie versuchen es und gehen die wichtigen ersten Schritte für die Menschen, für die sie sich einsetzen. Sie haben kein Ressortdenken in Zuständigkeiten, sie wollen Alltagsorientierung leisten (siehe meine Gespräche mit meinen Jungs, wie man sich dem anderen Geschlecht gegenüber zu verhalten hat). • Wege aufzeigen: Wo Ehrenamt gut funktioniert, sind es die Ehrenamtlichen – im Sozialen, genauso wie im Sport oder im Rettungswesen – die andere Menschen durch Zuspruch und Unterstützung begleiten können. Ehrenamtliche Pat*innen helfen, den „Weg zum eigenen Weg“ (Rainer Plöße: Rede zum vierten Bayerischen Ehrenamtskongress 2018 in Nürnberg, Anm. d. Red.) zu gehen. Sie sollten auch dazu ermutigen, dass die Pat*innenkinder sich selbst stark genug fühlen, anderen etwas abzugeben, also etwa selbst ein Ehrenamt zu übernehmen. • Teilhabe ermöglichen: Ehrenamtliche sind in der Regel besser situiert als der Durchschnitt der Bevölkerung und natürlich vor allem auch als die Bedürftigen in einer Stadt. Ich glaube, dass vielen besser situierten Menschen in unserer Stadt gar nicht bewusst ist, wie viele Menschen von wie vielen Feldern der Teilhabe ausgeschlossen sind: materiell, sozial (hier 20 | GRUSSWORTE gemeint als Kontaktnetze, die sich gegenseitig stützen) und kulturell. Umso wichtiger ist die Aufgabenstellung, andere Menschen an Teilhabe teilhaben zu lassen – d.h. Erfahrungen zu ermöglichen, die jenseits der bisherigen und engeren Lebenssphären liegen. • Das geht bis zur politischen Teilhabe. Alle diese Prozesse, zu denen die Ehrenamtlichen so viel beitragen können, führen – hoffentlich – zu einem „freien, selbstbewussten, zur Solidarität fähigen Menschen in einer demokratischen Gesellschaft“ (Rainer Plöße: Rede zum vierten Bayerischen Ehrenamtskongress 2018 in Nürnberg, Anm. d. Red.). Wir kennen viele Geschichten, wo tatsächlich ein einzelner Ehrenamtlicher, eine einzelne Ehrenamtliche einem Menschen in schwieriger Situation den entscheidenden Impuls geben konnte, auf den der Empfänger – oft Jahrzehnte später – noch mit Dankbarkeit zurückblickt. • Nicht zuletzt: Innovationsmotor für gesellschaftliche Themen und soziale Fragen: Nicht jeder Politiker freut sich über jede Anregung oder auch Protest aus den Reihen der Bürgerschaft. Aber gleichzeitig sind gerade die Kommunalpolitiker sehr sensibel, was die aus dem bürgerschaftlichen Engagement kommenden Ideen betrifft. Gerade, wenn man die „historische Brille“ aufsetzt und die letzten Jahrzehnte Revue passieren lässt - dann weiß man als Politiker, wie gut es ist, die Innovationskraft der Bürgerschaft zu würdigen: Das betrifft die Entwicklung der ganzen sozialen Arbeit des letzten Jahrhunderts, die Entwicklung der Volkshochschulen seit den 1920er Jahren, die Sensibilität für Umweltthemen, die Entwicklung der Hospizbewegung und vieles andere mehr. Und was hat man davon? Ehrenamtliche bekommen viel dafür zurück: Sie können ihre Talente einbringen, sie merken, wie ihre Unterstützung ankommt, fühlen sich gebraucht. Sie erhalten spannende Einblicke in andere Lebenswelten und können sich selbst und ihre eigene Kultur daran prüfen. Sie können gestalten wie in kaum einem anderen Bereich des gesellschaftlichen Lebens. Natürlich ist auch vieles im Ehrenamt reglementiert, aber dennoch sind die Freiheitsgrade im Gegensatz z.B. zu Bereichen der Erwerbsarbeit doch schon enorm. Man ist nicht weisungsgebunden, kann selbst mitentscheiden, welche Aktivitäten man durchführen will etc. 4. Rahmenbedingungen für Pat*innenschaftsprojekte Ich möchte mich abschließend den engagementpolitischen Rahmenbedingungen zuwenden: Ich habe natürlich eine besondere Situation mit meiner Pat*innenschaft für junge geflüchtete Menschen erlebt. Es gibt natürlich viel mehr Formen: Familienpat*innenschaften, Lesepat*innenschaften, Bildungspat*innenschaften, Sozialpat*innenschaften, Demenzpat*innenschaften etc. Viele Projekte variieren nach Themenschwerpunkten, aber auch nach Zielgruppen, vielleicht auch den Eigenschaften der Pat*innen. Gibt es da überhaupt allgemeine Aussagen über gute Rahmenbedingungen zu treffen? Ich meine ja. Zunächst: Die Bedeutung des Ehrenamtes in der Begleitung zwischen persönlicher Bindung und fachlicher Hilfe, die Patinnen und Paten anbieten, ist meines Erachtens nicht zu unterschätzen. Es gibt dazu mittlerweile beeindruckende Studien, u.a. von „Balu und Du“, die auch im Rahmen unserer Tagungsreihe „Bildung begleiten“ schon vorgestellt wurden. (Näheres hier) Die Bereitschaft Engagement am Laufen zu halten und nicht abzuwürgen, erfordert eine sensible Balance zwischen einer Regulierung einerseits, die für Sicherheit und Effektivität sorgt, ohne andererseits die Spontaneität der Hilfemotive in den Hintergrund zu drängen. Das ist manchmal schwierig. Ich erlebe das gerade an der Frustration von manchen ehrenamtlichen Initiativen über das Anwachsen der staatlichen Bürokratie. Es geht darum, ein gutes Maß an Eigensinn und ge- 21 | GRUSSWORTE sundem Menschenverstand, den die Ehrenamtlichen auch mitbringen, nicht nur zuzulassen, sondern wertzuschätzen. Aber den Ehrenamtlichen auch Sicherheit zu geben, dass sie ihre Aufgabe, die sie sich vorgenommen haben, gut bewältigen. Erstens: Ich beobachte, dass sich Pat*innenschaftsformate passgenauer profilieren. Wir hatten im „Zentrum Aktiver Bürger“ in Nürnberg, das ich vor langer Zeit einmal leitete, uns mit Familienpat*innenschaften ganz allgemein befasst, sahen aber mit der Zeit doch sehr unterschiedliche Unterstützungsbedarfe: Von der Hilfe, Formulare auszufüllen, prekäre Finanzen wieder ins Lot zu bringen bis hin zu jungen Familien, die gerade ihr erstes Kind bekommen hatten. Umgekehrt haben Patinnen und Paten auch eine gute Vorstellung davon, was sie gern machen würden und für welche Tätigkeiten sie sich eignen. Insofern wird das, was man im englischen matching nennt, also eine gute Passung zu finden, immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur um Tätigkeitsfelder, sondern auch um Grade der Verantwortungsübernahme, verfügbare Zeiten für die Pat*innenschaft, Dauer der Pat*innenschaft etc. Dazu benötigen Patinnen und Paten Rückhalt durch fachlichen Service und professionelles Freiwilligenmanagement, also verlässliche Infrastrukturen, an die sie sich wenden können. Am Beispiel der erwähnten Stelle der AWO zeigt sich die Problematik der Projektförderung, gerade dann, wenn es um langwierige Prozesse der Begleitung geht. Ehrenamt kann durch das Hauptamt und die wichtigen Institutionen unserer Gesellschaft überhaupt nicht ersetzt werden. Aber es braucht professionelle Unterstützung, nicht für zwei oder drei Jahre, sondern dauerhaft. Zweitens: man erinnert sich an mein Beispiel, die Kugeloberfläche zu errechnen. Ich habe mir das mühselig aus meinen alten Formelsammlungen herausgekramt. Dann aber stand ich vor der Frage: Wie vermittelt man das altersgerecht? Dann habe ich festgestellt, dass junge Menschen aus Pakistan zum Beispiel eine ganz andere Technik haben, Zahlen zu addieren. Also hätte ich mir auch ein interkulturelles Verständnis von mathematischen Aneignungsweisen gewünscht. Ich habe Bücher selbst gekauft, was man alles für einen qualifizierten Hauptschulabschluss wissen muss etc. Aufgrund dieser Erfahrungen bin ich sehr für ein gutes Fortbildungsangebot, wie es beispielsweise jetzt die „LernPatenAkademie“ der Landeshauptstadt München (Näheres hier) anbietet. Dann hätte ich mir, drittens, mehr Austausch mit den Institutionen wie Schulen oder auch Kindergärten oder den Jugendhilfeeinrichtungen auf Augenhöhe gewünscht. Auf was ist zu achten? Ge- 22 | GRUSSWORTE rade die Orte der formalen Bildung könnten meines Erachtens noch mehr entdecken, was sie mit einer besseren Unterstützung durch Ehrenamtliche gewinnen können und dafür auch die richtigen Bedingungen, wie regelmäßige Sprechstunden für Patinnen und Paten mit ihren Pat*innenkindern bieten. Viertens geht es um sichere Rahmenbedingungen. Wir haben beispielsweise immer noch viele ungeklärte Fragen z.B. bei Schulpat*innenschaften hinsichtlich Haftungsrecht, Unfallversicherung, Dienstaufsicht etc. Wir brauchen mehr Rechtssicherheit, aber eben nicht mehr Bürokratie. Manchmal hat man den Eindruck: Ja, den Patinnen und Paten wird da schon einiges zugemutet, von Datenschutzerklärungen bis zum regelmäßig vorzulegenden polizeilichen Führungszeugnis. Einen umgekehrten Check, was beispielsweise Schulen für Ehrenamtliche an Rechtssicherheit bieten sollten, um ein guter Ort für das Ehrenamt zu sein, gibt es allerdings nicht. So eine Art Qualitätssiegel für engagementfreundliche Institutionen. Und schließlich, fünftens, sollte man Insellösungen vermeiden. An die akute Flüchtlingssituation haben sich besondere Förderrichtlinien angeschlossen, die sich speziell an diese Zielgruppe richten. Dann kreiert vielleicht die Familienhilfe wieder eine besondere Form der Pat*innenschaft, dann die Schulverwaltung etc. Bei aller Differenzierung der Pat*innenschaftsformate, die oben ja auch begrüßt wurde: Es muss für Menschen, die sich engagieren wollen, einfache und niedrigschwellige Ansprechsituationen geben, keine versäulte Behördenstruktur. Das bedeutet also in Summe: gute Begleitung und passgenaues Engagement, niedrigschwellige Zugänge für die Engagierten, Fortbildungsmöglichkeiten, ein Feedback in schwierigen Situationen, das verlässlich gegeben ist, ein sicherer und verlässlicher Rahmen, Möglichkeiten für regelmäßigen Austausch mit Institutionen und Behörden auf Augenhöhe. Politik soll hierfür Ressourcen zur Verfügung stellen und Wege bereiten. Vor Ort ist man dann klug genug, das gut umzusetzen. Schluss Ich möchte mit meinen beiden Patenkindern diesen Vortrag beschließen. Je mehr wir miteinander bekannt wurden, desto mehr öffneten sie sich. Sie erzählten mir von den Toten, die sie schon als Kinder gesehen haben. Und sie hatten dieselbe Geschichte als ihre persönliche Utopie: Ihr Held ist Joseph oder Yusuf, dessen Legende gleichermaßen in Bibel und Koran steht. Nach Vertreibung durch seine Brüder, falschen Anschuldigungen, die ihn ins Gefängnis bringen und langen Jahren des Exils findet Joseph hochgeachtet zu seiner verzweifelten Familie zurück, verzeiht ihr und legt das Fundament für eine verheißungsvolle, gemeinsame Zukunft. Das ist doch ein schöner, ein allgemein menschlicher Ausblick auf eine Gerechtigkeit, zu der wir Patinnen und Paten unser Scherflein beitragen können. Arbeiten wir weiter daran. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit (Der Vortrag basiert auf einer Keynote im Rahmen der Tagung „Bildung begleiten V“ des Landesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V. und Arbeiterkind e.V. am 16.7.2019 in Nürnberg.) KEYNOTE 24 | KEYNOTE Sackgasse soziale Herkunft? Patenschaften als Chance für den Bildungserfolg PROF. DR. H.C. KLAUS HURRELMANN, Hertie School of Governance, Mit-Autor der 18. Shell-Jugendstudie Die 18. Shell Jugendstudie trägt den Untertitel „Eine Generation meldet sich zu Wort“. Trotz des weiterhin prägenden pragmatischen Grundmusters in den Einstellungen und Haltungen zeichnen sich bei den 12 bis 25 Jahre alten Befragten inzwischen deutliche Veränderungen gegenüber der vorangehenden jungen Generation ab. Die gegenwärtige junge Generation benennt wieder nachdrücklicher eigene Ansprüche insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Zukunft der Gesellschaft und fordert vermehrt aktiv ein, dass bereits heute dafür die aus ihrer Sicht erforderlichen Weichenstellungen vorgenommen werden. Wie sind solche Unterschiede zwischen den jungen Generationen zu erklären? Jede junge Generation ist – vor allem nach der Pubertät – durch ihre historisch einmaligen Lebensumstände geprägt. Daraus ergeben sich starke Impulse für gesellschaftliche Veränderungen. Jede Generation baut, wie die Sozialisationstheorie zeigt, ihre Persönlichkeit wie alle Generationen zuvor im Prozess der produktiven Verarbeitung der inneren und der äußeren Realität auf: • • • • • • Auf die als „skeptisch“ bezeichnete, nüchtern mit dem Wiederaufbau des Landes beschäftigte Nachkriegsgeneration der Geburtsjahrgänge 1925 bis 1940 folgen die rebellischen und hochpolitisierten „1968-er“ (geboren etwa zwischen 1941 und 1955), die sich mit dem autoritären Erbe ihrer Eltern kritisch und oft geradezu aggressiv auseinandersetzen, dann die konstruktiven und machtbewussten Babyboomer (geboren 1956 bis 1970), die in beiden deutschen Staaten politische und wirtschaftliche Strukturen festlegen und bis heute an den Schalthebeln der Macht sitzen, die unsicheren Angehörigen der Generation X (geboren 1971 bis 1985), die von Anfang an im Schatten der mächtigen Babyboomer stehen und die Unwägbarkeiten der Vereinigung der beiden deutschen Staaten aushalten müssen, die egotaktisch ausgerichteten jungen Leute der Generation Y (geboren 1986 bis 2000), die in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten groß werden, und die politisch aktiven Angehörigen der nach 2000 Geborenen, die oft als „Generation Z“ bezeichnet werden. Welche Lebensbedingungen finden die jungen Leute der Generation Z vor und wie gehen sie damit um? Welche Unterstützung brauchen sie bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen? Welche Rolle kann dabei ein Patenschafts-Programm einnehmen? 25 | KEYNOTE Schauen wir im Sinne der Sozialisationstheorie auf die großen Entwicklungsaufgaben im Jugendalter, auf die allgemein gültigen und historisch überdauernden Bereiche von Entwicklungsaufgaben, bietet sich die folgende Aufteilung an: 1. 2. 3. 4. „Bilden und Qualifizieren“: Die Entwicklung der intellektuellen und sozialen Kompetenzen für Leistungs- und Sozialanforderungen und der Fähigkeiten für spezifische Tätigkeiten, um die gesellschaftliche Mitgliedsrolle eines Berufstätigen zu übernehmen. „Eigene Beziehungen aufbauen“: Die Entwicklung der Körper- und Geschlechtsidentität, die emotionale Ablösung von den Eltern, der Aufbau von Freundschaftsbeziehungen zu Gleichaltrigen und die Fähigkeit der partnerschaftlichen Bindung, um die gesellschaftliche Mitgliedsrolle eines Familiengründers zu übernehmen. „Konsumieren und Medien nutzen“: Die Entwicklung von Regenerationsstrategien und die Fähigkeit zum Umgang mit Wirtschafts-, Freizeit- und Medienangeboten, um die gesellschaftliche Mitgliedsrolle eines Konsumenten zu übernehmen. „Werte bilden und Partizipieren“: Die Entwicklung eines individuellen Werte- und Normensystems und der Fähigkeit zur sozialen und politischen Gestaltung und Beteiligung, um die gesellschaftliche Mitgliedsrolle eines Bürgers zu übernehmen. 1. Bilden und Qualifizieren Die Generation Z, nach 2000 geboren, findet hervorragende Perspektiven in Ausbildung und Beruf vor. Die Folgen der Wirtschaftskrise sind nicht mehr zu spüren, die jungen Leute müssen nicht als Bittsteller bei Firmen und Behörden auftreten. Die demografische Entwicklung spielt ihnen in die Hände. Das traditionelle berufliche Ausbildungssystem bekommt die Folgen dieser Entwicklung zu spüren. Die meisten Betriebe haben keine Bewerber mit super Schulabschlüssen mehr. Sie tun sich schwer damit, sich auf mittelmäßig qualifizierte Schulabsolventen einzustellen. Sie stehen vor intensiven Investitionen in Bildung und Ausbildung, die notwendig wären, um Defizite auszugleichen. Die Ungleichheit wächst: Die Mehrheit macht heute das Abitur, schon rund 55 Prozent. Insgesamt fast 70 Prozent streben es laut der jüngsten Shell Jugendstudie an. Mit dem Abitur in der Tasche 26 | KEYNOTE studieren die jungen Leute immer häufiger. Aber es bleibt eine große Ungewissheit. Denn beruflich ist alles ist im Fluss: Die Digitalisierung wälzt eine Branche nach der anderen um, die Globalisierung wirbelt den Arbeitsmarkt durcheinander. Fast die Hälfte aller neuen Arbeitsverträge ist befristet. Ein klares und berechenbares Bild von künftigen Arbeitsfeldern und Branchen ist nicht mehr möglich. Es gibt fast 400 Ausbildungsberufe und über 20.000 Studiengänge – da hat keiner mehr die Übersicht. Wer zu den etwa 20 Prozent eines Jahrgangs zählt, die einen sehr schlechten oder gar keinen Schul- oder Ausbildungsabschluss erwerben, hat schlechtere Chancen als früher auf dem Arbeitsmarkt. Junge Leute leben in einer Vier-Fünftel-Gesellschaft, in der die soziale Herkunft immer noch entscheidend für den Bildungserfolg ist. Während es unter Jugendlichen aus der unteren Schicht (13 %) nur eine kleine Minderheit an das Gymnasium schafft, ist es bei Jugendlichen aus der oberen Schicht (71 %) die breite Mehrheit. Die soziale Herkunft ist und bleibt eine Sackgasse. Auch das Geschlecht spielt eine große Rolle. Mädchen (53 %) besuchen deutlich häufiger das Gymnasium als Jungen (42 %). Groß fällt der Kontrast bei den Jugendlichen aus, die bereits Brüche in ihrer Bildungskarriere erlebt haben. Exemplarisch haben wir dazu den Optimismus der Jugendlichen betrachtet. Sowohl Jugendliche, die bereits kritische Bildungsereignisse erlebt haben (47 %), als auch Jugendliche mit bevorstehenden Unsicherheiten in der Qualifikationsphase (30 %) blicken deutlich seltener zuversichtlich in die Zukunft als Jugendliche, die von solchen Schwierigkeiten nicht berichten müssen (63 %). Mit 59 % stimmt die Mehrheit der Jugendlichen (47 % „eher“ und 12 % „voll und ganz“) der Aussage zu, dass es in Deutschland alles in allem gerecht zugeht. Allerdings verweist etwa jeder zweite Jugendliche aus der untersten Herkunftsschicht (51 %) auf fehlende soziale Gerechtigkeit. Bei Jugendlichen aus der unteren Mittelschicht sind es 42 %, aus der Mittelschicht 38 % und aus der oberen Mittelschicht 34 %. Am wenigsten häufig trifft dies für Jugendliche aus der obersten Schicht zu. Von ihnen teilen nur noch 25 % die Einschätzung einer fehlenden sozialen Gerechtigkeit in Deutschland. 2. Aufbau eigener Beziehungen Die Mehrzahl von 70 % der jungen Leute wächst heute in vollständigen Familien mit zwei Eltern auf. Der Anteil von Alleinerziehenden steigt aber jedes Jahr und macht schon rund 20 Prozent aller Familien aus. Nach Trennung und Scheidung neu zusammengesetzte „Patchwork-Familien“ stellen fast 10 Prozent. Über ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen erlebt die Trennung ihrer Eltern und wird zu einem schwierigen Beziehungs-Management gezwungen. Eine stabile und sichere soziale Umwelt ist also für einen großen Teil der jungen Leute keineswegs selbstverständlich, und entsprechend verunsichert sind viele von ihnen. Das gilt auch für die Eltern selbst. Etwa ein Drittel von ihnen fühlt sich unsicher in ihrer Rolle. Sie gehen von der Annahme aus, das Leben ihres Nachwuchses sei heute gefährlicher als jemals zuvor. Objektiv ist das falsch, aber in den Medien herrscht Hysterie und Erregung, die sich überträgt. Kinder werden behütet wie noch nie. Moderne „Helikopter-Drohnen-Eltern“ wissen jederzeit, wo sich ihre Kinder gerade aufhalten und sind ständig in Sorge, ihnen könnte ein Leid zustoßen. Die Mutter und mit Abstand der Vater sind, wie die Shell Jugendstudien zeigen, die bedeutendsten Vorbilder für ihre Kinder, selbst als junge Erwachsene. Sie sind die engsten Berater in Bildungsund Karrierefragen. Sie treiben ihren Nachwuchs an, vor allem zu schulischen Bestleistungen. 27 | KEYNOTE Berufsorientierung ebenso wie Berufs- und Studienwahl werden immer mehr mit den Eltern abgestimmt, teilweise sogar federführend von ihnen übernommen. Der Leitspruch der Angehörigen der Generation Z lautet: „Nichts ohne meine Eltern“. Viele junge Leute sind hierdurch oft unsicher und entscheidungsschwach und haben kein realistisches Gefühl für ihre Stärken und Schwächen. Sie sind selbstbewusst, aber unselbstständig. Denn mit ihrer starken Fürsorglichkeit verhindern viele Eltern, dass ihr Nachwuchs lernt, Belastungen und Rückschläge in Schule und Beruf wegzustecken. Kontakt- und Konfliktfähigkeit leiden darunter. Die oben erwähnten 20 Prozent aus sozial benachteiligten Elternhäusern erleben das Gegenteil – ihre Mütter und Väter sind nicht in der Lage, ihnen eine gute Orientierung für ihren weiteren Lebensweg zu geben. 3. Mit Freizeit- und Medienangeboten umgehen Die nach dem Jahr 2000 Geborenen sind „Digital Natives“, die mit Smartphone und Computer groß werden und diese als Bestandteil ihres Körpers empfinden. Die Nutzung digitaler sozialer Netzwerke wie Facebook und Plattformen wie Instagram oder Snapchat ist absolut selbstverständlich. Andere Kommunikationskanäle versiegen – wie etwa die Zeitung. Ganz offensichtlich kommt die Mehrheit der jungen Leute mit den digitalen Herausforderungen gut zurecht, überwiegend jene mit guter bis sehr guter Bildung. Sie können virtuos mit digitalen Geräten und Angeboten umgehen, intuitiv und unbefangen. Sie beherrschen die mobile Kommunikation, geraten nicht in Abhängigkeitsschlaufen bei Videospielen, nutzen die sozialen Medien zu ihrem Vorteil, sind dabei teilweise erfindungsreich und kreativ. Sie mischen virtuelle und reale Kontakte und behalten trotzdem die soziale Bodenhaftung. Sie können sich sowohl in Onlineshops sicher bewegen als auch mit aggressiver Werbung umgehen. In die Begeisterung für das Digitale mischt sich bei ihnen eine kritische Distanz und die Sorge vor persönlicher Ausbeutung. Sie wissen um die kommerziellen Interessen der großen Anbieter und achten nach eigenen Angaben darauf, nicht zu viel von sich im Internet preiszugeben. Der Mehrheit der jungen Leute gelingt es, die Risiken einer Überdosis von digitalen Impulsen abzuwehren. Entgegen den Empfehlungen von manchen Psychiatern ist das nicht durch einen Bann, durch ein striktes Verbot der Nutzung von Smartphone und Laptop gelungen, sondern durch das Erlernen und Einüben eines kompetenten Umgangs mit den Geräten, den Plattformen und den Spielen. Zusammen mit ihren Eltern haben sie trainiert, sich selbst Grenzen zu setzen, Auszeiten zu nehmen und die Dosis des Konsums zu regulieren. Neben diesen einigermaßen souveränen Nutzern gibt es 20 Prozent, die keine kompetente Nutzung schaffen. Sie rutschen immer in die Abhängigkeitsmechanismen hinein. Ihre psychische Gesundheit und ihre soziale Kontaktfähigkeit stehen auf der Kippe. Sie sind schnell abgelenkt und durch virtuelle Umgangsformen nicht mehr gewohnt, sich in realen sozialen Situationen angemessen zu verhalten, Höflichkeitsregeln einzuhalten und dem Gegenüber ins Auge zu sehen. Weil Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer leiden, sinkt ihre Leistungsfähigkeit ab. Manche sind krank im Sinne der Definition von Internet Addiction Disorder oder Gaming Disorder der Weltgesundheitsorganisation. Unter ihnen sind die wahrscheinlich zwei bis drei Prozent krankhaft Onlinesüchtigen und Videospielsüchtigen. Nach Schätzungen können das um die 500.000 junge Leute unter 20 Jahren in Deutschland sein. Die große Mehrheit sind Jungen und junge Männer. Der sozialpsychologische Hintergrund ist oft durch desolate Familienkonstellationen, Bildungs- und Bindungsarmut gekennzeichnet, oft sind Ursache und Wirkung nicht zu unterscheiden. 28 | KEYNOTE 4. Wertorientierung und soziales Engagement aufbauen Das politische Interesse von Jugendlichen hat sich stabilisiert. Als stark interessiert bezeichnen sich 8 % der Jugendlichen und weitere 33 % sehen sich als interessiert. Im längerfristigen zeitlichen Verlauf betrachtet liegt das deutlich über den Ergebnissen der Jahre 2002, 2006 und 2010. Jeder zweite Jugendliche, der das Abitur anstrebt oder erreicht hat, bezeichnet sich als politisch interessiert. Bei Jugendlichen mit angestrebtem oder erreichtem Hauptschulabschluss trifft dies hingegen nur auf jeden Vierten zu. Mit 66 % politisch Interessierten bilden Studierende nach wie vor die Gruppe mit dem größten politischen Interesse. Waren es bis 2010 noch die wirtschaftliche Lage und steigende Armut sowie Angst vor Arbeitslosigkeit oder davor, keinen Ausbildungsplatz zu finden, die von Jugendlichen schwerpunktmäßig als Probleme genannt wurden, so hat sich das Bild seitdem deutlich verändert. Aktuell benennen fast drei von vier Jugendlichen die Umweltverschmutzung als das Hauptproblem, das ihnen Angst macht, gefolgt von der Angst vor Terroranschlägen (66 %) sowie dem Klimawandel (65 %). Die wirtschaftliche Lage mit steigender Armut wird hingegen nur noch von etwas mehr als jedem zweiten Jugendlichen benannt, die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust, oder dass man keinen Ausbildungsplatz findet, sogar nur von etwas mehr als jedem Dritten. Weiterhin haben mehr als 56 % der Jugendlichen Angst vor einer wachsenden Feindlichkeit zwischen Menschen, die unterschiedlicher Meinung sind. Auch die Angst vor einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland (52 %) wächst, ebenso die Angst vor weiterer Zuwanderung (33 %). Anders als noch im Jahr 2015 spricht sich inzwischen aber jeder Zweite (Westen; 47 %; Osten: 55 %) dafür aus, weniger Zuwanderer als bisher aufzunehmen. 2015 war es erst etwas mehr als jeder dritte Jugendliche. Populistische Argumentationsmuster erweisen sich grundsätzlich auch bei Jugendlichen als anschlussfähig. Sichtbar werden aber auch wichtige Unterschiede. Immerhin betont die Mehrheit der Jugendlichen (57 %), dass sie es gut finden, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat. Diejenigen, die dies ablehnen, sind in der Minderheit (40 %). Die Aussage „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden“ erhält allerdings noch mehr Zustimmung (68 %). Das Argumentationsmuster deckt ein offenbar 29 | KEYNOTE weit verbreitetes Gefühl ab, dass es Dinge gibt, die man nicht ansprechen darf, ohne dafür sofort im eigenen Empfinden moralisch sanktioniert zu werden. Etwas mehr als jeder zweite Jugendliche stimmt der Aussage zu: „Die Regierung verschweigt der Bevölkerung die Wahrheit“. Diese Kritik am sogenannten Establishment bedient offenbar ein vorhandenes Empfinden, nicht ernst genug genommen und übergangen zu werden. Je höher die Bildungsposition, desto geringer die Populismus-Affinität. Von den Jugendlichen mit höherer Bildungsposition gehört jeder Zweite zu den Weltoffenen oder zu den Kosmopoliten, während es bei Jugendlichen mit niedriger Bildungsposition entgegengesetzt ist. Hier gehört weit mehr als jeder Zweite zu den Populismus-Geneigten oder zu den Nationalpopulisten. Die sozialen Unterschiede nach Herkunft sind also auch hier auffällig. Die hervorragend ausgebildeten 40 % der Angehörigen der jungen Generation sind politisch besonders engagiert. Weil sich der Leistungsdruck abgeschwächt hat und die beruflichen Chancen objektiv gut sind, haben sie Energien frei, um sich einzubringen. Die 40 % in der unteren Mitte kommen in wirtschaftlich stabilen Zeiten ganz gut durch, könnten aber schnell in eine prekäre Position geraten, sobald es einen ökonomischen Abschwung gibt. Am unteren Ende der sozialen Leiter stehen die jungen Leute aus Familien, die wenige Bildungsressourcen haben. Sie sind nicht nur von wirtschaftlicher, sondern auch von Bildungs- und Gesundheitsarmut bedroht und müssen sich Sorgen machen, überhaupt Arbeit zu finden. Kein Wunder, dass sie politisch verunsichert sind. Unter ihnen sind besonders viele junge Männer – eine Krise der Männerrolle ist auch in diesem Bereich unübersehbar. 5. Patenschaften als Chance für Persönlichkeitsentwicklung und Bildungserfolg Jugendlicher sein – das ist in einer modernen Gesellschaft harte Arbeit an sich selbst. Die produktive Realitätsverarbeitung wird in allen Entwicklungsbereichen verlangt. Wenn das Elternhaus stabil ist und Kita und Schule gute Arbeit leisten, dann können eine junge Frau oder ein junger Mann diese Herausforderung bewältigen. Eine gute Einbindung in weitere Netzwerke ist allerdings sehr hilfreich. Das gilt auch für eine Patenschaft. Denn wenn Familie und Bildungsinstitutionen einen jungen Menschen nicht erreichen, dann sind zusätzliche Netzwerke und Patenschaften oft die entscheidende Hilfe. Die Unterstützung im Bereich Bildung und Qualifikation ist zwar bedeutsam, aber nicht ausreichend. Jugendliche brauchen nun einmal Begleitung für das „ganze Leben“, und der beste Ansatz ist es, ihnen bei der Bewältigung aller ihrer Entwicklungsaufgaben Assistenz zu leisten. Das Bilden und Sich-Qualifizieren, der Aufbau sozialer Kontakte und Bindungen, der souveräne Umgang mit Freizeitangeboten, Geld, Konsumwaren und Medien, das soziale und politische Engagement – die Bereiche lassen sich nicht voneinander trennen, sie gehören zusammen, auch in der Patenschaft. Die aktuelle Shell Jugendstudie zeigt, dass vier Fünftel der jungen Menschen gut zurechtkommen, und zwar in allen Bereichen, die für die heutige Zeit wichtig sind, sei es im Leistungsbereich oder bei der Bildung ihres Wertehorizonts, beim Umgang mit Freizeitangeboten und Medien oder hinsichtlich ihrer Kontakte und sozialem und politischem Engagement. Für das verbleibende Fünftel gilt das jedoch nicht. Diese jungen Menschen bewältigen die entsprechenden Entwicklungsaufgaben nur ungenügend. Wenn wir genauer hinschauen, sind das junge Leute aus Elternhäusern, die ein niedriges Bildungsniveau haben, meist kombiniert mit einem geringen Einkommen und einer geringen sozialen Integration ins Umfeld. In den Shell-Jugendstudien haben wir diese Gruppe als die „Abgehängten“ bezeichnet. Nicht um sie zu diskriminieren, 30 | KEYNOTE sondern um zu signalisieren, dass sie in vielen Bereichen, anders als die große Mehrheit, den Anschluss nicht halten können. Für diese jungen Leute kommt ihre soziale Herkunft einer Sackgasse in ihrer weiteren Entwicklung gleich. Ihre ungünstige sozioökonomische Lage schlägt auf ihren gesamten weiteren Lebensweg durch. Sie haben dieselben Potenziale wie andere auch, nur ist es den Eltern nicht gelungen, sie zu wecken. Damit ist das eine Aufgabe für den Mentor und die Mentorin. Sie können allerdings nur dann eine gute Ratgeber- und Anregungsfunktion ausüben, wenn sie in ihrem Gegenüber etwas Positives erkennen, das gefördert und gestärkt werden kann. Das ist die professionelle Basis für das Mentoring: Anknüpfen an das, was mein Gegenüber an interessanten Fähigkeiten und Merkmalen mitbringt, herauszufinden, wen ich eigentlich als Ansprechpartner vor mir habe. Was für ein Persönlichkeits-, Sozial- und Leistungsprofil hat mein Mentee? Was kann er oder sie, was fehlt, welche Stärken und Schwächen sind erkennbar? Warum hat er oder sie Schwierigkeiten in der Schule, wann sind diese entstanden, wie haben sie sich verschärft? Finde ich eine Stelle, an der ich die negative Spirale unterbrechen kann? Wie schaffe ich es, dass der Misserfolg im schulischen Bereich nicht auf die anderen Entwicklungsbereiche hinüberspringt? Auf eine Formel gebracht: Man schaut, wo sind Stärken, wo Potenziale, identifiziert sie, lernt sie kennen, geht darauf ein, hebt sie hervor – und lässt so seinen Mentee Anerkennung erfahren, das Gefühl, etwas zu sein, etwas zu können. Das kann dem Mentee ein Schlüsselerlebnis verschaffen, das möglicherweise den Zirkel der negativen Impulse unterbrechen kann. Insbesondere die oben angesprochenen 20 Prozent der jungen Generation benötigen diese Unterstützung dringend. Um zu entdecken, wer das Gegenüber ist, kann man gut die persönliche Intuition nutzen. Allerdings sollte man nicht allein auf die eigene Laienkompetenz bauen, sondern muss auch Tests oder Fragebögen einsetzen und weitere Personen fragen, die es sachkundig beurteilen können. Zu solchen Tests und Beurteilungen sollte man die Patinnen und Paten immer wieder neu fortbilden, ebenso wie zu der Frage, wie man eine gute Gesprächsführung macht, und zu weiteren Aspekten, etwa wie sich Anerkennung vermitteln lässt und welche Formen der Förderung es gibt. 31 | KEYNOTE Das klingt zunächst harmlos, ist aber eine Kunst, die systematisch trainiert werden muss. Im besten Fall lernen Freiwillige dabei auch, sehen zu können, wo sie als Mentoren ihre Grenzen haben, etwa in der Einschätzung der Persönlichkeit des Mentees. Oder auch den Moment zu erkennen, wann man professionelle Unterstützung hinzuziehen sollte, seien es Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen oder Lehrer*innen. Wenn etwa ein Verhaltensaspekt eine pathologische Qualität hat und eine Persönlichkeitsstörung eingetreten ist, dann muss ich das als Mentor berücksichtigen. In diesem Fall ist das Zusammenspiel von Freiwilligen mit Experten entscheidend. Von Patenschaften profitieren die jungen Leute aus benachteiligten Herkunftsfamilien am meisten. Darunter vor allem die Jungen und die jungen Männer. Aus einem einfachen Grund: Das besagte Fünftel, die Gruppe junger Menschen mit sozialen Handicaps und Benachteiligungen, besteht zu fast zwei Dritteln aus Jungen und jungen Männern. Das deutet darauf hin, dass im Erziehungs- und Sozialisationsprozess, sei es in der Familie oder Schule, Prozesse ablaufen, die Jungen benachteiligen. Warum Jungen etwa im schulischen Leistungsbereich schlechter abschneiden als Mädchen, ist nicht anders zu erklären als mit der Art und Weise, wie gelernt und Unterricht gestaltet wird. Deswegen ergibt sich hier für das Mentoring eine besondere Herausforderung und Chance. Wie kann man sie nutzen? Auch hier gilt, gezielt zu sondieren und diagnostizieren, wo der Junge oder der junge Mann etwa den Anschluss im Bildungsbereich verliert oder verloren hat. Was ist passiert? Wie kommt es, dass seine Lehrer*innen keinen Zugang mehr zu ihm haben? Hat er körperlich zu wenig Bewegungsfreiraum oder Ausdrucksmöglichkeiten? Hat er beim Lernen zu wenig Freiheitsgrade? Sind die Umgangsformen zu sanft, zu dezent, zu milde, so dass er den Eindruck hat, er kann sich gar nicht angemessen einbringen? Die Frage, was am Verhalten und an den gesamten Lebensumständen möglicherweise geschlechtsspezifisch ist, wäre für mich auch ein Aspekt für die Schulung von Mentor*innen. Da darf man keine Angst vor Stereotypen haben. Wir kommen nicht umhin, zu definieren, was männlich und was weiblich ist. Auch pädagogisch ist das geboten, denn um sie abzubauen, muss ich die Klischees ja erst einmal erkennen. Zur pädagogischen Arbeit gehört mit dazu, dass ich das Männliche an meinem Mentee identifiziere, es in die Beziehung einfließen lasse und vielleicht sogar als Kernpunkt nutze. Alle diese wichtigen Arbeiten können nur geleistet werden, wenn der organisatorische und institutionelle Rahmen stimmt. Deswegen braucht es unbedingt die permanente Weiterbildung und Fortbildung für die Patinnen und Paten. Sie sind nur dann in der Lage, ihre wichtige Aufgabe zu erfüllen, wenn sie regelmäßig weiter geschult werden. Wichtig ist, dass die soziale Rolle der Patinnen und Paten immer wieder neu definiert wird. Sie sollen nicht nur durch das System lotsen, sondern auch helfen, dass ihre Schützlinge ihre Interessen erkennen und die dazu passenden Aktivitäten organisieren. Ein Pate darf kein Anführer in einer hierarchischen Struktur sein. Vielmehr besteht seine Rolle darin, seinen Mentee zu unterstützen und ihn darin zu trainieren, andere Unterstützer in seiner Umwelt zu aktivieren. Diese Fähigkeit zum Netzwerken ist der Schlüssel für etwas, was man „Hilfe zur Selbsthilfe“ nennen könnte. Es geht darum, die Schutzfaktoren im eigenen Umfeld zu aktivieren, etwa durch Bezugspersonen mit wertschätzenden Beziehungen. Ergänzend kommt dann das Training der persönlichen Resilienz dazu. Dazu gehört eine angemessene Selbstwahrnehmung, eine realistische Einschätzung der Gefühle, eine Fähigkeit zur Selbststeuerung, Konfliktfähigkeit und eine positive Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Wichtig ist es, mit Belastungen und Stress angemessen umzugehen. Alles das kann in der Patenschaft trainiert werden. 32 | KEYNOTE Zum institutionellen Rahmen gehört schließlich die finanzielle Absicherung. Die Patenschaftsarbeit muss aus der Projektfinanzierung heraus und in die strukturelle Dauerfinanzierung hinein. Deshalb sollten die politischen Bemühungen darauf gerichtet sein, Mentoring und Patenschaften zum Bestandteil der Kultur-, Bildungs- und Sportarbeit mit Kindern und Jugendlichen zu machen. Wir müssen Mentoring in die pädagogische und schulische Förderung junger Menschen so integrieren, dass es überall fest verankert ist. Wir brauchen also feste Förderstrukturen auf Bundesebene, Landesebene und kommunaler Ebene. Projekte kommen und gehen, aber wir haben es hier nicht mit einem konjunkturellen Bedarf zu tun, der auftritt und durch eine vorübergehende Maßnahme wieder verschwindet. Nein, der Bedarf ist ja dauerhaft, er bleibt. Um darauf einzugehen, brauchen wir ein gezielt auf die Persönlichkeitsentwicklung ausgerichtetes Mentoring, zusätzlich zu den einschlägigen professionellen Angeboten in Kindergarten, Schule und Familien- und Jugendsozialarbeit. Denn das bürgerschaftliche Engagement in Form einer Patenschaft hat breite gesellschaftliche Wirkung. Es sorgt nicht nur für mehr Bildung und Integration, sondern es dient der Stärkung der Demokratie, der Verbesserung des sozialen Klimas, der Stärkung des Zusammenhalts in der Bevölkerung. Er ist ein wertvoller Beitrag für die Entwicklung der Zivilgesellschaft. FACHFORMATE WORLDCAFÉ Kommunikation & Vernetzung – Wie erreicht man seine Zielgruppe? AXEL HALLING, Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V., PETER KUSTERER, BBE-Themenpate Kommunikation, IBM Deutschland GmbH, DR. LILIAN SCHWALB, BBE, SABINE SÜß, Netzwerk Stiftungen und Bildung, WIEBKE WOLTERS, Landeskoordinierungsstelle Netzwerk Gesunde Kinder Moderation: DR. LILIAN SCHWALB, BBE Die Impulsgebenden und Teilnehmenden des Worldcafé beschäftigen sich mit den Möglichkeiten, Chancen und Herausforderungen der zielgruppengerechten Kommunikation und Vernetzung durch vier thematische Stränge an vier Tischen mit zwei Durchläufen. Außenwirkung und Zielgruppenaktivierung WIEBKE WOLTERS von der Landeskoordinierungsstelle „Netzwerk gesunde Kinder“ legte das Augenmerk an ihrem Tisch auf die Außenwirkung und Zielgruppenaktivierung in der Kommunikation. Bevor überhaupt über die eigenen Zielgruppen nachgedacht werden könne, müsse intern Einigkeit darüber erzielt werden, was das Ziel und die Motivation hinter dem jeweiligen Projekt seien. Erst im nächsten Schritt wäre es sinnvoll darauf einzugehen, wie eine zielgruppengerechte Ansprache aussehen könne und welche Kommunikationskanäle da- für geeignet wären. Zu erarbeiten und verdeutlichen sei auch, welche Wirkung nach außen erwirkt werden solle. Besonders spiele auch die Sprache eine wichtige Rolle für den Erfolg der Kommunikation. Hierbei sei es wichtig, die zielgruppengerechte Sprachwahl vorab zu testen und sich ihrer Wirkung zu versichern. In Pat*innenschaften sei es weiterhin von großer Bedeutung die Erwartungen beider Seiten, der Mentor*innen und Mentees gleichermaßen, so gut wie möglich von vorne herein deutlich zu machen, um so Missverständnisse und Frust über den Möglichkeitsrahmen der potenziellen Beziehung zu vermeiden. Um die Außenwirkung der Kommunikation maximieren zu können seien Kooperationen mit bekannten Partnern oder Institutionen ein hilfreiches Werkzeug. Auch Vermittler*innen, beispielsweise die Einbeziehung von Lehrpersonal an Schulen für die Gewinnung von Schüler*innen, seien wertvolle Vorantreiber*innen der Vernetzung. 35 | FACHFORMATE Sektorenübergreifende Vernetzung Über die Herausforderungen und Chancen der sektorenübergreifenden Vernetzung diskutierte DR. LILIAN SCHWALB vom BBE mit den Teilnehmenden. Herausforderungen in der Kommunikation über Sektorgrenzen hinweg lägen vor allem in der Heterogenität und den vielfältigen Interessenslagen der Akteure. In solch einer Konstellation, so wurde diskutiert, müssten die womöglich konkurrierenden Einzelinteressen zusammengebracht werden, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Herausfordernd sei, dass häufig nur ein kleinster gemeinsamer Nenner angestrebt werden könne. Der Aufbau eines heterogenen Netzwerks sei in der Struktur häufig aufwendig, erfordere Zeit und Geduld. Netzwerkarbeit sei kein Selbstläufer: Eine stabile Koordination sei wichtig, die sich langfristig um Fragen des Aufbaus, der Betreuung und Begleitung sowie um die Weiterentwicklung kümmere. Von hoher Relevanz seien Fragen der Transparenz und Legitimität. Die Chancen lägen besonders in den vielfältigen Expertisen, die es ermöglichten, neue Perspektiven gemeinsam zu entwickeln und innovative Ideen umzusetzen. Der Mehrwert eines sektorenübergreifenden Netzwerkens läge ferner im Austausch von Beteiligten, die sonst selten Berührungspunkte hätten, über die wiederum neue Bindungen und eine politische Strahlkraft und neue Arten der Impulssetzung entstehen. Persona-Methode Die Methode der ‚Persona‘ zur Zielgruppenbestimmung stellte PETER KUSTERER von IBM Deutschland und BBE Themenpate Kommunikation an seinem Tisch vor. Diese Methode helfe dabei sich seine Zielgruppe zu veranschaulichen. Dabei stelle man sich eine Musterperson, die adressiert werden soll, mit Hilfe von vier Typisierungen in ihrer Lebensrealität vor und erstelle so ein Profil: was denkt und fühlt diese Person, und was sagt und tut sie. Auf diese Weise würde deutlich, welche Sprache und welche Kommunikationskanäle und Verhaltensmuster bedient werden müssten, um diese Person gezielt ansprechen zu können. So mache es beispielweise weniger Sinn die junge Generation von Schüler*innen über Tageszeitungen oder Flyer gewinnen zu wollen. Gewinnbringender wäre in diesem Falle sicherlich die Ansprache über Social Media, wie Instagram oder Facebook. Die Feststellung der Persona solle im besten Falle in einer diversen Gruppe erarbeitet werden. Die Persona-Methode, eigentlich aus dem Bereich der Marktforschung und dem Marketing kommend, werde dort mit Hilfe von personenbezogenen Daten genutzt. Auch ohne sensible Daten nutzen zu müssen sei diese Methode auch in Pat*innenschaftsprojekten ein hilfreiches Werkzeug, um die Kommunikation zielgerichteter ausrichten zu können. Kommunikatives Zusammenspiel von Bundes- und Kommunalebene Auch SABINE SÜSS vom „Netzwerk Stiftungen und Bildung“ und AXEL HALLING vom „Bundesverband Deutscher Stiftungen“ thematisierten in ihren Gruppen grundlegende Fragestellungen zur Identifizierung der Zielgruppen und zum übergeordneten Ziel, sich mit der Arbeit der Zielgruppe auseinanderzusetzen. Gerade in Netzwerken, die mehrere Ebenen – Kommunal-, Länder- und Bundesebene – ansprächen, sei es wichtig auch die Beschaffenheit des Netzwerks zu erörtern. Ist das Netzwerk ein anlassbezogener, temporärer Zusammenschluss oder soll grundlegend ein Netzwerk aufgebaut werden, in dem Vorhaben und Themen langfristig verfolgt werden? Es sei ratsam von den Zielen her zu denken und diese immer wieder neu auszurichten und weiterzuentwickeln. Eine zentrale Koordination sowie Verbindlichkeit und Ansprechbarkeit sollten kontinuierlich gewährleistet sein. Gerade in großen Netzwerkverbänden sei die Erreichbarkeit der Bundesebene wichtig und auf den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit, vertikal wie auch horizontal, müsse besonderes Augenmerk gelegt werden. Die Arbeitsteilung und jeweiligen Expertisen der einzelnen Ebenen, wie das Wissen der lokalen Standorte um konkrete Bedarfe und das politische Agieren der Bundesebene, zu berücksichtigen, sei besonders in der Kommunikation untereinander wichtig, um einzelne Gruppen im Austausch nicht zu verlieren. So seien bedarfsorientierte Mailings für die einzelnen Ebenen oder Untergruppen zielführender als ein News- 36 | FACHFORMATE letter, der den gesamten Organisationsverband abdecke. Ehrenamtliche beispielsweise seien auf der lokalen Ebene mit anderen Themen beschäftigt als Hauptamtliche auf der Bundesebene. Abschließende Bedarfe & Empfehlungen • Professionelle und zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsarbeit ist teuer und aufwendig. Diese wichtige, kostspielige Arbeit innerhalb von Förderungen durch Beauftragung von Professionellen oder finanziell innerhalb der eigenen Organisation abdecken zu können, wäre hilfreich. • • • • Eine direkte Ansprache der Zielgruppe, anstelle eines Sprechens über die Zielgruppe, ist von großer Wichtigkeit und wird häufig verfehlt. Die Sichtbarkeit der Akteur*innen vor Ort muss gestärkt und hervorgehoben werden, da sie die Sensoren der Bedarfe sind. Projekte und Organisationen sollten enger zusammenarbeiten, um sektorenübergreifend langfristige Wirkung zu erzielen. Auch innerhalb einer Zielgruppe sind die Bedarfe nicht homogen. Je nach Standort können diese voneinander abweichen. Dies muss in der Kommunikation berücksichtigt werden. FISHBOWL Welche Rahmenbedingungen brauchen Pat*innenschaftsund Mentoringprogramme mit Kindern und Jugendlichen? MARIANNE BALLÉ MOUDOUMBOU, Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe, STEFANIE COROGIL, Stiftung Unionshilfswerk Berlin, SUSANNE HUTH, INBAS Sozialforschung GmbH, FRANZISKA NAGY, Stiftung Lernen durch Engagement, LISA PAETZ, Stiftung Bildung Eingangsstatements der Impulsgebenden „Damit Pat*innenschaften und Mentoringbeziehungen funktionieren, benötigen sie organisatorische, institutionelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Die Beteiligten, und insbesondere Kinder und Jugendliche in herausfordernden Lebenslagen, benötigen ein Netz an Unterstützer*innen, z.B. an ihrem Wohnort, in Bildungsstätten und in Behörden. Es braucht Gesetze, die sie schützen und Teilhabe sowie Chancengerechtigkeit ermöglichen. Projekte und Akteure sollten von der Vielfalt der Gesellschaft geprägt sein, sich dezentral und aus der Basis heraus etablieren. Das heißt auch, in Migrant*innenorganisationen verankert zu sein. Nur auf diese Weise wird sichergestellt, dass Angebote den Bedarfen der Mitwirkenden gerecht werden. Es braucht geeignete Förder- und Unterstützungsstrukturen und den engagierten Einsatz gegen Rassismus, Diskriminierung und Rechtsextremismus, der längst in allen Teilen der Gesellschaft vorkommt. Dazu ist die vollständige Umsetzung der Erklärung und des Aktionsplans aus der Weltkonferenz von Durban (DDPA) und der UN-Kinderrechtskonvention und eine Reform des Gleichbehandlungsgesetzes notwendig.” (MARIANNE BALLÉ MOUDOUMBOU) „Gelingendes Mentoring braucht einen sicheren Rahmen! Trotz unterschiedlicher thematischer Ausrichtung, der unter der Dachmarke „Hürdenspringer“ umgesetzten Mentoring-Projekte, eint sie ein konzeptioneller Ansatz. Dieser ist ge- prägt von einer 1:1-Beziehung, der engen Steuerung durch hauptberufliche Mitarbeiter*innen und der Qualifizierung und fortlaufenden Begleitung der Tandem-Partner*innen. Besonders viel Wert wird auf eine mindestens zweijährige Projektlaufzeit gelegt, nur so können Strukturen nachhaltig angelegt werden. Im Programm werden die engagierten Mentor*innen vor Beginn ihres Einsatzes qualifiziert, zum einen zu fachlichen Fragen rund um die Themenfelder Schule-Ausbildung-Beruf, sowie zum anderen hinsichtlich des Mentorings, ihrer Rolle, den Chancen und Grenzen der Beziehung zum Mentee. Auch diese werden auf das Mentoring vorbereitet. Während der Laufzeit des Tandems gibt es diverse Begleitangebote und Fortbildungen, die Möglichkeit zur Supervision und die stetige Ansprechbarkeit der hauptberuflichen Kolleg*innen. Um diesen qualitätssichernden Rahmen zu gewährleisten sind Stabilität in der Projektfinanzierung und beim Personal genauso unerlässlich wie regelmäßige (Team-)Fortbildungen und gute Arbeitsbedingungen.“ (STEFANIE COROGIL) „In den letzten Jahren gab es einen regelrechten Boom von Programmen, deren Konzepte sich im Laufe der Jahre stark gewandelt haben. Aus dem anfänglichen Motto „Alt hilft Jung“ ist heute eine vielfältige Trägerlandschaft geworden – Programme sind ganzheitlich ausgerichtet, haben Empowerment und die Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung zum Ziel, beziehen Eltern, das soziale Umfeld und weitere Bildungsakteure ein. Zum Teil werden die jun- 38 | FACHFORMATE gen Menschen selbst zum Engagement angeregt. Damit sind auch die Anforderungen an die Akteure komplexer geworden. Dem Einsatz als Pat*in ging früher eine intensive fachliche Vorbereitung voraus. In aktuellen Programmen folgt der kurzen Basisqualifikation, die stärker persönliche Kompetenzen als fachliches Wissen fördert, ein schneller Einstieg in die Pat*innenschaft. Die Weiterqualifizierung entlang der Laufzeit der Tandems richtet sich stärker nach den Bedarfen, die aus der Beziehung heraus entstehen. Vor dem Hintergrund der bestätigten und anerkannten Wirksamkeit entsprechender Programme ist eine deutlich gestiegene politische Aufmerksamkeit zu beobachten. Damit verbunden ist jedoch zugleich ein höherer Anspruch an die Erfolge und Auswirkungen für die einzelnen Kinder und Jugendlichen sowie darüber hinaus auf die Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeiten.“ (SUSANNE HUTH) „Die spendenfinanzierte Stiftung Bildung setzt ein besonderes Pat*innenschafts-Format um, in dem Tandems zwischen Kindern und Jugendlichen in ungefähr gleichem Alter gebildet werden. Pat*innenschaften können so auf Augenhöhe stattfinden, die klassischen Rollen als Mentor*in und Mentee werden aufgelöst, weil die Kinder und Jugendlichen gemeinsam durch übergeordnete Themen an ihren Stärken und Schwächen arbeiten, voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Die Pat*innenschaft verliert ihren defizitären Blick auf Schwächen und stärkt Lerneffekte auf beiden Seiten. Strukturelle Benachteiligung wird überwunden durch die Ausrichtung an gemeinsamen Interessen, die sich in Projektarbeit wiederfinden. Die Stiftung Bildung nutzt und unterstützt für die Programmumsetzung die vorhandenen Engagementstrukturen der Kita- und Schulfördervereine. Denn das geringe Angebot an Kindergärten und Schulen unterstützt die Bildung von ganz diversen Partnerschaften, die zwar dieselbe Einrichtung besuchen, aber aus unterschiedlichen Sozialräumen kommen. Besonders schön ist, dass wir durch diesen Ansatz Kinder und Jugendliche vor allem auch in strukturschwachen, ländlichen Räumen erreichen können. Dies funktioniert gut, wenn es dezentral und aus der Basis heraus organisiert wird, die Kinder in die Projektplanung einbezogen sind und wenn ausreichend hauptberufliches Personal die Engagierten bei der Bewältigung von Bürokratie, Qualifizierung und fachlichen Anforderungen unterstützen.“ (LISA PAETZ) „In der schulischen Lehr- und Lernform „Service-Learning/ Lernen durch Engagement“ werden Kinder zur Übernahme von Verantwortung und zu Engagement im eigenen sozialen Um- 39 | FACHFORMATE feld motiviert. Zu den Umsetzungsformaten gehören auch die Pat*innenschaften. Eingebettet in den Fachunterricht, in Wahlpflicht- oder Oberstufenkurse beschäftigen sich die Kinder und Jugendlichen im Unterricht mit Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und gesellschaftlichem Wandel. Durch diese Kombination erwerben sie genau jene Kompetenzen, die die 21st Century Skills der OECD fordern. Durch die Anbindung an die Schulen können auch jene Kinder und Jugendlichen erreicht werden, die sich freiwillig nicht engagieren würden. Hinsichtlich der Auswahl der Schulen ist eine notwendige Rahmenbedingung, dass diese auch Demokratiebildung und Wertevermittlung als ihren Lehrauftrag verstehen. Schulen müssen eine Integrationskultur ohne Stigmatisierung etablieren und sich in ihrem Stadtteil vernetzen. Eine besondere Herausforderung stellt dar, dass sich aus der Schnittstelle Bildung und Engagement unterschiedliche behördliche Zuständigkeiten ergeben. Im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit ist eine größere Offenheit und Transparenz wünschenswert.“ (FRANZISKA NAGY) Resümee aus der Diskussion Es sollte das Ziel aller Akteure sein, das Kind bzw. den/die Jugendliche*n in den Mittelpunkt zu stellen und das individuell beste Angebot zu finden. Es gilt daher anzustreben, haupt- und ehrenamtliche Angebote entlang des Bildungswegs sinnvoll ineinandergreifen zu lassen und darüber im Austausch zu stehen. Auf diese Weise kann aus einer Vielzahl sich ergänzender Angebote geschöpft werden. Die Gründung von Bündnissen und Netzwerken und das Arbeiten auf Basis von Kooperationen sind die logische Konsequenz daraus. Schriftliche Vereinbarungen helfen, den Rahmen der Zusammenarbeit nach außen zu setzen, organisationsintern sind sie für die Klärung von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Rollen und Aufgaben hilfreich. Pat*innenschafts- und Mentoringprogramme sind so vielfältig, dass kein Konzept oder Vorgehen für allgemeingültig erklärt werden kann. Für alle Akteure ist es wichtig, regelmäßig zu reflektieren, ob Ziele, Haltungen und Vorgehen innerhalb des Programms stimmig sind und von allen Beteiligten getragen werden. So können auch Konfliktpotenziale herausgearbeitet und Fortbildungs- und Supervisionsbedarfe identifiziert werden. Ein professionelles Ehrenamtsmanagement wertschätzt die Engagierten und bezieht sie in die Gestaltung von Programmangeboten ein. Für eine qualitätsvolle Umsetzung braucht es vor allem Zeit und Geduld, diskriminierungsfreie Räume in der Haltung, im Umgang und in der Sprache sowie angemessene Ressourcen für die Koordination und für funktionierende Strukturen. Die vorwiegende Finanzierung über Projektförderungen ist ungeeignet für die Anforderungen, die sich aus der Komplexität der Arbeit ergeben. MEET THE EXPERT: Welche Chancen und Herausforderungen birgt die Digitalisierung im Kontext von Pat*innenschaften? Impulse: JAKOB FILZEN, Start with a Friend, HANNES JÄHNERT, Deutsches Rotes Kreuz, KATARINA PERANIC, Stiftung Bürgermut, DR. KARIN REICHEL, FrauenComputerClubBerlin Moderation: DR. BEHZAD FALLAHZADEH, BBE Pat*innenschaften basieren auf persönlichen Beziehungen und Begegnungen zwischen Mentor*in, Mentee und Projektkoordination. Demgegenüber eröffnen die Digitalisierung im Allgemeinen und digitale Tools im Speziellen Möglichkeiten der Begegnung und Beziehung über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg. Ausgehend von diesem vermeintlichen Widerspruch, waren die Teilnehmenden eingeladen, mit Expert*innen über Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung im Kontext von Pat*innenschaften zu diskutieren. JAKOB FILZEN berichtete von dem Vorhaben, Arbeitsprozesse der Koordination digital zu vereinfachen, um auch in Zukunft skalierbar und wirkungsvoll arbeiten zu können. Hierzu wurde im ersten Schritt im Jahr 2016 von Excel-Dateien auf eine Datenbank umgestellt. Aktuell strebt Start with a Friend an, diese Datenbank dahingehend weiterzuentwickeln, dass einzelne Arbeitsschritte automatisiert erfolgen, um die Koordinator*innen in ihren Verwaltungstätigkeiten zu entlasten und die freigewordenen Ressourcen in die Qualität der Koordination zu investieren. Im Rahmen der Begleitung könnten so etwa nach einem vorgegebenen Zeitintervall automatisch Evaluationsemails versendet werden. Perspektivisch wäre auch denkbar, dass beispielsweise erste Matching-Vorschläge durch Algorithmen erfolgen. Ausgehend von der Frage ‚Was kann Digitalisierung zur Organisationsentwicklung beitragen?‘ stellte HANNES JÄHNERT vom Deutschen Roten Kreuz fest, dass die Digitalisierung alle vor neue Herausforderungen stelle, weil sie unterschiedlichste Lösungen für ein Problem bereitstelle. Daraus resultiere oftmals ein ‚Solutionismus‘ (Evgeny Morozov), der zur Folge habe, dass Lösungen implementiert würden, bevor das Problem analysiert sei bzw. sich überhaupt stelle. Digitalisierung könne hingegen nur dann einen Beitrag zur Organisationsentwicklung leisten, wenn die richtigen Fragen gestellt werden: ‚Was ist unser Anliegen, was ist unser Projekt?‘, ‚Was treibt uns an?‘ und ‚Wie wollen wir arbeiten?‘ Die genannten Fragen in einer Organisation zu bearbeiten, setze indes die Bereitschaft zu echter Partizipation voraus. KATARINA PERANIC von der Stiftung Bürgermut stellte in ihrem Impuls dar, wie sich unsere Kommunikationsgewohnheiten im digitalen Raum verändert haben und welche Herausforderungen dies für Organisationen darstelle. Hierzu gehörten beispielsweise grundsätzlich veränderte Seh- und Lesegewohnheiten, die oftmals negativ als sinkende Aufmerksamkeitsspanne gedeutet würden. Tatsächlich ziehen digital affine Menschen, insbesondere in audiovisuellen Medien, Stories und StorytellingFormate den langen, textbasierten Formaten vor. Gleichzeitig beziehen sie ihre Informationen aus unterschiedlichsten digitalen Kanälen, was für Organisationen Mehraufwand bedeute, da sie ihre Kommunikation medienspezifisch aufbereiten müssten. Zudem unterlägen digi- 41 | MEET THE EXPERT tale Technologien, Plattformen und Angebote einem stetigen und schnellen Wandel. Was heute gehypt werde, sei morgen bereits wieder out. Für diesen schnellen Wandel müssten Organisationen stets offen sein. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmenden ihre Fragen mit den Expert*innen. Die wichtigsten Befunde zusammengefasst: Wie können digitale Technologien zur besseren Kommunikation von DR. KARIN REICHEL vom FrauenComputerZen- Träger*innen auf der Bundesebene trumBerlin fokussierte in ihrem Beitrag auf die und ihren Koordinator*innen vor Ort erforderlichen Kompetenzen in einer digitalen beitragen? Welt, die sich laut Reichel in drei Stufen einteilen ließen. In der ersten Kompetenzstufe bilde sich eine digitale Literalität, die Akteur*innen beherrschten und verstünden die Technologie in ihren Grundzügen und könnten mit ihrer Hilfe Probleme lösen. In der nächsthöheren Stufe, Digital Citizenship genannt, gebrauchen die Akteur*innen die Technologie nicht nur zur Problemlösung, sondern können darüber hinaus auch Normen und Werte für eine verantwortungsvolle Nutzung der Technologie einschätzen. Die höchste Kompetenzstufe bilde derweil jene, in welcher Aktivitäten in einer digitalen und digitalisierten Welt auch zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung beitragen, indem beispielsweise im Umgang mit den digitalen Medien das eigene kritische Denken, die Empathie, Kreativität oder Innovationsfähigkeit gesteigert werde. Vor diesem Hintergrund müssten Weiterbildungen in einer digital vernetzten Welt auch folgende drei zentrale Fragen bearbeiten: „Wie funktioniert die Technologie?“, “Wie wird die Technologie genutzt?“ und „Welche gesellschaftlich-kulturellen Auswirkungen hat die Technologie?“. HANNES JÄHNERT: „In einer digitalen Welt wollen Menschen mit eigener Stimme sprechen und auch gehört werden können. Das gilt auch für Koordinator*innen auf lokaler Ebene. Dafür können Verbände auf der Bundesebene Resonanzräume schaffen, also Räume, die vorstrukturiert, aber inhaltlich nicht vorgegeben sind: Beispielsweise Blogs, in denen Koordinator*innen aus ihrer alltäglichen Arbeit berichten. Wenn dieser Blog dann eine gewisse Reichweite hat, weil er über den Träger auf der Bundesebene verbreitet wird, dann nehmen die Koordinator*innen das an – zumindest bei uns in der DRK. Hierdurch ist zweierlei gewonnen: Erstens erhalten die Koordinator*innen Reichweite und die Möglichkeit, ihre Arbeit vorzustellen. Zweitens kommen wir auf der Bundesebene an Informationen und Praxisbeispiele, die in der alltäglichen Kommunikation eventuell untergehen würden. Es gilt mit anderen Worten, nicht in schrittigen Prozessen zu denken, wie man an Informationen gelangt, sondern wie Kommunikationsräume dafür geschaffen werden können.“ 42 | MEET THE EXPERT KATARINA PERANIC: „Ja, die Schaffung von Resonanzräumen für Kommunikation ist wichtig. Aber noch wichtiger ist es, Partizipation zu ermöglichen. Wenn Koordinator*innen oder auch Tandems partizipativ nicht eingebunden werden, dann verstehen sie sich auch nicht als Community und werden dann auch die Angebote nicht annehmen. Wollen wir also Feedback von den Koordinator*innen, dann gilt es, sie bereits bei der Frage miteinzubeziehen, warum Feedback notwendig ist und wie dieses aussehen sollte. Und das ist auch jenseits von Digitalisierung wichtig. Unsere Welt ist einfach komplexer geworden, und hierfür brauchen wir auch andere Arbeitsmethoden und –prozesse, um das Wissen von allen in Wert setzen zu können.“ Inwieweit sollten Algorithmen im Matching eine Rolle spielen dürfen? JAKOB FILZEN: „Die Erfahrung unserer Arbeit zeigt, dass ein intensiver Matchingprozess durch die Vermittler*innen wichtig ist, beispielsweise auf Grundlage von Interessen und Hobbies, aber am Ende die Tandems auch selbst entscheiden, ob es wirklich matcht. Vor diesem Hintergrund könnten Algorithmen die Vermittler*innen bei dem Matchingprozess entlasten. Sie können dann vermehrt ihre Ressourcen für die Ermutigung und Begleitung der Tandems sowie für die Lösung möglicher Herausforderungen verwenden. Uns geht es folglich nicht darum, den Matchingprozess durch Algorithmen einfach nur zu beschleunigen, sondern mehr Zeit zu schaffen für das was uns wirklich wichtig ist: persönliche Begegnungen und die Begleitung der Tandems, insbesondere dann, wenn die Vermittlung und Begleitung der Tandems durch Ehrenamtliche erfolgt.“ Setzt die Nutzung digitaler Tools eine Digitalisierungsstrategie voraus, oder kann auch die Methode des Trial-and-Errors zum Erfolg führen? DR. KARIN REICHEL: „Ich würde immer dafür plädieren, eine Digitalisierungsstrategie zu entwerfen, und zwar immer ausgehend von den Problemen, die vorliegen. Also die Fragen stellen: „Warum brauchen wir das?“, “Welches Problem wollen wir damit lösen?“ und “Welche Anforderungen haben wir?“. Trial and Error, also bloßes Ausprobieren, ist wenig zielführend und nachhaltig. Eine professionelle und systematische Vorgehensweise ist folglich anzuraten, wenn längerfristige Lösungen gefunden werden sollen.“ WORKSHOP „Welches Potenzial haben Sozialräume für Pat*innenschaften und Mentoring?“ Impulse: CHRISTIANE GRABE, Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, JOHANNES GRÜNECKER, Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (AWO) Moderation: WIEBKE KUNSTREICH, BBE Als Ergebnis sozialer Beziehungen, das dem Interesse und Handeln von Individuen und Gruppen entspringt, bildet der Sozialraum oder das „Quartier“ einen wichtigen Austragungsort gesellschaftlicher Gestaltungs- und Veränderungsprozesse. Der Workshop thematisierte, inwieweit sich die Bedingungen für soziale Exklusion und Inklusion verändert haben, wo Pat*innenschaftsprojekte im sozialen Nahraum zum Tragen kommen, und was eine gute Zusammenarbeit zwischen den Akteuren im Sozialraum ausmacht. Christiane Grabe stellte eingangs das bundesweit einzigartige Konzept der aktuell 171 Integrationsagenturen vor, die von der Wohlfahrtspflege betrieben werden und explizit sozialraumorientiert arbeiten. Die Arbeit der Integrationsagenturen ist nicht Pat*innenschaftsbezogen, jedoch bestehen Analogien, die wichtige Hinweise geben auf Gelingensbedingungen auch für Pat*innenschaften und Mentoring. Der Sozialraum vereint vielfältige Themen und Handlungsfelder: Stadt(teil)entwicklung, Quartiersmanagement, Alten- und Behindertenhilfe, Familien-, Kinder- und Jugendhilfe, Inklusion sowie Integration. Die klassischen Akteure, Nachbarschaftsheime, Seniorenbegegnungsstätten, Häuser der offenen Tür für Kinder und Jugendliche, Stadtteilzentren und Bürgerläden arbeiten meist themenbezogen mit starkem Quartiersbezug. Familienzentren und Gemeindezentren der Kirchen bieten hingegen übergeordnete An- gebote an, an die Pat*innenschaftsprojekte gut andocken können. Starken Bezug zu Pat*innenschafts- und Mentoringprogrammen haben die „Stadtteilmütter“-Projekte, in denen Frauen mit Migrationshintergrund in ihren Communities sehr wirkungsvoll als Ansprechpartnerinnen für soziale und ökonomische Problemlagen wirken. Zu den Projekten im Sozialraum, die gute Anknüpfungsmöglichkeiten für Mentoring- und Pat*innenprojekte bieten, gehören Wohn- und Arbeitsprojekte, Nachbarschaftszusammenschlüsse und Quartiergenossenschaften. Bei regionalen Erzeuger- und Verbraucherkooperativen gibt es erfahrungsgemäß eine große Offenheit für ein Engagement in der Flüchtlingshilfe. Das Spektrum reicht von Ausbildungspat*innen, Jobcoaches für Zugewanderte, Sprach-, Kultur- und Stadt(teil)mittler*innen, über Gesundheits- und Sportlots*innen hin zu bilingualen Gedächtnistrainer*innen. Zusammenfassend lässt sich sagen: es entwickelt sich eine Beteiligungs- und Mitwirkungskultur, wobei die Bereitschaft zum Engagement im Nahraum besonders hoch ist. Da weder Integration noch Inklusion für relevante Bevölkerungsteile gewährleistet sind, bedarf es verstärkter Bemühungen, ein „Zusammenwirken und Zusammenstehen“ quer durch alle Schichten, Milieus und Kulturen zu entwickeln, zu nutzen und zu fördern. Pat*innenschaftsprojekte sind dafür eine Plattform. 44 | WORKSHOP Johannes Grünecker, Koordinator des Pat*innenschaftsprogramms der Arbeiterwohlfahrt, gab anschließend Einblicke in die sozialraumorientierte Arbeit der AWO. Deren Programm startete 2016 im Programm „Menschen stärken Menschen“ mit dem Ziel, Geflüchtete durch Pat*innenschaften zu unterstützen. 2019 wird das Programm bundesweit mit 6.500 Pat*innenschaften an über 45 Standorten umgesetzt, die Zielgruppen sind entsprechend der Programmerweiterung ausdifferenziert worden. Grünecker zeigte anhand der Entwicklungen im Pat*innenprogramm in 2018 auf, inwiefern sich die Bedingungen von Inklusion und Exklusion verändert haben. Die Mehrheit der Standorte habe zunehmend Schwierigkeiten, Freiwillige zu finden. Gleichzeitig müssten sie mehr in die Pat*innenschaften investieren und es falle ihnen schwerer, Abbrüche zu verhindern. Außerdem seien die Engagierten zunehmend „ausgebrannt“. An der Hälfte der Standorte wird zudem nicht hauptamtlich, sondern ehrenamtlich koordiniert. In der Summe ist die Arbeit für die hauptamtlichen Koordinator*innen schwieriger geworden. Betrachtet man, dass die durchschnittliche jährliche Betreuungszeit pro Pat*innenschaft von 7,5 Stunden in 2017 auf 6,5 Stunden in 2018 gesunken ist, werde klar: Die Betreuung für die Engagierten ist geringer geworden, gleichzeitig sind die Herausforderungen gestiegen. Die Quartiersarbeit ist für die AWO wichtig, aktuell gibt es bundesweit 100 Projekte. Der Fokus liegt auf generationsübergreifender Quartiersarbeit, die Engagement in die soziale Dienstleistung integriert. Grundsätzlich soll das Engagement jedoch nicht professionelle soziale Arbeit ersetzen, sondern als „Türöffner“ dahingehend unterstützen, Teilhabe zu erhöhen und Hilfsangebote zu finden. Anhand des „Haus der Begegnung“ im bayrischen Mühldorf am Inn erläuterte Grünecker die Einbindung des Pat*innenschaftsprogramms in die sozialraumorientierte Arbeit der AWO. Als Mehrgenerationenhaus, Familien- und Selbsthilfezentrum vereint die Einrichtung unterschiedliche Angebote. Eine hausintern organisierte Freiwilligenbörse vermittelt in Angebote. Die sozialräumliche Infrastruktur - Grundschule, Berufsschule, Kirchengemeinde, Seniorenzentrum und Flüchtlingsunterkunft - bildet eine gute Grundlage für die Vernetzung der Akteur*innen im Nahraum. Das Pat*innenschaftsprogramm startete dort 2016, indem die Bedürfnisse der Menschen in der 2015 eingerichteten Flüchtlingsunterkunft mittels aufsuchender Arbeit eruiert und darauf abgestimmte Angebote entwickelt wurden. Daraus sind niedrigschwellige, offene Angebote wie das „Café International“ entstanden, das dem Austausch auch über Bedarfslagen dient. Die daraufhin eingerichteten Gruppenangebote wie ehrenamtliche Deutschkurse, Hausaufgabenbetreuung und Ferienfrei- 45 | WORKSHOP zeiten für Kinder und Jugendliche bieten einen guten Andockungspunkt, um individuelle Bedarfe zu ermitteln und diese durch 1:1-Pat*innenschaften zu unterstützen. Die Herausforderung läge angesichts der Vielfalt der Zielgruppen und unterschiedlichen Bedarfe in der Breite der inhaltlichen Arbeit. Wenn die benötigten Ressourcen nicht hauptamtlich vorhanden seien, bedarf es einer sehr gut koordinierten Freiwilligenarbeit. Auch die Netzwerkarbeit zwischen den lokalen Akteur*innen brauche Zeit und Vertrauen, um gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Die Chancen: offene Angebote geben gute Einblicke in die (sich wandelnden) ganisation von Pat*innenschaften. Als wichtigste Ergebnisse wurden festgehalten: Ausgehend von Bedarfslagen und Zielgruppen brauche es zunächst eine Übersicht der bestehenden Angebote. Neue Angebote sollten stets am Bedarf orientiert sein. Als relevante Stakeholder wurden Stadtteilmanager*innen, Sozialraumkoordinator*innen, Bürgeramt, Kirchen- und Moscheen-Gemeinden, Migrantenselbstorganisationen, Kultur- und Sportvereine, lokale und regionale Wohlfahrtsverbände, Bildungseinrichtungen, Veranstalter*innen von kulturellen und religiösen Festen sowie persönliche Netzwerke identifiziert. Ein guter Ausgangspunkt für das Gelingen eines Pat*innenschaftsprogramms Bedarfe des Quartiers, gleichzeitig trete durch Engagement zutage, welche Potenziale vorhanden seien. Die Arbeit im sozialen Nahraum schaffe eine besondere Motivation, durch die Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes Selbstwirksamkeit zu erfahren. Als wichtige Gelingensbedingungen sieht Grünecker neben Pragmatismus und Geduld v.a. den persönlichen Kontakt und eine breite Kooperationsbereitschaft. sei, zunächst an aktuelle Themen im Sozialraum anzuknüpfen. Darauf abgestimmt sollten niedrigschwellige Zugänge geschaffen werden, das Stiften von Pat*innenschaften sollte nicht der alleinige Fokus sein. In der Anbahnung und Umsetzung des Programms bedürfe es dann Schlüsselpersonen bzw. Institutionen, die als „Türöffner“ zu den Communities und Zielgruppen fungieren, sowie einer guten Vernetzung und Kooperation der relevanten Akteure. In der anschließenden Kleingruppenarbeit beschäftigten die Teilnehmenden sich mit der Identifikation von relevanten Stakeholdern im Sozialraum, insbesondere in Bezug auf die Or- PANELS 47 | TEXT KEYNOTE | 47 PANEL I Helfen in allen Lebenslagen? – Pat*innen und Mentor*innen als pädagogische Laien Impulse: ANNIKA JÄHNKE, BürgerStiftung Hamburg, BETTINA JANTZEN, Ehlerding Stiftung, BIRGIT JOHANNSSEN, Seniorpartner in School e.V., JUN.-PROF. DR. MARIAN KRATZ, Universität Koblenz-Landau Moderation: RAINER HUB, Diakonie Deutschland Die wissenschaftliche Grundlage für das Panel legte JUN.-PROF. DR. MARIAN KRATZ von der Universität Koblenz-Landau, mit einem Bericht aus dem Service-Learning-Projekt „Alltagsbegleitung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter“ an der Universität Frankfurt am Main, in dem Studierende sich ein Jahr lang ehrenamtlich in 1:1-Beziehungen als Mentor*innen engagierten. Vorbereitet wurden die Mentor*innen durch Seminare, u.a. zum pädagogischen Rollenverständnis und traumasensibler Pädagogik, Critical Whiteness-Forschung sowie Fallstudien von Mentoring-Erfahrungen. Für die Beforschung des Projekts waren folgende Fragestellungen leitend: Was für Beziehungsdynamiken lassen sich in ehrenamtlich strukturierten „Arbeitsbündnissen“ beobachten? Welche Chancen, welche Belastungspotenziale bestehen? Wie müssten Engagierte begleitet werden, um ehrenamtliches Handeln pädagogisch fruchtbar zu machen? Anhand der Analyse dreier Fälle aus dem Projektkontext veranschaulichte Kratz unterschiedliche Perspektivlagen. Erstens: Ehrenamtliche „Arbeitsbündnisse“ brauchen einen thematischen Rahmen und Ziele. Sind diese nicht gegeben, werden zwar diffuse Bedürfnisse erkannt, die sich aber nur schwer in Handlungen umsetzen lassen. Die Beziehungswünsche der/des Mentee, im vorgestellten ersten Fall nach Nähe-Freundschaft-Familie, können zwar gesehen, aber nicht weiterbearbeitet werden. Obwohl die Beziehung großes Potenzial und Spielräume bietet, schafft die/der Mentor*in es nicht, ihre*n Mentee darin zu unterstützen, die (peer group-) Beziehungen zu finden, die er/sie sucht, z.B. durch eine Vermittlung in Vereine. Zweitens: Die aus der Fluchterfahrung resultierende Belastung des/der Mentee sollte angemessen wahrgenommen werden. Im zweiten Fall tritt die hohe Belastungssituation, bedingt durch eine zweifache Flucht, zugunsten einer Glorifizierung durch die/den Mentor*in vollständig in den Hintergrund, indem nur auf die Begeisterungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der/des Mentee abgehoben wird. Die/ der politisch engagierte Mentor*in lässt keine Ambivalenz zu, sie/er überträgt ihre politische Überzeugung auf den/die Mentee. Drittens: Mentor*innen müssen auf den Umgang mit zurückliegenden und aktuellen Belastungen des/ der Geflüchteten vorbereitet werden. Allgemein wird angenommen, dass sich Mentor*innen für die mitgebrachte Belastung des/der Mentee wappnen müssen. Jedoch kann auch das Bezeugen und mittelbare Erleben von post-migrantischen Belastungssituationen, z.B. das Erleiden alltäglicher Diskriminierung des/der Mentee für die Mentor*innen und zu starker Überforderung führen. Kratz veranschaulichte dies am Beispiel einer Lehrerin, die gegenüber einer Mentee rassistisch und verbal sexuell übergriffig handelte. Kratz zieht daraus das Fazit, „dass ehrenamtlich Engagierte Reflexionsräume benötigen, damit sich in sicheren Momenten stabiler, weil reflektierter Sozialbeziehungen ein Milieu entwickeln kann, in dem ehrenamtliches Engagement als ein Glied in der psychosozialen Versorgungskette verantwortungsvoll wirken kann“. Wenn dieser 48 | PANEL I Raum geschützt sei, könne sehr viel Fruchtbares stattfinden, gründend auf Authentizitätserfahrungen und gegenseitigem Vertrauen. Die drei anschließenden Praxisimpulse gaben Einblicke in die Vorbereitung und Begleitung von Freiwilligen als Pat*in und Mentor*in für Kinder und Jugendliche. ANNIKA JÄHNKE, Leiterin des Projekts „Landungsbrücken – Patenschaften in Hamburg stärken“ stellte das Angebot vor, das an Hamburger Pat*innen- und Mentoringprojekte gerichtet ist, die Kinder und Jugendliche herkunftsunabhängig im Rahmen einer Chancenpat*innenschaft fördern. Das Projekt unterstützt die Koordination als auch die Pat*innen durch drei Säulen: Beratung und Information für bestehende und neue Projekte, Qualifizierung und Vernetzung sowie Projektförderung. Jähnke erachtet das Credo „Ehrenamt braucht Hauptamt“ insbesondere für Pat*innenschaften und Mentoring als wichtig an. Herausforderung des Hauptamtes sei es, das Ehrenamt so zu qualifizieren und begleiten, dass es die Anforderungen erfüllen kann. Grundlegend seien die Klärungen hinsichtlich Rollenverständnis, Abgrenzung, Schutzkonzepten und guter Begleitung, um vorzeitige Abbrüche von Pat*innenschaften zu vermeiden. Gut organisiertes Ehrenamt sei eine Ressource, mit der viel bewegt werden kann, weil sie flexibel ist und stark in der inhaltlichen und in der Beziehungsarbeit. Es stoße jedoch an Grenzen, wenn Professionalisierungsschritte größeren Umfangs notwendig seien. Hauptamtliche Strukturen sollten in diesen Entwicklungsschritten beraten und zwischen Haupt- und Ehrenamt vermitteln. BETTINA JANTZEN, Leiterin der 2007 gegründeten mitKids Aktivpatenschaften der Ehlerding-Stiftung, stellte das Zusammenwirken von Haupt- und Ehrenamt in ihrem Projekt vor, das ehrenamtliche Pat*innen an Kinder aus belasteten Situationen vermittelt. Während die Leitung und Koordination der drei Standorte hauptamtlich tätig sind, sind die Pat*innen und Pat*innenschaftsbegleiter*innen Ehrenamtliche. Die Pat*innenschaftsbegleiter*innen besuchen neu angemeldete Familien, prüfen die Eignung für das Projekt, wirken am Matching mit, begleiten die Pat*innenschaft und moderieren Konflikte. Neben einer Schulung zu Beginn gibt es kontinuierlich Fortbildungsangebote zur Konfliktberatung, Rollenklärung sowie Supervision. Auch eine Kinderpsychologin kann konsultiert werden. Unter den 180 Pat*innenschaften gibt es zahlreiche langjährige, mithilfe derer auch Krisenphasen überwunden und Übergänge erfolgreich begleitet werden. Jantzen stellt heraus, dass mit dieser 49 | PANEL I Langfristigkeit und Intensität nur ehrenamtliche Pat*innenschaftsbegleiter*innen begleiten können. Die besondere Qualität des Ehrenamts zeige sich laut Jantzen v.a. in drei weiteren Aspekten: Die Freiwilligkeit ist ein Geschenk für den/die Mentee, sie wird sehr wertgeschätzt und macht das Kind stark. Der Umstand, dass Pat*innen pädagogische Laien und damit authentisch und lebensnah sind, trainiert ihr*e Mentee zudem für die „reale“ Welt. Außerdem können ehrenamtliche Pat*innen im Gegensatz zu Professionellen ihre persönlichen Netzwerke einbringen und damit Teilhabe befördern. BIRGIT JOHANNSSEN, Landesvorsitzende von Seniorpartner in School (SiS) in Berlin, erläutert das Konzept des Einsatzes engagierter Senior*innen, die als ehrenamtliche Schulmediator*innen die gewaltfreie Kommunikation unter Schüler*innen fördern. Die SiS wirken in den drei Aufgabenfeldern Mediation, helfende Einzelgespräche und Bildungsbegleitung. Während die Mediation situationsbedingt Hilfen zur Konfliktbewältigung gibt, zielt das Einzelgespräch auf die Stärkung des Selbstvertrauens und Hilfe zur Selbsthilfe ab. Die längerfristig angelegte Bildungsbegleitung fokussiert zusätzlich auf das soziale Lernen, auf Findung und Erreichung von Zielen und klärt ggf. den Bedarf externer Hilfen. Wichtigster Aspekt bei Einzelgespräch und Bildungsbegleitung ist die positive Betrachtung, um die Stärken des Kindes herauszuarbeiten. Für ihren 18-monatigen Einsatz werden die SiS in 88 Stunden von einer zertifizierten Trainerin ausgebildet. Die Arbeit im Team ist dazu angelegt, Fehlverhalten oder mögliche Grenzüberschreitungen zu korrigieren. Der wöchentliche, vierstündige Einsatz an einer Schule fördert intensive Beziehungen zu den Kindern. Ihre Einsätze reflektieren die SiSler in mindestens zehn Supervisionssitzungen. Fortbildungen finden zusätzlich zu den Themen Umgang mit Kindern bei schwierigem Verhalten, interkulturelle Kommunikation und (Cyber-)Mobbing statt. Die anschließende Diskussion erbrachte als wichtigste Ergebnisse: Damit Engagement sinnvoll wirken kann, bedarf es Rahmenbedingungen, die finanziert und durch Fachpersonal begleitet werden müssen. Die große Qualität des Ehrenamts, Flexibilität und ganzheitliche Wirkung, darf nicht überstrapaziert werden. Nur wenn hinreichende Rahmenbedingungen für die drei Personengruppen Koordination, Pat*innen/Mentor*innen und Mentees bestehen, bleiben alle Gruppen handlungsfähig. Der Staat als Akteur und Rahmengeber ist gefordert, Strukturen, Regelungen und Abläufe so zu gestalten, dass die Arbeit von Ehrenamtlichen wirksam werden kann. 50 | TEXT PANEL II Wann kommen wir an? – Der lange Weg in die Arbeitswelt Impulse: HAMIDOU BOUBA, Verband für interkulturelle Wohlfahrtspflege, Empowerment und Diversity, FREDERICK SIXTUS, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, CHRISTOPH ZECKRA, Generali Deutschland Holding AG Moderation: PROF. DR. REINER LEHBERGER, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Die Basis für den Austausch legte FREDERICK SIXTUS, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, mit einem Impuls zu den aktuellen Entwicklungen der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. 1,2 der insgesamt knapp 1,7 Millionen Schutzsuchenden in Deutschland (Stand Ende 2018) verfügen über einen anerkannten Schutzstatus und dürfen somit arbeiten. Knapp 350.000 davon sind mittlerweile sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Diese Entwicklung ist zum einen den Bemühungen der Zivilgesellschaft, zum anderen den derzeit günstigen Bedingungen des Arbeitsmarktes zuzuschreiben. Von dem bestehenden und perspektivisch zunehmenden Fachkräftemangel wird die Mehrheit der erwerbsfähigen Geflüchteten jedoch nicht profitieren können, da sie selten abgeschlossene Studien mitbringen bzw. keine formalen beruflichen Qualifikationen nachweisen können. Vielmehr kommt ein Großteil in prekären Arbeitsverhältnissen unter, ca. 30% davon in Leiharbeit. Dass sich die Beschäftigungsquote von Geflüchteten erst nach ca. 15 Jahren der Quote anderer Zuwanderer angleicht, lässt sich durch die besonderen Hürden erklären, die sich ihnen stellen. Zu den individuellen Hürden, die der Fluchtsituation geschuldet sind, gehören mangelnde deutsche Sprachkenntnisse, unzureichende Schul- und Fachkenntnisse, mangelnde Kenntnis des deutschen Arbeitsmarkts sowie eine geringe soziale Integration, d.h. kein entsprechendes Netzwerk und „Vitamin B“. Nicht zu- letzt erschweren psychische Probleme aufgrund traumatischer Erlebnisse, der Sorge um die Entwicklung des Aufenthaltsstatus und das Schicksal zurückgebliebener Angehöriger das Lernen und „Funktionieren“ im neuen Lebensumfeld. Angebote zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Überwindung dieser individuellen Hürden sind zahlreich und unverzichtbar. Sie bieten Orientierung durch aufsuchende Angebote wie Sprechstunden in den Unterkünften oder Beratungen in Sprachkursen oder Willkommensklassen, um beispielsweise über regionale Ausbildungsinitiativen oder Ausbildungscoachings zu informieren. Initiativen unterstützen außerdem bei der Anerkennung von Berufsausbildungen und bieten Sprachkurse an, die das staatliche Angebot z.B. im fachsprachlichen Bereich ergänzen. Auch Vermittlungen in Praktika durch Öffnung der eigenen Netzwerke sind von großem Wert. Neben den individuellen bestehen institutionelle Hürden seitens Politik und Verwaltung, die noch stärker ins Gewicht fallen. Hohe gesetzliche Auflagen und Anforderungen erschweren sowohl Eintritt als auch Verbleib im Arbeitsmarkt, z.B. aufgrund der Wohnsitzauflage oder fehlender Flexibilität bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen und -qualifikationen. Eine komplexe Verteilung von Zuständigkeiten führt dazu, dass Gesetze regional unterschiedlich ausgelegt werden und sich ein „Behördendschungel“ auftut, in dem je nach Aufenthaltsstatus unterschiedliche Ebenen und Institutionen des 51 | PANEL II föderalen Systems für die grundlegenden Belange zuständig sind. Hinzu kommt das komplexe deutsche Ausländerrecht, das zu einer undurchsichtigen Rechtslage führt. Engagierte leisten hier einen wichtigen Beitrag, beispielsweise als „Behördenlots*innen“ oder als Initiator*innen von Vermittlungsplattformen, die Kontakte zwischen Unternehmen und Geflüchteten ermöglichen. Der anschließende Impuls von CHRISTOPH ZECKRA, Leiter des Projekts „The Human Safety Net“ (THSN) des Generali Zukunftsfond, gab Einblick in einen konsequent potenzialorientierten Ansatz bei der Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen in Selbstständigkeit. Laut Zeckra gibt ein Drittel der Geflüchteten an, in ihrem Land als kleine Unternehmer*innen tätig gewesen zu sein. Eine Befragung des BAMF ergab zudem, dass die Hälfte der Geflüchteten Interesse an einer Selbstständigkeit und laut Jobcenter mindestens 10-15% der Zugewanderten Potenzial für die Selbstständigkeit haben. Dies sei interessant vor dem Hintergrund, dass in Deutschland die Zahl der Gründungen zurückgehe. THSN will Angebot und Nachfrage zusammenführen, indem es interessierte Geflüchtete bei der Gründung von Start-ups unterstütze. Das Projekt wird in enger Partnerschaft mit allen Stakeholdern derzeit in elf deutschen Städten durchgeführt, außerdem in Frankreich, Italien und der Schweiz. Da Gründungserfolg interkulturelle Kompetenz, Gründungsberatungserfahrung und eine lernfördernde Umgebung voraussetzt, dockt THSN immer an Social Impact Labs an. Durch Trainings werden die Entwicklung von Konzepten und unternehmerischer Fähigkeiten und der Aufbau von Fachwissen und Netzwerkkontakten initiiert, gefördert und begleitet. Weiterhin unterstützt das THSN mit Räumlichkeiten, Mikrokrediten und 1:1-Coaching. Bislang wurden in 18 Monaten 60 Unternehmen mit 500 Arbeitsplätzen gegründet, angesichts des komplexen Verfahrens in Deutschland sei das ein gutes Ergebnis. Gewonnene Erkenntnisse sind, dass der Prozess viel länger als erwartet dauere, dass die realisierten Geschäftsideen noch weit hinter den Potenzialen zurückblieben und zu wenig an die bestehenden Qualifikationen anknüpften. Hinsichtlich des Spracherwerbs zeige sich, dass fachbezogene Sprachübungen Teil des Kompetenzbedingungsnachweises werden sollten. Außerdem bestehe ein Anpassungsbedarf in beide Richtungen: die Teilnehmenden müssten sich hinsichtlich Sprache, Märkte, rechtlicher Rahmen, Mentalität und Geschäftsgepflogenheiten an das System anpassen, gleichzeitig müsse sich das System in Bezug auf religiöse Rahmenbedingungen und Unterstützungsmöglichkeiten den Teilnehmenden annähern. 52 | PANEL II HAMIDOU BOUBA, Geschäftsführer des Verbands für interkulturelle Wohlfahrtspflege, Empowerment und Diversity, stellte anschließend das Projekt „Vitamin P – Chancenpatenschaften im Übergang zwischen Schule und Beruf“ vor. Dieses wird in fünf Bundesländern mit regionalen Partner*innen aufgebaut und durchgeführt, für den Zeitraum 2019 bis 2021 sind 1.500 Pat*innenschaften geplant. Ziel ist es, bildungsferne Jugendliche und junge Erwachsene mittels Pat*innenschaften zu unterstützen, ihre Chancen beim Eingang ins Ausbildungssystem und in den Arbeitsmarkt zu verbessern. Das Projekt ist in drei Phasen aufgebaut: Phase A unterstützt am Übergang zwischen Grundund weiterführender Schule. Phase B setzt beim Übergang von der weiterführenden Schule an, gibt Orientierungshilfen zum Ausbildungssystem und der Studienlandschaft und unterstützt beim Aufbau von Netzwerken, z.B. in der Suche von Ausbildungsplätzen oder Praktika. Phase C birgt die größte Herausforderung und Verantwortung, denn am Übergang zwischen Berufsschule und Arbeitsmarkt kommen die individuellen und institutionellen Hürden am stärksten zum Tragen. An dieser Stelle können Pat*innen gut wirken. Hauptamtliche Koordinator*innen bereiten Pat*innen durch Qualifizierungen auf diese Aufgabe vor. Die Begleitung unterstützt bei der Entscheidungsfindung, der Entwicklung von Fähigkeiten und Sprache, der Sozialisation und beim Empowerment. Auch die Mentees erhalten Angebote wie Bewerbungstrainings und Informationen über Ausbildungs- und Studienoptionen. Vorrangiges Ziel von Phase B und C ist die Stärkung der Selbstständigkeit der Jugendlichen in allen relevanten Bereichen. Wichtige Erkenntnisse nach dem Projektstart seien, dass sowohl die Kommunikation sowohl über die Projektträger*innen als auch über das Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ intensiviert werden sollte. Herausforderungen bei der Umsetzung des Programms lägen zum einen in der Diskrepanz zwischen Berufswünschen und Arbeitsmarktbedarfen, zum anderen in der starken Orientierung am Arbeitsmarktbedarf. Tatsächliche Fähigkeiten und Berufungen würden dadurch vernachlässigt, die spätere praktische Umsetzung brächte dann Ernüchterung. Für eine erfolgreiche Projektdurchführung sei das Andocken an vorhandene Strukturen ein wichtiger Gelingensfaktor. Beim Strukturaufbau sei es zentral, als Akteur*in im sozialen Kontext vor Ort Akzeptanz aufzubauen und nach Möglichkeit mit den etablierten Sozialstrukturen zu kooperieren. 53 | TEXT PANEL III Verbunden über Generationen? – Beziehungsarbeit in Pat*innenschafts- und Mentoringprogrammen Impulse: PROF. DR. GISELA JAKOB, Hochschule Darmstadt, ERIK RAHN, Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V., VERENA THUN, ROCK YOUR LIFE! Deutschland Moderation: CAROLA SCHAAF-DERICHS, BBE-Sprecher*innenrat, Landesfreiwilligenagentur Berlin e.V. PROF. DR. GISELA JAKOB von der Hochschule Darmstadt legte mit einem Bericht aus ihrem kürzlich abgeschlossen Forschungsprojekt die wissenschaftliche Grundlage für das Panel. In dem untersuchten Pat*innenschaftsprojekt wurden Schüler*innen im Übergang von der Schule in eine Ausbildung oder in eine weiterführende Schule bei ihrer Berufsorientierung und -findung begleitet. Ziel der Forschungsarbeit war es zu prüfen, welchen Einfluss biographische Passungsverhältnisse auf das Zustandekommen und Gelingen von Pat*innenschaften haben. Den Forschungsergebnissen zufolge wirkten die Pat*innenschaften trotz der konkreten Zielsetzung zusätzlich auch als eine biographische Begleitung in der jeweiligen Lebensphase. Dies gelänge insbesondere, wenn die Pat*innen verlässliche Ansprechpartner*innen seien, authentisch handelten, Perspektivwechsel vornehmen könnten, gemeinsam Handlungsalternativen entwickelten und als Vorbild genommen werden konnten. Im Wesen der Pat*innenschaft lägen zudem Ambivalenzen, von denen Jakob drei hervorhob: Erstens könne es zwischen Pat*innen und Jugendlichen zu einem unterschiedlich ausgeprägten asymmetrischen bzw. hierarchischen Verhältnis kommen. Zweitens benötige eine stabile Beziehung eine gewisse Nähe, die jedoch einer drohenden Abhängigkeit gegenüberstehe. Drittens mache es eine gute Pat*in aus, sich an der Lebenswelt der Jugendlichen zu orientieren, zugleich aber eigene Werte und Haltungen zu vermitteln. Diese zentralen Ambivalenzen ließen sich nicht auflösen, müssten aber reflektiert und bearbeitet werden. In dem Pat*innenschaftsmodell zwischen Jugendlichen und Erwachsenen seien die Generationenbeziehung von vornherein angelegt. Gemäß der aktuellen Generationenforschung werde davon ausgegangen, dass es im mittleren und höheren Alter ein Bedürfnis gibt, von der jungen Generation gebraucht zu werden und eigenes Wissen und Erfahrungen weiterzugeben. Diese Sorge und das Handeln würden als Generativität bezeichnet. In Pat*innenschaften seien eine Reihe von Motiven für den Einsatz als Pat*in bedeutend: das Bedürfnis, die junge Generation zu unterstützen und Verantwortung zu übernehmen, Sinn zu stiften, Erfahrungen weiterzugeben und zu sammeln, Einblicke in andere Lebenswelten zu ermöglichen und zu bekommen. Die Pat*innenschaft stelle also auch für die Mentor*innen eine passende Möglichkeit zur Erfüllung dieser Bedürfnisse dar. Auch den Jugendlichen sei die Wechselseitigkeit von Generativität durchaus bewusst. Für sie biete die Pat*in eine verlässliche Bezugsperson einer älteren Generation, die nicht die Eltern seien. Pat*innen ermöglichten Lern- und Bildungsprozesse undseien Vorbilder für die eigene Identitätsentwicklung. Zugleich begäben sie sich in der Pat*innenschaft auch in eine Geberrolle, indem sie den Pat*innen Erfahrungen mit jungen Menschen und Einblicke in ihre 54 | PANEL III Lebenswelt gäben, interkulturelle Beziehungen ermöglichten und Wertschätzung vermittelten. Positiv für die Beziehung sei, wenn es viele Passungen gäbe, z.B. eine gemeinsame Herkunft oder Fluchterfahrung, Parallelitäten in den (ungeraden) Lebenswegen, positive Erfahrungen biographischer Begleitung außerhalb der Familie, verbunden mit dem Wunsch nach Weitergabe an die Mentees. Diese in Pat*innenschaften entstehenden Passungsverhältnisse seien durch professionelles Handeln nicht zu kompensieren, da sie Kommunikationsräume eröffneten, die weder die Familie noch das professionelle System bieten können. Schlussfolgernd lässt sich zusammenfassen: Die Erkenntnisse zur biographischen Passung sollten im Prozess des Matchings Berücksichtigung finden. Der Mehrwert einer Pat*innenschaft liegt in der individuellen 1:1-Begleitung. Pat*innen sind keine Professionellen und können das professionelle System nicht ersetzen. Gleichwohl benötigen sie Sozialkompetenzen, die weiter qualifiziert werden müssen, sowie Reflexionsmöglichkeiten und Begleitung in der Pat*innenschaft, die durch hauptberufliche Teams sichergestellt werden müsse. ERIKA RAHN, Leiter der „Alt & Jung Chancenpatenschaften“ bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros (BaS), gab im Anschluss Einblicke in das Projekt, das seit 2016 an mittlerweile 20 Standorten deutschlandweit mit ca. 1.000 Freiwilligen durchgeführt wird. Auch nach der Zielgruppenerweiterung seien überwiegend Tandems zwischen Senior*innen und Geflüchteten Teil des Projekts. Rahn berichtete von den Erfahrungen der praktischen Arbeit, die z.T. auch durch Erkenntnisse einer Studie der INBAS Sozialforschung bestätigt worden seien. So könnten lebensältere Menschen (mehr) Zeit und Erfahrungen einbringen und seien zudem länger und verbindlicher im Engagement. Oftmals hätten Ältere eine höhere Zielorientierung, woraus der positive Effekt erwachse, dass sie sehr interessiert daran seien, mit ihrem/ihrer Mentee etwas zu erreichen. Dies berge zugleich die Gefahr einer Überforderung bzw. einer Demotivation bei Misserfolgen. Des Weiteren sähen Ältere in ihrem Engagement teilweise eine „Mission“, die nicht immer konkludent mit den Zielen des Programms oder den Möglichkeiten und Fähigkeiten des/der Mentee sei. Als wichtige Rahmenbedingungen für die Entwicklung einer stabilen Beziehung siehe Rahn, dass die Möglichkeiten und Grenzen einer Pat*innenschaft realistisch betrachtet würden. Es bleibe ein bürgerschaftliches Engagement, welches das professionelle System weder ersetzen kann noch solle. Nähe und Distanz in der Pat*innenschaft müssten immer wieder thematisiert und bearbeitet werden. Auch die 55 | PANEL III Gegenseitigkeit im Projekt solle betont werden, eine Pat*innenschaft ermögliche eine besondere Form der Begegnungen für beide Seiten. Da die Arbeit mit unterschiedlichen Zielgruppen zudem vielfältige und unterschiedliche Anforderungen, Motive, Rahmenbedingungen und rechtliche Vorgaben mit sich bringe, sei die professionelle Begleitung der hauptberuflichen Teams unerlässlich. ten alle ein Zertifikat über ihre Teilnahme. Auch wenn der Altersunterschied nicht groß sei, träfe dennoch unterschiedliche Generationen aufeinander (Generation Y à Generation Z), die voneinander profitierten. Stark gemacht in der Kommunikation würde daher auch, dass trotz gemeinsamer Interessen, Themen und Wohnorte, unterschiedliche Lebenswirklichkeiten aufeinanderträfen. VERENA THUN, Community Managerin bei Rock Your Life! Deutschland (RYL), stellt daran anknüpfend das Social Franchise-Modell von RYL! vor, das in Deutschland derzeit 38 aktive Vereine zählt. Das Konzept sähe vor, dass freiwillig engagierte Student*innen benachteiligte Schüler*innen in den letzten beiden Jahren vor ihrem Abschluss begleiteten. Thun erläuterte einige Instrumente, die im Rahmen der Begleitung zum Einsatz kämen. Grundlegend für den Beziehungsaufbau sei der gemeinsame Auftakt beim ersten Training. Dieses diene der Vorbereitung der Mentor*innen und solle vor allem das Kennenlernen und den Beziehungsaufbau der Tandems unterstützen. Als Element der Begleitung wurde kürzlich auch eine OnlineGruppensupervision getestet, die nun verstetigt werden solle, um sich als regelmäßiges Angebot bewähren zu können. Im Rahmen des dritten Trainings wird der Übergang am Ende der Pat*innenschaft thematisiert und gemeinsam darüber entschieden, ob und wie der Kontakt gehalten wird. Bei einem Abschlussfest erhiel- In der folgenden Plenumsdiskussion wurde zusammengefasst, dass Reflexion in Form von Supervision und kollegialer Beratung ein wichtiger Faktor sei, um die biographischen Aspekte der Passung verstehen und nutzen zu können. Als Grundlage einer stabilen Beziehung sollte dem Matchingprozess viel Zeit eingeräumt werden. Im Sinne einer stabilen Beziehung sei es wichtig, die Bedarfe und Hintergründe beider Seiten durch eine professionelle Begleitung aufzugreifen und sichtbar zu machen. Diese sollten das Hauptziel der Pat*innenschaft unterstützen, den/die Mentee in der jeweiligen Lebensphase zu unterstützen. Interesse an Weiterbildung und Qualifikation ließe sich fördern, wenn die Mentor*innen sich bilateral oder als Gruppe, z.B. in geselliger Form eines Stammtisches oder Pat*innencafés austauschten. Außerdem werde empfohlen, beratende Formate wie Supervisionen nicht defizitorientiert, sondern als regelmäßiges Angebot zu etablieren. 56 | TEXT PANEL IV Schlüssel für Teilhabe und Integration? – Chancen und Grenzen ehrenamtlicher Sprachförderung Impulse: AYTEN KILIÇARSLAN, Sozialdienst muslimischer Frauen e.V., DR. TATIANA MATTHIESEN mit Mentorin ANNA KAMER und Mentee WALAA ZEINELABCHI, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, PROF. DR. HANS-JOACHIM ROTH, Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln Moderation: DR. TATIANA MATTHIESEN, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius AYTEN KILIÇARSLAN, Geschäftsführerin des Sozialdienstes muslimischer Frauen, erläutert die verschiedenen Angebote zur Sprachförderung innerhalb ihres Pat*innenschaftskonzeptes: Das MuKids-Konzept für Sprachförderung für 3 bis 6-Jährige zielt darauf ab, Kinder mit Migrations- oder Fluchthintergrund bei ihrem Spracherwerb und der Persönlichkeits- und Wertebildung zu unterstützen. Durch den Einsatz von Gruppenleiter*innen mit ähnlicher kultureller Herkunft soll eventuellen Widerständen seitens der Eltern von vornherein entgegengewirkt werden. MuKids ist für eine Wochenstunde angelegt und beinhaltet darüber hinaus auch Erziehungsseminare für Eltern. Auf die Dreiecks-Konstellation aus Eltern, Gruppenleiter*innen und Betreuungsinstitutionen wird hierbei großen Wert gelegt. Vorlesepat*innenschaften bilden den zweiten Ansatz in der Arbeit mit Kindern. Auch hier hat die Mehrheit der Ehrenamtlichen selbst einen Migrationshintergrund. Die Pat*innenschaften beschränken sich nicht nur auf das Vorlesen von Büchern. Durch Aktivitäten und MutterKind Gruppen werden die dahingehend ausgewählten Bücher in Alltagssituationen kontextualisiert – in den Büchern benutzte Begriffe finden so in lebensweltlichen Situationen Anund Verwendung. Weiterhin arbeitet der Sozialdienst erfolgreich in Erwachsenengruppen. Auch hier hat die Kontextualisierung des Spracherwerbs einen hohen Stellenwert. In Gesprächskreisen von und für Frauen werden alltägliche Themen und Situationen besprochen, die innerhalb der Gruppe von Bedeutung sind. Auch werden unter Einbeziehung von Referent*innen verschiedene andere Themen und Impulse eingebracht, beispielsweise feministische Themen oder potentielle Berufsfelder besprochen. Es gilt, die Frauen untereinander zu vernetzen. So entstand auf Grund einer Bedarfslage in Neu-Münster eine Hausaufgabenhilfe für Erwachsene. Frauen, die einen Deutschkurs an der Volkshochschule belegten, wollten über den Kurs hinaus Unterstützung bei den Übungen und auch beim Sprachgebrauch erhalten. Dieses Format hat sich mittlerweile über die Region hinaus als Sprachförderungsprogramm in nicht-schulischer Atmosphäre etabliert. Auch wenn diese Angebote nicht unbedingt nach direkter Sprachförderung aussähen, so Kiliçarslan, seien sie doch Sprachvermittlung auf niedrigschwelliger Basis. In erster Linie gehe es darum, den Zugang zur Sprache zu finden – für die Vermittler*innen und Mentees gleichermaßen. Kommunikation beinhalte nicht allein das Beherrschen des Vokabulars 57 | PANEL IV und der Grammatik, sondern auch das Beherrschen von Körpersprache. gewinnbringenden Austausch auf Augenhöhe ermöglichen. Zu einem direkten Praxisbeispiel leitete DR. TATIANA MATTHIESEN der ZEIT-Stiftung Ebelin über. Mentorin ANNA KAMER und Mentee WALAA ZEINELABDIN sind ein Tandem des Stiftungsprogramms WEICHENSTELLUNG. 2015 gegründet und seit 2016 im Programm von „Menschen stärken Menschen“, ist WEICHENSTELLUNG ein Mentoringprogramm, in dem Zuwandererkinder und –jugendliche von (Lehramts-)Studierenden begleitet und unterstützt werden. Mit den Chancenpat*innenschaften wurde das Programm 2019 auf junge Menschen in Ausbildung und Beruf erweitert. PROF. DR. HANS-JOACHIM ROTH leitet das Mercator Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache an der Universität zu Köln und arbeitet aktuell an einer ergänzenden Ausbildung für zugewanderte Lehrer*innen. Walaa berichtet über ihre Tandempartnerschaft mit Anna, dass sie selbstbewusster geworden sei und sie ihr Deutsch deutlich verbessern konnte. Gemeinsam machen sie Deutschunterricht, der parallel zum Deutschunterricht in Walaas Ausbildung zur Pflegerin stattfindet. Sie sehen sich vier Stunden pro Woche, wovon zwei Stunden für kulturelles Programm mit anderen Mentees genutzt wird. Anna führt ihrerseits aus, dass sie viel von ihrer Ausbildung zur Lehrerin in die Deutschstunden mit Walaa überführen kann. Didaktisch und methodisch könne sie das Gelernte direkt in die Praxis umsetzen. Die Bildungspat*innenschaften sollen ein beidseitiges Lernen und einen für beide Seiten gleichermaßen Eingangs machte Roth den Teilnehmenden anhand mehrerer Gesprächsbeispiele deutlich, wie unterschiedlich Spracherwerb verlaufen kann. Besonders hob er hervor, dass gerade an vermeintlichen Fehlern sehr gut abgeleitet werden könne, welche Sprachkompetenzen bereits vorhanden seien und welche noch Unterstützung benötigten. Er appellierte dafür, weniger defizitorientiert auf den Spracherwerb zu schauen: Hinter jedem Fehler stecke auch eine Kompetenz – z.B. speisen sich grammatikalische oder phonetische Fehler im Deutschen aus der Kompetenz der Muttersprache. Gleiches gilt seiner Auffassung nach für die ehrenamtlichen Sprachhelfer*innen – welche Erfahrungen und Fähigkeiten bringen sie für den Spracherwerb mit und wie können sie dafür eingesetzt werden? Er verwies außerdem auf eine wichtige wissenschaftliche Erkenntnis: Ein Zweitspracherwerb nach der Adoleszenz erreicht fast nie das Niveau der Muttersprache. Dafür erläutert Roth eine einfache Begründung: Das Erlernen einer Sprache sei ökonomisch - behalten wird 58 | PANEL IV nur das, was im Alltag benötigt wird. Vor diesem Hintergrund sollte die Nicht-Kompetenz der deutschen Sprache auch nicht grundsätzlich verurteilt werden. Roth erläuterte weitere Grundannahmen aus der Forschung, die er für die Didaktik für bedeutsam hält: So seien die Lernenden häufig resistent gegenüber starren Grammatikregeln. Besonders Kinder verlassen sich mehr auf das Gehörte als auf korrigierende Erklärungen. Es sei besonders wichtig, sich zu verdeutlichen, welche Lernziele der/die Lernende und der/die Lehrende gemeinsam verfolgen. Für die ehrenamtliche Förderung des Spracherwerbs sei es generell wichtig, dass sie parallel zum institutionellen Lernen in Kita, Schule oder Sprachkurs erfolge. Es ist außerdem erforderlich, dass die Engagierten über Grundwissen beim Spracherwerb, zur Sprachverarbeitung und zu Methoden der Differenzierung und Individualisierung sprachlicher Bildung verfügen. Gleichwohl stehe gerade bei den freiwillig Engagierten im Vordergrund, dass sie ihre eigenen Kompetenzen mit einbringen. Weiterhin empfahl Roth, von kleinteiligen, grammatischen Übungen ohne Kontextbezug abzusehen. Besser eigne sich ein Unterricht, der Kommunikation und Sprechen über alltagsrelevante Themen mit methodischer Abwechslung ermögliche. Eine Offenheit für Mehrsprachigkeit und kreative Lösungen, eine hohe Fehlertoleranz und eine Reflexion des eigenen Sprechens solle die Haltung der Lehrenden prägen. Ehrenamt- liche Spracharbeit sollte die Kompetenzen und Stärken zum Vorteil aller Beteiligten nutzen und auf Augenhöhe geschehen. Es gilt einen kreativen, abwechslungsreichen Ort für den Spracherwerb zu schaffen, der den Austausch über lebensnahe Themen ermöglicht. Auch das Smartphone als Hilfsmittel einzubeziehen und andere Lernorte zu nutzen macht die Sprachförderung alltagsrelevant. Um darüber hinaus auf den Erfolg im Bildungssystem hinzuwirken ist es auch hier hilfreich, wenn berufliche Perspektiven thematisiert werden und Ehrenamtliche als Gatekeeper*innen fungieren. Abschließend führt Dr. Tatiana Matthiesen die wesentlichen Punkte der Chancen und Grenzen ehrenamtlicher Sprachförderung nochmals zusammen: Mentor*in und Mentee lernen gleichermaßen voneinander. Es handelt sich nicht um eine einseitige Beziehung, in der Lehrende*r auf Lernende*n trifft. Vielmehr ist eine Begegnung auf Augenhöhe grundlegend. Langfristigkeit muss gegeben sein, um Beziehungen und Vertrauen aufbauen zu können. Weiterhin muss ehrenamtliche Sprachförderung bei den Lebenswelten und alltäglichen Situationen ansetzen, um Teilhabe und Selbstverwirklichung zu fördern. Auf niedrigschwelliger Basis soll Kommunikation ermöglicht werden, die nicht fehlerfokussiert, sondern Kompetenzen orientiert und methodisch abwechslungsreich Brücken baut und dadurch perspektivisch Türen öffnet. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 60 | HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN • Netzwerke zwischen Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft aufbauen: Im Rahmen von Chancenpat*innenschaften rücken vermehrt institutionalisierte Bildungseinrichtungen in den Fokus. Diese bieten indes noch nicht ausreichend Anknüpfungspunkte für Pat*innen im Speziellen und Engagement im Allgemeinen. Ein erster Schritt hierfür sollte es sein, die Vernetzung von institutionalisierten Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu forcieren. Hierdurch können auch die Transparenz und Offenheit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und institutionalisierten Bildungseinrichtungen gesteigert werden. • Bildungseinrichtung für Pat*innenschaften öffnen: Um das volle Potenzial von Mentoring und Pat*innenschaften in Wert zu setzen, müssen sie zu einem Bestandteil der Kultur-, Bildungs- und Sportarbeit mit Kindern und Jugendlichen werden. Dazu gehört nicht nur die finanzielle Absicherung, sondern die Verankerung von Mentoring in pädagogischen und schulischen Rahmen. Nur hierdurch können Chancenpat*innenschaften eine gesamtgesellschaftliche Wirkung erzielen. Hierfür ist zugleich die Integration von Engagement in die Currical der institutionalisierten Bildungseinrichtung als auch der Ausbildung der Lehrkräfte notwendig. Gleichwohl gilt es zu beachten, dass eine Chancenpat*innenschaft eine professionelle Betreuung nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen kann. • Wirkung von und Erwartung an Erweiterung des Programms anpassen: Das Programm „Menschen stärken Menschen“ war mit Blick auf die Unterstützung und Integration von Geflüchteten ein Erfolg. Mit der Erweiterung des Programms auf andere Bevölkerungsgruppen sollen diese Erfolge auch diesen zugutekommen. Hier gilt es indes zu beachten: Chancenpat*innenschaften sind äußerst komplex, weil sie beispielsweise im Kontext institutionalisierter Bildungseinrichtungen und Erziehungsberechtigter verortet sind. Daher müssen für Chancenpat*innenschaften andere Erfolgskriterien herangezogen werden und zugleich die Erwartungen an die Wirkung des Programms angepasst werden. • Fortbildungen für Pat*innen anbieten: Bedarfe von Mentees im Rahmen von Chancenpat*innenschaften sind hochgradig divers. Sie umfassen beispielsweise Unterstützungsbedarfe im elterlichen, schulischen, pädagogischen, fachlichen oder gar psychosozialen Bereich. Das Tandem bedarf daher der regelmäßigen Reflexion über Ziele, Haltungen und Vorgehen im Zuge der Pat*innenschaft . Aus diesen lassen sich in einem zweiten Schritt Fortbildungsbedarfe auf Seiten der Pat*innen identifizieren. Grundsätzlich gewinnen Fortbildungen für Pat*innen im Zuge von Chancenpat*innenschaften auf Grund der vielfältigen Bedarfe enorm an Bedeutung. Die erworbenen Fähigkeiten verbessern nicht nur die Qualität der Pat*innenschaft, sondern stellen ebenso eine Form der Anerkennung für die Pat*innen dar. • Digitale Tools anders denken, Digitalisierung als Organisationsentwicklung sehen: Oftmals wird ernüchternd festgestellt, dass die Verwendung digitaler Tools nicht zu einem besseren Informationsfluss zwischen Bundes- und lokaler Ebene bei den Trägern führt. Um einen besseren Informationsfluss zu ermöglichen, gilt es jedoch umzudenken: Koordinator*innen sollten mit digitalen Tools Resonanzräume für die Tandems schaffen, um inhaltlich, aber auch politisch-strategisch wichtige Aspekte aus der alltäglichen Arbeit der Tandems einem größeren Kreis interessierter Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Um die Sichtbarkeit zu gewährleisten sollten nicht neue Kanäle implementiert, sondern auf bestehende und bereits genutzte zurückgegriffen werden, wie beispielsweise ein bestehender Social-Media-Account oder der Firmenblog. Hierdurch wird der Austausch zwischen der Bundes- und lokalen Ebene gleichsam gestärkt. Es ist folglich erfolgsversprechender mit digitalen Tools Räume für die Gegenseite zu schaffen, als mit ihnen das primäre Ziel zu verfolgen, an Informationen zu gelangen. 61 | HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN • Chancenpat*innenschaften mehrjährig fördern: In Tandems mit Kindern und Ju- gendlichen nehmen Pat*innen oftmals die Rolle einer Identifikationsfigur oder Bezugsperson ein. Chancenpat*innenschaften müssen daher längerfristig gedacht werden. Eine projektbasierte Finanzierung kann hiernach gar negative Folgen haben, wenn das Projekt und damit die Pat*innenschaften nicht mehr weiterverfolgt werden kann. Insbesondere Projekte zu Chancenpat*innenschaften sollten daher mehrjährig gefördert werden, ebenso wie die Strukturen zur Umsetzung und Begleitung dieser Pat*innenschaften. • Öffentliche Kommunikation des Programms forcieren: Die Öffnung des Pro- gramms für eine größere Zielgruppe erhöht den Bedarf an Engagierten. Um diesem nachzukommen sollten sowohl die Projektträger als auch der Förderer verstärkt auf eine öffentliche Kommunikation über das Programm abzielen. • Hauptamt und Strukturen fördern: Pat*innenschaften, die insbesondere auf eine Ver- besserung der Chancen in institutionalisierten Bildungseinrichtungen hinwirken sollen, sind anspruchsvoll. Es stellen sich beispielsweise pädagogische ebenso wie bürokratische Fragestellungen im Rahmen des Bildungssystems. Um diese vergrößerte Palette an Anforderungen zu bewältigen, bedürfen Chancenpat*innenschaften vermehrt und verstärkt Rückhalt durch ein hauptamtliches Freiwilligenmanagement. Dieser Bedarf hat sich zudem vor dem Hintergrund der Öffnung des Programms Richtung Chancenpat*innenschaften noch verstärkt, da sowohl die Zielgruppe gewachsen ist, als auch die inhaltliche Breite der Pat*innenschaften zugenommen hat. Eine gut ausgebildete und hauptamtliche Koordination, ebenso wie strukturgeförderte Programmträger und Infrastruktur vor Ort sind daher für den Erfolg des Programms mit erweiterter Perspektive von großer Bedeutung. LESUNG 63 | LESUNG LESUNG Astrid Ruppert Autorin von TEE MIT AYMAN: IM DIALOG MIT GEFLÜCHTETEN, tredition, Hamburg, 2017 Vor gut vier Jahren habe ich angefangen als ehrenamtliche Flüchtlingsbegleiterin im Vogelsberg tätig zu werden. Weil mich das alles so sehr beschäftigt und bewegt hat, und ich als Schriftstellerin vieles schreibend verarbeite, habe ich schon bald begonnen, meine Erfahrungen festzuhalten. Diese wurden dann ein Jahr lang wöchentlich in einer Kolumne in der Alsfelder Zeitung veröffentlicht und ich bilde mir ein, damals in der Region etwas bewirkt zu haben. Inzwischen habe ich oft mit dem Gedanken gespielt, nochmal aufzuzeichnen, wie es eigentlich heute aussieht, wie es denen geht, die hierhergekommen sind, wie es den ehrenamtlichen Helfer*innen geht und was inzwischen alles passiert ist. Ich komme nur irgendwie nicht so recht dazu…. Den Kongress habe ich allerdings zum Anlass genommen, einen kurzen Text über das Heute zu verfassen. Hier ist er: Und wie sieht das alles heute aus? Wie geht es uns hier im Vogelsberg, in unserem Homberg Ohm 2019, vier Jahre nachdem die ersten Geflüchteten zu uns gekommen sind? Wie geht es mir mit dem Ehrenamt, wie geht es Ayman heute? Als erstes: ich finde noch immer, die Entscheidung, 2015 die Grenzen zu öffnen, war richtig. Ich bin noch immer froh, dass so vielen Menschen geholfen werden kann, und dass wir ein Grundgesetz haben, das das Recht auf Asyl gewährt. Aber! Es gibt inzwischen einige Abers: Aber ich fühle mich alleine gelassen. Das „Wir schaffen das!“, für das ich Frau Merkel vor vier Jahren wirklich bewundert habe, belastet mich. Denn wer es schaffen muss, das sind wir, die ehrenamtlichen Begleiter. Wir bekommen zwar warme Worte, aber wir bekommen hier nicht die Unterstützung, die wir bräuchten, um gut helfen zu können. Und wir rackern am Limit, das muss man ehrlicherweise so sagen, um das „Wir schaffen das“ nicht der höhnischen Schadenfreude der AfD zu überlassen, die diese vielleicht naive, aber menschlich und moralisch integre Phrase gerne in den Dreck zieht. Ich will, dass wir es schaffen. Gerade deshalb will ich unbedingt, dass wir es schaffen. Aber mir sinkt oft der Mut. Lassen Sie mich erzählen, warum: Fast zwei Drittel der Geflüchteten, die hier bei uns angekommen sind, sind hiergeblieben und empfinden das kleine Homberg als ihre neue Heimat. Sie haben Anschluss gefunden, spielen Fußball im Sportverein, gehören mit zur Feuerwehr, machen Praktika, Ausbildungen, haben Stellen gefunden, oder versuchen es noch immer, Stellen zu finden, sie haben ihre Familien nachgeholt und haben Kinder bekommen. Manche haben den Führerschein gemacht, und stolz eine erste Klapperkiste gekauft, und wir hoffen heimlich und inständig, dass sie damit immer heile ans Ziel kommen. Inshallah. (In Syrien fährt man halt doch anders Auto…). Der Bäcker, der seit Jahren niemanden gefunden hat, der morgens um vier in seiner Backstube arbeiten will, hat drei Afghanen angestellt. Die Grundschule hat zum ersten Mal eine Vorklasse vollbekommen, wovon ja auch die deutschen Kinder profitiert haben, die sonst gleich ins erste Schuljahr hätten gehen müssen, oder eben noch ein Jahr im Kindergarten herumgehangen hätten. Hier auf dem Land tut es gut, wenn Menschen dazukommen, um der Landflucht etwas entgegenzusetzen. Hier funktioniert es. Es funktioniert aber nur, weil alle ihre ehrenamtlichen Helfer*innen haben, die diese seltsame fremde Welt erklären und sich damit abmühen, diese seltsamen fremden Menschen zu verstehen und Brücken zu bauen. Integration funktioniert nur über Brücken, über gegenseitiges Verständnis, über Respekt und über Betreuung. Wer hier nicht betreut wird, ist 64 | LESUNG der/die ehrenamtliche Helfer*in selbst. 30 oder 50 km entfernt gäbe es Angebote für Fortbildungen und Beratungen. Aber weil man sowieso schon mehr herumfährt als einem lieb ist, weil Geflüchtete oft Begleitung brauchen zu den 30 oder 50 km entfernten Ämtern, den 90 km entfernten Anwälten für Asylrecht etc… hat eigentlich niemand mehr die Nerven oder die Zeit, noch einen freien Samstag oder noch einen freien Abend zu investieren. Die runden Tische, die Supervisionen, die Fortbildungen, die es irgendwo gäbe, kann man sich zeitlich einfach nicht mehr leisten, weil selbst die Betreuung eines einzigen Mentees teilweise so zeitintensiv ist, dass man oft genug auch sagen muss: Ich kann nicht mehr! Ich bin der Überzeugung, dass man Integration neu denken muss, und dass ländliche Regionen dabei eine Rolle spielen müssen. Sobald das Fremde nicht mehr fremd ist, kann man gewinnen. Hier gibt es Leerstände, hier gibt es Platz, hier gibt es Stellen. Und die 20 Fremden, die gekommen sind, sind hier nicht mehr fremd. Aus den Städten höre ich immer mehr Skepsis, Stimmen, die inzwischen der Meinung sind, dass das alles keine gute Idee war. In den Städten ist jeder Geflüchtete selbständiger, aber die Ghettoisierung dafür viel stärker. Da bleiben die Fremden Fremde, bilden Inseln, machen Angst, und es ist wichtig, dagegen zu arbeiten. Man muss grundlegend darüber nachdenken, wohin man streut, wen man stützt. Was wo nötig ist. Da kommt gleich das nächste ABER: Es wird Geld ausgegeben, aber wird es an den richtigen Stellen ausgegeben? Schauen wir wieder zu Ayman. Der Elektro-Ingenieur hat trotz gutem Deutsch und trotz proklamierten Fachkräftemangel keine Stelle gefunden. Aber in Maßnahmen wurde er geschickt! Er hat zusammen mit anderen Langzeitarbeitslosen zehn Wochen lang gelernt, wie man Computer an- und ausschaltet und sich ein E-Mail-Konto einrichtet. Dafür ist er 30 Kilometer weit gefahren, war täglich drei Stunden unterwegs, die Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel von circa 800 Euro wurden ihm erstattet. Gelernt hat er nicht viel. Er hat sich aber gedemütigt gefühlt, mit seinem Einser-Uni Abschluss, und nur weil wir ihm mit Engelszungen zugeredet haben, das bitte, bitte durchzuhalten, danach würde alles besser werden… hat er das durchgezogen. Es wurde aber nicht besser. Das berufsspezifische Bewerbungstraining und die Weiterbildung für Ingenieure, über die wir irgendwann auf anderem Weg erfahren haben, wurde ihm dann verweigert, er hat ja schon eine Maßnahme bezahlt bekommen. Als er dann eine erste Stelle hatte, raten 65 | LESUNG Sie mal, wer ihm die vermittelt hat, war diese mit öffentlichen Verkehrsmitteln überhaupt nicht zu erreichen. Also: Führerschein und Auto waren die einzige Lösung. Und raten Sie auch mal, wer mit ihm Verkehrsregeln gelernt hat, wer mit ihm auf den Übungsplatz gefahren ist, damit er die Kosten für die Fahrstunden reduzieren kann, und wer ihm das überhaupt alles finanziert hat? (Er hat alles zurückgezahlt, übrigens, aber er hatte einfach Glück, dass ich gerade ein Drehbuch gut verkauft hatte und unsere Kinder inzwischen finanziell unabhängig waren, so dass ich ihm 3000 Euro leihen konnte, ohne die er die Stelle nicht hätte annehmen können.) Es hat sich gelohnt: inzwischen finanziert er sich komplett selbst, ist gestärkt, ist nicht mehr abhängig, hat das Gefühl, vielleicht doch ein Leben haben zu können. Ein anderer Fall: Mohammad und seine Frau, die mit einem Kind herkamen, haben inzwischen drei Kinder, weil sie gemerkt haben, dass sie dadurch genug Geld haben, um hier ganz okay in einer gar nicht so kleinen Wohnung zu leben. Sie können sogar noch etwas nach Hause schicken zu ihren Eltern. Warum Deutsch lernen, warum arbeiten, hier bekommt man doch alles geschenkt? Mohammad und Ayman waren mal Freunde. Jetzt reden sie nicht mehr miteinander, weil Ayman sich total darüber aufregt, dass seine Steuern, die er bezahlen muss, dieses Verhalten finanzieren. Was ich mir gewünscht hätte im Rahmen meiner Ausbildung zum Flüchtlingsbegleiter, die sowieso jeder hätte bekommen sollen, der in diesem Bereich initiativ ist: ein interkulturelles Coaching. Verstehen, woher der Mensch kommt, dem ich begegne. Und genauso bräuchte jeder Fremde, der hier ankommt, ein kulturelles und gesellschaftliches Coaching. Gleich zu Beginn. In seiner Landessprache. Nicht erst beim Integrationskurs nach fast zwei Jahren, in dem man dann lernt, dass die Deutschen Ostereier bemalen, und ihre Frauen nicht schlagen dürfen, und wer die Nationalhymne verfasst hat. Das ist zu spät! Und nicht jeder Helfer fühlt sich in der Lage, das zu vermitteln. Ich glaube, dass man ganz stark überdenken sollte, welche Programme sinnvoll sind, und welche nicht, wieviel Bürokratie überhaupt nötig ist, oder ob dieser Moloch Verwaltung nicht viel zu viel kostet? Dass man vielmehr auf die Menschen hören sollte, die im direkten Kontakt sind mit den Geflüchteten, und anderen Randgruppen und die nicht selten verzweifeln, weil das Helfen oft so schwergemacht wird. ABER ich wünsche mir Unterstützung. Für alle ehrenamtlichen Helfer*innen da draußen, für alle Pat*innen, für alle Mentor*innen, die daran arbeiten, dass das „Wir schaffen das!“ geschafft wird. Die Gesellschaft klafft immer weiter auseinander. Die Risse werden zu Spalten werden zu Gräben. Ich hatte vor Jahren eine Friseurin, die hat mir als sie auf Jobsuche war, erzählt, dass es bald nur noch die Billigfriseure geben wird, oder die total teuren Edelläden. Und alle Läden dazwischen, stellen sie nicht ein, weil sie zu viel Angst haben, dass sie nicht überleben. Meine Friseurin war ein Gesellschaftsorakel. Tiefe Gräben und dazwischen die Angst. Und gerade an den Stellen, an denen der Kitt angerührt wird, der die Gesellschaft zusammenhalten könnte, die Stellen an denen Empathie und Menschlichkeit an der Tagesordnung sind, wo Bürger sich füreinander engagieren, da werden Gelder abgezogen? Im Ernst? Der Etat von einem Programm wie „Menschen stärken Menschen“ wird halbiert? Er gehört verdammt nochmal multipliziert! Menschen, die am Rand stehen, müssen in die Mitte geholt werden. Egal woher sie kommen, und egal, warum sie am Rand stehen. Sonst werden auch die Wahlergebnisse immer randlastiger. Wenn man der AfD den roten Teppich ausrollen will, dann streicht man genau dort. Wenn man Zusammenhalt den roten Teppich ausrollen will, dann streicht man genau dort nicht. Dann legt man noch eine Schippe drauf! Unveröffentlichter, urhebergeschützter Text, geplant als Fortsetzung der Kolumnensammlung von Astrid Ruppert MITWIRKENDE 67 | MITWIRKENDE MITWIRKENDE GRUSSWORTE SABINE SÜß, Netzwerk Stiftungen und Bildung JULIANE SEIFERT, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend WIEBKE WOLTERS, Landeskoordinierungsstelle Netzwerk Gesunde Kinder DR. THOMAS RÖBKE, Vorsitzender des BBESprecher*innenrats, Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern e.V. FISHBOWL DISCUSSION: Welche Rahmenbedingungen brauchen Pat*innenschafts- und Mentoringprogramme mit Kindern und Jugendlichen? KEYNOTE Impulse: PROF. DR. H.C. KLAUS HURRELMANN, Hertie School of Governance MARIANNE BALLÉ MOUDOUMBOU, Bundeselternnetzwerk der Migrantenorganisationen für Bildung & Teilhabe PODIEN STEFANIE COROGIL, Stiftung Unionshilfswerk Berlin MICHAEL BERGMANN, BBE-Sprecher*innenrat, Deutscher Caritasverband e.V. DR. KARAMBA DIABY, MdB SPD-Fraktion SUSANNE HUTH, INBAS Sozialforschung GmbH OLAF EBERT, Stiftung Bürger für Bürger FRANZISKA NAGY, Stiftung Lernen durch Engagement ELISABETH KANEZA, Kaneza Foundation for Dialogue & Empowerment e.V. LISA PAETZ, Stiftung Bildung MARTIN PATZELT, MdB CDU-Fraktion CAROLA SCHAAF-DERICHS, BBE-Sprecher*innenrat, Landesfreiwilligenagentur Berlin e.V. DR. CHRISTOPH STEEGMANS, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend MICHAEL TETZLAFF, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend FACHAUSTAUSCH WORLD-CAFÉ: Kommunikation und Vernetzung – Wie erreicht man seine Zielgruppen? Impulse: AXEL HALLING, Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. PETER KUSTERER, BBE-Themenpate Kommunikation, IBM Deutschland GmbH DR. LILIAN SCHWALB, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement MEET THE EXPERT: Welche Chancen und Herausforderungen birgt die Digitalisierung im Kontext von Pat*innenschaften? Impulse: JAKOB FILZEN, Start with a Friend e.V. HANNES JÄHNERT, DRK Generalsekretariat e.V. KATARINA PERANIC, Stiftung Bürgermut DR. KARIN REICHEL, FrauenComputerZentrumBerlin e.V. WORKSHOP: Welches Potenzial haben Sozialräume für Pat*innenschaften und Mentoring? Impulse: CHRISTIANE GRABE, Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. JOHANNES GRÜNECKER, AWO Bundesverband e.V. 68 | MITWIRKENDE WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS PANEL I: Helfen in allen Lebenslagen? – Pat*innen und Mentor*innen als pädagogische Laien Moderation: RAINER HUB, Diakonie Deutschland Impuls: ANNIKA JÄHNKE, BürgerStiftung Hamburg BETTINA JANTZEN, Ehlerding Stiftung BIRGIT JOHANNSSEN, Seniorpartner in School e.V. JUN.-PROF. DR. MARIAN KRATZ, Universität Koblenz-Landau PANEL II: Wann kommen wir an? – Der lange Weg in die Arbeitswelt Moderation: PROF. DR. REINER LEHBERGER, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius PANEL IV: Schlüssel für Teilhabe und Integration? – Chancen und Grenzen ehrenamtlicher Sprachförderung Moderation: DR. TATIANA MATTHIESEN, ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Impulse: AYTEN KILIÇARSLAN, Sozialdienst muslimischer Frauen e.V. DR. TATIANA MATTHIESEN mit Mentorin anna kamer und Mentee walaa Zeinelabdbi, ZEITStiftung Ebelin und Gerd Bucerius PROF. DR. HANS-JOACHIM ROTH, MercatorInstitut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln LESUNG Tee mit Ayman: Im Dialog mit Geflüchteten, von ASTRID RUPPERT TRAUDI SCHLITT für Astrid Rupert (erkrankt) Impulse: HAMIDOU BOUBA, Verband für interkulturelle Wohlfahrtspflege, Empowerment und Diversity FREDERICK SIXTUS, Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Kongressleitung DR. LILIAN SCHWALB, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement CHRISTOPH ZECKRA, Generali Deutschland Holding AG Kongressmoderation HARALD KÜHL, die regionauten PANEL III: Verbunden über Generationen? – Beziehungsarbeit in Pat*innenschafts- und Mentoringprogrammen Kongresskonzeption und -management Moderation: CAROLA SCHAAF-DERICHS, BBE-Sprecher*innenrat, Landesfreiwilligenagentur Berlin e.V. Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement: DR. LILIAN SCHWALB WIEBKE KUNSTREICH MADLEEN BERNHARDT Impulse: PROF. DR. GISELA JAKOB, Hochschule Darmstadt ERIK RAHN, Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V. VERENA THUN, Rock Your Life! gGmbh Tagungsort Kalkscheune Berlin-Mitte 69 | MITWIRKENDE PROGRAMMTRÄGER „MENSCHEN STÄRKEN MENSCHEN“ IM FÖRDERZEITRAUM 2019 Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V.  www.awo.de Balu und Du e.V.  www.balu-und-du.de Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V.  www.bagfa.de Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V.  www.seniorenbueros.org Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement  www.b-b-e.de Bundesverband Deutscher Stiftungen  www.stiftungen.org Bundesvereinigung Kultureller Kinderund Jugendbildung e.V.  www.bkj.de Bürger-helfen-Bürgern e.V. Hamburg  www.buerger-helfen-buergern.com BürgerStiftung Hamburg  www.buergerstiftung-hamburg.de Der Paritätische Gesamtverband  www.der-paritaetische.de Deutsche Jugend in Europa  www.djo.de Deutscher Caritasverband e.V.  www.caritas.de Deutsches Rotes Kreuz e.V.  www.drk.de Diakonie Deutschland  www.diakonie.de RYL! - Rock your Life gGmbH  www.rockyourlife.de Seniorpartner in School – Bundesverband e.V.  www.seniorpartnerinschool.de Sozialdienst muslimischer Frauen e.V.  www.smf-verband.de Start with a Friend e.V.  www.start-with-a-friend.de Stiftung Bildung  www.stiftungbildung.com Stiftung Bürgermut  www.opentransfer.de Stiftung Lernen durch Engagement Service-Learning in Deutschland SLIDE gGmbH  www.lernen-durch-engagement.de Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.  www.tgd.de Verband für Interkulturelle Wohlfahrtspflege, Empowerment und Diversity e.V.  www.viw-bund.de Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V.  www.kinderreichefamilien.de Wohlfahrtsstelle Malikitische Gemeinde Deutschland e.V.  www.wohlfahrt-mg.de ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius  www.zeit-stiftung.de Zentralrat der Muslime in Deutschland  www.wirsindpaten.de Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V.  www.zwst.org ZUM WEITERLESEN 71 | ZUM WEITERLESEN ZUM WEITERLESEN Dokumentation des 3. BBE-Fachkongresses am 15. und 16. November 2018 in Berlin  »Pat*innen, Mentor*innen, Lots*innen: Engagement fördern, gesellschaftliche Integration unterstützen« Dokumentation des 2. BBE-Fachkongresses am 9. und 10. November 2017 in Berlin   »PatInnen, MentorInnen und LotsInnen in der Unterstützung und Integration von geflüchteten Menschen: Wissenstransfer, fachlicher Austausch und Vernetzung« Dokumentation des 1. Fachkongresses am 29. und 30. September 2016 in Berlin   »PatInnen, LotsInnen und MentorInnen in der Unterstützung und Integration von geflüchteten Menschen: Verbreitung, Unterstützungsbedarf, Perspektiven«   Bericht der Prognos AG im Auftrag des BMFSFJ (2017) über die Wirkungsanalyse des Patenschaftsprogramms im Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ Weiterführende Literatur:   https://www.b-b-e.de/publikationen/
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