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Die Bedeutung der Wiederholungen für die Homerische Frage. Von C. Rothe

Full text: Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestehens des Königlichen Französischen Gymnasiums / Grünwald, Eugen (Public Domain)

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Teile der Ilias und Odyssee und ihre Beziehung zu einander fest- 
zustellen und, wenn sich an einzelnen Stellen einmal mehr Wieder- 
holungen finden als an andern, sofort von einem elenden Flickpoeten 
zu sprechen, muss suf das entschiedenste betont werden, dass dieses 
Hilfsmittel ein durchaus unzulängliches und unsicheres ist, dass zwar 
in vielen Fällen auch in den Homerischen Gedichten das Ange- 
messenere und besser Begründete das Ursprüngliche sein kann, dass 
aber bei der Mengen entzer nat-hender oder zweifelhafter Stellen keine 
zwingenden Beweis. daraus her'.itzt werden können. Dieses lehrt 
eine unbefangen- ”etrachtun“ <<: Homerischen Sprachschatzes, dies 
eine Vergleichung ähnlicher Erscheinungen aus anderen Gebieten der 
Litteratur, dies endlich, und nicht zum wenigsten, die Widersprüche 
und Meinungsverschiedenheiten, über das Alter einzelner Stellen, zu 
denen jene Auffassung von dem grossen Werte der Wiederholungen 
geführt hat. 
Nicht grösseren Wert für die Annahme der verschiedenen 
»Schichten«, »Bearbeiter« und »Überarbeiter« und wie man sie noch 
bezeichnet, haben die Widersprüche und Unebenheiten in den 
Gedichten. Da der mir hier zugemessene Raum leider nicht gestattet, 
die Untersuchung selhst vorzuführen, so will ich wenigstens die Er- 
gebnisse, zu denen i.ı gelangt bin, hier mitteilen, um die Mitforscher 
auf diesem Gebiete zu ihrer Prüfung anzuregen: 
1) Geringere Widersprüche, die in zwei verschiedenen Scenen 
sich finden, beweisen nichts gegen die Verfassereinheit, da sich 
solche nicht nur bei Homer, sondern auch bei sicher einheitlichen 
Werken der verschiedensten Zeiten finden. !) 
2) Selbst grössere Widersprüche, welche die Komposition des 
ganzen Gedichtes berühren, beweisen nichts gegen die Verfasserein- 
heit, wenn der Grund des Widerspruches oder der Unebenheit in der 
Sache selbst liegt, d. h. wenn sich zeigen lässt, dass die Gestaltung 
der Erzählung, wie sie der Dichter aus bestimmten Gründen gewählt 
hat, notwendig zu Widersprüchen führen musste. >»Um eines grossen 
‚ Aus der Besprechung von Walter Leafs Tlias (London 1886 u. 1888) 
durch P Cauer (Berl. phil. Wochenschr. 1890 Sp. 973-—979) ersehe ich, dass 
Leaf wesentlich denselben Grundsatz aufgestellt hat, und dass Cauer ihm hei- 
stimmt. Ähnlich auch Frey, „Homer“, Bern 1881 und Christ, Homer oder 
Homeriden?
	        
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