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Wer will das segensreiche Wirken der Diakonissen verkennen?
Wer wollte nicht dem Herrn der Kirche dafür danken, daß er der
Reichshauptstadt für die Pflege der Kranken und Armen, der Kinder
und Jungfrauen schon im Jahre 1888 etwa 100 Gemeindeschwestern
gegeben hatte, die bei allen Wohlgesinnten — arm und reich — durchweg
freundliche Aufnahme fanden? In den Jahren nach den beiden
Attentaten, als man sah, daß die Gottlosigleit das Verderben auch
der Reichshauptstadt sei, da förderte man die Arbeit der Stadtmission
und half die Zahl ihrer Mitarbeiter mehren. Man sah, daß man mit
der schönen, stillen Arbeit der Diakonissen nicht auskomme, daß es im
Kampf gegen die Umsturzgewalten, gegen Gottlosigkeit und Unkirchlichkeit,
gegen die Verwahrlosung der Jugend, gegen das Ueberhandnehmen
der Prostitution — in Summa im Kampfe gegen die mächtigsten inneren
Feinde unseres Vollkes, gegen die Kräfte, welche Thron und Altar
unterwühlen, welche das Volk in den Abgrund stoßen, der Mannes—
arbeit bedürfe. Die Berliner Stadtmission hatte im Jahre 1882
3 Inspektoren und 26 Stadtmissionare, 6 Jahre später 4 Inspektoren,
37 Stadtmissionare und 4 Stadtmissionsschwestern, und wiederum
s Jahre später 4 Inspektoren, 38 Stadtmissionare und 5 Stadtmissions⸗
schwestern. Im Jahre 1888 trat der evangelisch-kirchliche Hilfsverein
ins Leben und setzte sich als seine Aufgabe, zunächst die Bestrebungen
zur Bekämpfung der religiös-sittlichen Zustände in Berlin und anderen
großen Städten und demgemäß die bestehenden Stadtmissionen und
ähnlichen Arbeiten zu unterstützen. In einem Anschreiben desselben
vom 25. Juni jenes Jahres heißt es:
Die Entstehungsgeschichte des ebangelisch⸗kirchlichen Hilfsvereins
bringt es mit sich, daß die Reichshauptstadt das größte Interesse
in Anspruch nimimt, zumal da in' hr über eine Million kirchlich
Janz unzureichend Versorgter sich befindet. Dieselben strömen
Jahr für Jahr aus allen Provinzen dorthin; daher haben auch
Re Provinzen die Pflicht, für Berlin mitzuarbeiten. Weder die—
Tagen über die im Berbäitnis zu der von der Provinz getragenen
Steuerlast geringen Kirchenstenern in Berlin, noch die sKlagen
über die Foigen der Freizügigkeit, welche dem platten Lande die
Arbeitskrüste enziehen und das unversorgte und verarmte Prole—
tariat in der Welistadt vermehren, ändern die Thatsache, deren
Beseitigung sich vollig unferer Einwirkung entzieht, daß für nicht
absehbare Zeit die freie christliche Liebesthatigkent in umfassendem
Maße helfend eintreten muß. Die himmelschretenden lirchlichen
Rotstände Berlins wirken je länger je mehr mit ihren nachteiligen
Einflüssen in jeder Beziehung auch auf die Provinzen zuruͤck uͤnd
bei der für alle sozialen und politischen Verhältnisse einflußreichen.
ja maßgebenden Stellung der Hauptstadt muß jeder Patriot und
Christ im Lande ein lebhaftes Interesse an dem Wohl und Wehe
derselben nehmen. Die Ansichi, daß Berlin über große Schätze
derfügen könne, trifft, wo es fich um kirchliche Dinge handelt.