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II. Die erste Garnisonkirche

Full text: Geschichte der Königlichen Berlinischen Garnisonkirche / Goens, Georg (Public Domain)

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So hatte denn die Kirche durch diese neuen Institute viele Kost— 
gänger erhalten und eine Aufgabe übernommen, die eigentlich ihre Kräfte 
überstieg. Zwar wurden nach der Uebernahme der Sorge für die Unter— 
offiziere und Mannschaften auch die Regimentskassen kräftig herangezogen, 
die beiden alten Regimenter, die Grenadier-Garde mit zwei Bataillonen 
und die Füsilier-Garde mit drei Bataillonen und endlich das Leibregiment 
(10 Kompagnien), welches zum 10. Oktober 1707 formirt sein muß, be— 
zahlten je nach der Kopfstärke zusammen 450 bis 500 Thaler pro Quartal. 
Das war ja freilich eine hübsche und feste Unterstützung, aber es war 
damit noch eine andere Verpflichtung übernommen: die Unterstützung der 
Invaliden. Hinter den Regimentern standen in dichtem Haufen die „ab— 
gedienten“ Soldaten, mit ihren vernarbten Leibern und ihrem grauen 
Haar, mit Stelzfüßen und Krücken und hinter ihnen standen die Wittwen, 
die der Krieg ihrer Männer beraubt hatte. Und alle diese Leute hatte 
das Heer zu versorgen — und daß es das gethan hat, wird sein dauern— 
der Ruhmestitel bleiben. Aber nicht etwa mit einem festen Ehrensold 
wurden diese Leute abgefunden, sondern unter gewissenhaster Abschätzung 
der Erwerbsfähigkeit bekam Jeder nach seinem wirklichen Bedürfniß. 
Zwar scheint das Gouvernement leitende Gesichtspunkte aufgestellt zu haben: 
Ein alter Soldat erhielt pro Dekade 41, Groschen, konnte er nicht mehr 
gehen, war er blind oder „miserable“, wie der Ausdruck für große Ge— 
brechlichkeit lautete, gab man auch wohl das Doppelte, ebenso bemißt sich 
die Beihilfe für die Wittwen oder mit vielen Kindern gesegneten Ehe— 
frauen je nach der Kopfzahl der Familie. Und alle diese Bedürftigen 
sttellten sich am Ersten jeder Dekade bei der Kirche ein und erhielten ihren 
Lohn. Gewiß ein schönes Bild, das wohl auch dem Heiligen Laurentius 
Freude gemacht haben würde, der einst dem römischen Prätor in den 
Armen und Siechen seiner Gemeinde den Reichthum der Kirche vorstellte. 
Rur stellt sich hier ein praktisches Bedenken ein. Die Kapitäne und 
Regimentskommandeure werden damals ähnlich so gedacht haben wie 
heute und jeder von ihnen in einem verständlichen Partikularismus be— 
müht gewesen sein, möglichst viele von den eigenen Untergebenen jener 
wohlthätigen Einrichtung zuzuweisen, und so wuchs die Zahl der Pen— 
sionäre von 120 in wenigen Jahren auf 300, und wer weiß was geschehen 
wäre. wenn nicht der Herr Gouverneur energisch Einhalt geboten hätte,
	        
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