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Full text: Berliner Notstände / Evers, Ernst (Public Domain)

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säle, ebenso viele Konzertsäle, 360 Restaurants und 325 Destillationen 
zählt, so bleibt nur die Frage: ist es nicht höchste Zeit, daß Männer 
durch solche Gemeinde gehen, welche sich seelsorgerisch derjenigen an— 
nehmen, die in Gefahr stehen, in die Abgründe zu versinken, die allent— 
halben an ihrem Wege liegen? Oder sollte man wirklich meinen, daß 
für eine solche Gemeinde neben den fünf Pastoren die Zahl von vier 
oder sünf Stadtmissionaren genüge? 
In den Gemeinden Andreas und Bartholomäus, Thomas 
und Emmaus herrschen ähnliche Zustände wie in St. Markus. 
In der Gemeinde Heilig-Kreuz haben die vier Pastoren im 
Jahre 1892 1888 Konfirmanden gehabt, der erste Pastor hatte 762, 
der zweite 666 Konfirmanden zu unterrichten und zu konfirmieren. 
371 kirchliche Begräbnisse waren meist auf dem eine Stunde entfernt 
liegenden Kirchhyof abzuhalten. In der Gemeinde sind vorhanden: 
2 Theater, 45 Tanzsöle, 4 Konzertsäle, 50 Restaurants, darunter 15 
mit weiblicher Bedienung, 398 Destillationen. In den 25 Schulen 
dieser Gemeinden werden etwa 20000 Kinder von 410 Lehrern und 
Lehrerinnen unterrichtet; in der Gemeinde liegen 8 Polizeireviere, 
deren jedes etwa 85 Beamte zählt; während also die Schule über 
100, die Polizei über fast 500 Angestellte in dieser Gemeinde verfügt, 
sind an der Kirche — 4 (vier) Pastoren angestellt, von denen der 
eine noch ein Hilfsprediger ist, welcher kommt, um bald wieder zu 
gehen. Auch in dieser Gemeinde giebt es eine Reihe von Häusern, die 
eine Einwohnerzahl bis zu je 400 Personen aufzuweisen haben. Auch 
in einer Gegend dieser Gemeinde herrschen auf sittlichem Gebiete Zu— 
stände, die so grauenhaft sind, daß man sie lieber dem Papier nicht 
anvertraut. 
Von einer irgendwie wirkungsvollen Ausübung der Seelsorge 
kann in den Berliner Gemeinden umsoweniger die Rede sein, je mehr 
die Bevölkerung eine fluktuierende genannt werden muß. Die Zahl 
der Wohnungen betrug im Jahre 1891 402610, die Zahl der Umzüge 
in demselben Jahre 193714; es sind also fast die Hälfte der Familien 
in diesem einen Jahre umgezogen. Meistens werden dies solche 
Familien sein, welche die Seelsorge am meisten nötig haben. Nun 
ziehen zwar die meisten dieser Familien stets wieder in die Nähe der 
bisherigen Wohnung, aber sie sind zunächst dem Gesichtskreis des 
Seelsorgers entschwunden, und in einer Gemeinde von 80000 Seelen 
können doch im Laufe von 3 oder 4 Jahren vieleicht 60000 Menschen 
gewohnt haben. 
Man mag nun sagen, daß aus den Kreisen der Gemeinde⸗Kirchen— 
cäte Kommissionen gebildet sind, welche dem Pastor als Trau⸗, Tauf—
	        
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