siner ganz unfaßlichen Ceidenichaft geworden ft, und mn mit offenen Augen in
den Abgrund rennt. 2Mit offenen Augen, denn fie Mt gewarnt, wie man mur
einen Menichen warnen Fann. Wir haben fie befcehworen und angefleht. Etwas
Schmerzlicheres Kann ich mir faft gar nicht denken; ich hatte fie fo {ehr lich, fraute
ibr fo alles, alles Bute zu — und nun?“ So war es jedesmal, wenn ein
Austritt in Sünde gefchab, aber von foldhen Kämpfen haben die wentgften etwas
acabnt, und die anı allerwenigften, die fie ihr verurfachten, fie hätten es fonjt doch
nicht gethan. Aber der Glaube überwand auch bei ihr die Natur und machte
fie ftarf im Geift. So Fonnte fie inmwer, was fie follte, auch als die Arbeit
wuchs, und fie wuchs fehr fchnell. Als fie ihr Amt antrat, beftanden zwei
Stationen mit pier Schweitern, als fie cs niederlegte, waren es 24 mit 74 Schweitern.
Aber ibre Kraft hielt aus. Ein tiefinnerliches Derftändnis herrfchte zwifchen ihr
und Paitor Schul, und man fast wohl nicht zu viel, wenn man behauptet, daß
ibr Tod auch ihnı cin Stück feines Lebens gefoftet hat, verwunden hat er diefen
Verhuft wohl nie. Und dennoch war ihr Sterben eine gnädige Flgung Gottes,
Bald darauf zogen fich ja dunkle Wolken über Bethanien zufanımen, und fie
follte das fih entladende Wetter nicht mehr erleben, fondern bei der oberen
Bemeinde fein, wo Fein Leid mehr ft und die Gebete einen kurzen Weg haben
zum Herzen Gottes. Bethanien war ihr der Kebfte Ort auf Erden, die Heimat,
die fie bier unten mit Feiner andern hätte vertaufchen mögen. „Illir ft eigentlich
nirgends wohl als in Bethanien,“ bei diefent Befonntnis ift fie geblieben bis an
das Ende. Bethaniens Schwefternfchaft war ihre Familie, Bethaniens Weife ihr
Schönftes, Bethaniens Kirche und wie in ihr gepredist, Liturgie gehalten und das
Saframent verwaltet wurde, ihre größte Freude, und wenn fie fern fein mußte,
ihre Schnfucht, „Daneben aber,“ fagt Paftor Schults, der fie fo genau Famnte,
„sing bei ihr fort und fort cin Schnen nach oben, aus der Arbeit und aus dem
Streit zur Xube und zum Frieden, aus der Schwachheit zur Herrlichkeit. Sie
iprach ntcht viel davon, aber man Fomnte cs fpüren.“ Gar früh Famı die Stunde,
da diefe Schniucht geftillt wurde. Paftor Schulß hat darüber genaue Auf:
zeichnungen für die Schweitern gemacht, und wir Fönnen denfelben hier einfach
folgen. Der Notitand in Preußen und die ihn begleitenden Krankheiten brachten
auch die dortigen Stationen in Bartenftein und Gerdauen in Bedrängnis,
und man auge Bedacht nehmen, die dortigen Kräfte zu verftärken. Am
17. Zamnuar 1808 reifte deshalb die Oberin mit zwei Schweitern dahin ab.
Schon am 19. folgten ihr zwei andere Schweftern, fie ging auf Bitten ihres
Bruders, des Grafen Eberhard, nit den beiden erften weiter nad) dem Städtchen
Shein, mo der Notftand am größten war. Am 20., {pät in der Nacht, Fam
fie dort an. Sie fand das Elend noch viel fchlinmer, als ic os fih gedacht
hatte. Zar zwei Stuben lagen gegen 40 Kranke, in der einen Männer, in der