Path:
Das Vorbild des Don Quijote. Von E. Gessner

Full text: Festschrift zur Feier des 200jährigen Bestehens des Königlichen Französischen Gymnasiums / Grünwald, Eugen (Public Domain)

(92 
allgemeinen Umrissen und namentlich mit Beziehung auf die von 
Cervantes verwendeten Züge gegeben werden.') 
1) Der Inhalt des Amadis, so weit sich ein solcher bei den zahllosen Aben- 
teuern und Episoden geben lässt, ist in kurzen Worten folgender: 
Auf seinen Zügen als fahrender Ritter kommt einst Perion, der König von 
(allien, nach Klein-Britannien, um den Beherrscher dieses Reiches, Garinter, 
aufzusuchen. Nachdem er unter den Augen des zufällig dazukommenden, ihm 
noch unbekannten Königs zwei Ritter, die ihn hinterlistig überfallen, besiegt 
and getötet und gleich darauf einem gewaltigen Löwen den Garaus gemacht 
hat (gleich eine bescheidene Probe von der Leistungsfähigkeit der fahrenden 
Ritter), wird er von Garinter in sein Schloss geführt und auf das ehrenvollste 
aufgenommen. Hier wird des Königs Tochter Elisena von Liebe zu dem schönen 
und tapferen Perion ergriffen. Die Frucht dieser heimlichen Liebe ist Amadis. 
Kaum geboren wird das Kind von einer treuen Dienerin Elisenas in einer Kiste 
auf dem nahen Flusse ausgesetzt, der es bald ins Meer hinausführt. Es wird 
von dem schottischen Ritter Gandales, der zufällig vorüberfährt, gefunden, auf 
eins seiner Schlösser gebracht und dort mit seinem zu eben jener Zeit gebornen 
Sohne Gandalin erzogen. Später kommt Amadis an den Hof des Königs Languines 
von Schottland. Als dieser nämlich bei einem Besuche bei Gandales den Knaben 
sieht, ist er von seiner Schönheit und seinem Anstande so entzückt, dass er ihn 
mit Einwilligung seiner vermeintlichen Eltern mit sich nimmt, um ihn in seinem 
Hause zu erziehen. Hier sieht Amadis die Oriana, die Tochter des Königs 
Lisuarte von Grossbritannien, die ihr Vater bei Gelegenheit eines Kriegzuges 
dem König Languines in Obhut gegeben hat. In dem Herzen der beiden er- 
wacht nun bald jene innige Liebe, deren Schilderung mit ihren mannigfachen 
Peripetien sich durch den ganzen Roman hinzieht. Inzwischen hat Perion Elisena, 
die Mutter des Amadis, geheiratet und mit ihr einen zweiten Sohn Galaor er- 
zeugt. Die Abenteuer der beiden an Stärke und Tapferkeit fast gleichen 
Brüder machen nun im wesentlichen den Inhalt des langen Romans aus. Im 
Gegensatz zu dem in Liebesangelegenheiten ziemlich leichtfertigen Galaor, be- 
wahrt Amadis seiner geliebten Oriana unverbrüchliche Treue trotz aller Ver- 
suchungen, denen er von seiten schöner Damen ausgesetzt ist, namentlich der 
schönen Briolanja, welcher er wieder zu dem ihr entrissenen Throne verholfen 
hat. Allein trotz seiner Treue entgeht er nicht dem Geschicke, die Eifersucht 
der durch falsche Gerüchte getäuschten Oriana zu erregen. Von Zorn über 
den wankelmütigen Geliebten erfüllt sendet sie ihm durch einen zuverlässigen 
Boten einen Absagebrief, worin sie ihm verbietet, jemals wieder vor ihrem 
Antlitz zu erscheinen. Von Verzweiflung ergriffen beschliesst Amadis nun sich 
von der Welt zurückzuziehen; er kommt schliesslich zu dem „armen Felsen“ 
und führt dort ein elendes Büsserleben. Endlich wird Oriana ihres Irrtums inne 
und ruft Amadis in ihre Nähe zurück. So scheint den Liebenden nach trüben 
Tagen das Glück wieder zu lächeln, aber noch sind sie dem gewünschten Ziele 
fern. Amadis verliert infolge von Verleumdungen die Gunst des Königs
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.