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allgemeinen Umrissen und namentlich mit Beziehung auf die von
Cervantes verwendeten Züge gegeben werden.')
1) Der Inhalt des Amadis, so weit sich ein solcher bei den zahllosen Aben-
teuern und Episoden geben lässt, ist in kurzen Worten folgender:
Auf seinen Zügen als fahrender Ritter kommt einst Perion, der König von
(allien, nach Klein-Britannien, um den Beherrscher dieses Reiches, Garinter,
aufzusuchen. Nachdem er unter den Augen des zufällig dazukommenden, ihm
noch unbekannten Königs zwei Ritter, die ihn hinterlistig überfallen, besiegt
and getötet und gleich darauf einem gewaltigen Löwen den Garaus gemacht
hat (gleich eine bescheidene Probe von der Leistungsfähigkeit der fahrenden
Ritter), wird er von Garinter in sein Schloss geführt und auf das ehrenvollste
aufgenommen. Hier wird des Königs Tochter Elisena von Liebe zu dem schönen
und tapferen Perion ergriffen. Die Frucht dieser heimlichen Liebe ist Amadis.
Kaum geboren wird das Kind von einer treuen Dienerin Elisenas in einer Kiste
auf dem nahen Flusse ausgesetzt, der es bald ins Meer hinausführt. Es wird
von dem schottischen Ritter Gandales, der zufällig vorüberfährt, gefunden, auf
eins seiner Schlösser gebracht und dort mit seinem zu eben jener Zeit gebornen
Sohne Gandalin erzogen. Später kommt Amadis an den Hof des Königs Languines
von Schottland. Als dieser nämlich bei einem Besuche bei Gandales den Knaben
sieht, ist er von seiner Schönheit und seinem Anstande so entzückt, dass er ihn
mit Einwilligung seiner vermeintlichen Eltern mit sich nimmt, um ihn in seinem
Hause zu erziehen. Hier sieht Amadis die Oriana, die Tochter des Königs
Lisuarte von Grossbritannien, die ihr Vater bei Gelegenheit eines Kriegzuges
dem König Languines in Obhut gegeben hat. In dem Herzen der beiden er-
wacht nun bald jene innige Liebe, deren Schilderung mit ihren mannigfachen
Peripetien sich durch den ganzen Roman hinzieht. Inzwischen hat Perion Elisena,
die Mutter des Amadis, geheiratet und mit ihr einen zweiten Sohn Galaor er-
zeugt. Die Abenteuer der beiden an Stärke und Tapferkeit fast gleichen
Brüder machen nun im wesentlichen den Inhalt des langen Romans aus. Im
Gegensatz zu dem in Liebesangelegenheiten ziemlich leichtfertigen Galaor, be-
wahrt Amadis seiner geliebten Oriana unverbrüchliche Treue trotz aller Ver-
suchungen, denen er von seiten schöner Damen ausgesetzt ist, namentlich der
schönen Briolanja, welcher er wieder zu dem ihr entrissenen Throne verholfen
hat. Allein trotz seiner Treue entgeht er nicht dem Geschicke, die Eifersucht
der durch falsche Gerüchte getäuschten Oriana zu erregen. Von Zorn über
den wankelmütigen Geliebten erfüllt sendet sie ihm durch einen zuverlässigen
Boten einen Absagebrief, worin sie ihm verbietet, jemals wieder vor ihrem
Antlitz zu erscheinen. Von Verzweiflung ergriffen beschliesst Amadis nun sich
von der Welt zurückzuziehen; er kommt schliesslich zu dem „armen Felsen“
und führt dort ein elendes Büsserleben. Endlich wird Oriana ihres Irrtums inne
und ruft Amadis in ihre Nähe zurück. So scheint den Liebenden nach trüben
Tagen das Glück wieder zu lächeln, aber noch sind sie dem gewünschten Ziele
fern. Amadis verliert infolge von Verleumdungen die Gunst des Königs