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Full text: Starke Kinder- und Jugendparlamente / Roth, Roland (Rights reserved)

Starke Kinder- und Jugendparlamente. Kommunale Erfahrungen und Qualitätsmerkmale Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. setzt sich seit mehr als 45 Jahren für die Rechte von Kindern in Deutschland ein. Die Überwindung von Kinderarmut und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Angelegenheiten stehen im Mittelpunkt der Arbeit als Kinderrechtsorganisation. Der gemeinnützige Verein initiiert und unterstützt Maßnahmen und Projekte, die die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, unabhängig von deren Herkunft oder Aufenthaltsstatus, fördern. Die politische Lobbyarbeit wirkt auf die vollständige Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland hin, insbesondere im Bereich der Mitbestimmung von Kindern, ihren Interessen bei Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen sowie der Überwindung von Kinderarmut und gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Kinder in Deutschland. Die hier vorgestellten Qualitätsmerkmale wurden im Rahmen des vom BMFSFJ initiierten Projektes „Starke Kinderund Jugendparlamente“ maßgeblich auf der Basis einer Studie von Prof. Dr. Roland Roth und Prof. Dr. Waldemar Stange entwickelt und aus dem Programm Demokratie leben! gefördert. Das Gesamtprojekt haben in unterschiedlichen Phasen Sebastian Schiller, Jan Stange, Tim Stegemann und Ellen Windmüller unterstützt. Im ersten, quantitativen Teil wurde eine Online-Befragung der Betreuungspersonen dieser repräsentativen Beteiligungsformate durchgeführt. Im zweiten Teil wurden die aktiven Kinder und Jugendlichen im Rahmen einer qualitativen Studie (Interviews und Gruppendiskussionen) befragt. Im dritten Teil wurden die Ergebnisse der beiden ersten Teilstudien durch lokale Fallstudien komplettiert. Auf der Grundlage dieser drei Teilstudien haben wir Qualitätsmerkmale für kommunale Kinder- und Jugendparlamente formuliert. Alle Ergebnisse werden detailliert in dem Ende des Jahres 2020 im BeltzVerlag erscheinenden Buch Roth, Roland / Stange, Waldemar: Kommunale Kinder- und Jugendparlamente. Empirie und Perspektiven einer unterschätzten Form der Beteiligung junger Menschen. Weinheim: Beltz/Juventa publiziert. Um den vielen interessierten Nachfragen zu den Ergebnissen der Untersuchung gerecht werden zu können, publizieren wir mit dieser Broschüre vorab einen Teil der Gesamtergebnisse: exemplarische deskriptive Befunde aus der quantitativen Online-Befragung und die abgeleiteten Qualitätsmerkmale. Beides gibt einen guten ersten Überblick. Im Hinblick auf die Ergebnisse zu den bivariaten Zusammenhängen (Korrelationen), zur Interviewstudie mit den Jugendlichen selbst und zu den Fallstudien verweisen wir auf die Buchveröffentlichung. Die dort festgestellten Befunde bestätigen im Wesentlichen die Ergebnisse der hier vorgestellten Online-Befragung der Betreuerinnen und Betreuer. IMPRESSUM Herausgeber: Deutsches Kinderhilfswerk e. V. Leipziger Straße 116–118 10117 Berlin Fon: +49 30 308693-0 Fax: +49 30 308693-93 E-Mail: dkhw@dkhw.de www.dkhw.de Autoren: Prof. Dr. Roland Roth, Prof. Dr. Waldemar Stange Redaktion: Sylvia Kohn Layout: Florence Baret Titelbild: © besser18/Julian Schulz © 2020 Deutsches Kinderhilfswerk e. V. Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Anstelle eines Grußwortes 4 1. K  ommunen als politische Lernorte für junge Menschen und die Bedeutung von kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten 7 2. Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland 11 3. Online-Befragung von Betreuerinnen und Betreuern kommunaler Kinder- und Jugendparlamente 16 3.1 Ziele und Design der Online-Befragung 3.2 M  erkmale der befragten Kommunen und Repräsentativität des Datensatzes 16 17 3.3 Die Finanzsituation der Kommunen im Sample 20 4. Zentrale Befunde 4.1 B  eteiligungslandschaften: Vielfalt der Formen von Kinder- und Jugendbeteiligung 4.2 Stabile Kinder- und Jugendparlamente 4.3 Initiativen und Akteure bei der Gründung 4.4 Anzahl der Mitglieder und Wahlen 4.5 W  ie schätzen die Betreuerinnen und Betreuer die Zusammensetzung ihrer Kinder- und Jugendparlamente ein? 4.6 Strukturelle Verankerung und Rechte der Kinder- und Jugend-vertretungen 4.7 Arbeitsweise und Arbeitsklima der Kinder- und Jugendparlamente 4.8 Themen der Kinder- und Jugendparlamente 4.9 Budget – Aufwandsentschädigung – Sitzungsgeld 4.10 Die Rolle der Erwachsenen 4.11 Selbstverständnis der Kinder- und Jugendparlamente 4.12 Resonanz in der Kommunalpolitik 4.13 Einstellungen und Haltungen der kommunalen Politik und Verwaltung – Bewertung der Unterstützung 4.14 Lerneffekte 21 21 24 25 26 28 32 34 37 40 42 43 44 47 49 5. Q  ualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente auf kommunaler Ebene 50 A. Die Kernmerkmale 1. S  tarkes Mandat – politischer Wille 2. Strukturelle Verankerung: Ratsbeschluss und Fixierung in Satzungen 3. B  etreuende, unterstützende, moderierende und ermöglichende Fachkräfte 4. E  igenes Budget – eigene Gestaltungsmöglichkeiten 51 51 51 52 52 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 1 5. Repräsentativität und Diversität 6. K  ooperative Haltung von Politik und Verwaltung 7. Selbstwirksamkeit/Wirksamkeit – politischer Einfluss B. Ergänzende Merkmale 8. Kultur der Anerkennung 9. Fehlerfreundlichkeit 10. N  utzung vielfältiger Beteiligungsformate 11. Kinder- und jugendgemäße Arbeitsformen nach innen – Parlamente mit Diskussionskultur und Spaßfaktor 12. R  ahmenbedingungen kinder- und jugendfreundlich gestalten 13. Lokale Vernetzung und Kooperation: Starke KiJuPa als Kern einer kommunalen Beteiligungslandschaft 14. Vernetzung mit der staatlichen Ebene der kommunalen Jugendpolitik 15. Vernetzung über die Kommune hinaus 16. U  nterstützung aus der Zivilgesellschaft 17. Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit 18. Kontinuität 19. Unterstützende Länderregelungen 20. O  ffenheit für Lernprozesse bei allen Beteiligten – Chancen sehen und wahrnehmen 56 57 57 57 57 57 58 58 6. Literatur 59 2 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 53 53 54 55 55 55 55 55 56 Vorwort Holger Hofmann Bundesgeschäftsführer Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Liebe Leserin, lieber Leser, eine lebendige Demokratie lebt von aktiven Bürgerinnen und Bürgern. Dies gilt es von Anfang an zu fördern. Eine besondere Bedeutung bei der Umsetzung von Kinder- und Jugendbeteiligung kommt der Kommune zu. Von allen politischen Ebenen ist sie der jungen Generation am nächsten. Gerade hier sollten Jugendbeteiligungsprozesse initiiert werden. Ein möglicher Ansatzpunkt, um Jugendbeteiligung nachhaltig in den Kommunen zu verankern, sind Kinder- und Jugendparlamente. Im Idealfall sind sie eingebettet in unterschiedliche Beteiligungsformen, in Schule, Verein, Jugendverband oder Einzelveranstaltungen. Alle zusammen bilden eine „Beteiligungslandschaft“, in der sich die einzelnen Projekte gegenseitig verstärken. Seit einiger Zeit hat sich das Deutsche Kinderhilfswerk die Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendgremien und insbesondere Kinder- und Jugendparlamenten auf die Fahne geschrieben. Auf Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sind nun in dem Vorhaben „Starke Kinder- und Jugendparlamente“ die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, die Beratung, Vernetzung und Fortbildung der kommunalen Projekte verstärkt zu unterstützen. Dabei gehen wir nicht nur der Frage nach, was starke Kinder- und Jugendparlamente sind und wie sie arbeiten. Vor allem wollen wir identifizieren, welche Faktoren – in dieser Broschüre Gelingensbedingungen genannt – notwendig sind, um Kinder- und Jugendparlamente und andere Kinder- und Jugendgremien stark zu machen. Die Erkenntnisse werden in die Beratung und Förderung von Kommunen mit einem Gründungsinteresse sowie Kinder- und Jugendparlamenten mit Herausforderungen fließen. Übergeordnetes Ziel ist die Förderung und Stärkung von Beteiligungslandschaften auf kommunaler Ebene in Deutschland und die Kompetenzentwicklung aller beteiligten Akteure: Kinder und Jugendliche, Fachkräfte sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger. Zu Beginn des Projektes war es uns wichtig, eine umfassende empirische Untersuchung zur Situation der kommunalen Kinder- und Jugendparlamente in Deutschland durchzuführen, deren Ergebnisse wir hier vorstellen. Wir danken dem BMFSFJ, insbesondere Rainer Wiebusch, für die finanzielle und fachliche Unterstützung sowie den Forschungsleitern Prof. Dr. Roland Roth und Prof. Dr. Waldemar Stange für ihre versierte und engagierte Arbeit. Die von ihnen vorgelegten Ergebnisse haben das Potenzial, die über 500 Kinder-und Jugendparlamente sowie die ca. 300 Jugendforen in Deutschland aus ihrem Schattendasein zu befreien und ihnen Anerkennung für ihren so überaus wesentlichen Beitrag für eine lebendige und nachhaltige Demokratie zukommen zu lassen. Vielen Dank für Ihr Interesse! Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 3 Anstelle eines Grußwortes Eine KiJuPa-Geschichte, die sich so im wirklichen kommunalen Leben durchaus ereignen könnte … von Rainer Wiebusch, Leiter des Referates „Jugendstrategie, eigenständige Jugendpolitik“ im Bundesjugendministerium und zuständig für die Initiative „Starke Kinder- und Jugendparlamente“ Lina (14) und Finn (15) sind seit über zwei Jahren Mitglieder im Kinder- und Jugendparlament Neustadt, kurz KJN. Sie freuen sich auf die nächste Sitzung, die vom Oberbürgermeister der Stadt geleitet wird. Das hat das KJN gleich bei seiner Gründung im Jahre 2007 so beschlossen: Die Sitzungen werden im Wechsel von den beiden Vorsitzenden und dem Oberbürgermeister geleitet. Manchmal muss der Oberbürgermeister schon mal früher los, das KJN tagt immer so zwischen drei und vier Stunden, da übernehmen dann die beiden Vorsitzenden Constanze (17) und Metin (16) die Sitzungsleitung. Oberbürgermeister Borghorst erklärt den 25 Mitgliedern des KJN genau, warum er früher gehen muss – bisher war das nie ein Problem, und der OB hat für die jungen Leute auch zwischen den Sitzungen ein offenes Ohr. Und zu Beginn der Sitzungen ist er immer pünktlich. Wenn Constanze sich im nächsten Jahr auf das Abitur konzentrieren muss, möchte Lina sich zur Wahl stellen und Vorsitzende des KJN werden. Sie hat in den letzten zwei Jahren so einiges gelernt: wie Anträge geschrieben werden, wie Kompromisse ausgehandelt werden – und sie hat auch keine Probleme mehr, vor größeren Gruppen zu sprechen. Und vor allem hat sie total viel Spaß bei der Arbeit im KJN, weil sie da mit Gleichaltrigen zusammen ist und weil sie gemeinsam etwas bewirken können. Natürlich werden nicht alle Beschlüsse des KJN umgesetzt und auch nicht sofort. Aber eigentlich sind sie schon stolz darauf, dass sie im Stadtrat und den Ausschüssen Rederecht haben und Anträge stel- 4 len können. Wenn etwas nicht umgesetzt wird, dann müssen die verantwortlichen Erwachsenen das begründen. Als das KJN im Jahr 2007 gegründet wurde, war das noch fast eine Sensation. Die damalige Oberbürgermeisterin Königshaus fand, dass Kinder und Jugendliche Expertinnen und Experten in eigener Sache sind und deshalb auch die Möglichkeit bekommen müssen, ihre Wünsche und Ideen den erwachsenen Politikerinnen und Politikern vorzustellen. Weil sie das wollen und können und weil die meisten nicht wählen dürfen, altersbedingt. Die 25 Mitglieder des heutigen KJN waren da noch nicht dabei, aber Sandra Michaelis, die damals als Mitarbeiterin des Jugendamtes den Gründungsprozess mit begleitet hat, erzählt gern über die ersten Jahre. Heute ist sie in der Jugendhilfeplanung tätig und kann das KJN mit 20 Wochenstunden unterstützen. Das ist gut so, denn es gab schon mal Zeiten, da wäre das KJN fast eingeschlafen – Ältere hatten andere Interessen und Jüngere waren noch nicht so weit. Zurück zu Königshaus. Die war der Meinung, dass Kinder- und Jugendbeteiligung sich nicht nur auf Spielplätze und Skateranlagen konzentrieren dürfe. Darum wollte sie ein allgemeinpolitisches Mandat für das Kinder- und Jugendparlament: Kinder und Jugendliche sollten sich einmischen in alle Politikbereiche, die für sie relevant sind. Also in alle. Und dann hat sie zu einer öffentlichen Veranstaltung eingeladen; da haben dann Jugendliche aus anderen Kinder- und Jugendparlamenten über ihre Arbeit berichtet, ein Professor hat einen bundesweiten Überblick gegeben und eine Vertreterin des Landesjugendringes hat was zur Wirksamkeit vorgetragen. Dann ging die Diskussion erst richtig los. Die Einen wollten alles perfekt machen, den Anderen ging das viel zu weit. Es hatte Monate gedauert, Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. bis das Konzept stand. Und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Die Oberbürgermeisterin hat sich durchgesetzt und einfach erklärt, dass das Kinder- und Jugendparlament „Chefinsache“ ist. 25 Mitglieder sollte das KJN haben – 12 wurden in den Schulen, in allen Schulen gewählt. 13 wurden durch Verbände und Vereine delegiert, moderiert vom Stadtjugendring. Die Oberbürgermeisterin hat dem Stadtrat dann eine Satzung, an der wirklich viele Leute mitgewirkt hatten, vorgelegt: einstimmig beschlossen. Sandra Michaelis hat mit den Mitgliedern des KJN eine Geschäftsordnung ausgearbeitet. Das klingt vielleicht ziemlich technisch, ist aber ganz einfach und regelt, wie die Zusammenarbeit funktioniert. Das wirklich Sensationelle war dann, dass die Oberbürgermeisterin eine Dienstanweisung an ihre Dezernentinnen und Dezernenten unterschrieben hat, in der steht, dass die Beschlüsse des KJN umgesetzt werden müssen – es sei denn, es wird begründet, warum das nicht geht. Die Kinder und Jugendlichen fanden das ganz normal, die Erwachsenen meinten aber, dass sowas echt sehr weitreichende Konsequenzen haben könnte … Natürlich hat das KJN auch ein eigenes Budget bekommen. Das waren am Anfang 5.000 €. Und weil die Projekte und Veranstaltungen so toll waren, die in Eigenregie durchgeführt wurden, wurde der Betrag immer weiter erhöht. Jetzt sind 50.000 € im Budget. Die Oberbürgermeisterin ist jetzt Ministerin in einem anderen Bundesland. Und ihr Nachfolger steht auch voll hinter dem KJN. Bei der letzten Kommunalwahl hatte das KJN Wahlprüfsteine ausgearbeitet. Und die Antworten sind nach der Wahl nicht einfach in die Schublade gelegt worden, sondern der neue Oberbürgermeister macht einfach dort weiter, wo seine Vorgängerin aufgehört hat. Aus dem ersten KJN sind drei Mitglieder auch parteipolitisch aktiv geworden und sitzen jetzt im Stadtrat. Sie sind immer ansprechbar für die Mitglieder des KJN. Manchmal müssen sie aber auch sehr deutlich darauf hingewiesen werden, dass sie früher oder besser vor einigen Jahren selber im KJN waren. Fortsetzung folgt … Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 5 6 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 1. Kommunen als politische Lernorte für junge Menschen und die Bedeutung von kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten Überblick: Neben Familien, Freundschaften und Bildungseinrichtungen prägen Kommunen, ihre Einrichtungen und Dienste die Lebenswelt von jungen Menschen. Diese alltägliche Nähe bietet niedrigschwellige Zugänge zu Mitsprache und Gestaltung. Kinder- und Jugendbeteiligung ist eine wichtige kommunale Angelegenheit. Kinder- und Jugendparlamente zielen als institutionalisierte und kontinuierliche Form der kommunalen Interessenvertretung mit einem breiten thematischen Mandat zur Gestaltung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen auf garantierte Zugänge zu Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung. Dennoch gelten kommunale Kinder- und Jugendparlamente in der öffentlichen Debatte oft als wenig zeitgemäße oder kinder- und jugendgerechte Form der Beteiligung. Die Ergebnisse unserer Studie zeigen ein anderes Bild: Kinder- und Jugendparlamente bieten viele positive Lerngelegenheiten für die nachwachsende Generation und machen sie fit für eine vielfältiger gewordene Demokratie. Kinder- und Jugendparlamente tragen zur Stärkung kommunaler Demokratie bei. Sie können Kommunen kinderfreundlicher machen und so das Wohlbefinden aller Einwohnerinnen und Einwohner steigern. Deshalb haben repräsentative Beteiligungsformate, wie Kinder- und Jugendparlamente, mehr jugendpolitische Aufmerksamkeit und öffentliche Förderung verdient! Das Handeln der Menschen vollzieht sich stets in lokalen Kontexten. Auch wenn in diesem weiten Sinne alles Handeln „lokal“ ist, liegen einige Einschränkungen und Präzisierungen nahe, die das lokale Engagement von Kindern und Jugendlichen in der Kommune beeinflussen: • Die Ortsbindung von Kindern und Jugendlichen ist deutlich größer als die von Erwachsenen, die meist durch Beruf, Lehre und Studium erhöhten räumlichen Mobilitätszwängen und -chancen ausgesetzt sind. Die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen ist dagegen wesentlich durch ihren Wohnort geprägt. Dort befinden sich zumeist ihre Bildungs- und Freizeiteinrichtungen. Ihre selbstständige Mobilität wird durch die kommunale Verkehrsinfrastruktur und den öffentlichen Nahverkehr geprägt. • Kommunen, ihre Einrichtungen und Dienstleistungen, aber auch die lokale Zivilgesellschaft, wie z.B. Vereine, Kirchengemeinden und Initiativen sind mitentscheidend für das Wohlbefinden und die Lebenschancen von jungen Menschen – jenseits der Prägekraft von Familien und Schulen. Kinder- und Familienfreundlichkeit gehören seit Jahren zu den Leitbildern, mit denen Kommunen um Investoren sowie neue Bürgerinnen und Bürger werben. • In der föderalen Verfassung der Bundesrepublik kommt den Kommunen eine besondere Bedeutung zu. Das Grundgesetz (Art. 28, Abs. 2) garantiert ihnen kommunale Selbstverwaltung, d.h., ihnen wird die Möglichkeit garantiert, im Rahmen der Gesetze und ihrer finanziellen Ausstattung ihre örtlichen Angelegenheiten eigensinnig zu gestalten. In diesem Sinne kommen ihnen eine „Allzuständigkeit“ und ein „Aufgabenfindungsrecht“ zu. Kommunen setzen den Löwenanteil der Gesetze von Bund und Ländern um und können dabei durch- Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 7 aus unterschiedliche Wege gehen. Gleichzeitig verfügen sie über einen eigenen Bereich „freiwilliger Aufgaben“, d.h., sie können sich um Belange der „örtlichen Gemeinschaft“ kümmern, die bislang nicht von höheren staatlichen Ebenen aufgegriffen und reguliert wurden. Dies war rückblickend z.B. im Umweltbereich, in Sachen Gleichstellung oder der Integration von Zugewanderten der Fall. Aktuell gehen z.B. zahlreiche Kommunen mit eigenen Leitlinien und Beauftragten in der institutionell garantierten Bürgerbeteiligung voran oder definieren sich als „Bürgerkommune“, die neben der Bürgerbeteiligung auch das freiwillige Engagement fördert und zentrale Handlungsfelder gemeinsam mit der Bürgerschaft bzw. zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelt – wie z.B. in der Energiewende und der Integration von Geflüchteten. • Auch international lässt sich eine Aufwertung lokaler Politik beobachten. Kommunen erscheinen zunehmend als Orte, an denen zukunftsfähige Lösungen für zentrale gesellschaftliche Problemlagen erprobt werden und dabei nationalen Regierungen den Rang ablaufen (Bréville 2020). Dies gilt vor allem für große Städte und ihre transnationalen Netzwerke (etwa „Welcoming Cities“ oder „Cities for Children“), aber auch zunehmend für kleinere Kommunen, wenn es z.B. um den sozialen Zusammenhalt in strukturschwachen ländlichen Räumen geht. Das alte Bild einer nachrangigen, verwaltungsgeprägten politischen Ebene ohne eigene politische Gestaltungsspielräume und in ständiger Finanznot scheint zu verblassen. • Kommunen sind ein zentraler Akteur in der politischen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention geworden, der die Bundesrepublik 1992 beigetreten ist. Dort findet sich z.B. in Artikel 12 die Norm, Kinder an allen sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen, ihre Meinung zu hören und diese angemessen zu berücksichtigen. Eine ganze Reihe von Kommunen hat sich diesen gesetzlichen Auftrag zu eigen gemacht und vielfältige Formen der Beteiligung entwickelt. Die mit dem Zertifikat „Kinderfreundliche Kommune“1 versehenen Gemeinden und Städte kümmern sich intensiv darum, Kinderrechten umfassend zur Geltung zu verhelfen. Da sich diese Praxis in der Regel am Motto der Kinderrechtsbewegung „Nichts für uns, ohne uns!“ orientiert, bieten sich für Kinder und Jugendliche an diesen Orten besondere Lern- und Gestaltungschancen in vielfältigen Beteiligungsprozessen. Sie zu verbreiten ist ein Anliegen dieser Kommunen, die international durch die „Child-Friendly Cities“Initiative von UNICEF unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund können Kommunen auch für Kinder und Jugendliche zu einem attraktiven politischen Lernort werden: • Neben Familien, Freundschaften und Bildungseinrichtungen prägen Kommunen, ihre Einrichtungen und Dienste die Lebenswelt von jungen Menschen. Die alltägliche Nähe bietet niedrigschwellige Zugänge zu Mitsprache und Gestaltung. Kinder- und Jugendbeteiligung ist in erster Linie eine kommunale Angelegenheit, ihre Erfolge und Wirkungen sind nachvollziehbar und können zur Verbesserung der eigenen Lebenssituation beitragen. Gleichzeitig bieten Kommunen die Gelegenheit, globale Herausforderungen zu thematisieren und praktisch „im Kleinen“ anzugehen. Dies gilt vor allem dann, wenn Kommunen eine eigene Beteiligungskultur entwickelt haben, die offen für die Impulse der nachwachsenden Generation ist. • Projektorientierte und offene Formen prägen weitgehend die Beteiligungsangebote von Kommunen an Kinder- und Jugendliche. Die damit verbundenen Lernchancen und Selbstwirksamkeitserfahrungen sind hinlänglich bekannt und nicht zu unterschätzen. Sie entsprechen in ihren zeitlichen und thematischen Beschränkungen zudem auch dem verstärkten Zeitdruck, dem sich junge Menschen nicht zuletzt durch die Verdichtung und Ausweitung der Bildungsangebote (Ganztag) ausgesetzt 1 Zu dieser Praxis vgl. Kinderfreundliche Kommunen (2019); einen systematischen Überblick zur Umsetzung der Kinderrechte in kommunalen Handlungsfeldern bieten in Kürze Bär/Roth/Csaki 2021 8 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. sehen. Die Vorteile dieser Beteiligungsformate liegen darin, dass sie auch mit überschaubarem Ressourcenaufwand an Personal und professionellem Know-how in aller Regel sehr gut funktionieren. Gleichzeitig können die vielfältigen offenen und projektorientierten Formate auch nicht alles leisten. Sie bieten manchmal nicht genügend Raum für längerfristige und kumulative Lernprozesse, sind oft neben den Regelstrukturen angesiedelt und lassen diese meist unverändert. Auch wenn die große Bedeutung der offenen und projektorientierten Beteiligungsformate für die engagierten Kinder und Jugendlichen unverändert gilt, bedürfen sie doch der Ergänzung durch Formate wie die kommunalen Kinder- und Jugendparlamente, die in der Regel die Einbettung in eine verlässliche kommunale Beteiligungskultur gezielter angehen können. • Repräsentative Beteiligungsformate wie die Kinder- und Jugendparlamente verfügen hier über eine Reihe von Vorteilen: Sie zielen als institutionalisierte und kontinuierliche Form der Interessenvertretung mit einem breiten thematischen Mandat auf garantierte Zugänge zur Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung ab. Sie haben den Auftrag und die institutionelle Legitimation, die vielfältigen Interessen von Kindern und Jugendlichen zu bündeln und dabei zwischen den unterschiedlichen und zuweilen divergierenden Interessen zu vermitteln. Auch wenn der Grad der Einbindung in die Arbeit von Kommunalparlamenten oder Kinderund Jugendhilfeausschüssen unterschiedlich ausfällt, bieten Kinder- und Jugendparlamente die Chance, Kommunalpolitik in ihrer Breite kennenzulernen und zu beeinflussen. Dass dieses Beteiligungsformat wesentlich höhere Ansprüche an alle Beteiligten stellt und deutlich mehr dauerhafte professionelle Unterstützung benötigt, um erfolgreich zu sein, liegt auf der Hand. • Leider ist die Begriffsbildung zu diesem Format der Partizipation in den Ländern traditionell sehr heterogen und stark von den jeweiligen 2 Kommunalverfassungen der Länder geprägt. Zum Beispiel spricht Baden-Württemberg von „Jugendgemeinderäten“, in Schleswig-Holstein ist dagegen von „Kinder- und Jugendvertretungen“ die Rede, um einer Fülle von lokal sehr unterschiedlichen Formaten und Bezeichnungen gerecht zu werden. Oft ist auch von Jugendbeiräten die Rede, um ihre beratende Aufgabe für die Kommunalvertretungen, Gemeinde- oder Stadträte zu betonen. Gemeinsam ist ihnen bei aller begrifflichen Vielfalt der repräsentative Anspruch. Sie wollen und sollen möglichst umfassend die Anliegen und Interessen junger Menschen vor Ort aufgreifen und in die Kommunalpolitik einbringen. • Angesichts der Vielfalt an Bezeichnungen haben wir uns für den Arbeitsbegriff (kommunale) „Kinder- und Jugendparlamente“2 entschieden, wenn Kinder und Jugendliche eigene Gremien bilden, die im kommunalen Kontext repräsentativ für ihre Altersgruppe handeln. Die entsprechende Förderlinie des BMFSFJ nutzt den erweiterten Programmbegriff „Starke Kinder- und Jugendparlamente“, um ihre Zielsetzung zu verdeutlichen, die durch unsere Forschung Unterstützung findet. In Zeiten vielfältiger Krisenerscheinungen parlamentarischen Regierens dürften „Starke Kinderund Jugendparlamente auf kommunaler Ebene“ den unbestreitbaren Vorteil haben, dass sie die größte Nähe zu den parlamentarischen Strukturen der Erwachsenen haben. Hier können Parlamentarismus gelernt und das Verständnis für parlamentarische Prozesse und Kompromisse gestärkt werden. Die nachfolgend näher vorgestellte Befragung von Betreuerinnen und Betreuern repräsentativer Kinder- und Jugendvertretungen bestätigen diese Erwartungen. Sie vergleichen ihr Format mit einer Reihe von Merkmalen konkurrierender Beteiligungsformate. Dabei sehen sie durchaus die Vorteile projektbezogener Beteiligung, die „griffiger“ und kurzweiliger sein kann. Zudem Der Begriff hat eine Reihe von Vorzügen: Er ist allgemeinverständlich und nahezu selbsterklärend – eine nicht zu unterschätzende Eigenschaft, wenn es um die Unterstützung dieses Beteiligungsformates auch außerhalb der engeren sozialpädagogischen und politischen Fachzirkel auf lokaler Ebene in der Kommunalpolitik und der Erwachsenen-Bürgerschaft geht. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 9 würden sie schnelle Bestätigung und unmittelbare Selbstwirksamkeit fördern. Außerdem bemängeln einige Betreuerinnen und Betreuer, dass die repräsentativen Beteiligungsformate nicht alle Kinder und Jugendlichen vertreten könnten und außerdem erwachsenenzentriert und -abhängig seien. Andererseits werden auch die Vorteile der repräsentativen Beteiligungsformate gegenüber anderen Formaten mit ihren jeweiligen Qualitäten betont: die Möglichkeit, größere Projekte über einen längeren Zeitraum zu verfolgen; ihre Beachtung eines größeren lokalen Zusammenhangs als bei kurzfristiger projektbezogener Arbeit; die deutlich bessere Absicherung durch eigene Rechte und eine strukturelle Verankerung; den hohen Grad an Legitimation; die Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit (Kontinuität und Langfristigkeit statt temporärer Orien- 10 tierung) und die Verlässlichkeit dieses Formats. Weiterhin werden das hohe Ansehen und die Reputation in der Öffentlichkeit hervorgehoben, der deutlich größere Einfluss auf die kommunale Politik und Verwaltung (verbesserte Gestaltungsmöglichkeiten) und nicht zuletzt die Vorteile für die Kinder und Jugendlichen selbst (eigene Interessenvertretung, verbesserte Chancen zur Umsetzung von Projekten, Kompetenzerwerb – z.B. politische Bildung, Erlernen von Demokratie usw.). Allerdings plädieren auch die allermeisten Betreuerinnen und Betreuer von Kinder- und Jugendparlamenten für eine Vielfalt von Beteiligungsformaten, also letztlich für einen Beteiligungsmix und reichhaltige Beteiligungslandschaften – in etwa so, wie wir sie in den quantitativen Ergebnissen dieser Untersuchung an vielen Stellen gefunden haben. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 2. Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten in Deutschland Überblick: Es gibt 520 Kinder- und Jugendparlamente in Deutschland. Damit sind nur in ca. 5 % aller deutschen 11.059 Kommunen repräsentative Kinder- und Jugendvertretungen vorhanden. Das liegt aber auch daran, dass von den kleinen Gemeinden unter 5.000 Einwohnern, die 73 % aller Kommunen ausmachen, nur 0,6 % über ein Kinder- und Jugendparlament verfügen. In den anderen Größenklassen sind die Kinder- und Jugendparlamente stärker vertreten. Verbreitung von Kinder- und Jugendparlamenten In einem aufwendigen Verfahren – Abfragen bei Landesvereinigungen, bei zuständigen Landesministerien, bei landesweiten Treffen von Kinderund Jugendparlamenten (KiJuPa), Einzelrecherchen etc. – konnten vor Beginn der Befragung bundesweit 520 repräsentative Formen der kommunalen Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen (inklusive Kontaktadressen in der Verwaltung bzw. der Betreuenden) identifiziert werden.3 Angesichts der erheblichen Fluktuation und der Vielfalt vorhandener repräsentativer Formate (inklusive der Benennungen) ist davon auszugehen, dass nicht alle Anfang des Jahres 2018 existierenden KiJuPa erfasst werden konnten. Da nur eine vergleichsweise geringe Zahl zusätzlicher Gremien erst im Rahmen des Forschungsprozesses bekannt wurde, dürfte die Anzahl der nicht erfassten Gremien im einstelligen Prozentbereich liegen. Trotz der vergleichsweise guten Resonanz und einigen Versuchen, die Existenz der Gremien durch Anrufe bei den Stadt- und Gemeindeverwaltungen zu überprüfen, ist davon auszugehen, dass es in nahezu vergleichbarer Anzahl Kommunen im bereinigten Datensatz gibt, in denen die gemeldeten KiJuPa nicht mehr existieren. Die angestrebte Grundgesamtheit (alle kommunalen KiJuPa in Deutschland) und die Auswahlgesamtheit (die erfassten und angeschriebenen Kommunen) dürften – wägt man „Undercoverage“ (nicht alle KiJuPa sind bekannt) und „Overcoverage“ (nicht alle angeschriebenen KiJuPa existieren noch) ab – somit nahe beieinanderliegen. Wir halten deshalb vor dem Hintergrund unserer intensiven Recherchearbeiten eine Gesamtzahl von 520 repräsentativen Vertretungen von Kindern und Jugendlichen in deutschen Kommunen für Anfang 2018 für plausibel4. Damit gibt es in knapp 5 % aller deutschen 11.059 Kommunen eine repräsentative Kinder- und Jugendvertretung5. Allerdings variiert der Anteil nach Gemeindegröße erheblich: • Während 73 % (8.136) aller Gemeinden in Deutschland weniger als 5.000 Einwohner haben, finden wir dort nur ca. 9 % (45) sämtlicher Kinder- und Jugendparlamente. Nur 0,6 % (45) der Kommunen in dieser Größenklasse haben ein Kinder- und Jugendparlament. • Bei den Gemeinden unter 1.000 Einwohnern, die immerhin 36 % (4.031) aller Gemeinden ausmachen, haben sogar nur 0,17 % (7 Kommunen) ein KiJuPa. • Kleinstädte (5.000 bis unter 20.000 Einwohner) stellen 20 % (2.228) aller Gemeinden sind 3 Dass es auch in etwa der Hälfte der Bundesländer Ansätze zur Interessenvertretung auf Landesebene, etwa in Form von Jugendlandtagen gibt, bleibt hier unberücksichtigt – s. detailliert Roth/Wenzl 2019. 4 Die erfassten kommunalen Kinder- und Jugendparlamente werden in Kürze auf der Beteiligungslandkarte des Deutschen Kinderhilfswerkes dokumentiert werden. 5 Die Zahlen- und Prozentangaben beziehen sich auf die 2018 verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 11 mit 38 % (196) sämtlicher Kinder- und Jugendparlamente deutlich stärker vertreten. 8,8 % aller Kleinstädte verfügen über ein Kinder- und Jugendparlament. • Noch größer ist der Anteil der kleinen Mittelstädte (20.000 bis unter 50.000 Einwohner), die 32 % (162) aller repräsentativen Vertretungsformen stellen, aber nur 5 % (505) aller Kommunen ausmachen. Damit verfügt nahezu jede dritte kleine Mittelstadt (32,1 %) über ein Kinder- und Jugendparlament. • Von den 110 großen Mittelstädten (50.000 bis unter 100.000 Einwohner) Deutschlands verfü- gen 48 über ein Kinder- und Jugendparlament – das sind 43,6 %. • Bei den Großstädten sind Kinder- und Jugendparlamente noch häufiger anzutreffen. Von den 66 Großstädten mit 100.000 bis zu einer halben Million Einwohnern haben 45, d.h. mehr als zwei Drittel (68,2 %) ein Kinder- und Jugendparlament. • In den 14 Großstädten mit über 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern finden wir 10 Kinder- und Jugendparlamente6 (also in 71 %). • In 14 von 294 Landkreisen gibt es Kreis-Jugendparlamente (also in knapp 5 %). Abb. 1: Verteilung der KiJuPa nach Gemeindegrößen in Deutschland und Anzahl der KiJuPa in diesen Größenklassen7 0 Gemeinde (unter 1.000) Gemeinde (1.000 bis 5.000) 500 Großstadt (über 500.000) 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 4.500 4.031 4.105 38 2.228 196 Kleine Mittelstadt (20.000 bis unter 50.000) Großstadt (100.000 bis unter 500.000) 1.500 7 Kleinstadt (5.000 bis unter 20.000) Große Mittelstadt (50.000 bis unter 100.000) 1.000 505 162 110 48 66 45 14 10 Deutschland N gesamt Lesebeispiel: D  eutschlandweit gibt es 4.031 Gemeinden mit weniger als 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Sieben Kinder- und Jugendparlamente sind in solchen Gemeinden angesiedelt. 6 Bei einer differenzierten Betrachtung der Großstädte und Stadtstaaten ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich nicht immer um stadtweite, sondern auch um stadtteil- oder bezirksbezogene Vertretungen handelt. So gibt es in Berlin in zwei von insgesamt zwölf Bezirken Jugendvertretungen. In Stuttgart sind 2020 auf bezirklicher Ebene 15 Jugendräte gewählt worden, in acht Stadtbezirken wurden Projektgruppen gebildet. Ihre Vertreter bilden gemeinsam den gesamtstädtischen AK Stuttgarter Jugendrat (https://jugendrat.stuttgart.de/ letzter Zugriff 5.8.2020). 7 Die Gesamtzahl der KJP beträft hier 506. In Tabelle 1, 3 und 4 sind es aber 520, weil dort die 14 Landkreisparlamente mitgezählt werden. 12 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Der Befund ist eindeutig: Die Verbreitung repräsentativer Beteiligungsformate für Kinder und Jugendliche steigt mit der Gemeindegröße erheblich an8. Immerhin zwei von drei Großstädten verfügen über ein Kinder- und Jugendparlament. Diese Verteilung lässt unterschiedliche Deutungen zu. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass in keinem Bundesland die Einrichtung von KiJuPa oder anderen repräsentativen kommunalen Vertretungen für Kinder und Jugendliche eine kommunale Pflichtaufgabe darstellt. Nur drei Flächenländer haben in ihren Kommunalverfassungen eine verpflichtende allgemeine Kinderund Jugendbeteiligung (Schleswig-Holstein seit 2003; Baden-Württemberg seit Dezember 2015 – allerdings nur für Jugendliche, Brandenburg seit 2018)9, ohne jedoch ein bestimmtes Beteiligungsformat vorzugeben10. An erster Stelle dürfte das Größenargument eine Rolle spielen. In kleineren Gemeinden kennt man sich und begegnet sich alltäglich (so auch Bruner u.a. 1999: 20). Je größer das Gemeinwesen, desto geringer ist die Reichweite direkter Kommunikation. Damit steigt zugleich der Bedarf an repräsentativen Vertretungen. Dieses klassische Argument der „großen Zahl“ für die Wahl repräsentativer Formate hat mit Blick auf die vorhandenen Kinder- und Jugendparlamente nur eingeschränkte Gültigkeit, denn es gibt sie in allen Gemeindegrößen-Klassen. Selbst bei den Großstädten verzichtet eine größere Zahl auf diese Option. Zudem kann mit dieser Studie nicht gezeigt werden, ob in kleineren Gemeinden direkte Formen der Beteiligung intensiver genutzt werden, weil sie sich auf repräsentative Formate konzentriert. Bei der Verteilung der Kommunen mit repräsentativer Kinder- und Jugendbeteiligung auf die Bundesländer (nur Flächenländer) zeigen sich deutliche Unterschiede. In absoluten Zahlen dominiert Baden-Württemberg mit 101 Kommunen, es folgen Nordrhein-Westfalen mit 79, Bayern mit 68 und Schleswig-Holstein mit 55 Kommunen, in denen es eine Kinder- und Jugendvertretung gibt. In den anderen Bundesländern – vor allem in Ostdeutschland – liegen die Zahlen deutlich darunter. Mit Blick auf die Gesamtzahl der Kommunen in den einzelnen Bundesländern ergibt sich ein deutlich anderes Bild. Danach verfügen knapp 20 % aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen über ein Kinder- und Jugendparlament. In größerem Abstand folgen Baden-Württemberg (9,2 %), Hessen (8,5 %), Saarland (7,7 %), SachsenAnhalt (6,5 %), Sachsen (6,3 %), Brandenburg (5,5 %), Schleswig-Holstein (5 %), Niedersachsen (4 %), Bayern (3,3 %), Thüringen (2,2 %) und Mecklenburg-Vorpommern (1,6 %). Das Schlusslicht bildet Rheinland-Pfalz mit 1,4 %, wenn man diese Kategorisierung wählt. Bei diesen Prozentzahlen ist allerdings der bereits dargestellte Befund zur Gemeindegröße zu berücksichtigen. Kleinere Kommunen machen deutlich weniger vom Format der Kinder- und Jugendparlamente Gebrauch. So haben in Rheinland-Pfalz von 2.305 Kommunen insgesamt allein 2.178 weniger als 5.000 Einwohner, in Bayern sind es von 2.056 Kommunen insgesamt 1.492, in Schleswig-Holstein von 1.110 allein 1.012 und in Baden-Württemberg weisen von 1.101 Kommunen noch 581 Kommunen weniger als 5.000 Einwohner auf. Der Kontrast zu Nordrhein-Westfalen, dem einwohnerreichs- 8 Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen der DJI-Untersuchung von 1998 (Bruner u.a. 1999: 18-22). 9 Hinzu kommt noch der Stadtstaat Hamburg (Bezirksverwaltungsgesetz). Allerdings muss angemerkt werden, dass die in den meisten anderen Ländern übliche Soll-Vorschrift rechtlich eine durchaus harte Formulierung ist („Müssen, wenn man kann!“). Ob die Brandenburger Regelung eine echte Muss-Vorschrift darstellt, wird sich in der kommunalen Praxis erst noch erweisen. Wir schließen uns hier der hoffnungsvollen Bewertung des Deutschen Kinderhilfswerkes (2019: 19ff.) an. 10 Bundesländer mit verpflichtender Kinder- und Jugendbeteiligung (SH, HH, BaWü, Brandenburg) schreiben in ihren Gemeindeordnungen bzw. im Bezirksverwaltungsgesetz (HH) keine repräsentativen Formate vor. Gefordert sind „geeignete Verfahren“. Am deutlichsten spricht sich noch die Gemeindeordnung von BaWü (41a in der seit 12/2015 gültigen Fassung) für repräsentative Formate aus. Dort können Jugendliche mit niedrigem Quorum die Einrichtung einer Jugendvertretung beantragen. Nur dort finden sich auch detailliertere Aussagen zur Ausgestaltung der Jugendgemeinderäte (Geschäftsordnung mit Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht, Bereitstellung „angemessener finanzieller Mittel“). Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 13 ten Bundesland, könnte nicht größer sein. Dort haben von insgesamt 396 Kommunen lediglich 3 weniger als 5.000 Einwohner. Ein Teil der bisher erwähnten länderspezifischen Unterschiede geht somit auf Größeneffekte zurück11. Wichtiger für die Bedeutung und den Stellenwert der repräsentativen Beteiligungsformate im Ländervergleich könnte der Hinweis auf die Repräsentationsdichte sein, die sich aus der Relation von Kinder- und Jugendparlamenten pro Einwohner eines Bundeslandes ergibt. Danach entfallen in Schleswig-Holstein auf ein repräsentatives Kinder- und Jugendparlament rund 52.000 Einwohner, gefolgt von rund 108.000 Einwohnern in Baden-Württemberg und Brandenburg, während sich in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen jeweils über 200.000 Einwohner ein Kinder- und Jugendparlament teilen. Tab. 1: Einwohner pro Kinder- und Jugendparlament nach Bundesland Bundesland Kommunen mit KiJuPa Einwohner im Bundesland Einwohner pro KiJuPa Schleswig-Holstein 55 2.881.926 52.398,7 Bremen 8 678.753 84.844,1 Baden-Württemberg 101 10.951.893 108.434,6 Brandenburg 23 2.494.648 108.463,0 Thüringen 19 2.158.128 113.585,7 Mecklenburg-Vorpommern 12 1.610.674 123.898,0 Rheinland-Pfalz 32 4.066.053 127.064,2 Sachsen 27 4.081.783 151.177,1 Sachsen-Anhalt 14 2.236.252 159.732,3 Hessen 36 6.213.088 172.585,8 Bayern 68 12.930.751 190.158,1 Niedersachsen 38 7.945.685 209.097,0 Nordrhein-Westfalen 79 17.890.100 226.457,0 Saarland 4 996.651 249.162,8 Hamburg 2 1.810.438 905.219,0 Berlin 2 3.574.830 1.787.415,0 520 82.521.653 Insgesamt Lesebeispiel: D  ie Dichte der Kinder- und Jugendparlamente in Schleswig-Holstein liegt bei ca. 52.000 Einwohnerinnen und Einwohnern pro KiJuPa, in Bayern bei ca.190.000 Einwohnerinnen und Einwohnern pro KiJuPa und in Berlin bei ca. 1.787.000 Einwohnerinnen und Einwohnern pro KiJuPa. 11 14 Wir gehen davon aus, dass die Regelungen in Kommunalverfassungen ebenfalls einen Einfluss auf die Verbreitung von Kinder- und Jugendparlamenten haben. Dies gilt auch für die Finanzausstattung der Kommunen und Förderprogramme der einzelnen Bundesländer in diesem Bereich. Jedenfalls hat sich dies bei der Einführung des § 47f. in die Gemeindeordnung und einem entsprechenden Begleitprogramm der Landesregierung in Schleswig-Holstein beobachten lassen. Der Erfolg dieser Bemühungen zeigt sich in der vergleichsweise großen Zahl von Gemeinden mit Kinder- und Jugendparlamenten. Mit der Neufassung des 41a. in der Gemeindeordnung BadenWürttembergs im Dezember 2015 lässt sich dort eine ähnliche Dynamik feststellen. Allerdings lassen sich solche Annahmen erst durch einen detaillierten Ländervergleich, auf den wir hier verzichten müssen, bestätigen oder zurückweisen. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Abb. 2: Einwohner pro Kinder- und Jugendparlament nach Bundesland Schleswig-Holstein Bremen Baden-Württemberg Brandenburg Thüringen Mecklenburg-Vorpommern Rheinland-Pfalz Sachsen Sachsen-Anhalt Hessen Bayern Niedersachsen Nordrhein-Wesfalen Saarland Hamburg Berlin 500.000 1.000.000 1.500.000 2.000.000 Lesebeispiel: D  ie Dichte der Kinder- und Jugendparlamente in Schleswig-Holstein liegt bei etwa 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern pro KiJuPa, in Bayern bei ca.190.000 Einwohnerinnen und Einwohnern pro KiJuPa. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 15 3. Online-Befragung von Betreuerinnen und Betreuern kommunaler Kinder- und Jugendparlamente  Die hier vorgestellten Ergebnisse der bislang umfassendsten Erhebung zu kommunalen Kinderund Jugendparlamenten sind Teil einer kinderund jugendpolitischen Strategie des Bundes, die – ausdrücklich ohne jede Geringschätzung anderer Beteiligungsformate – repräsentative Beteiligungsformen auf kommunaler Ebene unterstützen und verbreiten will. Die Online-Befragung von Betreuerinnen und Betreuern solcher Partizipationsformen und die anschließende qualitative Befragung von Kindern und Jugendlichen sollen eine empirisch gesicherte Grundlage für die Debatte über Qualitätsmerkmale repräsentativer Kinder- und Jugendbeteiligung in Kommunen bieten, die förderpolitische Anstrengungen auf allen politischen Ebenen begründen können. Die hier präsentierten Daten der bekannten Kinderund Jugendparlamente und die Auswertung der Online-Befragung bieten dafür erste Erkenntnisse, die weit über die bekannten – deutlich begrenzten und zum Teil veralteten – Studien hinausgehen, einige frühere Befunde bestätigen, andere verbreitete Einschätzungen jedoch infrage stellen. 3.1 Ziele und Design der Online-Befragung Aus Kosten- und Zeitgründen haben sich alle Beteiligten für eine Online-Befragung der Betreuerinnen und Betreuer von Kinder- und Jugendparlamenten in Form einer Vollerhebung entschieden. In einer zweiten Untersuchungsphase wurden 2019 die Kinder und Jugendlichen selber befragt, die in diesen repräsentativen Gremien kommunal aktiv sind (per Interview). Aus mehreren Gründen wurde der Fragebogen explorativ und entsprechend umfangreich angelegt: • Die letzte bundesweite Studie zu kommunalen Beteiligungsformaten für Kinder und Jugendliche wurde vor rund 20 Jahren durchgeführt (Bruner u.a. 1999). Da diese Untersuchung repräsentativ angelegt war und in einer Stichprobe von 1.003 Kommunen (Rücklauf: 400) nur 153 Kommunen umfasste, die überhaupt Beteiligungsangebote vorhielten, waren lediglich 30 Kinder- und Jugendparlamente im Sample. Der Befund lautete, dass 20 % der Kommunen, die in der Kinder- und Jugendbeteiligung aktiv sind, repräsentative Formate nutzen (Bruner u.a. 1999: 30). Wir konnten davon aus- 16 gehen, dass die damaligen, auf einer schmalen empirischen Basis gewonnen Aussagen auf einer breiteren Grundlage zu überprüfen sind. Zudem gilt gerade für den Jugendbereich, dass sich über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten in der Regel einiges verändert. • Zahlreiche Vorgespräche mit Betreuerinnen und Betreuern von Kinder- und Jugend-parlamenten (meist bei Vernetzungstreffen auf Landesebene) ergaben ein äußerst vielfältiges Bild. Struktur und Arbeitsweise repräsentativer Formate variieren in der kommunalen Praxis offensichtlich erheblich. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass es bislang keine allgemein geteilten Standards oder gar rechtliche Vorgaben für diese Praxis gibt, sondern jede Kommune ihren eigenen Weg beschreitet. Dies gilt auch für die Gemeinden der vier Bundesländer (Schleswig-Holstein, Hamburg, Baden-Württemberg und Brandenburg), die eine verpflichtende Kinder- und Jugendbeteiligung in ihren Kommunalverfassungen verankert haben. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. • Neben erheblichen empirischen Wissenslücken und einer großen Vielfalt spricht auch ein doppeltes Anerkennungsdefizit für eine breit angelegte Studie. (1) In der wissenschaftlichen und fachpolitischen Debatte werden repräsentative Formate zwar allgemein begrüßt, aber in der Regel (nur) als eine (nachrangige) Beteiligungsmöglichkeit von vielen angesehen (s. Zentrum Eigenständige Jugendpolitik 2013; Kinderfreundliche Kommunen 2013; BAG 2015; AGJ 2015; Europarat 2016)12. Gelegentlich werden sie sogar fast vergessen (BMFSFJ 2015). Projektorientierte und offene Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung sind nicht nur weiter verbreitet, sondern genießen auch höhere Wertschätzung13. (2) Viele der im Vorfeld angesprochenen Betreuerinnen und Betreuer von Kinder und Jugendparlamenten wünschen sich einen verstärkten Austausch, bessere Unterstützung und mehr öffentliche Anerkennung ihrer Tätigkeit. Vor diesem Hintergrund haben wir einen anspruchsvollen und sehr umfangreichen Fragebogen entworfen, um eine möglichst differenzierte und wertschätzende Sicht auf dieses Beteiligungsfeld zu gewinnen. Auf eine Strukturierung des Fragebogens entlang zu prüfender Hypothesen wurde bewusst verzichtet. Mehr als ein Dutzend Gespräche und ein Pretest haben uns überzeugt, dass das für Online-Befragungen eher ungewöhnliche Design auf positive Resonanz treffen könnte. Bei einem sehr guten Rücklauf von knapp 40 % sehen wir uns in diesem Vorgehen bestätigt.14 3.2 M  erkmale der befragten Kommunen und Repräsentativität des Datensatzes Überblick: Der Rücklauf ist gut (fast 40 %). Mit Ausnahme des Stadtstaats Hamburg sind alle Bundesländer bei den Rückläufen vertreten. Größere Kommunen sind deutlich überrepräsentiert, während sich kleinere Kommunen weniger stark beteiligt haben. Während sich von den Großstädten und großen Mittelstädten etwa die Hälfte aller bekannten Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten an der Befragung beteiligt haben, sinkt die Zahl bei den kleinen Mittelstädten und Kleinstädten auf rund ein Drittel (siehe Tab. 3). Bewertung des Rücklaufs (n) Im Rahmen der angestrebten Vollerhebung wurden alle bekannten Betreuungs- und Begleitpersonen Betreuer*innen und Begleiter*innen 2018 per E-Mail angeschrieben und zur Beteiligung an der Online-Befragung eingeladen. Im Kontext der Befragung sind wir auf weitere 57 repräsentative Gremien gestoßen. Davon konnten noch 31 um ihre Teilnahme an der Befragung gebe- ten werden. Gleichzeitig haben Rückmeldungen zur Befragung ergeben, dass 12 Gremien nicht (mehr) existieren. Auswertungsgrundlage ist deshalb eine durch die Befragung erreichte Grundgesamtheit (N) von 520 repräsentativen Gremien. Vollständige und auswertbare Fragebögen (n) liegen aus 202 Kommunen vor. Dieser für eine umfang- 12 Eine Ausnahme bildet z.B. ein „Handbuch zur Entwicklung kommunaler Strukturen für die Jugendbeteiligung“, das systematisch repräsentative Formate aufgreift (Bertelsmann Stiftung 2008b). 13 Die DJI-Studie von 1998 weist aus, dass 70 % der beteiligungsorientierten Kommunen projektorientierte Formen, 35 % offene Formen praktizieren (Bruner u.a. 1999: 30). Die Studie verweist zustimmend auf ein Expertenstatement, das für die Debatte charakteristisch ist: „Wir halten eigentlich projektorientiertes Arbeiten für sehr kinder- und jugendgemäß und auch für sehr zukunftsträchtig“ (Bruner u.a. 1999: 31). 14 Zur positiven Resonanz hat auch beigetragen, dass die Online-Fragebogen-Untersuchung durch ein motivierendes Begleitschreiben der drei kommunalen Spitzenverbände unterstützt wurde. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 17 Tab. 2: Art der Kommunen in der Stichprobe Art der Kommune n Kreisangehörige Gemeinde (Samtgemeinde, Amt u.Ä.) Kreisangehörige Stadt mit eigenem Jugendamt Kreisfreie Stadt Landkreis/Kreis15 Absolut 99 44 33 21 Prozent 50 % 22 % 17 % 11 % 19716 Lesebeispiel: I nsgesamt 99 der untersuchten Kinder- und Jugendparlamente sind einer Kreisangehörigen Gemeinde (Samtgemeinde, Amt u.Ä.) zugehörig. Dies entspricht 50 % der untersuchten Vertretungen. Frage 1.a: „In welcher Art von Kommune ist die von Ihnen betreute Kinder- und Jugendvertretung aktiv?“ Tab. 3: Verteilung des Rücklaufs nach Gemeindegröße bzw. -typ Gemeindegröße bzw. -typ Stichprobe17 Grundgesamtheit Absolut Prozent Absolut Prozent Großstadt (über 500.000 Einwohner) 7 4% 10 2% Großstadt (100.000 bis unter 500.000 Einwohner) 21 11 % 45 9% Große Mittelstadt (50.000 bis unter 100.000 Einwohner) 27 14 % 48 9% Kleine Mittelstadt (20.000 bis unter 50.000 Einwohner) 63 32 % 162 31 % Kleinstadt (5.000 bis unter 20.000 Einwohner) 62 32 % 196 38 % Gemeinde (1.000 bis unter 5.000 Einwohner) 4 2% 38 7% Gemeinde (unter 1.000 Einwohner) 3 2% 7 1% Landkreis (über 150.000 Einwohner) 1 1% 4 1% Landkreis (unter 150.000 Einwohner) 9 5% 10 2% 19718 520 Lesebeispiel: Sieben der befragten Betreuerinnen und Betreuer geben an, dass das von ihnen betreute Kinder- und Jugendparlament einer Großstadt mit mehr als 500.000 Einwohnern zugehörig ist. Das entspricht 4 % der Stichprobe. Bezogen auf die Grundgesamtheit aller in Deutschland vorhandenen Kinder- und Jugendparlamente (N) sind es zehn, die in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegen. Das entspricht 2 % der Grundgesamtheit. Frage 1.b: „Gemeindegröße bzw. -typ“ reiche Online-Befragung mit 55 geschlossenen und fünf offenen Fragen erstaunlich gute Rücklauf von 38,8 % konnte durch mehrmalige schriftliche Erinnerung und telefonische Nachfragen erreicht werden. Eine solche Ausschöpfungsquote von knapp 40 % der Grundgesamtheit kann gerade für die aus Zeit- und Kostengründen gewählte Methode der Online-Befragung als sehr gutes Ergebnis gewertet werden. 1516 1718 15 In der Stichprobe gibt es zwar 21 Landkreise, aber nur 14 Kreis-Jugendparlamente. Dies ist aber kein Widerspruch, weil z.T. auch Kreisjugendämter für kreisangehörige Gemeinden geantwortet haben. 16 Das n schwankt – auch im Folgenden – manchmal geringfügig (in diesem Fall statt der zu erwartenden 202 der gesamten Stichprobe nur 197), weil es vorkommt, dass Befragte auch einmal eine einzelne Frage nicht vollständig beantworten. 17 n = Rücklauf (202), N = 520: Zahl sämtlicher zum Untersuchungszeitraum bekannter Kommunen mit KiJuPa (repräsentativen Formaten) 18 Die Zahlen zu n unterscheiden sich in Tabelle 3 und 4 geringfügig, weil hier unterschiedliche Fragen beantwortet wurden (1b und 2) und die Befragten auch einmal eine Frage nicht beantwortet haben. Deshalb erreicht das n hin und wieder nicht das vollständige n der Stichprobe von 202. So geschieht es gelegentlich auch in den folgenden Kapiteln, dass das n hin und wieder geringfügig schwankt. 18 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Diese positive Haltung gegenüber der Untersuchung hatte sich bereits in Vorgesprächen und im Pretest des Fragebogens mit rund einem Dutzend Betreuungspersonen von KiJuPa gezeigt. Dort wurde schon früh deutlich, dass es bei den Beteiligten ein großes Interesse an der Präsentation, Reflexion und Anerkennung von Kinder- und Jugendparlamenten auf kommunaler Ebene gibt und die Befragung als Chance gesehen wurde, endlich belastbare Daten für die weitere Entwicklung zu erhalten. Angesichts der Datenlage zur Grundgesamtheit soll die Repräsentativität des Samples in einem zweiten Analyseschritt in zwei Dimensionen geprüft werden. (vgl. Tab 2 und Tab. 3) Ein Vergleich der Gemeindegrößen zwischen der Gesamtzahl der Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten (N) einerseits und andererseits den Kommunen, die an der Online-Befragung teilgenommen haben (n), zeigt einige für Kommunalbefragungen charakteristische Abweichungen. Größere Kommunen sind deutlich überrepräsentiert, während sich kleinere Kommunen weniger stark beteiligen, weil es ihnen oft an dem notwendigen hauptamtlichen Personal fehlt, um an Befragungen mitzuwirken. Während sich von den Großstädten und großen Mittelstädten etwa die Hälfte aller bekannten Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten an der Befragung beteiligt haben, sinkt die Zahl bei den kleinen Mittelstädten und Kleinstädten auf rund ein Drittel. Am geringsten fiel der Rück- Tab. 4: Bundesland Bundesland Stichprobe Grundgesamtheit Absolut Prozent Absolut Prozent Baden-Württemberg 39 20 % 101 19 % Bayern 19 10 % 68 13 % Berlin 1 1% 2 0,4 % Brandenburg 8 4% 23 4% Bremen 4 2% 8 2% Hamburg 0 0% 2 0,4 % Hessen 12 6% 36 7% Niedersachsen 21 11 % 38 7% Nordrhein-Westfalen 28 14 % 79 15 % Mecklenburg-Vorpommern 4 2% 12 2% Rheinland-Pfalz 10 5% 32 6% Saarland 1 1% 4 1% Sachsen 10 5% 27 5% Sachsen-Anhalt 7 4% 14 3% Schleswig-Holstein 25 13 % 55 11 % Thüringen 9 5% 19 4% n/N 198 520 Lesebeispiel: I nsgesamt 39 der untersuchten Kinder- und Jugendparlamente liegen in Baden-Württemberg. Das entspricht 20 % der untersuchten Vertretungen. In Baden-Württemberg liegen 101 aller in Deutschland bekannten Kinder- und Jugendparlamente. Das entspricht 19 % aller in Deutschland bekannten Kinder- und Jugendparlamente. Frage 2: „Bundesland“ Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 19 lauf bei den Gemeinden mit unter 5.000 Einwohnerinnen und Einwohnern aus. Immerhin sind alle Gemeindegrößen besetzt. (vgl Tab. 4) Mit Ausnahme des Stadtstaats Hamburg sind alle Bundesländer bei den Rückläufen vertreten. Bei einem durchschnittlichen Anteil von knapp 40 % an der Grundgesamtheit fällt die Zusam- mensetzung sehr befriedigend aus. Niedersachsen (11 % statt 7 %) und Schleswig-Holstein (13 statt 11 %) sind leicht überrepräsentiert, Bayern (10 % statt 13 %) ist leicht unterrepräsentiert. Die Abweichungen sind jedoch nicht so gravierend, dass verallgemeinernde Aussagen, soweit sie überhaupt getroffen werden, nicht möglich wären. 3.3 Die Finanzsituation der Kommunen im Sample Überblick: Fast die Hälfte der Kommunen mit repräsentativen Kinder- und Jugendvertretungen in unserer Befragung verfügt nach Auskunft der Betreuerinnen und Betreuer nicht über einen ausgeglichenen Haushalt. Tab. 5: Aktuelle kommunale Finanzsituation Aktuelle kommunale Finanzsituation n Positiver bzw. ausgeglichener Haushalt Leicht defizitärer Haushalt (negativer Saldo bis 2 % Gesamthaushalt) Defizitärer Haushalt (negativer Saldo über 2 % Gesamthaushalt) Haushaltsnotlage Absolut 96 45 41 9 Prozent 50 % 24 % 21 % 5% 191 Lesebeispiel: 9  6 der befragten Betreuungspersonen geben an, dass die Kommune, in der ihr jeweiliges Kinder- und Jugendparlament verortet ist, einen positiven bzw. ausgeglichenen Haushalt hat. Dies entspricht 50 % aller untersuchten Kommunen. Frage 3: „Einschätzung der aktuellen kommunalen Finanzsituation (Haushalt 2017/18)“ Die Einschätzungen zur kommunalen Finanzsituation machen deutlich, dass Kinder- und Jugendparlamente keine Schönwettererscheinung sind. Immerhin verfügt fast die Hälfte der Kommunen mit repräsentativen Kinder- und Jugendvertretungen in unserer Befragung nach Auskunft der Betreuerinnen und Betreuer nicht über einen ausgeglichenen Haushalt oder einen Haushaltsüberschuss. Damit dürften sie sich in das Gesamtbild der Kommunalfinanzen einfügen. Nach Daten des KfW-Kommunalpanels von 2018 (Difu 2018: 21) erwarteten in der 2. Hälfte 2017 insgesamt 36 % der befragten Kommunen, dass sie keinen ausgeglichenen Haushalt erreichen werden, 17 % davon rechnen sogar mit (weiterer) Kommunalaufsicht. Bei den Kommunen mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern (die in unserem Sample 20 auch stark vertreten sind) sieht die finanzielle Lage noch kritischer aus, denn von ihnen rechneten 2017 rund 55 %, dass sie im kommenden Jahr keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 4. Zentrale Befunde 4.1 Beteiligungslandschaften: Vielfalt der Formen von Kinder- und Jugendbeteiligung Überblick: Kinder-und Jugendparlamente verdrängen oder ersetzen andere Beteiligungsmöglichkeiten nicht. Sie sind vielmehr in der Regel integraler Bestandteil und Pfeiler einer viel breiteren kommunalen Beteiligungslandschaft für junge Menschen. Die Kommunen mit KiJuPa sind nicht nur von der Breite und Anzahl der Formen her, sondern auch in Bezug auf eine Vielfalt von Formen und Handlungsfeldern hoch entwickelt. Wie die Tabelle 6 und die offenen Antworten zeigen, bieten Kommunen mit repräsentativen Beteiligungsformen viele weitere offene, projektorientierte, vereins- und verbandsförmige Beteiligungs- und Engagementformen für junge Menschen an. Repräsentative Formate ersetzen oder verdrängen solche Beteiligungsmöglichkeiten nicht, sondern sind Bestandteil einer breiteren kommunalen Beteiligungslandschaft für junge Menschen. Dabei ist die Verbreitung und Bedeutung dieser anderen Formate unterschiedlich. Einzelveranstaltungen, Konsultationen zu kommunalen Vorhaben, politische Jugendorganisationen, Einzelaktionen, Projekte, sowie Kinder- und Jugendverbände haben die stärkste Verbreitung. Eine separate Auswertung zur Bedeutung, die den einzelnen Formen zugeschrieben wird, ergibt, dass ihnen auch die größte Bedeutung zugeschrieben wird. In der Bedeutungszuweisung schneiden die repräsentativen Formate ebenfalls gut ab. Im Kontrast zu vielen öffentlichen Debatten spielt E-Partizipation 2018 keine prominente Rolle im kommunalen Beteiligungsgeschehen für junge Menschen. Nur 16 % der Kommunen verfügen über solche Formate der Partizipation von Kindern und Jugendlichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass soziale Medien nicht intensiv im Bereich der Kommunikation und Öffentlich- keitsarbeit der Kinder- und Jugendvertretungen genutzt würde. Bei den repräsentativen Formaten überwiegen in den Kommunen mit etwa 35 % reine Jugendparlamente, gefolgt von Kinder- und Jugendparlamenten mit etwa 22 %. Reine Kinderparlamente gibt es nur in 6 % der Kommunen. Schülerparlamente sowie Stadtschülerräte und Stadtschülervertretungen gibt es in 12 % bzw. 32 % der Kommunen19. Offene Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung erfreuen sich auch in Kommunen mit repräsentativen Formaten großer Beliebtheit. 54 % der befragten Kommunen verweisen auf Einzelveranstaltungen (Zukunftswerkstatt, Planungszelle, Open Space, World Café usw.). Ähnlich verbreitet sind Konsultationen bei kommunalen Vorhaben (Freizeit, Spiel, Verkehr, Stadtentwicklung usw.). Zwei Drittel der Kommunen bieten punktuelle Einzelaktionen (Stadtteilerkundungen, Modellbauaktionen etc.) und Arbeitsgruppen an. Rund 28 % bzw. 27 % der Kommunen bieten Kinder- und Jugendforen bzw. Jugendeinwohnerversammlungen (und Kinder- und Jugendkonferenzen) an. Diese Prozentzahlen sprechen dafür, dass Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten vermutlich deutlich mehr offene Formate anbieten als beteiligungsorientierte Vergleichskommunen20. 19 In Bundesländern wie Sachsen-Anhalt ist die Bildung von Stadtschülerräten ab einer bestimmten Gemeindegröße verpflichtend. 20 Die DJI-Studie (Bruner u.a. 1999: 30) weist bei den beteiligungsorientierten Kommunen für offene Formen einen Anteil von 35 % aus. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 21 Tab. 6: Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung in den Kommunen mit KiJuPa (Verbreitung und Bedeutung) Beteiligungsform Verbreitung (in %) Einzelveranstaltungen (Zukunftswerkstatt, Planungszelle, Open Space, World Café usw.) 54 % Jugendorganisationen der politischen Parteien 53 % Konsultationen bei kommunalen Vorhaben (Freizeit, Spiel, Verkehr, Stadtentwicklung usw.) 53 % Kinder- und Jugendverbände 49 % Einzelaktionen (z.B. Stadteilerkundung, Modellbau) 42 % Projekte, Projektemessen 41 % Arbeitsgruppen 40 % Jugendparlament 35 % Stadtschülerrat/-vertretung 32 % Jugendbeirat 28 % Kinder- und Jugendforum 28 % Offene Formen (Jugend-Einwohnerversammlung, Kinder- und Jugendkonferenz usw.) 27 % Kinder- und Jugendparlament 22 % Beteiligung an der Stadtteilkonferenz 21 % Bürgerhaushalte, Schülerhaushalte, Projektbudgets usw. 20 % Mitarbeit in Ortsbeiräten 17 % E-Partizipation 16 % Kinder- und Jugendbeirat 14 % Kinder- und Jugendsprechstunde (Hauptverwaltungsbeamter) 14 % Schüler/innenparlament 12 % Kinder- und Jugendbürgermeister/in (auch Kinder- und Jugendsprecher usw.) 9% Kinderparlament 6% Kinderbeirat 3% Junior-Kinderbeirat 3% Weitere Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung 25 % Lesebeispiel: I n 54 % der Kommunen gibt es Einzelveranstaltungen als Beteiligungsformat, in 28 % Kinder und Jugendforen. Frage 8.a: „Welche Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung gibt es in Ihrer Kommune…?“ und Frage 8.b: „Weitere Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung“ Mehrfachnennungen; n = 19821 21 41 % der Kommunen verweisen auf Projekte und Projektemessen. Da der Begriff „Projekt“ nicht geschützt ist, dürften auch einige der genannten offenen Formate projektorientiert arbeiten. 21 22 Hinzu kommen Bürgerhaushalte, Projektbudgets und Schülerhaushalte, die überwiegend Projekte demokratisch auswählen und finanzieren. Berechnung bezogen auf n = 198. Die fehlenden Prozentwerte enthalten die Antworten „nicht vorhanden“ plus diejenigen, die keine Angaben gemacht haben. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Aus der Sicht der befragten Betreuerinnen und Betreuer kommt in der kommunalen Beteiligungslandschaft von Kindern und Jugendlichen der verbandlichen Interessenvertretung ein erhebliches Gewicht zu, was in der allgemeinen Beteiligungsdebatte häufig vernachlässigt wird (so z.B. in der Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) von 1998). Jugendorganisationen der politischen Par- teien gibt es nach Aussagen der Befragten in 53 % der Kommunen, in 49 % der Gemeinden existieren Kinder- und Jugendverbände. Kinder und Jugendliche beteiligen sich nicht nur an altersspezifischen Partizipationsangeboten. Stadtteilkonferenzen, Bürgerhaushalte oder die Mitarbeit in Ortsbeiräten stehen in rund 20 % der Kommunen jungen Menschen offen. Zusätzliche Formen der stellvertretenden Wahrnehmung von Kinder- und Jugendinteressen durch Erwachsene Überblick: Kinder- und Jugendparlamente sind meistens nicht die einzige Form der Interessenvertretung. Sie werden häufig kombiniert mit stellvertretenden und anwaltschaftlichen Interessenvertretungen durch Erwachsene, Initiativen und Organisationen. Tab. 7: Formen der stellvertretenden Wahrnehmung von Kinder- und Jugendinteressen durch Erwachsene Vertretungsform Verbreitung (in %) Ehrenamtlich tätige Erwachsene 54 % Kinder- und Jugendbeauftragte/r (hauptamtlich tätig) 50 % Kinder- und Jugendbüro 33 % Patenschaften für Kinder- und Jugendprojekte 26 % Sonstige Beschwerdestellen für Kinder und Jugendliche 24 % Ombudsstelle der Kinder- und Jugendhilfe 5% Kinder- und Jugendkommission 4% Kinder- und Jugendanwältin/-anwalt 4% Sonstige 29 % Lesebeispiel: I n 54 % der Kommunen gibt es ehrenamtlich tätige Erwachsene, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen vertreten. Frage 9.a: „ Welche Formen der Vertretung von Kinder- und Jugendinteressen durch Erwachsene gibt es in Ihrer Kommune…?“ Mehrfachnennungen; n = 184 Zahlreiche Kommunen verfügen also auch noch über eine anwaltliche Interessenvertretung durch Erwachsene, Initiativen und Organisationen. Die stärkste Verbreitung haben ehrenamtlich tätige Erwachsene, die in 54 % der Kommunen genannt werden. Stark verbreitet sind auch hauptamtliche Kinder- und Jugendbeauftragte, die in 50 % der Kommunen eingerichtet wurden. In 33 % der Kommunen gibt es Kinder- und Jugendbüros, in 26 bzw. 24 % Patenschaften und Beschwerde- stellen. Deutlich weniger verbreitet sind dagegen Ombudsstellen, Kinder- und Jugendkommissionen oder Kinder- und Jugendanwälte (4-5 %). Auch diese Befunde illustrieren sehr deutlich den Tatbestand, dass die Kommunen mit repräsentativen Beteiligungsformaten sich nicht allein auf dieses eine Format verlassen, sondern dieses – ganz im Gegenteil – als Teil einer sehr reichhaltigen Beteiligungslandschaft organisieren! Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 23 4.2 Stabile Kinder- und Jugendparlamente Überblick: Kinder- und Jugendparlamente sind in der Regel keine kurzlebigen Veranstaltungen. Sie sind auf Dauer angelegt und haben oft eine lange Tradition und Geschichte. Tab. 8: Alter des Gremiums Gründung n vor mehr als 20 Jahren vor 11 bis 20 Jahren vor 5 bis 10 Jahren vor weniger als 5 Jahren Absolut 45 63 36 53 Prozent 23 % 32 % 18 % 27 % 197 Lesebeispiel: 4  5 der untersuchten Kinder- und Jugendgremien wurden vor mehr als 20 Jahren gegründet, das entspricht 23 % der Gremien. Frage 11: „Wann wurde das durch Sie betreute Gremium gegründet?“ Kinder- und Jugendparlamente sind heute überwiegend keine kurzlebige Veranstaltung. Ein knappes Viertel von ihnen wurde vor mehr als 20 Jahren gegründet, vor 11 bis 20 Jahren wurde rund ein Drittel gegründet. Damit sind mehr als die Hälfte (55 %) der Kinder- und Jugendparla-mente älter als zehn Jahre. Immerhin ist auch gut ein Viertel der Kinder- und Jugendparlamente weniger als fünf Jahre alt. Damit ergibt sich ein deutlich anderes Bild als noch vor 20 Jahren. Damals existierten 78 % aller repräsentativen Formen höchstens seit vier Jahren (Bruner u.a. 1999: 35). Offensichtlich ist es in der Zwischenzeit gelungen, eine beachtliche Zahl der 22 24 Kinder- und Jugendparlamente zu stabilisieren. Wenn deutlich mehr als die Hälfte aller aktuellen Vertretungen älter als zehn Jahre ist, spricht dies für die Möglichkeit, das Bestehen solcher Vertretungsformen über mehrere Kinder- und Jugendgenerationen und auf Dauer sicherzustellen. Damit scheint sich eine Einschätzung einer Zwischenbilanz von 2008 zu bestätigen: „Die Kinder und Jugendlichen legen Wert auf Kontinuität, sie streben langfristige Mitbestimmungsmöglichkeiten an und fordern entsprechend von den Erwachsenen genügend Zeit für die kinder- und jugendgerechte Erarbeitung von Lösungen“ (Hafeneger/ Niebling 2008: 130).22 Ob sich die jungen, neu gegründeten KiJuPa stabilisieren werden, lässt sich in einer Befragung, die an einem einzigen Zeitpunkt stattfindet, nicht beantworten. Auch über die „Sterberate“ dieses Beteiligungsformats sind keine Aussagen möglich, da sich die Befragung ausschließlich an Kommunen mit einem aktiven KiJuPa gerichtet hat. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 4.3 Initiativen und Akteure bei der Gründung Überblick: Die Gründung von Kinder- und Jugendparlamenten geht häufig auf eine Erwachseneninitiative zurück. Tab. 9: Gründungsinitiative Die Initiative lag bei… Verbreitungsgrad (in %) Verwaltungsspitze/Bürgermeister/in 39 % politischen Parteien 36 % pädagogischen Fachkräften 35 % dem Rat 28 % lokalen Jugendgruppen 25 % engagierten Einzelpersonen aus der Zivilgesellschaft 16 % Stadtjugendring 14 % zivilgesellschaftlichen Organisationen (z.B. Kinderrechtsgruppen) 2% Sonstigen 10 % Lesebeispiel: I n 39 % der Fälle ging die Initiative zur Gründung der Vertretung von der Verwaltungsspitze/dem/der Bürgermeister*in aus. Frage 12.a: „Wer hatte die Initiative zur Gründung der Vertretung?“ und Frage 12.b: „Sonstige:“ Mehrfachnennungen; n = 200 Die Gründungsinitiative für lokale Kinder- und Jugendparlamente geht – wenn wir auf die Zahlen schauen – überwiegend von der politischen Spitze, den politischen Parteien und dem Rat aus, also von den institutionellen politisch-administrativen Akteuren. Auch pädagogische Fachkräfte werden prominent von einem guten Drittel der Kommunen als Initiatoren gesehen. Zivilgesellschaftliche Akteure, wie lokale Jugendgruppen oder engagierte Einzelne, der Stadtjugendring oder Kinderrechtsgruppen werden deutlich weniger genannt, können aber auch eine Rolle als Impulsgeber spielen. Aus der Perspektive der wissenschaftlichen Beteiligungsdebatte handelt es sich bei den repräsentativen Formaten von Kindern und Jugendlichen auf lokaler Ebene mit deutlicher Mehrheit um „invited spaces“, d.h. jungen Men- 23 schen wird von der lokalen Politik und Verwaltung ein partizipativer Ort angeboten. In höchstens einem Viertel der Fälle kommt die Initiative „von unten“, d.h. von lokalen Jugendgruppen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, die Kinder- und Jugendparlamente zu einem „invented space“ machen, d.h. einem Ort, den sie erfunden und erstritten haben23. Der bereits beschriebene hohe Grad an Institutionalisierung repräsentativer Formen durch Satzungen etc. scheint nach diesen Aussagen der Betreuerinnen und Betreuer weniger ein Ergebnis von „Kämpfen“ um Beteiligung zu sein, sondern Ausdruck eines „von oben“ zugestandenen, institutionell gesicherten und eingehegten Beteiligungsortes. Zu dieser Unterscheidung vgl. Kersting 2008, 11 ff; 107 ff Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 25 4.4 Anzahl der Mitglieder und Wahlen Überblick: Die Anzahl der gewählten oder delegierten Mitglieder von kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten liegt überwiegend bei 10 bis 20 Personen. Tab. 10: Aktuelle Anzahl gewählter oder delegierter Mitglieder in den KiJuPa Anzahl der gewählten oder delegierten Mitglieder n Keine gewählten oder delegierten Mitglieder 1 bis 10 11 bis 20 21 bis 30 31 bis 40 41 bis 50 51 bis 100 über 100 10 % 27 % 43 % 10 % 3% 2% 3% 2% 194 Lesebeispiel: 4  3 % aller Kinder- und Jugendgremien in Deutschland haben eine Mitgliederzahl von 11 bis 20 gemeldet. Frage 13: „Wie viele gewählte oder delegierte Mitglieder hat das Vertretungsorgan aktuell?“ Die Gesamtzahl der gewählten oder delegierten Mitglieder von kommunalen Kinder- und Jugendvertretungen liegt im Durchschnitt bei 11 bis 20 Personen (43 %). Auffällig sind die große Zahl kleinerer Gremien (27 %) und die erhebliche Streuung bei den größeren Vertretungsorganen. Immerhin liegt in rund 10 % der befragten Kom- munen die Zahl der gewählten und delegierten Mitglieder über 30. Entscheidender Faktor dürfte dabei die Gemeindegröße sein. Mehr als 100 Mitglieder weisen z.B. die Kinder- und Jugendparlamente in zwei Berliner Bezirken mit jeweils mehr als 300.000 Einwohnern auf. Zugänge: Wie wird man Mitglied? Überblick: Wahlen spielen beim Zugang zu Kinder- und Jugendparlamenten eine zentrale Rolle. Die meisten der Gremien nutzen – zumindest anteilig – diesen Modus. Bemerkenswert ist der Anteil von Kinder- und Jugendgremien, deren Mitglieder weder delegiert noch gewählt worden sind, sondern durch Eigeninitiative und Selbstbenennung (41 %) ins Gremium gelangen. Dies verweist auf eine Praxis, Kinder- und Jugendvertretungen als offene Foren für Interessierte zu organisieren: Mitmachen kann, wer will und sich engagiert. Diese Form der Selbstrekrutierung dürfte, wie sich in Vorgesprächen gezeigt hat, vor allem in kleineren Kommunen eine Rolle spielen. Im strikten Sinne handelt es nicht mehr um repräsentative Formen, wenn sich die Mitglieder solcher Gremien selbst rekrutieren. (vgl Tab. 11) 26 Manchmal werden bei freien Sitzen sogenannte assoziierte Mitglieder nach dreimonatiger aktiver Mitarbeit durch das amtierende Parlament ernannt. Häufig – insbesondere bei Kinderparlamenten und Foren – kann sich jedermann vollkommen freiwillig und ohne Wahl engagieren. Das gilt insbesondere für die Konstituierung von JugendArbeitsgruppen. Gelegentlich heißt es in den offenen Antworten auch, dass die Mitgliedschaft „durch kontinuierliches Engagement“ erworben wird. Es gibt auch den Sonderfall, dass bei stadtweiten Wahlen in einigen Stadtbezirken mangels Kandidaten keine Jugendratswahl stattfinden kann. Dann können sich die Jugendlichen ersatzweise in einer Projektgruppe engagieren. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Tab. 11: Zugänge: Wie wird man Mitglied? Form Als Zugang Vorhanden Nicht als Zugang Vorhanden Auf Eigeninitiative der Kinder bzw. Jugendlichen 41 % 59 % Urwahl bei der letzten Wahl mit geringer Wahlbeteiligung (unter 30 %) 29 % 71 % Wahlen in Schulen bei der letzten Wahl mit hoher Wahlbeteiligung (über 50 %) 26 % 74 % Urwahl bei der letzten Wahl mit hoher Wahlbeteiligung (über 30 %) 24 % 76 % Wahlen in Schulen bei der letzten Wahl mit geringer Wahlbeteiligung (unter 50 %) 21 % 79 % Delegation durch Schulen 19 % 81 % Delegation durch Kinder- und Jugendeinrichtungen 18 % 82 % Ernennung/Berufung, z.B. durch den Rat, durch Parteien 17 % 83 % Delegation durch Vereine 15 % 85 % Delegation durch Kinder- und Jugendverbände, Jugendringe usw. 12 % 88 % Delegation durch Initiativen 11 % 89 % Lesebeispiel: I n 41 % der Kommunen werden Kinder und Jugendliche auf Grund ihrer Eigeninitiative Mitglieder des Vertretungsorgans. Frage 11: „Wie werden Kinder und Jugendliche Mitglieder des Vertretungsorgans?“ Mehrfachnennungen; n = 185 Die Zugänge zu den repräsentativen Formen sind also vielfältig, wobei der Eigeninitiative der Kinder und Jugendlichen24 eine erstaunlich große Bedeutung zukommt, wenn mehr als ein Drittel der Befragten diese Option hervorheben. Dies spricht gegen die naheliegende Vermutung, dass nicht nur die Initiierung und Institutionalisierung, sondern auch die Teilnahme handverlesen „top down“ geregelt sei. Wie bei repräsentativen Gremien üblich, kommt Wahlen – seien es nun Urwahlen oder Wahlen in Schulen – eine zentrale Rolle zu, wenn es um den Zugang zu diesen Gremien geht. Aggregiert nutzen die meisten der Gremien diesen Modus. Entgegen verbreiteter Annahmen scheint es sowohl bei Urwahlen wie bei Wahlen in Schulen möglich, eine hohe Wahlbeteiligung von über 30 % bzw. 50 % zu erzielen25 – offensichtlich gelingt dies in Schulen leichter. Die Delegation durch Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Vereine, Jugendverbände und Initiativen dürfte insgesamt an zweiter Stelle stehen, wenn es um die Besetzung der Gremien geht. Die Ernennung bzw. Berufung durch den Rat oder Ratsparteien wird nur bei 17 % der Gremien genutzt. Dies unterstreicht noch einmal den Umstand, dass die repräsentativen Formate schon in der Auswahl der Mitglieder überwiegend keine durch Rat und Verwaltung dominierte Veranstaltungen sind. Angesichts der zahlreichen Mehrfachnennung ist davon auszugehen, dass zahlreiche Kommunen verschiedene Wege ins Parlament anbieten. 24 Diese Kategorie darf nicht verwechselt werden mit der Kategorie „Keine gewählten oder delegierten Mitglieder“ in Tab. 10, denn die Eigeninitiative der Kinder und Jugendlichen kann ja auch darin bestehen, dass sie sich bewerben, selber vorschlagen, um Delegation bemühen usw. Bei den Einzelkategorien der Tabelle 11 handelt es sich ja auch um Mehrfachnennungen, sodass Überschneidungen möglich sind. 25 In einer Auswertung für das Hessische Sozialministerium wird 2003 die Möglichkeit beteiligungsstarker Urwahlen nicht gesehen: „Die Wahlbeteiligung ist abhängig vom Wahlmodus. Erfolgt eine Urwahl in der Kommune, so beteiligen sich mit etwa 10 bis 20 % deutlich weniger Kinder und Jugendliche als an Wahlen, die an Schulen organisiert werden und die zum Teil eine Beteiligung von mehr als 80 % haben“ (Hessisches Sozialministerium 2003: 56, 67). Wie Urwahlen zu organisieren sind, um eine breite Beteiligung zu sichern, gehört sicherlich zu den spannenden demokratiepolitischen Fragen dieses Formats. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 27 Überblick: Bei 70 % der Kinder- und Jugendparlamente gibt es eine Wahlperiode von zwei Jahren. Tab. 12: Wahlperiode Zeitraum n ein Jahr zwei Jahre mehr als zwei Jahre Absolut 18 122 34 Prozent 10 % 70 % 20 % 174 Lesebeispiel: In 18 Kommunen werden die Mitglieder des Vertretungsorgans auf ein Jahr gewählt/delegiert. Dies entspricht 10 % der Kommunen. Frage 15.a: „Die Mitglieder des Vertretungsorgans werden für folgenden Zeitraum gewählt/delegiert?“ Mit Blick auf die Wahlperiode dominiert mit 70 % ein Zeitraum von zwei Jahren, aber es gibt auch kürzere (rund 10 %) und längere Arbeitsperioden (knapp 20 %), wobei längere Wahlperioden doppelt so häufig sind wie kürzere. 4.5 W  ie schätzen die Betreuerinnen und Betreuer die Zusammensetzung ihrer Kinder- und Jugendparlamente ein? Überblick: Kinder- und Jugendvertretungen repräsentieren heute offenbar in den Dimensionen Alter, Geschlecht, Bildung, soziale Zusammensetzung usw. weit stärker den Querschnitt der jungen Bevölkerung, als dies noch vor Jahren der Fall war. Aber die Vertretung verschiedener benachteiligter Gruppen von jungen Menschen ist immer noch unzulänglich. Wir haben – in explorativer Absicht – die Betreuungspersonen um eine grobe Einschätzung der sozialen Zusammensetzung ihrer Kinder- und Jugendparlamente gebeten. Dabei handelt es sich nicht um eine strenge sozialstatistische Auszählung von Teilnehmerlisten, sondern um eine Einschätzung. Exakte Zahlen müssten in einer vertiefenden Untersuchung separat erhoben werden. Dennoch sind die Einschätzungen der Betreuerinnen und Betreuer wertvoll – zumal sie sich mit den Ergebnissen der Befragung der Kinder und Jugendlichen (Interview-Studie) und den exemplarisch durchgeführten lokalen Fallstudien (Dokumentenanalysen, teilnehmenden Beobachtungen) decken. (vgl Tab. 13) 28 Überraschend ist die nach Meinung der Betreuungspersonen weitgehend gendergerechte Zusammensetzung der repräsentativen Beteiligungsformate. Knapp 70 % der Befragten berichten von einer ausgewogenen Verteilung nach Geschlecht. Überwiegend oder gar ausschließlich männlich dominiert sind knapp 20 % der Gremien, 10 % sind überwiegend oder ausschließlich weiblich. Die DJI-Studie von 1998 konstatiert dagegen, dass damals in repräsentativen Formen der männliche Anteil in mehr als der Hälfte der Fälle (52 %) überwog (Bruner u.a. 1999: 45). In einer 1996 veröffentlichten Untersuchung von 17 Jugendgemeinderäten in Baden-Württemberg waren Mädchen sogar in 64 % der Projekte in der Minderheit. Durchschnittlich kamen 10 Mädchen Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. auf 16 Jungen (vgl. Hermann 1996: 172). Hier hat sich also unter dem Gesichtspunkt der Gendergerechtigkeit eine positive Entwicklung vollzogen. Das oft kolportierte Bild männlich dominierter Jugendvertretungen scheint in dieser allgemeinen Form nicht mehr zuzutreffen. (vgl. Tab. 14) Im Einklang mit den noch folgenden Aussagen zur schulischen und beruflichen Situation steht der Befund, dass eine – wenn auch knappe – Mehrheit der Vertretungsgremien mit Blick auf deren soziale Zusammensetzung der jungen Bevölkerung vor Ort als repräsentativ eingeschätzt wird. Dies ist ein bemerkenswert guter Wert für repräsentative Formate, die in der Regel besondere Kompetenzen, einen erhöhten Zeitaufwand Tab. 13: Zusammensetzung der Vertretung nach Geschlecht Zusammensetzung n ausschließlich weiblich überwiegend weiblich ausgewogen überwiegend männlich ausschließlich männlich 1% 10 % 70 % 18 % 2% 192 Lesebeispiel: 7  0 % aller Vertretungen sind nach Einschätzung der Betreuungspersonen in Bezug auf das Geschlecht ausgewogen zusammengesetzt. Frage 17: „Wie sieht die aktuelle Zusammensetzung nach Geschlecht aus?“ Tab. 14: Spiegelt die aktuelle Zusammensetzung der Kinder- und Jugendvertretung nach sozialen Milieus und Herkunft die Zusammensetzung der jungen Bevölkerung vor Ort wieder? Einschätzung n Ja Nein 55 % 45 % 189 Lesebeispiel: I n 45 % der Fälle spiegelt nach Einschätzung der Betreuungspersonen die aktuelle Zusammensetzung der Kinder- und Jugendvertretungen nach sozialen Milieus und Herkunft die Zusammensetzung der jungen Bevölkerung vor Ort nicht wieder. Frage 19.a: „Wie sehen Sie die aktuelle Zusammensetzung der Kinder- und Jugendvertretung nach sozialen Milieus und Herkunft – spiegelt sie die Zusammensetzung der jungen Bevölkerung vor Ort wieder?“ Tab. 15: Zusammensetzung der Kinder- und Jugendvertretung nach sozialen Milieus und Herkunft Soziales Milieu und Herkunft Anteil (Grad der Vertretung) n gar nicht vertreten weniger stark vertreten proportional vertreten überrepräsentiert mit Migrationshintergrund 27 % 39 % 30 % 4% 191 aus benachteiligten Sozialräumen 23 % 51 % 25 % 1% 189 aus bildungsfernen Schichten 33 % 46 % 21 % 0% 190 mit Beeinträchtigungen/Behinderungen 60 % 34 % 6% 0% 189 Lesebeispiel: I n 27 % der Kinder- und Jugendvertretungen sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund gar nicht vertreten, in 39 % weniger stark vertreten, in 30 % proportional vertreten und in 4 % überrepräsentiert. Frage 19.b: „Wie sehen Sie die Zusammensetzung der Kinder- und Jugendvertretung nach sozialen Milieus und Herkunft?“ Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 29 und damit größere Abkömmlichkeit verlangen. Gleichzeitig erfordern sie breitere Kompetenzen und vielfältigere Interessen, als dies bei offenen und projektorientierten Beteiligungsformaten der Fall ist. Deshalb sind alle Formen repräsentativer Interessenvertretungen – selbst bei freien und gleichen Wahlen – mit Formen politischer Ungleichheit verbunden. Gemessen an den Ungleichheiten in der Dimension der deskriptiven (d.h. sozial proportionalen) Repräsentation, wie sie Parlamente von Erwachsenen aufweisen (vgl. Schäfer 2015; Schlozman u.a. 2012), schneiden repräsentative Formate von Kindern und Jugendlichen nach dieser Datenlage besser ab. (vgl. Tab. 15) Die ungleiche Vertretung verschiedener benachteiligter Gruppen von jungen Menschen ist – nach Einschätzung der Betreuungspersonen – noch immer ausgeprägt. Von einer proportionalen Vertretung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund berichten rund 30 % der Befragten, aus benachteiligten Sozialräumen 25 %, aus bildungsfernen Schichten 21 %, bei jungen Menschen mit Behinderungen lediglich 6 %. Immerhin deutet sich ein positiver Trend zumindest für junge Menschen mit Migrationshintergrund an. Die DJI-Studie von 1998 berichtete, dass in fast der Hälfte der repräsen- tativen Modelle keine Kinder und Jugendliche mit Migrationsgeschichte anzutreffen waren. Dieser Anteil liegt in der aktuellen Untersuchung bei etwas mehr als einem Viertel. Hier liegen politische Gestaltungsaufgaben im Sinne der Förderung und Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe. Auch wenn dieses Ideal nur in Annäherungen und mit Empowerment erreicht werden kann, ist es gerade für Kinder und Jugendliche wichtig, dass sie bereits zu Beginn ihrer Engagementbiografie gleichberechtigte Erfahrungen in einer anspruchsvollen Form der politischen Beteiligung machen können. Interessant sind die Einschätzungen der Betreuungspersonen, wenn man sie bittet, etwas differenzierter eine Alterseinstufung ihrer KiJuPaMitglieder oder eine genauere Zuordnung zu den Schulformen vorzunehmen. Hier wird zwar eine ähnliche Tendenz wie bei den vorangegangenen Einschätzungen sichtbar, es fällt aber auf, dass relativ hohe Anteile von Betreuungspersonen zu einigen Punkten keine Angaben machen konnten (z.T. 20 oder 30 %).26 (vgl Tab. 16) In den Kinder- und Jugendparlamenten werden nach Einschätzung der Betreuerinnen und Betreuer die 16- bis 18-Jährigen als stärkste Gruppe hervorgehoben. Sie überwiegen in einem Tab. 16: Zusammensetzung der Vertretung nach Alter Altersgruppen Anteil (Grad der Vertretung) nicht vertreten wenige anteilig überwiegend keine Angabe unter 10 Jahren 59 % 5% 3% 1% 32 % 10 bis 11 Jahre 52 % 10 % 9% 3% 27 % 12 bis 13 Jahre 27 % 29 % 20 % 7% 17 % 14 bis 15 Jahre 5% 21 % 48 % 20 % 6% 16 bis 18 Jahre 1% 12 % 51 % 32 % 4% über 18 Jahre 13 % 31 % 28 % 13 % 16 % Lesebeispiel: I n 20 % der Kinder- und Jugendvertretungen sind 14- bis 15-Jährige überwiegend vertreten, in 48 % anteilig vertreten, in 21 % wenig vertreten und zu 5 % nicht vertreten. 6 % der Befragten machten keine Angabe zu dieser Teilfrage. Frage 16: „Welches Alter haben die Mitglieder der Vertretung zurzeit?“ n = 192 26 30 Das ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass etliche Betreuungspersonen nur sehr wenige Stundenanteile für die Betreuung der Kinder- und Jugendparlamente zur Verfügung und somit wenig Zeit für aufwendigere sozialstatistische Datenerhebungen haben. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Drittel der repräsentativen Formate und sind in etwas mehr als der Hälfte anteilig vertreten. An zweiter Stelle rangieren die 14- bis 15-Jährigen. Sie sind in gut der Hälfte der Kinder- und Jugendvertretungen anteilig vertreten und dominieren in 20 % der Kinder- und Jugendparlamente. Es folgen die über 18-Jährigen, die in 13 % der Vertretungen überwiegen und in 28 % anteilig präsent sind. Eine starke Gruppe bilden noch die 12- bis 13-Jährigen, die in 20 % der Vertretungen anteilig präsent sind und in 7 % sogar überwiegen. Jüngere unter 12 Jahren sind deutlich unterrepräsentiert oder gar nicht vertreten. 12-Jährigen und unter 10-Jährigen. Sie werden in der Praxis der Kinder- und Jugendparlamente offenbar nur in kleiner Zahl erreicht. In 52 % bzw. 59 % der Vertretungen sind sie gar nicht anzutreffen. Die repräsentative DJI-Studie von 1998 verweist auf eine ähnliche Altersverteilung. Vorschulkinder (unter 6-Jährige) werden demnach fast ausschließlich mit projektorientierten Formaten angesprochen, bei den 6- bis 9-Jährigen kommt noch ein kleinerer Anteil offener Formate hinzu. Erst bei den über 10-Jährigen erreichen nach dieser Studie repräsentative Formate überhaupt einen nennenswerten Anteil (Bruner u.a. 1999: 43). (vgl. Tab. 17) Aus soziologischer Perspektive handelt es sich bei den Kinder- und Jugendparlamenten weit überwiegend um Jugendvertretungen, während es sich aus kinderrechtlicher Sicht (für die UNKinderrechtskonvention sind alle Menschen unter 18 Jahren „Kinder“) vor allem um Kindervertretungen handelt, da die unter 18-Jährigen weit stärker vertreten sind. In etwa der Hälfte der Kinder- und Jugendparlamente sind über 18-Jährige gar nicht oder kaum vertreten. Auffällig ist das Repräsentationsdefizit bei den unter Mit Blick auf die Einbindung von jungen Menschen in Schule, Ausbildung und Beruf ergibt sich insgesamt ein deutliches Übergewicht von Schülerinnen und Schülern. Dies kann angesichts des anhaltenden Trends in Richtung höherer Bildung und mit Blick auf die dominante Altersstruktur (14- bis 18-Jährige) nicht verwundern. Letzteres dürfte auch den vergleichsweise geringen Anteil von Grundschülern erklären, die in 70 % der Tab. 17: Zusammensetzung der Vertretung nach schulischem Kontext und Ausbildungsstatus Schulischer Kontext und Ausbildungsstatus Anteil (Grad der Vertretung) nicht vertreten wenige anteilig überwiegend ausschließlich keine Angabe 2% 10 % 48 % 34 % 2% 4% Haupt- und Realschule, Oberschule 7% 19 % 52 % 13 % 1% 8% Ausbildung/Lehre 30 % 32 % 20 % 2% 1% 15 % Gesamtschule 38 % 8% 28 % 6% 1% 19 % Fachschule 44 % 19 % 14 % 0% 1% 23 % Studium 49 % 18 % 12 % 2% 1% 19 % Förderschule 55 % 15 % 10 % 0% 1% 20 % Arbeit/Beruf 54 % 16 % 6% 1% 1% 21 % Freiwilligendienst 61 % 10 % 4% 1% 1% 24 % Grundschule 70 % 3% 8% 2% 1% 17 % Gymnasium, Fachoberschule Lesebeispiel: I n 38 % der Kinder- und Jugendvertretungen sind Mitglieder, die eine Gesamtschule besuchen, nicht vertreten, in 8 % wenig vertreten, in 28 % anteilig vertreten, in 6 % überwiegend vertreten und in 1 % ausschließlich vertreten. 19 % der Befragten machten keine Angabe zu dieser Teilfrage. Frage 18: „Wie sieht die aktuelle Zusammensetzung nach schulischem Kontext und Ausbildungsstatus aus?“ n = 191 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 31 Kinder- und Jugendparlamente nicht vertreten sind. Der Anteil von Förderschülerinnen und -schülern ist zwar gering, aber sie sind in 26 % der Kinder- und Jugendparlamente vertreten, in rund 10 % der Gremien sogar anteilig. Jugendliche in Ausbildung und Lehre bzw. Arbeit und Beruf sind deutlich weniger in Kinder- und Jugendvertretungen präsent. Immerhin sind Jugendliche in Ausbildung und Lehre in 55 % der Gremien vertreten, in 20 % sogar anteilig. Jugendliche, die bereits in Arbeit und Beruf sind, wirken in 24 % der Vertretungen mit, in 6 % anteilig. Allerdings bestätigen die Daten auch die für die meisten anderen Formen der Beteiligung beobachtete Bildungsabhängigkeit, wenn z.B. Jugendliche, die Gymnasien oder Fachoberschulen besuchen, in deutlich über 30 % der Gremien überwiegen oder sogar ausschließlich vertreten sind27. Diese Daten belegen eine noch immer gegebene Privilegierung dieser Gruppe, aber sie widersprechen gleichzeitig dem verbreiteten Vorurteil, Kinder- und Jugendvertretungen seien ausschließlich eine Sache von Gymnasiasten28. Kinder- und Jugendvertretungen repräsentieren heute in den Dimensionen Bildung, Berufsbildung und Beschäftigung weit stärker den Querschnitt der jungen Bevölkerung, als dies noch vor Jahren der Fall war. Dies hat auch mit der wachsenden Bildungsbeteiligung der nachwachsenden Generation zu tun. 4.6 S  trukturelle Verankerung und Rechte der Kinder- und Jugendvertretungen Überblick: Die Mehrzahl der Kinder- und Jugendparlamente ist strukturell verankert und institutionell und rechtlich mit der Ratsarbeit verknüpft. Die meisten Gremien verfügen über ausgewiesene Rechte (z.B. Rede- und Antragsrechte) auf unterschiedlichen Ebenen. Wie bei repräsentativen Formaten eigentlich zu erwarten, sind Kinder- und Jugendparlamente weit überwiegend (rund 95 %) und oft auch in mehreren Kontexten institutionell verankert. (vgl. Tab. 18) Nur in 5 % der Kommunen gibt es keine besondere institutionelle Verankerung. Dabei gehen die Kommunen bei der institutionellen Ausgestaltung unterschiedliche Wege. Zur schwächsten Variante („Dienstanweisung“) greifen lediglich 7 % der Kommunen. Vielmehr dominieren die in ihrer Verbindlichkeit bei wechselnden politischen Mehrheiten leicht zu revidierenden Varianten des Ratsbeschlusses bzw. des Beschlusses eines Fachausschusses (zusammen 85 %). Auch stärkere Formen der kommunalen Verankerung sind populär. So berichten 17 % der Befragten von einer Verankerung der repräsentativen Beteiligung in der Hauptsatzung der Gemeinde, rund 28 % verfügen über eine Leitlinie bzw. strategische Konzeption für die Kinder- 27 Bei der Interpretation dieser Daten sind jedoch allgemeine Trends in Richtung höherer Bildung zu berücksichtigen. Von den Absolventinnen und Absolventen aus allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland verfügten 2016 bereits 41 % über eine allgemeine Hochschulreife und 11 % über eine Fachhochschulreife, 54 % hatten einen mittleren Schulabschluss erreicht und der Anteil der jungen Menschen mit bzw. ohne Hauptschulabschluss betrug lediglich 21 % bzw. 6 %. „Zwischen 2006 und 2016 stieg der Anteil der Jugendlichen mit mittlerem Abschluss von 46 auf 54 % und derjenigen mit Abitur von 30 auf 41 %“ (Autorengruppe 2018:120). Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Schüler mit Hauptschulabschluss von 27 auf 21 % zurückgegangen (ebd.). 28 Im Anschluss an die Studie von Hermann, der Mitglieder und Nichtmitglieder von Kinder- und Jugendparlamenten befragt hat, kommen Hafeneger und Niebling noch zu dem Ergebnis: „Kinder- und Jugendparlamente bieten insgesamt nur einem kleinen Kreis von gewählten Kindern und Jugendlichen Gelegenheit aktiv mitzuarbeiten. In ihrer Zusammensetzung unterscheiden sie sich vom gesellschaftlichen Querschnitt der jungen Generation; Parlamente sind eine mittelschichtorientierte und eher männlich dominierte Beteiligungsform, die mehr ältere Altersgruppen und vor allem Jugendliche anspricht, die bereits politisch interessiert und auch in anderen Zusammenhängen engagiert sind“ (Hafeneger/Niebling 2008: 133). 32 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Tab. 18: Verankerung der Kinder- und Jugendbeteiligung Dokument, Konzept bzw. Leitlinie Verankert Absolut Prozent Ratsbeschlüsse 106 53 % Kommunale Satzungen speziell für die repräsentative Kinder- und Jugendvertretung 87 44 % Beschlüsse von Fachausschüssen 64 32 % Eigene Leitlinie / strategische Konzeption „Kinder- und Jugendbeteiligung“ 55 28 % Kommunales Leitbild (z.B. „Bürgerfreundliche Kommune“) 33 17 % Verankerung in der Hauptsatzung der Gemeinde 33 17 % Spezielle Programme und Konzepte, wie z.B. „Kinderfreundliche Kommune“, „Jugendgerechte Kommune“, Kinderverträglichkeitsprüfung/Kinderfreundlichkeitsprüfung 23 12 % Dienstanweisungen 14 7% Bund-Länder-Kommunen-Programm „Soziale Stadt“ 8 4% Lokale Agenda 21 6 3% Keine besondere Verankerung 10 5% Lesebeispiel: I n 106 Kommunen ist die Kinder- und Jugendbeteiligung durch Ratsbeschlüsse rechtlich verankert. Dies entspricht 53 % der Kommunen. Frage 7.a: „ In welchen Dokumenten, Konzepten und Leitlinien ist in Ihrer Kommune die Kinder- und Jugendbeteiligung (ggf. auch die Kinderund Jugendvertretung) verankert?“ Mehrfachnennungen; n = 200 und Jugendbeteiligung, in der das Kinder- und Jugendparlament verankert ist, in 44 % der Kommunen wurde eine Kommunale Satzung für die Kinder- und Jugendvertretung verabschiedet. Institutionelle Impulse gehen auch von kinderund jugendspezifischen Fachprogrammen und Initiativen aus. Knapp 12 % der Kinder- und Jugendparlamente verweisen auf die Impulse von Initiativen wie „Kinderfreundliche Kommunen“, „Jugendgerechte Kommunen“, sowie politischen Initiativen zur Kinderfreundlichkeit bzw. Kinderverträglichkeit. Einen kleinen Beitrag zur Institutionalisierung von Kinder- und Jugendparlamenten leisten auch beteiligungsorientierte Programme ohne jugendspezifische Ausrichtung (Bund-Länder-Programm Soziale Stadt, Lokale Agenda 21). Ein Ausdruck der Ernsthaftigkeit, mit der die Kinder- und Jugendvertretungen in die kommunalpolitische Landschaft eingebunden werden, ist ihre rechtlich-strukturelle Verankerung. Es macht einen großen Unterschied, ob Kinder und Jugendliche einen – in letzter Instanz einklagbaren – Anspruch auf ihre Kinder- und Jugendver- tretung haben oder vom Goodwill der Erwachsenen vor dem Hintergrund wechselnder politischer Mehrheiten abhängig sind. Durch Ratsbeschlüsse und kommunale Satzungen ist immerhin die Hälfte der repräsentativen Gremien schon gut institutionalisiert und rechtlich-strukturell verankert (Ratsbeschluss: 53 %, kommunale Satzung: 44 %). (vgl. Tab. 19) Verbindliche Regelungen über Art und Umfang der Beteiligung und der Grad an Mitwirkungsund Beteiligungsrechten und der wahrgenommene Einfluss sind entscheidend für die Beurteilung von Kinder- und Jugendparlamenten. Dabei spielt die Mitwirkung in der etablierten Politik, besonders in den Gremien des Gemeinderats eine wichtige Rolle. Geben die Erwachsenen in diesen Institutionen (etwas) von ihrer Macht ab und billigen den Vertretungen der jungen Menschen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte zu? So lautet eine zentrale Frage, wenn es um die Qualität repräsentativer Formen geht (vgl. auch Hafeneger/Niebling 2008: 125). Offen bleibt dabei jedoch, ob und wie diese Rechte genutzt werden. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 33 Tab. 19: Rechte der Mitglieder der Kinder- und Jugendvertretung in der Kommune Art der Rechte Vorhanden (in %) Rederecht in Ausschüssen 67 % Antragsrecht in Ausschüssen 52 % verbindliche Wahlordnung 45 % Antragsrecht im Rat 44 % Rederecht im Rat 43 % Stimmrecht in Ausschüssen 8% Stimmrecht in Ausschüssen nur bei eigenen Angelegenheiten 6% Lesebeispiel: I n 67 % der Fälle haben die Mitglieder der Kinder- und Jugendvertretung das Rederecht in Ausschüssen. Frage 20: „Wie sehen die Verankerung und die Rechte des Vertretungsgremiums aktuell aus?“ Mehrfachnennungen; n = 200 Weit verbreitet ist das Rede- und Antragsrecht in Ausschüssen. Spitzenreiter ist mit 67 % das Rederecht in Ausschüssen. Mehr als 40 % der Vertreterinnen und Vertreter von Kinder- und Jugendparlamenten haben ein Rede- und Antragsrecht im Rat. Dies zeigt, wie sehr in vielen Kommunen Kinder- und Jugendvertretungen ernst genommen werden und wie gut die Verzahnung zwischen Jugend- und Erwachsenengremien geregelt werden kann. Aber andersherum betrachtet gilt auch: In über der Hälfte der Kinder- und Jugendvertretungen existieren genau diese grundlegenden Rechte noch nicht. Es gibt im Bereich dieser Beteiligungsrechte von Kinder- und Jugendparlamenten also durchaus noch Entwicklungsbedarf – zumal wenn man berücksichtigt, dass nur eine Minderheit von 8 % Stimmrechte in Ausschüssen hat. Verglichen mit den (auf einer kleinen Fallzahl beruhenden) Befunden der DJI-Studie von 1998 lassen sich keine Fortschritte erkennen. Das Ergebnis damals: „Drei Viertel der Modelle verfügen über ein Antragsrecht und 44 % über ein Rederecht im Stadt- oder Gemeinderat“ (Bruner u.a. 1999: 68). Offensichtlich hält sich die Bereitschaft der Erwachsenenvertretungen, Macht abzugeben, noch immer in engen Grenzen. 4.7 Arbeitsweise und Arbeitsklima der Kinder- und Jugendparlamente Überblick: Die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in repräsentativen Formaten ist in der Regel arbeits- und zeitintensiv. Drei von vier Kinder- und Jugendparlamenten haben zusätzliche Arbeitsgruppen und informelle Treffs eingerichtet. Die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen in repräsentativen Formaten ist in der Regel arbeits- und zeitintensiv. Üblich sind in der Mehrzahl monatliche Sitzungen (Ferienzeiten ausgenommen). Drei von vier Kinder- und Jugendparlamenten haben zusätzliche Arbeitsgruppen und informelle Treffs eingerichtet. Dabei variiert der Arbeitsaufwand von Ort zu Ort erheblich, wenn 34 z.B. rund ein Viertel der Kinder- und Jugendparlamente maximal zu vier Sitzungen jährlich zusammenkommen, keine Arbeitsgruppen eingerichtet haben und auch keine informellen Treffs nutzen. (vgl. Tab. 20, Tab. 21 und Tab.22) Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Tab. 20: Häufigkeit der Sitzungen Häufigkeit der Sitzungen n bei Bedarf 2-mal im Jahr 3- bis 4-mal im Jahr 5- bis 8-mal im Jahr 9- bis 12-mal im Jahr 14-tägig oder häufiger Absolut 9 8 37 43 75 21 Prozent 5% 4% 19 % 22 % 39 % 11 % 193 Lesebeispiel: In 9 Kommunen finden reguläre Sitzungen des Vertretungsorgans nur bei Bedarf statt. Dies entspricht 5 % der Kommunen. Frage 21.a: „Wie oft finden die regulären Sitzungen des Vertretungsorgans statt?“ Tab. 21: Tagung zusätzlicher Arbeitsgruppen n ja nein Absolut 149 43 Prozent 78 % 22 % 192 Lesebeispiel: I n 149 Kommunen tagen neben den regulären Sitzungen des Vertretungsorgans auch themen- und projektbezogene Arbeitsgruppen. Dies entspricht 78 % der Kommunen. Frage 21.c: „Tagen neben den regulären Sitzungen themen- und projektbezogene Arbeitsgruppen?“ Tab. 22: Informelle Treffs n ja nein Absolut 143 49 Prozent 74 % 26 % 192 Lesebeispiel: I n 143 Kommunen gibt es neben den regulären Sitzungen des Vertretungsorgans auch informelle Treffs. Dies entspricht 74 % der Kommunen. Frage 21.d: „Gibt es neben den Terminen informelle Treffs?“ Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 35 Arbeitsweise Überblick: Die Ergebnisse zur Arbeitsweise und den Arbeitsschwerpunkten in lokalen Kinder- und Jugendparlamenten überraschen. Sie bescheinigen diesen repräsentativen Formaten ein hohes Maß an Professionalität und an Projektorientierung, das man nicht von vornherein den repräsentativen Beteiligungsformaten zuschreibt. Tab. 23: Arbeitsweise Arbeitsweise Zustimmungsgrad trifft zu / trifft weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe Eigene Projekte spielen eine zentrale Rolle. 92 % 7% 1% Das Gremium hat eine/n gewählte/n Vorsitzende/n bzw. Sprecher/in. 85 % 11 % 4% Das Gremium verfügt über eine eigene Strategie für Öffentlichkeitsarbeit (Pressearbeit, Soziale Medien, öffentliche Aktionen, Wettbewerbe, Events und Konzerte, Ausstellungen usw.). 67 % 30 % 3% Die Arbeit ist weitgehend in themenspezifischen Arbeitsgruppen organisiert. 52 % 44 % 4% Die Kinder- und Jugendvertretung orientiert sich weitgehend an der Arbeitsweise von Parlamenten. 52 % 41 % 7% Es werden Online-Tools zur Erweiterung der Beteiligung genutzt (Öffnung zu Gruppen außerhalb des Gremiums). 37 % 59 % 4% Überwiegend geht es um Kooperationsprojekte. 35 % 60 % 5% Die Förderung externer Projekte von Kindern und Jugendlichen steht im Zentrum. 31 % 63 % 6% Lesebeispiel: N  ach Aussage von 92 % der befragten Betreuungspersonen spielen eigene Projekte eine zentrale Rolle (trifft zu oder weitgehend zu). 7 % sagen, dass dies weniger bzw. nicht zu trifft. 1 % der Befragten machte keine Angabe zu dieser Teilfrage. Frage 23: „Die aktuelle Arbeitsweise des Vertretungsgremiums lässt sich wie folgt beschreiben“ n = 193 Für die Selbstständigkeit dieser Gremien spricht, dass 85 % ihre Vorsitzenden sowie Sprecherinnen und Sprecher aus ihrer Mitte wählen29. Knapp 70 % der Gremien verfügen über eine eigene Öffentlichkeitsarbeit und knapp 40 % nutzen dazu auch Online-Tools. Es geben 52 % der befragten Betreuerinnen und Betreuer an, dass sich ihre Gremien weitgehend an der Arbeitsweise der Kommunalparlamente orientieren. Dass die Prägekraft parlamentarischer Praxis dennoch vergleichsweise gering ist, ergibt 29 36 sich aus dem Umstand, dass 92 % der Befragten der Projektarbeit eine zentrale Rolle beimessen. Hier hat sich offensichtlich in den letzten Jahrzehnten ein Wandel vollzogen, denn noch Mitte der 1990er-Jahre hatte eine Studie zu Jugendgemeinderäten in Baden-Württemberg eine stärkere Hinwendung zur Projektarbeit empfohlen, um sie jugendgerechter auszugestalten. Ideal wäre ein „halboffenes Parlament mit Projektbezug“ (Hermann 1996: 294). Es scheint, als sei dieses Ideal inzwischen weitgehend verwirklicht. Hermann berichtet 1996 über die 16 Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg, dass in 14 die Bürgermeisterin / der Bürgermeister – als „geborene/r“ Vorsitzende/r – regelmäßig den Vorsitz führte, vier kannten eine/n zusätzliche/n jugendliche/n Sprecher/in und nur zwei hatten eine/n Vorsitzende/n aus der Mitte des Jugendparlaments (Hermann 1996: 287). Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Arbeitsklima Überblick: Die Bewertungen des Arbeitsklimas in den Kinder- und Jugendgremien durch die Betreuerinnen und Betreuer fällt insgesamt sehr positiv aus. Tab. 24: Arbeitsklima in der Kinder- und Jugendvertretung Art des Klimas Zustimmungsgrad trifft vollständig zu / trifft weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe freundschaftlich und wertschätzend 98 % 1% 1% kooperativ 97 % 3% 0% gleichberechtigt 95 % 4% 1% fokussiert, auf das jeweilige Thema konzentriert 85 % 14 % 1% verbindlich und verlässlich 78 % 21 % 2% konflikthaft 8% 88 % 4% Lesebeispiel: 9  8 % der Betreuungspersonen geben an, dass es vollständig oder weitgehend zutrifft, dass das Arbeitsklima in der Kinder- und Jugendvertretung freundschaftlich und wertschätzend ist. 1 % der Betreuungspersonen gibt an, dass dies weniger oder nicht zutrifft. 1 % der Befragten machte keine Angabe zu dieser Teilfrage. Frage 42: „Wie schätzen Sie das Arbeitsklima in der Kinder- und Jugendvertretung ein?“ n = 190 Die Bewertungen des Arbeitsklimas in den Kinder- und Jugendgremien durch die Betreuerinnen und Betreuer fällt insgesamt sehr positiv aus. Das gilt vor allem für einen wertschätzenden, kooperativen und gleichberechtigten Umgang der Kinder und Jugendlichen untereinander. Leichte Abstriche (14 %) gibt es bei der Fokussierung auf das jeweilige Thema, und nur ein Fünftel der Gremien sieht Mängel in Sachen Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Nur in 8 % der Gremien ist das Arbeitsklima durch Konflikte geprägt. 4.8 Themen der Kinder- und Jugendparlamente Überblick: Kinder- und Jugendparlamente wählen ihre Themen weitgehend selbst. Sie beschränken sich dabei nicht allein auf lebensweltliche kinder- und jugendspezifische Themen (z.B. Jugendprojekte und Freizeitveranstaltungen), sondern nehmen auch ein allgemeinpolitisches Mandat wahr, greifen selektiv Themen des Kommunalparlaments auf und beteiligen sich an wichtigen kommunalen Planungsprozessen (Verkehrsplanung, Stadtteilsanierung, Bauleitplanung usw.). Die Befunde zur Arbeitsweise und zur Auswahl der Arbeitsschwerpunkte in lokalen Kinder- und Jugendparlamenten überraschen. (vgl. Tab. 25) Sie bescheinigen diesen repräsentativen Formaten eine Selbstständigkeit und Fähigkeit zur Selbstgestaltung, die üblicherweise eher mit projekt-orientierten und offenen Formaten verbunden wird. Dieser Aussage entspricht, dass die Wahl der Themen und Arbeitsschwerpunkte weit überwiegend (94 %) bei den Kindern und Jugendlichen liegt. Nur 15 % sagen, dass bei der Wahl der Arbeitsschwerpunkte und Themen Vorgaben des Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 37 Tab. 25: Auswahl der Arbeitsschwerpunkte und Themen der Gremien Art der Themenauswahl Zustimmungsgrad trifft vollständig zu / trifft weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe weitgehend selbst gewählt 94 % 6% 0% werden bei den Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde durch die Jugendvertretung abgefragt 40 % 57 % 3% durch Anregungen von Einzelpersonen aus dem kommunalen Umfeld, aus der Zivilgesellschaft oder pädagogischen Einrichtungen beeinflusst 37 % 61 % 2% stark von Vorgaben und Vorhaben der Kommune und des Rates bestimmt 15 % 82 % 3% Lesebeispiel: 9  4 % der Befragten gaben an, dass es vollständig oder weitgehend zutrifft, dass die Themen und Arbeitsschwerpunkte ihres Kinder- und Jugendgremiums weitgehend selbstgewählt werden und 6 % gaben an, dass dies weniger oder gar nicht zutrifft. Frage 24: „Die Themen und Vorhaben des Gremiums sind…“ n = 191 Rates prägend wirken. Hier billigt man ihnen offenbar einen hohen Grad an Selbstbestimmung zu. Anregungen kommen eher aus dem kommunalen Umfeld als aus dem Gemeinderat. Das widerspricht dem gelegentlich gegenüber den repräsentativen Kinder- und Jugendgremien geäußerten Verdacht, dass sie doch nur ein ferngesteuertes Erwachsenenprojekt seien. Anregungen aus dem kommunalen Umfeld spielen eine deutlich größere Rolle als die Themen des Rates. Zu diesem Befund passt auch der beachtliche Anteil (37 %) von Kooperationsprojekten mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Bei einem Drittel der Kinder- und Jugendparlamente steht sogar die Förderung von externen Projekten im Vordergrund. Die Befunde machen auch deutlich, dass die Gegenüberstellung projektorientierter und offener Formate einerseits und repräsentativer Formate andererseits, wie sie noch für die DJIUntersuchung von 1998 prägend war, der Praxis kommunaler Kinder- und Jugendvertretungen nicht mehr gerecht wird. Die Dominanz projektorientierter Praxis und der hohe Anteil themenspezifischer Arbeitsgruppen macht Kinder- und Jugendparlamente in der lokalen Praxis zu Foren für unterschiedliche Beteiligungsformate mit einem geregelten Zugang zu kommunalen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. (vgl. Tab. 26) 38 Die freien Antworten ergaben eine interessante Erweiterung der Themenpalette: Alkohol- und Drogenprävention, Verkehr (Verkehrsverbindungen, Schülerbeförderung, ÖPNV), Kultur-kampagnen, auch das Thema Demokratie und Partizipation (Landtagswahlen, Bürgermeister-wahlen, U-18Wahl, Juniorwahl usw.), Projekte zur barrierefreien Stadt usw. Auch der Aspekt „Politische Bildung“, der ja in 49,2 % der Kinder- und Jugendparlamente Thema ist, wurde detaillierter ausbuchstabiert. Es ging dabei um Veranstaltungen zu Menschenrechten und Antisemitismus, um Extremismusprävention und Gedenkveranstaltungen. Repräsentative Kinder- und Jugendvertretungen sind demnach wirklich zu einer breiten Palette von Themen aktiv. Bei der Frage nach den Arbeitsschwerpunkten der letzten beiden Jahre ergibt sich folgendes Bild: Wenig verwunderlich stehen allgemeine kinderund jugendspezifische Themen mit 60 % an erster Stelle. Das Spektrum reicht von der Gestaltung von Sport- und Freizeitanlagen (57 %) über Spielplätze (37 %) und die Gestaltung von Jugendräumen sowie ihres Programms (jeweils 27 %) bis zum Engagement für eine kinder- und jugendgerechte Kommune (26 %) und zur Bekanntmachung der Kinderrechte, die sich immerhin 16 % der Gremien auf die Fahnen geschrieben haben. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Tab. 26: Arbeitsschwerpunkte des Gremiums in den letzten zwei Jahren Arbeitsschwerpunkte Wie stark vertreten? ( %) allgemeine kinder- und jugendspezifische Themen 60 % Planung von Freizeitangeboten 59 % Ausgestaltung von Sport- und Freizeitanlagen 57 % Politische Bildung 49 % Integration von Geflüchteten vor Ort 43 % Musikevents 42 % Verkehrsplanung (Gestaltung von Straßen, Rad- oder Fußwegen, Schulweggestaltung) 39 % Spielplätze 37 % Kommunalwahlen 35 % Sportveranstaltungen 32 % räumliche Gestaltung von Jugendeinrichtungen 27 % Angebotsplanung im Jugendzentrum, Jugendtreff oder Jugendclub 27 % Kinder- und jugendgerechte Kommune 26 % Umwelt- und Naturschutz 23 % Dorf- oder Stadtentwicklung, Stadtteilsanierung 22 % Zusammenleben von jungen und alten Menschen 21 % Bildungspolitik 21 % Verbesserung des Wohnumfeldes 18 % Bekanntmachung der Kinderrechte 16 % Gewaltprävention, Umgang mit Konflikten 16 % Schulentwicklungsplanung 15 % übergreifende politische Themen (z.B. weltpolitische Themen wie Kriege, Globalisierung) 10 % Hilfe für Menschen in Not 10 % Spielleitplanung 10 % Bauleitplanung (Bebauungspläne) 8% Tierschutz 4% Lesebeispiel: I n 57 % der Kinder- und Jugendvertretungen stand in den letzten zwei Jahren die Planung von Freizeitangeboten im Mittelpunkt, in 39 % waren dies Themen der Verkehrsplanung. Frage 25: „In den letzten beiden Jahren hatte das Vertretungsgremium folgende Arbeitsschwerpunkte:“ Mehrfachnennungen; n = 201 Bildungspolitik (21 %) und Schulentwicklungsplanung (15 %) sind weitere Dimensionen dieses Schwerpunkts, der allerdings nicht – wie das Thema Bildungspolitik zeigt – an den Grenzen kommunaler Zuständigkeit haltmacht. Allgemeine politische Themen und politische Bildung (fast 50 %) nehmen ebenfalls einen pro- minenten Platz in der Arbeit von Kinder- und Jugendparlamenten ein. Die Integration von Geflüchteten steht bei 43 % der Gremien auf der Tagesordnung, 23 % engagieren sich im Umweltund Naturschutz und 10 % sind mit weltpolitischen Themen wie Krieg und Globalisierung unterwegs. Der Tierschutz rangiert mit 4 % an letzter Stelle. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 39 Das Gewicht kommunalpolitischer Themen lässt sich nur schwer bestimmen, weil die kommunalen Bezüge nur schwer abzugrenzen sind. 57 % der Gremien befassen sich mit der Ausgestaltung von Sport- und Freizeitanlagen, mit Verkehrsplanung (39 %), mit der Dorf- bzw. Stadtentwicklung (22 %), mit dem Zusammenleben von Jung und Alt (21 %) mit der Verbesserung des Wohnumfelds (18 %) oder mit Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung (16 %). Dieser breite Themenmix bestätigt den vielfältigen, nicht auf repräsentative Aufgaben beschränkten Charakter von kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten. Sie sind thematisch nicht auf kinderund jugendspezifische kommunale Themen bzw. die des Kommunalparlaments beschränkt, sondern in gleicher Weise in Projekten und der Planung und Gestaltung von Freizeitveranstaltungen aktiv, nehmen ein allgemein- und kommunalpolitisches Mandat wahr und tragen zur Beteiligung an kommunalen Planungsprozessen bei. 4.9 Budget – Aufwandsentschädigung – Sitzungsgeld Überblick: Vier von fünf Kinder- und Jugendparlamenten verfügen über ein eigenes Budget, über das sie entweder unabhängig oder in Absprache mit Zuständigen entscheiden können. Es werden auch Sitzungsgelder und Aufwandsentschädigungen in gut der Hälfte der Kommunen gezahlt. Tab. 27: Jährliches Budget der Kinder- und Jugendvertretungen Höhe des jährlichen Budgets n Kein festes Budget bis zu 500 € 501 bis 1.000 € 1.001 bis 2.000 € 2.001 bis 5.000 € über 5.000 € 15 % 3% 9% 17 % 27 % 28 % 190 Lesebeispiel: 9  % der Kinder- und Jugendvertretungen haben ein jährliches Budget von 501 € bis zu 1.000 € und 27 % der Kinder- und Jugendvertretungen haben ein jährliches Budget von 2.001 € bis zu 5.000 €. Frage 28.a: „Das Vertretungsorgan verfügt über ein festes jährliches Budget in einer Höhe von…“ Vier von fünf Kinder- und Jugendparlamenten verfügen über ein eigenes Budget. Bei 27 % der Kommunen liegt es zwischen 2.001 und 5.000 € jährlich, bei rund 28 % liegt der Betrag darüber. Auch dies darf als Ernstnehmen von Kinder- und Jugendvertretungen interpretiert werden. Allerdings verfügen ca. 15 % der Kinder- und Jugendvertretungen über kein eigenes Budget. In dieser Dimension der Unterstützung scheint die Dynamik gering zu sein. Bereits vor einem Jahrzehnt wurde mit Verweis auf die DJI-Studie und eine Untersuchung des Hessischen Sozialministeriums berichtet: „Die Mehrzahl (87 %) der Parlamente verfügt zur Organisation der eigenen Arbeit über ein eigenes Budget, das ihnen von der Kommune zugewiesen wird. Der Etat liegt 40 zwischen 4.000 und 10.000 Euro“ (Hafeneger/ Niebling 2008: 133). (vgl. Tab. 28) Dass die Kinder und Jugendlichen über die Ausgaben und Mittel des Kinder- und Jugendparlaments nicht mitentscheiden können, kommt faktisch nicht vor (nur in 2 % der Kommunen). Die Entscheidungsgewalt über die zur Verfügung stehenden Mittel liegt entweder ganz allein bei den Kindern und Jugendlichen (49 %) oder wird gemeinsam („in Absprache“) entschieden (49 %). Dies ist mit Blick auf die Selbstverantwortung und Selbsttätigkeit von jungen Menschen positiv hervorzuheben, weil wir hier ja durchaus einen wichtigen und „harten“ Bereich der Entscheidungen haben. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Tab. 28: Entscheidungsbefugnis über die Verwendung der Mittel der Kinder- und Jugendgremien Entscheidungsbefugnis n unabhängig entscheiden in Absprache mit Zuständigen entscheiden nicht mitentscheiden 49 % 49 % 2% 181 Lesebeispiel: I n 49 % der Kinder- und Jugendgremien können die Mitglieder unabhängig entscheiden, wie die Mittel des Gremiums verwendet werden. Frage 28.b: „Über die Verwendung der Mittel können die Mitglieder des Gremiums…“ Tab. 29: Sitzungsgeld, Kosten- und Aufwandserstattung Art der Aufwandserstattung n ein Sitzungsgeld eine Kostenerstattung gegen Vorlage der Belege (z.B. für Fahrtkosten) nichts von alledem Absolut 77 25 90 Prozent 40 % 13 % 47 % 192 Lesebeispiel: I n 77 der Kommunen erhalten die Mitglieder des Vertretungsorgans für ihre Tätigkeit ein Sitzungsgeld. Dies entspricht 40 % der Kommunen. Frage 27.a: „Die Mitglieder des Vertretungsorgans erhalten für ihre Tätigkeit …“ Tab. 30: Höhe des Sitzungsgeldes30 Das Sitzungsgeld in Euro beträgt n 0€ 1 € bis 5 € 6 € bis 10 € 11 € bis 15 € 16 € bis 20 € 21 € bis 25 € mehr als 25 € Absolut 17 7 18 10 2 3 13 Prozent 24 % 10 % 26 % 14 % 3% 4% 19 % 70 Lesebeispiel: I n 18 Fällen liegt das Sitzungsgeld über 5 € und reicht bis 10 €. Das entspricht 26 % der Fälle. Frage 27.b: „Das Sitzungsgeld in Euro beträgt …“ In Analogie zu Erwachsenenparlamenten zahlen 40 % der Kinder- und Jugendparlamente ein Sitzungsgeld aus, das überwiegend bescheiden ausfällt: bei 10 % bis zu 5 €, bei 40 % von über 5 € bis 15 €. Aber immerhin gibt es 19 % der Sitzungsgeld zahlenden Gremien, die sogar mehr als 25 € zahlen. 13 % der Gremien gewähren 30 eine Kostenerstattung für Fahrtkosten etc. und 47 % nichts von alledem. 30 Diese Zahlen beziehen sich auf die 40 % der Gremien, in denen ein Sitzungsgeld gezahlt wird (Tab. 29). Das abweichende n (77 und 70) erklärt sich dadurch, dass hier einige Befragte die Frage 27.b nicht beantwortet haben. Interessant ist vielleicht noch der Hinweis, dass nur in insgesamt zehn Fällen von der Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung (gemeint ist nicht das Sitzungsgeld) berichtet wird. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 41 4.10 Die Rolle der Erwachsenen Überblick: Erwachsene spielen eine wichtige Rolle in Kinder und Jugendparlamenten – überwiegend in beratender Funktion. Tab. 31: Rolle der beteiligten Erwachsenen Rolle der Erwachsenen Verbreitungsgrad ( %) an den Sitzungen wirken Erwachsenen mit 98 % Betreuer/in 49 % bei Bedarf erwachsene Unterstützer/innen und Expert/innen 42 % Verwaltungsmitarbeiter/innen (z.B. Jugendamtsleitung) 42 % Kinder- und Jugendbeauftragte 36 % Ratsmitglieder 29 % Bürgermeister/in 28 % Gäste aus anderen Beiräten (z.B. Senioren-, Familien- oder Integrationsbeirat) 18 % Die Rolle der Erwachsenen ist beratend. 64 % Erwachsene leiten die Sitzung. 10 % Lesebeispiel: In 49 % der Kinder- und Jugendgremien wirken Erwachsene in der Rolle als Betreuungspersonen an den Sitzungen mit. Frage 26: „Wirken an den Sitzungen Erwachsene mit?“ Mehrfachnennungen; n = 201 Erwachsene spielen offensichtlich in der Praxis von Kinder- und Jugendparlamenten eine wichtige Rolle. Nimmt man den Anteil der Gremien mit Betreuungspersonen (knapp 50 %), Verwaltungsmit-arbeitende (42 %) bzw. Kinder- und Jugendbeauftragten (36 %) zusammen, können wir von einer intensiven professionellen Unterstützung ausgehen31, die – nach Angaben der 31 42 Betreuungspersonen – überwiegend (64 %) eine beratende Funktion ausüben. Nur in 10 % der Kinder- und Jugendparlamente leiten sie die Sitzung. Erwachsene Expertinnen und Experten, Ratsmitglieder sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wirken ebenfalls mit und sind Teil dieses Beratungs- und Unterstützungsnetzwerks. Diese Prozentangaben sprechen dafür, dass die hauptamtliche und professionelle Unterstützung von Kinder- und Jugendparlamenten in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben. Noch für 1998 lautet die Diagnose: „Von den repräsentativen Formen sind 52 % mit hauptamtlichen Stellen versehen und 48 % werden nicht durch hauptamtliches Personal begleitet (vgl. Bruner u.a. 1999: 64). Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 4.11 Selbstverständnis der Kinder- und Jugendparlamente Überblick: Das Selbstverständnis der Kinder- und Jugendparlamente ist sehr differenziert, vielfältig und anspruchsvoll. Es entwickelt sich in unterschiedliche Richtungen, die vor Ort gleichzeitig nebeneinander bestehen können. Tab. 32: Selbstverständnis der Kinder- und Jugendvertretung Art des Selbstverständnisses Zustimmungsgrad trifft vollständig zu / trifft weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe eigene Projekte, Aktionen und Initiativen entwickeln 94 % 5% 1% Ansprechpartner, Interessenswahrnehmung und Sprachrohr für die Kinder und Jugendlichen der Kommune 88 % 9% 3% bei kommunalen Vorhaben und Planungen auch die Sichtweise von Kindern und Jugendlichen in der Kommune einbringen 78 % 21 % 1% Verständnis als unabhängige Instanz mit freiem Mandat für Kinder- und Jugendthemen 57 % 36 % 8% Verständnis als Initiativgruppe 45 % 44 % 11 % Stellungnahmen abgeben und Diskussionsimpulse setzen zu allgemeinen politischen Themen, z.B. zu Flucht und Migration, Bildung oder Fremdenfeindlichkeit 42 % 55 % 3% im Auftrag von Politik und Verwaltung in eigener Regie Aufgaben für Kinder und Jugendliche der Kommune übernehmen 35 % 59 % 6% Lesebeispiel: I n 88 % der Kommunen ist das Selbstverständnis der Kinder- und Jugendvertretung, dass sie (unter anderem) als Ansprechpartner, Interessenwahrnehmung und Sprachrohr für die Kinder und Jugendlichen in der Kommune fungiert. In 9 % der Kommunen ist dies nicht der Fall. 3 % der Befragten machten keine Angabe zu dieser Teilfrage. Frage 34: „Welches Selbstverständnis hat die Kinder- und Jugendvertretung?“ n = 194 Diese in verschiedene Richtungen weisenden Antworten machen deutlich, dass aktuell mit Kinder- und Jugendvertretungen unterschiedliche, durchaus konfligierende Erwartungen verbunden werden. Das Leitbild einer selbstbewussten und selbstbestimmten „Initiativgruppe“ junger Menschen steht neben der Vorstellung, lokale Kinder- und Jugendinteressen zu repräsentieren und der Aufgabe, beratend bei der Gestaltung der kommunalen Kinder- und Jugendangebote mitzuwirken. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 43 4.12 Resonanz in der Kommunalpolitik Überblick: Kinder- und Jugendparlamente werden allenfalls gelegentlich in Ratsentscheidungen einbezogen. Im Jugendhilfeausschuss gestaltet sich diese Einbeziehung etwas positiver, auch wenn formale Mitwirkungsrechte dort nur zum Teil gegeben sind. Der Einfluss der Kinder und Jugendlichen ist in den verschiedenen Phasen des politischen Prozesses unterschiedlich ausgeprägt – bei der Ideensammlung groß, bei Entscheidungen deutlich geringer. Tab. 33: Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen beim Zustandekommen von Ratsbeschlüssen Häufigkeit Stichprobe Absolut Prozent sehr oft 3 2% oft 24 12 % gelegentlich 81 42 % selten 34 18 % sehr selten 33 17 % gar nicht 18 9% n 193 Lesebeispiel: I n 24 Kommunen werden aus Sicht der Betreuungspersonen die Ansichten der Kinder und Jugendlichen beim Zustandekommen von Ratsbeschlüssen oft mit einbezogen. Dies entspricht 12 % der Kommunen. Frage 37: „ Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen: Wie oft bezieht Ihre Kommune die Ansichten der Kinder und Jugendlichen beim Zustandekommen von Ratsbeschlüssen mit ein?“ Der überwiegend deliberative und beratende Charakter von Kinder- und Jugendvertretungen wird in den Aussagen zur Einbeziehung in Ratsentscheidungen bekräftigt. Oft oder sehr oft geschieht dies lediglich in 14 % der Kommunen, während sich die Werte von selten bis gar nicht auf 44 % summieren. Das Schwergewicht der Nennungen liegt mit 42 % bei gelegentlich. Diese schwache Einbindung in Ratsentscheidungen kann Folge einer überwiegend projekt- und themenorientierten Arbeitsweise von Kinderund Jugendparlamenten sein, die sich nur sehr eingeschränkt am parlamentarischen Prozess des Gemeinde- oder Stadtrats orientiert. Freilich bleibt offen, ob diese Distanz selbstgewählt ist oder auf die Statuszuweisung durch den Rat zurückgeht. (vgl. Tab. 34) Kommunen mit einem Jugendhilfeausschuss bewegen sich bei der Ausgestaltung der Betei- 44 ligungsrechte von Kinder- und Jugendparlamenten kaum über den allgemeinen kommunalpolitischen Rahmen hinaus. Rede- und Antragsrechte sind nicht besser ausgestaltet, das Stimmrecht liegt sogar deutlich darunter. Dass in zwei von fünf Kommunen mit einem Jugendhilfeausschuss Kinder und Jugendvertretungen keinen festen Sitz haben, ist nur schwer nachvollziehbar. Dieser Befund ist ärgerlich, weil das SGB VIII in § 8 (1) folgende „Muss-Vorschrift“ vorgibt: „Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen.“ Und die Bestimmungen des § 71 SGB VIII zum Jugendhilfeausschuss erlauben schließlich Vertretungskörperschaft (Landkreis, Stadt) in den von ihr bestimmten drei Fünfteln der Sitze „von ihr gewählte Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren sind“ zu bestim- Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Tab. 34: Arten der Einbeziehung im Jugendhilfeausschuss Arten der Einbeziehung Verbreitungsgrad ( %) haben Rederecht im JHA 70 % werden im JHA zum Thema angehört 65 % haben einen festen Sitz im JHA 60 % haben Antragsrecht im JHA 44 % haben Stimmrecht im JHA 5% werden im JHA mittels Fragebogen zum Thema befragt 2% bilden einen Unterausschuss des JHA 0% werden auf andere Weise in die Arbeit des JHA einbezogen 21 % Lesebeispiel: I n 70 % der Kommunen mit Jugendamt haben die Mitglieder der Kinder- und Jugendvertretung Rederecht im Jugendhilfeausschuss. In 30 % der Kommunen ist dies nicht der Fall. Frage 38: „Wie wird die Kinder- und Jugendvertretung bei Entscheidungen des Jugendhilfeausschusses einbezogen?“ Mehrfachnennungen; n = 6332 men. Und „erfahren“ können im Grunde Jugendliche aus Jugendvertretungen sein, zumal in einer wachsenden Zahl von Bundesländern das Wahlrecht ab 16 Jahren eingeführt ist. 32 Beim Jugendhilfeausschuss handelt es sich um einen kommunalen Ausschuss (des Landkreises oder der kreisfreien Stadt), für den deshalb selbstverständlich die Kommunalverfassungen und Landkreisordnungen gelten und damit auch die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen (meistens als vergleichsweise strenge „Soll-Vorschrift“, in vier Fällen sogar als „Muss-Vorschrift“). Für Unterausschüsse des Jugendhilfeausschusses (und dies könnte durchaus ein Kinder- und Jugendparlament sein) gibt es ohnehin keine fixierten Normen, die Partizipation einschränken oder verbieten könnten. Zu den Aufgaben des Jugendhilfeausschusses zählt im Übrigen nach § 71 (2) SGB VIII die Jugendhilfeplanung, die zwingend „den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen …“ 32 ermitteln muss (SGB VIII § 80 [2]). Dabei könnte eine repräsentative Kinder- und Jugendvertretung sicher unterstützen. (vgl. Tab. 35) Wenn es um das Verhältnis der Kinder- und Jugendvertretung zur Kommunalpolitik und verwaltung geht, trifft man auf widersprüchliche Aussagen. Einerseits wird von 82 % der Befragten auf ein wertschätzendes und kooperatives Verhältnis verwiesen. Andererseits erhalten nur 54 % der Kinder- und Jugendvertretungen die dazu notwendigen Informationen, nur die Hälfte erhält regelmäßige Rückmeldungen zu ihren Vorschlägen und Empfehlungen und nur zu 38 % wird die Praxis der Kinder- und Jugendparlamente mit Blick auf das kommunale Geschehen als einflussreich angesehen. Es gibt offenbar eine Diskrepanz zwischen Atmosphäre und realem Einfluss. (vgl. Tab. 36) Ein Blick auf die Beteiligungspraxis von Kinderund Jugendparlamenten ergibt, dass sie vorwiegend deliberativen und beratenden Charakter Die Anzahl von 63 ergibt sich aus allen Fragebögen, die zu dieser Frage Stellung genommen haben. Dass diese nur 63 beträgt, bedeutet, dass von den Kommunen mit Jugendamt und Jugendhilfeausschuss (das sind 83 in dieser Stichprobe) 20 auf diese Frage nicht geantwortet haben. Das bedeutet vermutlich, dass in diesen Fällen keine oder nur sehr seltene Beteiligung im Jugendhilfeausschuss erfolgt. Dies entspräche der Bertelsmann-Untersuchung, in der 25 % der befragten Kommunen angaben, dass Kinder und Jugendliche nur selten / sehr selten im Jugendhilfeausschuss einbezogen werden (Bertelsmann Stiftung (2008a: K 15). Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 45 Tab. 35: Gestaltung des Verhältnisses des Kinder- und Jugendparlaments zu Kommunalpolitik und -verwaltung, Nutzungsgrad von Rechten usw. Aussage Zustimmungsgrad trifft vollständig zu / trifft weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe Die Tätigkeit der Kinder- und Jugendvertretung erfährt im Rat und in den Ausschüssen positive und wertschätzende Resonanz. 82 % 18 % 1% Die Kinder- und Jugendvertretung bietet für die Kommunalpolitik einen deutlichen Mehrwert. 72 % 28 % 1% Informationen, Vorlagen und Entwürfe aus der Verwaltung bzw. den Ausschüssen des Gemeinderats gehen der Jugendvertretung (umfassend, rechtzeitig, erklärend usw.) zu, so dass ihr eine Meinungsbildung möglich ist. 54 % 43 % 3% Die Jugendvertretung bekommt regelmäßig Rückmeldungen aus der Politik und Verwaltung, was aus ihren Anregungen und Empfehlungen geworden ist. 51 % 48 % 1% Die satzungsmäßigen Rechte (Antrags-, Initiativ-, Rede- und Mitentscheidungsrechte) werden von den Mitgliedern des Repräsentativgremiums intensiv genutzt. 50 % 47 % 3% Die Kinder- und Jugendvertretung kann das kommunale Geschehen thematisch sehr breit beeinflussen (d.h. auch Verkehr, Bauplanung, Stadtentwicklung, Gestaltung öffentlicher Plätze etc.). 38 % 60 % 2% Lesebeispiel: 8  2 % der Betreuungspersonen sagen, dass die Aussage „Die Tätigkeit der Kinder- und Jugendvertretung erfährt im Rat und in den Ausschüssen positive und wertschätzende Resonanz.“ zutrifft oder weitgehend zutrifft. 18 % der Betreuungspersonen sagen, dass die Aussage weniger oder nicht zu trifft. Frage 35: „Bitte bewerten Sie die nachfolgenden Aussagen zum Verhältnis der Kinder- und Jugendvertretung zur Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung für Ihre Kommune!“ n = 192 Tab. 36: Phasen der Beteiligung des Kinder- und Jugendparlaments Phase Zustimmungsgrad trifft zu (wird aktiv) trifft nicht zu (wird nicht aktiv) keine Angabe bei der Ideensammlung 73 % 27 % 1% in der Planungsphase 60 % 39 % 1% als Initiator 40 % 59 % 2% bei der Umsetzung 27 % 73 % 1% bei Entscheidungen 26 % 73 % 1% bei der Evaluation 8% 91 % 2% Lesebeispiel: 7  3 % der Betreuungspersonen geben an, dass das von ihnen betreute Kinder- und Jugendparlament in der Phase der Ideensammlung aktiv wird. 27 % geben an, dass dies nicht zu trifft. Frage 36: „Das Kinder- und Jugendparlament wird vor allem in folgenden Phasen von kommunalen Vorhaben aktiv:“ n = 200 46 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. haben. Überwiegend (73 %) sind sie an der Ideensammlung und in der Planungsphase (60 %) beteiligt. Auch als Initiatoren sind sie willkommen (40 %). An Entscheidungen selbst beteiligt ist nur noch gut ein Viertel der repräsentativen Formate. Dies verdeutlicht noch einmal den deutlichen Unterschied zu Erwachsenenparlamenten, deren zentrales Privileg es ist, legitime Entscheidungen zu treffen. Die Beteiligung an der Umsetzung von Entscheidungen (27 %) verweist darauf, das Kinder- und Jugendparlamente auch zusätzlich freiwilliges Engagement einbringen oder anregen. Die geringe Beteiligung an Evaluationen (8 %) bestätigt die geringe Entscheidungsbeteiligung, aber erinnert auch daran, dass die Evaluation von Programmen und Projekten im politischen Geschehen in Deutschland insgesamt eine Ausnahme darstellen. 4.13 Einstellungen und Haltungen der kommunalen Politik und Verwaltung – Bewertung der Unterstützung Überblick: Im Kontrast zu zahlreichen öffentlichen Klagen geben die befragten Betreuungspersonen der Kommunalpolitik überwiegend gute Noten, wenn es um den Umgang mit den engagierten jungen Menschen aus den Kinder- und Jugendparlamenten geht. In einem Viertel der Kommunen sind aber auch Probleme erkennbar. Tab. 37: Vorherrschende Einstellungen und Haltungen der kommunalen Politik und Verwaltung Einstellung und Haltung der kommunalen Politik und Verwaltung Zustimmungsgrad trifft vollständig / weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe Sie nehmen die Interessen von Kindern und Jugendlichen genauer wahr. 76 % 23 % 1% Sie haben keine Vorbehalte gegen die Kinder- und Jugendvertretung. 74 % 25 % 1% Sie begegnen der Kinder- und Jugendvertretung auf Augenhöhe. 73 % 26 % 1% Sie sind überzeugt von der Notwendigkeit/Wichtigkeit der Kinderund Jugendvertretung. 73 % 26 % 1% Sie sind der Überzeugung, dass sich das Image der Kommune durch die Kinder- und Jugendvertretung verbessert hat. 70 % 28 % 2% Lesebeispiel: 76 % der befragten Betreuungspersonen gaben an, dass es vollständig oder weitgehend zutrifft, dass ihrer Einschätzung nach Politik und Verwaltung die Interessen von Kindern und Jugendlichen genauer wahrnehmen und 23 % gaben an, dass dies weniger oder gar nicht zutrifft. Frage 45: „Meine Einschätzungen der vorherrschenden Einstellungen und Haltungen in der kommunalen Politik und Verwaltung:“ n = 192 Im Kontrast zu zahlreichen öffentlichen Klagen geben die befragten Betreuungspersonen der Kommunalpolitik überwiegend gute Noten, wenn es um den Umgang mit den engagierten jungen Menschen aus den Kinder- und Jugendvertretungen geht. Alle genannten Möglichkeiten erhalten große Zustimmung (trifft vollständig bzw. weitgehend zu), die über 70 % liegt. Eine differenzierte Betrachtung macht jedoch auch Entwicklungsbedarf deutlich. So liegt die Einschätzung „trifft weniger oder gar nicht zu“ zwischen 23 und 28 %. In rund einem Viertel der Fälle bekommt die lokale Politik und Verwaltung also eher schlechte Noten. Dies sind sicherlich keine förderlichen Bedingungen für eine erfolg- Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 47 Tab. 38: Bewertung der Unterstützung und Anerkennung Unterstützung und Anerkennung Zustimmungsgrad trifft zu / trifft weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe Die Unterstützung des Gremiums durch die Verwaltung ist angemessen. 85 % 14 % 1% Die finanzielle Ausstattung ist angemessen. 79 % 21 % 0% Die ideelle Unterstützung und Anerkennung durch die Verwaltungsspitze, den/die Bürgermeister/in und die Gemeinderatsmitglieder sind angemessen. 75 % 25 % 0% Die politische Kommunikation mit den Kindern und Jugendlichen erfolgt „auf gleicher Augenhöhe“ von Seiten der Erwachsenen. 71 % 29 % 1% Lesebeispiel: 8  5 % der Betreuungspersonen sind der Ansicht, dass die Aussage „Die Unterstützung des Gremiums durch die Verwaltung ist angemessen“ zutrifft oder weitgehend zu trifft. 14 % sind der Ansicht, dass diese Aussage weniger oder nicht zu trifft. 1 % der Befragten machte keine Angabe zu dieser Teilfrage. Frage 33: „ Sind aus Ihrer Sicht die Ressourcen, Unterstützungsangebote und Formen der Anerkennung in Ihrer Kommune angemessen und ausreichend?“ n = 194 reiche Arbeit der Kinder- und Jugendparlamente – zumindest in Richtung Politik und Verwaltung. Eine Validierung dieser Einschätzungen wurde durch die Befragung von beteiligten Kindern und Jugendlichen in der zweiten Untersuchungsphase möglich. Die ersten Auswertungen von Gruppendiskussionen mit Jugendparlamentarierinnen und parlamentariern gehen aber bereits auffällig in die beschriebene Richtung. (vgl. Tab. 38) Die befragten Betreuerinnen und Betreuer äußern sich überwiegend positiv zum Grad der Unterstützung durch die Verwaltung (85 % trifft zu / trifft weitgehend zu) und der ideellen Unterstützung durch die politische Spitze (75 %) sowie zu den zur Verfügung stehenden finanzi- 48 ellen Ressourcen (79 %). Immer noch recht positiv, aber deutlich schlechter, schneidet die politische Kommunikation zwischen den Jugendlichen einerseits und Erwachsenen andererseits ab, die von 71 % als „auf gleicher Augenhöhe“ bewertet wird. Die Daten lassen sich jedoch auch anders lesen. Ein Viertel der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister lässt es aus Sicht der befragten Betreuungspersonen an ideeller Unterstützung und Wertschätzung fehlen. Fast 30 % der Betreuungspersonen bemängeln das Fehlen anerkennender und gleichberechtigter Kommunikationsverhältnisse. Die Zahlen sind umso bedenklicher, kann doch davon ausgegangen werden, dass Kommunen mit Kinder- und Jugendparlamenten besonders beteiligungsfreundlich sind. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 4.14 Lerneffekte Überblick: Die Betreuerinnen und Betreuer von Kinder- und Jugendparlamenten bescheinigen den Kindern und Jugendlichen überaus positive Lerneffekte und Kompetenzentwicklungen aufgrund ihrer Tätigkeit in diesem repräsentativen Partizipationsformat. Tab. 39: Lerneffekte und Kompetenzentwicklungen bei den Kindern und Jugendlichen Lern-/Kompetenzentwicklungsfeld Zustimmungsgrad trifft vollständig / weitgehend zu trifft weniger / nicht zu keine Angabe Selbstbewusstsein/Selbstvertrauen 97 % 3% 0% Kooperationsfähigkeit 97 % 3% 0% verstärktes freiwilliges Engagement 86 % 11 % 3% Wertschätzung von Demokratie 84 % 11 % 5% Erhöhung der Identifikation mit der Kommune 83 % 15 % 2% Zunahme an Projektmanagementfähigkeiten 83 % 16 % 2% verbessertes Verständnis komplexer politischer Zusammenhänge 81 % 18 % 2% kommunalpolitische Kompetenzen 75 % 22 % 3% vermehrtes Interesse an Politik 73 % 24 % 3% Sonstige 13 % 6% 82 % Lesebeispiel: N  ach Meinung von 97 % der Betreuungspersonen gab es bei den Kindern und Jugendlichen einen Zugewinn an Selbstbewusstsein/Selbstvertrauen. 3 % der Betreuungspersonen sehen dies nicht so. Frage 43.a: „ Welche Lerneffekte und Kompetenzentwicklungen sehen Sie bei den in der Kinder- und Jugendvertretung engagierten Kindern und Jugendlichen?“ n = 191 Insgesamt erstaunt die überaus positive Bewertung der Lerneffekte und Kompetenzentwicklungen bei den in repräsentativen Formen aktiven Kindern und Jugendlichen. Auch wenn ein positiver Bias bei den Betreuenden, die damit ja auch ihre eigene Tätigkeit bewerten, in Rechnung zu stellen ist, bestätigen 97 % der Befragten einen Zuwachs an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen sowie an Kooperationsfähigkeit (trifft vollständig zu bzw. trifft weitgehend zu). Verstärktes freiwilliges Engagement und Wertschätzung reichen ebenfalls an die 90 %-Marke heran. Auch die Steigerung der Identifikation mit der Kommune liegt bei über 80 %. Leicht darunter, aber immer noch über 70 % der Befragten nennen verbesserte kommunalpolitische Kompetenzen und ein vermehrtes Interesse an der Politik. Dass diese Einschätzungen der Betreuenden im Einzelnen durchaus belastbar sind, hat sich bei der Befragung von beteiligten Kindern und Jugendlichen (Interview-Studie) in der zweiten Untersuchungsphase gezeigt. Die Ergebnisse der Gruppendiskussionen mit Jugendlichen in dieser Studie weisen deutlich in dieselbe Richtung. Die vorliegenden Aussagen legen also den Schluss nahe, dass repräsentative Formate der Kinder- und Jugendbeteiligung nahezu ideale non-formale und informelle Lernorte darstellen. Dies gilt sowohl für zentrale Basiskompetenzen, für das Selbstwertgefühl und für prosoziale Haltungen als auch für das Demokratielernen. Es gibt also eine Fülle von guten Gründen, Kinder- und Jugendparlamente vor Ort zu ermöglichen und vorhandene zu stärken. Die nachfolgenden Qualitätsmerkmale sind als Beitrag auf diesem Wege zu verstehen. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 49 5. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente auf kommunaler Ebene  Über Qualität kann nur dann sinnvoll diskutiert werden, wenn dies mit dem Versuch verbunden wird, sich auf Mindeststandards für gute Praxis zu verständigen. Dies gilt besonders für kommunale Kinder- und Jugendparlamente (KiJuPa). Repräsentative Beteiligungsformate sind sehr anspruchsvoll und komplex. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist die Nähe zur parlamentarischen Praxis der Erwachsenen. Meist sind Kinder und Jugendliche in ihren besonderen Parlamenten mehrere Jahre aktiv, sie haben ein Mandat, fühlen sich für junge Menschen vor Ort verantwortlich und befassen sich mit einer Reihe von unterschiedlichen Themen. Nicht zuletzt deshalb gelten Kinder- und Jugendparlamente in Wissenschaft und Praxis bislang noch oft als zu anspruchsvoll, als nicht kinder- und jugendgerecht. Hinzu kommt noch der Verdacht, hier werde lediglich ein Erwachsenenformat kopiert oder auch nur simuliert. Unsere Erfahrungen im Rahmen des Forschungsprojekts „Repräsentative Beteiligungsformate für junge Menschen auf kommunaler Ebene“ sprechen für eine andere Botschaft. Kinder- und Jugendparlamente sind nicht nur möglich, sondern können einen beachtlichen und unverkennbaren Beitrag zur kommunalen Kinder- und Jugendbeteiligung leisten. Sie verdienen mehr Aufmerksamkeit, Anerkennung und öffentliche Förderung, können sie doch maßgeblich zur Umsetzung der zentralen Beteiligungsnorm der UN-Kinderrechtskonvention beitragen, die Deutschland 1992 ratifiziert hat und die seither den Rang eines Bundesgesetzes hat. In Artikel 12 sichern die Vertragsstaaten Kindern, d.h. jungen Menschen unter 18 Jahren, zu, dass sie ihre Meinung in allen sie berührenden Angelegen- 33 50 heiten frei äußern können und diese angemessen Berücksichtigung findet. Nicht zuletzt gilt dies für nahezu alle kommunalpolitischen Handlungsfelder33. Gerade diese thematische Breite spricht für repräsentative Formate. Die nachfolgende Darstellung von Qualitätsmerkmalen beruht nicht auf einem konstruierten Ideal, sondern hat eine breite empirische Grundlage. Die Aussagen stützen sich auf Ergebnisse einer Befragung von Betreuerinnen und Betreuern von Kinder- und Jugendparlamenten (Online-Befragung 2018), auf Einzel- und Gruppengespräche mit dort engagierten Kindern und Jugendlichen (Interview-Studie 2019), einem bundesweiten Vernetzungstreffen der Betreuerinnen und Betreuer (2019) sowie zwei Regionaltreffen von jungen Menschen aus Kinder- und Jugendparlamenten (2019). Die Qualitätsmerkmale bestimmen näher, was mit „stark“ gemeint ist, wenn wir von „Starken Kinder- und Jugendparlamenten“ reden. Es sind die identifizierten Stellschrauben, die uns zeigen, wie diese Stärke zu erreichen ist. Das Einhalten der Qualitätsmerkmale beschreibt insofern gleichzeitig die Gelingensbedingungen starker Kinder- und Jugendparlamente. Die folgenden Qualitätsmerkmale geben in erster Linie die Sicht der Befragten wieder. Da die Einschätzungen von Betreuerinnen und Betreuern einerseits und engagierten Kindern und Jugendlichen andererseits meist nahe beieinanderliegen, spricht dies für die Verlässlichkeit der Aussagen. Beide Gruppen von Befragten können als Expertinnen und Experten ihres Beteiligungsformats angesehen werden, deren Erfahrungen für die kommunale Praxis ein besonderes Gewicht zukommt. Auf die Bedeutung der Kinderrechte für die Kommunalpolitik und vorhandene Umsetzungsdefizite hat jüngst ein Rechtsgutachten eindrucksvoll aufmerksam gemacht: Donath, Philipp B. 2019: Kinderrechte im kommunalen Verwaltungshandeln. Berlin: Deutsches Kinderhilfswerk. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Von starken kommunalen KiJuPa kann aus Sicht dieser Expertinnen und Experten nur gesprochen werden, wenn sie die folgenden Merkmale erfüllen. Dabei folgt die Reihenfolge der Qualitätsmerkmale ihrer strategischen, politischen und pädagogischen Bedeutung. Sie dürften von besonderer Bedeutung sein, wenn Kommunen Kinder- und Jugendparlamente neu einrichten bzw. bestehende verbessern wollen. A. Die Kernmerkmale 1. Starkes Mandat – politischer Wille KiJuPa können nur erfolgreich sein, wenn Politik und Verwaltung – und hier insbesondere die Leitungsebene – sie mit einem starken, robusten Mandat versehen. Der politische Wille zur Gründung und Einbeziehung des KiJuPa in die kommunale Politik muss deutlich ausgeprägt sein und offensiv öffentlich vertreten werden. Verwaltung und Politik (Stadt- und Gemeinderat, Kreistag) sollten Initiative, Engagement und Führung in der Beteiligungsfrage demonstrieren. Es muss – alles in allem – eine ehrliche Bereitschaft für eine umfassende Einbeziehung des KiJuPa in die Kommunalpolitik geben. Die Spitzen in Politik und Verwaltung sollten ein gut austariertes Verhältnis von Leadership und Partizipation zeigen. Sie sollten einerseits offensiv vorpreschen und in der Frage der systematischen Einbeziehung des KiJuPa die Initiative ergreifen und dafür sorgen, dass eine immer breitere Akzeptanz für das KiJuPa in der Öffentlichkeit entsteht. Sie sollten also Führung zeigen und proaktiv sicherstellen, dass angemessene Strukturen und Ressourcen für die Einbeziehung des KiJuPa in den kommunalen Politikprozess bereitgestellt werden. Andererseits sollten Sie sich auch partizipativ verhalten und real auch umfassende Partizipationsrechte für das KiJuPa in allen Kinder und Jugendliche betreffenden Angelegenheiten gewähren. Politik und Verwaltung verzichten dabei von sich aus – verbunden mit struktureller Absicherung – auf alleinige Entscheidungsrechte zu einem Spektrum an Themen, die die Kinder und Jugendlichen direkt betreffen und teilen die Verantwortung zu diesen Themen mit den Kindern und Jugendlichen. Dabei entwickeln Politik und Verwaltung gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Partizipation des KiJuPa im Sinne der Konsultation der Kommune, aber auch der Gewährung von Selbstverwaltungsrechten des KiJuPa in eigenen Angelegenheiten. Es ist sehr wichtig, dass Politik und Verwaltung sich öffentlich für eine so festgelegte Regelung der gemeinsamen Angelegenheiten engagieren. Die hauptamtliche Verwaltung und die Mitglieder der Selbstverwaltungsgremien der Kommune sollten die Erteilung des starken Mandates auch durch eine öffentlich praktizierte Anerkennungskultur für Beteiligung unterstützen (siehe Pkt. 8). Die Verwaltungschefs und -chefinnen sowie die leitenden Mitarbeitenden sollten persönlich regelmäßig an wichtigen Sitzungen und Treffen des KiJuPa teilnehmen. Außerdem muss es selbstverständlich sein, dass Politik und Verwaltung die gemeinsam gefundenen Lösungen aktiv verteidigen. Dazu gehört auch, dass sie bereit sind, Fehler und das Risiko punktueller Fehlschläge in Kauf zu nehmen (siehe Pkt. 9). Wenn Politik und Verwaltung politischen Willen in dieser Weise ausüben, erleben die Kinder und Jugendlichen des KiJuPa diese Erwachsenen nicht nur als Vertrauenspersonen, sondern auch als Vorbilder für politisches Engagement. 2. S  trukturelle Verankerung: Ratsbeschluss und Fixierung in Satzungen Starke KiJuPa benötigen institutionelle Garantien. Schon ihre Einsetzung erfordert Beschlüsse und Satzungen, deren Vorlagen mit Kindern und Jugendlichen partizipativ erarbeitet werden sollten. Unabhängig davon, wie das KiJuPa verankert wird (kommunales Leitbild, Leitlinie, Ratsbeschluss, Aufnahme in die Hauptsatzung Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 51 etc.), sind klare Regelungen zu Wahlberechtigten, zu Nominierungs- und Wahlverfahren, zur Ausstattung und zur Arbeitsweise des Gremiums und zu seinen Mitspracherechten (z.B. Redeund Antragsrecht in Gremien der Kommunalvertretung) vonnöten. Starke KiJuPa verfügen über solche institutionellen Gewährleistungen, die allen Beteiligten Verhaltens- und Erwartungssicherheit vermitteln und gleichzeitig so flexibel gehandhabt werden, dass sie den sich verändernden Lebensbedingungen junger Menschen gerecht werden. Eine verlässliche Institutionalisierung gelingt in der Regel nur, wenn es ein starkes Mandat durch Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung gibt, wobei die Unterstützung durch die (Ober-) Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeister bzw. Landrätinnen und Landräte von zentraler Bedeutung ist (siehe Merkmal 1). 3. B  etreuende, unterstützende, moderierende und ermöglichende Fachkräfte Starke KiJuPa sind keine Selbstläufer. Es kommt zwar immer wieder vor, dass eine Initiativgruppe von Kindern und Jugendlichen wesentliche Aufgaben übernimmt, die im Rahmen eines KiJuPa anfallen. Aber in der Regel ist für eine wirksame Umsetzung der Arbeit des KiJuPa die Unterstützung erwachsener Personen notwendig, die hauptamtlich aktiv und professionell versiert sind. Sie unterstützen die Einbindung in die Arbeit des Gemeinderates bzw. Stadtrates oder Kreistages34, vermitteln Grundkenntnisse über die kommunalpolitische Praxis, helfen bei der Gremienarbeit, moderieren bei Streitfällen, unterstützen die Öffentlichkeitsarbeit, sorgen mit dafür, dass die Impulse in den kommunalen Entscheidungsgremien und der lokalen Öffentlichkeit ankommen und zeitnah wirksam werden bzw. unterstützen die zügige Umsetzung von Projekten und Vorhaben. In starken KiJuPa konzentriert sich die Unterstützung der Betreuerinnen und Betreuer auf die Ermöglichung. Sie sollen weder die jungen Menschen von eigenen Aktivitäten „entlasten“ und stellvertretend handeln, noch ist es ihre Aufgabe, engagierte Kinder und Jugendliche im Sinne kommunalpolitischer Vorgaben zu beeinflussen. Vielmehr unterstützen sie die Arbeit des KiJuPa, damit die Interessen von Kindern und Jugendlichen möglichst wirksam werden und das KiJuPa für die Beteiligten zu einem bedeutsamen Lernort wird. Betreuerinnen und Betreuer halten sich immer dann konsequent zurück, wenn die Kinder und Jugendlichen ihre Angelegenheiten selber regeln können. Unterstützende Erwachsene können auch hilfreiche Personen aus der Zivilgesellschaft sein, die technische und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen oder sich als besonders kompetente Themenanwältinnen und - anwälte engagieren. 4. Eigenes Budget – eigene Gestaltungsmöglichkeiten Ein eigenes Budget trägt erheblich zum Gelingen eines KiJuPa bei, denn es bedeutet einen Vertrauensvorschuss und ermöglicht eigene Initiativen, die zu kurzfristigen Erfolgserlebnissen führen.35 Ein selbstverwaltetes Budget zerstreut zudem den stets vorhandenen Verdacht, es könne sich bei der Einrichtung eines KiJuPa um bloße Symbolpolitik handeln. Starke KiJuPa müssen also immer über eigene Ressourcen verfügen, um selbst gewählte und selbst organisierte Vorhaben umzusetzen. Dies können Projekte und Kampagnen sein, aber auch Feste und Events. Mit einem eigenen Jugendfonds, den die Kinder und Jugendlichen zusätzlich zum üblichen Budget für die eigenen Angelegenheiten erhalten, können zudem Initiativen aus der lokalen Jugendszene unterstützt und gefördert werden. Ein derartiger Jugendhaushalt stärkt nicht nur die Motivation zur Mitarbeit und die öffentli- 34 Die Kommunalverfassungen und Gemeindeordnungen der Länder verwenden unterschiedliche Bezeichnungen für die gewählte Volksvertretung (z.B. Rat, Gemeindevertretung, Stadtvertretung, Stadtverordnetenversammlung). 35 Beteiligungsprozesse über Budgets und Fonds zu fördern, liegt im internationalen Trend – s. Roth, Roland 2020: Bürgerhaushalte, Bürgerbudgets und Beteiligungsfonds als Formen direkter Demokratie auf kommunaler Ebene. In: Stiftung Mitarbeit (Hg.): Direkte Demokratie. Bonn: Stiftung Mitarbeit, 121–156. Besonders eindrucksvoll ist die Praxis in der Stadt Boston (Mass.), wo seit 2014 eine Kinder- und Jugendvertretung jährlich über die Vergabe von einer Million US-Dollar entscheidet. 52 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. che Wertschätzung, sondern ermöglicht auch die für nachhaltige Beteiligungsprozesse so zentrale Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Ein nicht ganz unwichtiger Aspekt, der mit dem Ernstnehmen des KiJuPa zusammenhängt, ist die klare Regelung von Kostenerstattungen und die Gewährung von Sitzungsgeld. Wie auch in anderen Engagementbereichen hilft dies dabei, Kindern und Jugendlichen aus finanziell schwächeren Milieus die Mitwirkung an KiJuPa zu ermöglichen. Zudem wird damit eine symbolische Gleichstellung mit dem Erwachsenenparlament vollzogen. Je größer das Budget, desto größer ist der Unterstützungsbedarf durch die Kommunalverwaltung, die über das nötige Fachwissen verfügt und im Umgang mit öffentlichen Mitteln geübt ist. Dabei ist auch hier eine ermöglichende Haltung unabdingbar für den Erfolg. Wenn Geld im Spiel ist, steigt auch der Transparenzbedarf und die Entscheidungen müssen nachvollziehbaren demokratischen Regeln entsprechen, die am besten in einer von Mitgliedern des KiJuPa erarbeiteten Satzung festgehalten werden.36 5. Repräsentativität und Diversität Wie bei allen Parlamenten ist auch die Qualität der KiJuPa davon abhängig, ob es gelingt, eine möglichst repräsentative Beteiligung junger Menschen im Hinblick auf Geschlecht, Herkunft, Beeinträchtigungen, soziale Lage, Bildungsstand, sexuelle Orientierung etc. zu erzielen. Starke KiJuPa machen eine möglichst breite und faire Repräsentation von Kindern und Jugendlichen vor Ort zu ihrer Gestaltungsaufgabe. Sie entwickeln Nominierungs- und Wahlverfahren, die ein Höchstmaß an formaler bzw. proportionaler Repräsentativität garantieren. Aber es geht nicht nur um eine deskriptive Repräsentation von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Milieus etc. Als repräsentativ dürfte ein KiJuPa nicht zuletzt erst dann wahrgenommen werden, wenn es inhaltlich repräsentativ ist – wenn also alle wesentlichen Themen, Anlie- 36 gen und artikulierten Interessen aller Kinder und Jugendlichen in der Kommune und in den Sozialräumen – sei es, dass sie deren gemeinsame Angelegenheiten widerspiegeln oder die besonderen Bedürfnisse benachteiligter Teilgruppen – eine Chance erhalten, in der Arbeit des Vertretungsgremiums berücksichtigt zu werden. Je mehr dies geschieht, desto stärker dürfte ein KiJuPa als inklusive Vertretung lokaler Kinderund Jugendinteressen angesehen werden. 6. K  ooperative Haltung von Politik und Verwaltung Einer kooperierenden Verwaltung mit engagierten Ansprechpersonen kommt eine Schlüsselfunktion zu. Das Verwaltungsrecht ist nicht besonders bürgerfreundlich und auch Kommunalverwaltungen werden zuweilen als wenig bürgerfreundlich wahrgenommen. Mit der Formalisierung von KiJuPa erhöht sich auch der Bedarf eines niedrigschwelligen Zugangs zu verschiedenen Bereichen der Kommunalverwaltung. Dies gilt für alle Abstimmungen zwischen dem Kommunalparlament und dem KiJuPa, die in den Zuständigkeitsbereich von Fachverwaltungen fallen (z.B. Verkehr, Klima oder Kommunalentwicklung), und für die Umsetzung des Budgets. Betreuerinnen und Betreuer des KiJuPa können dabei unterstützen, aber die Kooperation mit den Fachverwaltungen nicht ersetzen. Es kann auch von erheblichem Vorteil sein, wenn sich in der Verwaltung – wie in der Politik – kompetente Themenanwältinnen und - anwälte herausbilden, die den Kindern und Jugendlichen zur Seite stehen. Hier liegt auch ein möglicher Aufgabenbereich für die in einigen Kommunen neu eingerichteten Partizipationsbeauftragten. Eine ermöglichende Gestaltung auf der politischen Ebene, also bei der Kooperation von Kommunalparlament und KiJuPa stellt eine zweite Schlüsselaufgabe dar. Notwendig sind frühzeitige Informationen über die Themen des Stadtrats und dessen mittelfristige Vorhaben, feste Ansprechpersonen in den Fachausschüssen sowie die transparente Einbeziehung in Diskussions- und Ein gutes Beispiel sind die Vergaberichtlinien für den Kinder- und Jugendetat des Jugendparlaments in Weil am Rhein – vgl. Kinderfreundliche Kommunen e.V. (Hg.) 2019: Gute Praxis in Kinderfreundlichen Kommunen. Berlin: Verein Kinderfreundliche Kommune, 66/67. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 53 Entscheidungsprozesse. Eine funktionierende Einbeziehung des KiJuPa kann im Übrigen nur gelingen, wenn eine Reihe von Rahmenbedingungen der Kooperation kinder-und jugendfreundlicher gestaltet werden (siehe Pkt. 12). 7. Selbstwirksamkeit/Wirksamkeit – politischer Einfluss Starke KiJuPa zeichnen sich durch ihre Wirksamkeit aus. Darin liegt ihre besondere Attraktivität für Kinder und Jugendliche. Die Mitglieder des KiJuPa erfahren unmittelbar, dass sie etwas bewirken können. Mittelbar gilt dies auch für die jungen Menschen, die sie gewählt oder delegiert haben. KiJuPa tragen dazu bei, die Entwicklungsund Lebensbedingungen junger Menschen vor Ort zu verbessern. Sie sorgen dafür, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Lokalpolitik stärker berücksichtigt werden. Kommunale Vorhaben werden auf ihre Kinderfreundlichkeit und Jugendgerechtigkeit hin überprüft und entsprechende Veränderungen erreicht. Starke KiJuPa nehmen beratend und mitwirkend Einfluss auf die lokale Politik (z.B. im Rat oder im Jugendhilfeausschuss), wenn Kinderund Jugendinteressen berührt werden. Aus Sicht von Politik und Verwaltung haben KiJuPa eine beratende Funktion mit einem starken Mandat, besonders, wenn sie die Breite der örtlichen Kinder- und Jugendszene abbilden. Es geht dabei in der Regel um ein thematisch breites Engagement – einerseits um alle kommunalen Handlungsfelder, andererseits werden aber auch allgemeine politische Themen (z.B. Klimawandel)37 nicht ausgeschlossen, wenn sie einen lokalen Bezug haben bzw. dieser hergestellt werden kann. Das gilt aber auch für bildungspolitische Themen, die jenseits der lokalen Schulträgerschaft liegen und auch für die Flüchtlingspolitik oder die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Antisemitismus. Es geht also um Entscheidungen in allen Politikfeldern, die junge Menschen betreffen und interessieren. Ihre Interessenvertretung darf sich daher nicht auf bestimmte, von Erwachsenen 37 54 festgelegte Bereiche beschränken! Dieses allgemeine, thematisch offene Mandat wirkt nicht zuletzt auf politisch interessierte junge Menschen anziehend. Gleichzeitig gilt es, bei allen Themen eine Instrumentalisierung durch Parteipolitik zu vermeiden, was den repräsentativen Charakter des KiJuPa beschädigen könnte – das ist jedenfalls immer wieder von den Jugendlichen verlangt worden. Das heißt aber nicht, dass der Umgang mit parteipolitischen Unterschieden ausgespart werden sollte. Das bleibt sicher ein realpolitisches Lernfeld für die Kinder und Jugendlichen und spiegelt sich teilweise auch in der Zusammensetzung der KiJuPa wieder, in denen die politischen Jugendorganisationen der Parteien ja durchaus eine Rolle spielen können. Es geht also nicht um eine restriktive Auslegung des Neutralitätsgebots, die verhindern würde, dass sich das KiJuPa zu politisch umstrittenen Themen eindeutig positionieren kann. Auch das gehört zu den wichtigen Wirkungszielen der KiJuPa: Sie ermöglichen politische Lernprozesse gerade auch bei kontroversen Themen. Dabei wird Kommunalpolitik gelernt und das relevante politische Handlungsrepertoire eingeübt. Kontroverse Positionen sollten als Ausdruck von Selbstständigkeit gewertet werden. Inhaltliche Konflikte dürfen nicht dazu führen, dass Druckmittel eingesetzt werden oder auf Seiten der Kommune sogar dazu führen, dass im Zweifel z.B. ein braves KiJuPa gegenüber „aufmüpfigeren Jugendverbänden“ etc. vorgezogen würde (siehe auch Pkt. 13)! Ein souveräner Umgang der Kommunalpolitik besteht also im Zulassen und Ernstnehmen der eigenständigen Positionen von unterschiedlichen Interessenvertretungen junger Menschen. Siehe die Themenpalette in Bär, Dominik / Roth, Roland / Csaki, Friderike (Hg.) 2020: Kinderrechte kommunal verwirklichen. Frankfurt a.M.: Wochenschau Verlag (i.E.). Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. B. Ergänzende Merkmale 8. Kultur der Anerkennung Starke KiJuPa zeichnen sich dadurch aus, dass die beteiligten Kinder und Jugendlichen Wertschätzung und Anerkennung für ihr Engagement erfahren. Dazu gehört die Kommunikation auf Augenhöhe mit den erwachsenen Akteurinnen und Akteuren aus Politik und Verwaltung. Zum respektvollen Umgang gehört nicht zuletzt das Ernstnehmen der Sichtweisen und Vorschläge der jungen Menschen im öffentlichen Raum. Da KiJuPa anspruchsvolle Lernorte darstellen, liegt es nahe, die öffentliche Sichtbarkeit der Engagierten zu unterstützen und Formen der Anerkennung zu nutzen, wie z.B. eine Zertifizierung der Mitarbeit oder die Würdigung auf einer Ehrenamtsgala. Aber das reicht natürlich nicht aus. Gefragt ist zusätzlich der alltäglich respektvolle und wertschätzende Umgang von Vertreterinnen und Vertretern aus Parlament, Politik und Verwaltung mit den Mitgliedern des KiJuPa. Dies ist zunächst eine Frage der Haltung der Erwachsenen, die deutlich signalisieren können, dass ihnen die Perspektive der jungen Menschen wichtig und wertvoll ist. Eine Frage der Anerkennung ist auch der respektvolle Umgang mit politischen Differenzen (siehe Pkt. 7). Die Anerkennung und Unterstützung des KiJuPa muss unabhängig von deren (partei)politischen Positionierungen erfolgen. 9. Fehlerfreundlichkeit KiJuPa sind Lernorte, die auf Suchbewegungen und selbstbestimmtes Lernen setzen. Daher sind sie auf Fehlerfreundlichkeit angewiesen und darauf anzulegen. Es muss möglich sein, Fehler zu machen und sie zu korrigieren, ohne dass in der öffentlichen Wahrnehmung das Vertretungsgremium als solches abgewertet wird. Der Rat, die Ausschüsse, die politische und die Verwaltungsführung sollten Such- und Experimentierphasen der Kinder und Jugendlichen tolerieren und bereit sein, das Risiko von Fehlern und Fehlschlägen in Kauf zu nehmen und sie konstruktiv aufzuarbeiten. 10. N  utzung vielfältiger Beteiligungsformate Starke KiJuPa zeichnen sich in der Praxis durch die Nutzung vielfältiger Beteiligungsformen aus. Auch wenn der „parlamentarische“ Ansatz im Zentrum steht, umfasst ihre Praxis u.a. ebenso Projekte, öffentliche Veranstaltungen, offene Formate und Foren. Damit öffnen sie sich für Kinder- und Jugendliche jenseits der repräsentativen Praxis und machen die eigene Arbeit für die Engagierten spannend und abwechslungsreich. Diese Effekte werden noch verstärkt, wenn dem KiJuPa neben dem üblichen Budget ein JugendFonds (siehe Pkt. 4) zur Verfügung steht, mit dem zusätzlich auf möglichst demokratische Weise Initiativen von anderen Kindern und Jugendlichen gefördert werden können. 11. Kinder- und jugendgemäße Arbeitsformen nach innen – Parlamente mit Diskussionskultur und Spaßfaktor Starke KiJuPa geben sich eigene Arbeitsformen und bestimmen ihre Themen selbst. Sie können und sollten kein Abbild der Gemeinderatsarbeit sein. In den Sitzungen des KiJuPa gibt es eine barrierefreie, ausgewogene, offene und faire Diskussions-, Abwägungs- und Entscheidungspraxis. Ein gleichberechtigter Umgang miteinander – z.B. zwischen männlichen und weiblichen, zwischen jüngeren und älteren Kindern und Jugendlichen – gehört zu den positiven Erfahrungen, die eine Mitarbeit in diesem Gremium attraktiv macht. Längerfristige Formen der Zusammenarbeit, wie sie mit KiJuPa angestrebt werden, benötigen eine besondere Kooperationskultur und ein gutes Arbeitsklima unter den beteiligten Kindern und Jugendlichen. Ihr Ziel ist die gleichberechtigte Zusammenarbeit in einer notwendig heterogenen Gruppe, in der es ja um die Repräsentation einer vielfältigen Welt der Kinder und Jugendlichen vor Ort geht. Gerade junge Menschen haben in der Regel eine hohe Sensibilität, wenn es um die gleichberechtigte Teilhabe geht. Trotzdem gibt es gelegentlich Unterstützungs- Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 55 und Moderationsbedarf bei Konflikten oder der Festlegung von Kommunikationsregeln. Die parlamentarische Arbeitsweise stellt zugleich eine der größten Zumutungen dar, die Kindern und Jugendlichen angetragen werden können. Es kommt deshalb darauf an, die Tätigkeiten in KiJuPa so vielfältig, abwechslungsreich und spannend zu gestalten, dass auf der einen Seite die repräsentativen Ansprüche eines KiJuPa erfüllt werden können und auf der anderen Seite lockere Formen gefunden werden, die Spaß machen und die den Gewohnheiten und Möglichkeiten der jungen Menschen gerecht werden. Eine solche Balance ist auch deshalb notwendig, weil der Alltag von Kindern und Jugendlichen ansonsten bereits genug durch steigende schulische Anforderungen bzw. Ausbildungsansprüche geprägt wird. Ein gutes Miteinander in den eigenen Gremien und eine wertschätzende Diskussionskultur im Rahmen der selbstgewählten Arbeitsweisen und Themen ist auch deshalb wichtig, weil die Mitarbeit im KiJuPa nicht in erster Linie als zusätzlich belastende Pflicht erlebt werden sollte, sondern im Idealfall als selbst gestaltetes Engagement, das zufriedenstellt, eben auch Spaß macht und organisatorisch verlässlich unterstützt ist. 12. R  ahmenbedingungen kinder- und jugendfreundlich gestalten KiJuPa leiden an vielen Stellen unter einschränkenden Rahmenbedingungen. Vor allem in ländlichen Räumen zeigen sich zeitraubende Mobilitätsanforderungen. Hier werden in einigen Landkreisen z.B. erfolgreich Fahrdienste organisiert. Auch die zeitlichen Belastungen durch den Schulunterricht und durch Prüfungen werden notorisch unterschätzt. Außerdem sind engagierte Kinder und Jugendliche häufig auch noch in anderen Bereichen aktiv, was die zeitlichen Ressourcen weiter einschränkt. Wenn dann das Engagement im KiJuPa auch noch durch das Umfeld und durch die Schule wenig gewürdigt und geschätzt wird, die Kinder und Jugendlichen teilweise sogar Probleme mit der Freistellung vom Schulunterricht für Sitzungen des KiJuPa haben oder wenn Sitzungszeiten von kommunalen Gremien teilweise vormittags oder spät abends liegen, entstehen massive Teilnah- 56 mebarrieren. Die Verknüpfung von Stadtparlament und KiJuPa kann vermutlich nur gelingen, wenn zumindest einige der Sitzungszeiten der Erwachsenen mit den Schulzeiten abgestimmt werden. Solche und weitere Rahmenbedingungen schränken die Überlebensfähigkeit von KiJuPa auch bei hoher Bereitschaft zum Engagement ein. Dies ist bei der Implementierung von KiJuPa dringend zu beachten. 13. L okale Vernetzung und Kooperation: Starke KiJuPa als Kern einer kommunalen Beteiligungslandschaft Starke KiJuPa sind Mittelpunkt einer reichhaltigen kommunalen Beteiligungslandschaft für Kinder und Jugendliche. Solche nachhaltigen Beteiligungslandschaften vor Ort zeichnen sich dadurch aus, dass sich die unterschiedlichen Formen der Interessenvertretung junger Menschen ergänzen und nicht in Konkurrenz um finanzielle Förderung und öffentliche Anerkennung stehen. Sie ergänzen und fördern sich gegenseitig. Die Wirkungsmöglichkeiten von starken KiJuPa, ihre Legitimation und Akzeptanz wachsen mit belastbaren und unterstützenden Verknüpfungen mit anderen Formen der Interessenwahrnehmung und -vertretung. Als isolierte Gremien können KiJuPa in der Regel wenig ausrichten. Mit der kooperativen Verknüpfung zu anderen Akteurinnen und Akteuren steigt auch die Reichweite und Handlungsfähigkeit des KiJuPa. Starke KiJuPa sind deshalb eng in die Zivilgesellschaft, die lokale Kinder- und Jugendszene und die verbandliche Jugendarbeit eingebunden. Sie halten gute Kontakte zu Institutionen, Verbänden, Vereinen und Initiativen, die Kinder- und Jugendinteressen vertreten (z.B. zum Kinderund Jugendring, zu kirchlichen und politischen Jugendgruppen, zu [Sport-]Vereinen und Kinderund Jugendeinrichtungen, die sich in irgendeiner Weise als Interessenvertretung von Kindern und Jugendlichen betätigen). Diese Kooperation geht an manchen Orten so weit, dass z.B. Jugendringe die Betreuung und Koordination des KiJuPa übernehmen. Ein besonderes Gewicht kommt der Kooperation mit Ausbildungsbetrieben und vor allem mit Schulen und Schülerinnen- und Schülervertre- Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. tungen zu. Schulen erleichtern eine breite Rekrutierung und ermöglichen eine hohe Wahlbeteiligung. Indem Schulen lokale Themen aufgreifen, können sie Kinder und Jugendliche für das Engagement in KiJuPa qualifizieren und darauf vorbereiten. 14. V  ernetzung mit der staatlichen Ebene der kommunalen Jugendpolitik Eine konstruktive Gestaltung des teilweise widersprüchlichen Verhältnisses zwischen Zivilgesellschaft und Staat macht es erforderlich, dass KiJuPa auch die staatliche Seite der kommunalen Jugendaktivitäten im Auge behalten: Es ist wichtig, dass sie sich auch mit der öffentlich geförderten Jugendpolitik vernetzen – sei es bezogen auf die offizielle kommunale Jugendpflege – auch in Form eines örtlichen Kinder- und Jugendbüros –, sei es bezogen auf die kommunalen Jugendzentren oder auf den Jugendhilfeausschuss nach SGB VIII. Diese Ebene der Vernetzung und Kooperation sowie das Andocken an vorhandene öffentliche Infrastrukturen ist nicht zuletzt aus Gründen intelligenter Ressourcennutzung wichtig. Auch die Kooperation mit den auf Länderebene geregelten Schülerinnen/Schülervertretungen auf Stadt- und Kreisebene ist zu berücksichtigen. Außerdem ist ggf. die Vernetzung mit einem Kinder- und Jugendparlament des Landkreises relevant. Das ist zumal dann für die gemeindlichen KiJuPa von Bedeutung, wenn die Kreisjugendparlamente sich nach einem Gemeindeschlüssel zusammensetzen. Die Kooperation mit dem Jugendamt und dem Jugendhilfeausschuss des Landkreises oder der kreisfreien Stadt liegt ohnehin im Interesse der örtlichen KiJuPa – nicht nur, weil dort eine Reihe von Ressourcen (Fortbildung, Beratung, Förderung usw.) mobilisiert werden können, sondern vor allem auch deshalb, weil sich für das KiJuPa eine interessante Beteiligung an der gesetzlich vorgeschriebenen Jugendhilfeplanung des Jugendamtes eröffnet. Die Themen der Jugendhilfeplanung können eine große Schnittmenge mit den Themen der KiJuPa aufweisen. 15. V  ernetzung über die Kommune hinaus Starke KiJuPa werkeln nicht vor sich hin, sondern suchen den Austausch mit ähnlichen Gremien in Nachbar- und Partnergemeinden, in der Region oder auf Landesebene und Bundesebene (jährliche Landestreffen in einigen Bundesländern, überregionale Verbandsstrukturen der KiJuPa, Bundesnetzwerktreffen usw.). Sie nutzen das Anregungspotenzial solcher Vernetzungen und schätzen die gemeinschaftliche Dimension, die sich aus dem Kontakt mit Gleichaltrigen aus anderen Kommunen ergibt. 16. Unterstützung aus der Zivilgesellschaft Die verbindliche Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Form eines KiJuPa kann nicht überall mit Verständnis und Unterstützung rechnen. Umso wichtiger sind erwachsene Akteurinnen und Akteure in allen Bereichen der örtlichen Gemeinschaft, die eine unterstützende Haltung an den Tag legen und öffentlich machen. Je selbstverständlicher es wird, dass KiJuPa eine Form der Wahrnehmung eines garantierten Kinderrechts (und Jugendrechts) darstellen, desto größer dürfte die Akzeptanz und Unterstützung in der lokalen Öffentlichkeit ausfallen. Initiativen aus der Zivilgesellschaft heraus können zur breiten Unterstützung und zur Legitimität des KiJuPa beitragen. 17. Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit Öffentliche Sitzungen, die Ankündigung der Themen, aber auch die Offenheit für neue Impulse sind in starken KiJuPa selbstverständlich. Dazu gehört auch die Sichtbarkeit der Arbeit des KiJuPa in der lokalen Öffentlichkeit. Dabei können digitale Formate helfen. Die Kinder und Jugendlichen der Kommune kennen ihre Vertretung, wissen, wie sie darauf Einfluss nehmen können und sehen ihre Interessen dort in guten Händen. 18. Kontinuität Im Unterschied zu Projekten und offenen Beteiligungsformaten sind starke KiJuPa auf Dauer und Verlässlichkeit angelegt. Junge Menschen können sich darauf verlassen, dass diese Form der Meinungsbildung, Interessenvertretung und Einflussnahme keine Eintagsfliege darstellt. Starken KiJuPa gelingt es, über eine Arbeitsperiode und eine Jugendgeneration hinaus tätig zu sein und die kommunale Kinder- und Jugendpolitik Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 57 kontinuierlich mitzuprägen. Zur langfristigen Absicherung trägt auch die strukturelle Verankerung der Starken KiJuPa bei (siehe Pkt. 2). 19. Unterstützende Länderregelungen nandersetzung mit der Agenda und den Interessen der nachwachsenden Generation die Chance, gemeinsam zu zukunftsfähigen Lösungen zu kommen, die von fairen Kompromissen zwischen den Generationen getragen werden. Zwar lassen sich in Kommunalverfassungen, im SGB VIII, im Baugesetzbuch oder den Schulgesetzen der Länder Aussagen zur Kinder- und Jugendbeteiligung finden, aber eine gesetzlich verbindliche Kinder- und Jugendbeteiligung in der Form von Interessenvertretungen durch repräsentative Formate wie die KiJuPa ist bisher einzig in der Gemeindeordnung Baden-Württembergs (§ 41a)38 verankert. Dort wird die Einrichtung von Jugendgemeinderäten und -vertretungen besonders hervorgehoben und gibt Jugendlichen das Recht, die Einrichtung einer eigenen Jugendvertretung zu beantragen. Ein Blick auf die räumliche Verteilung von KiJuPa zeigt, dass auch allgemeiner gefasste gesetzliche Vorschriften zur Kinder- und Jugendpartizipation in den Kommunalverfassungen und Gemeindeordnungen der Länder deutlich zur Verbreitung und zum Gelingen auch von KiJuPa beitragen. Die Aussagen der Betreuenden bestätigen diesen positiven Effekt. 20. O  ffenheit für Lernprozesse bei allen Beteiligten – Chancen sehen und wahrnehmen Generell gilt die prägnante Aussage von Oskar Negt, dass Demokratie die einzige Regierungsform ist, die immer wieder neu erlernt werden muss. Dies trifft besonders für Kinder- und Jugendparlamente zu. Die Mitarbeit in KiJuPa eröffnet Kindern und Jugendlichen besondere Lernchancen (über Kommunalpolitik, repräsentative Demokratie, Formen der Selbstwirksamkeit und vieles andere mehr), die z.B. durch Schulen und andere Bildungsträger verstärkt werden können. Aber auch den beteiligten Erwachsenen in Kommunalverwaltung und -politik, nicht zuletzt den Betreuerinnen und Betreuern, werden Lernchancen eröffnet. In einer Gesellschaft, in der sich auch eine Segmentierung entlang von Altersgruppen verstärkt, steigert die Ausei- 38 58 Zum aktuellen Stand der Beteiligungsrechte: Deutsches Kinderhilfswerk 2019: Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Berlin: DKHW. Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 6. Literatur AGJ (Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe) 2015: Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung stärken! Positionspapier der AGJ. Berlin: AGJ Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018: Bildung in Deutschland 2018. Bielefeld: wbv BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft Kommunale Kinderinteressenvertretungen) 2015: Qualitätsstandards für kommunale Kinderinteressenvertretungen. Leipzig: BAG Bär, Dominik / Roth, Roland/ Csaki, Friderike (Hg.) 2021: Kinderrechte kommunal verwirklichen. Ein Handbuch. Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag. (i.E.). Bertelsmann Stiftung 2008a: mitWirkung! Berichtsband (Kurzfassung). Gütersloh: Unveröffentlichtes Manuskript Bertelsmann Stiftung (Hg.) 2008b: Handbuch zur Entwicklung kommunaler Strukturen für die Jugendbeteiligung. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung Bertelsmann Stiftung / Staatsministerium Baden-Württemberg (Hg.) 2014: Partizipation im Wandel. Unsere Demokratie zwischen Wählen, Mitmachen und Entscheiden. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) (Hg.) 2015: Qualitätsstandards für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. 3. Auflage. Berlin: BMFSFJ Bréville, Benoît 2020: Urbane Labore. Das neue Selbstbewusstsein großer Städte. In: Le Monde Diplomatique vom 12.3.2020 Bruner, Claudia Franziska / Winklhofer, Ursula / Zinser, Claudia 1999: Beteiligung von Jugendlichen in der Kommune. Ergebnisse einer bundesweiten Erhebung. Berlin: BMFSFJ Bundesjugendkuratorium 2009: Partizipation von Kindern und Jugendlichen – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. München: DJI (www.bundesjugendkuratorium.de) Difu (Deutsches Institut für Urbanistik) 2018: KfW-Kommunalpanel 2018. Frankfurt/M.: KfW DKHW (Deutsches Kinderhilfswerk) 2019: Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. 3. komplett überarbeitete Auflage. Berlin: Deutsches Kinderhilfswerk Egner, Björn / Krapp, Max-Christopher / Heinelt, Hubert 2013: Das deutsche Gemeinderatsmitglied. Problemsichten – Einstellungen – Rollenverständnis. Wiesbaden: Springer VS Europarat (Council of Europe) 2016: Child Participation Assessment Tool. Europarat Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. 59 Hafeneger, Benno / Niebling, Torsten 2008: Kinder- und Jugendparlament. In: Kersting, Norbert (Hg.): Politische Beteiligung. Einführung in dialogorientierte Instrumente politischer und gesellschaftlicher Partizipation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 123–141 Hermann, Michael 1996: Jugendgemeinderäte in Baden-Württemberg. Eine interdisziplinäre Evaluation. Pfaffenweiler: Centaurus Hessisches Sozialministerium (Hg.) 2003: Kinder reden mit … … in Hessen. Eine „Selbst“dokumentation von Kinderbeauftragten, Kinderbüros, Kinder- und Jugendparlamenten, Jugendforen und Jugendbeiräten. Wiesbaden: Sozialministerium Kersting, Norbert (Hg.) 2008: Politische Beteiligung. Einführung in dialogorientierte Instrumente politischer und gesellschaftlicher Partizipation. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften Kinderfreundliche Kommunen e.V. (Hg.) 2013: Kinderfreundliche Kommunen. UN-Kinderrechtskonvention lokal umsetzen. Köln: Verein Kinderfreundliche Kommunen Kinderfreundliche Kommunen e.V. (Hg.) 2019: Gute Praxis in Kinderfreundlichen Kommunen. Köln: Verein Kinderfreundliche Kommunen (www.Kinderfreundliche-Kommunen.de) Roth, Roland / Wenzl, Udo 2019: Jugendlandtage in den Bundesländern. Zwischen Dialog, Beteiligung, politischer Bildung und Nachwuchsförderung. Berlin: Deutsches Kinderhilfswerk Roth, Roland / Stange, Waldemar 2020: Kommunale Kinder- und Jugendparlamente. Empirie und Perspektiven einer unterschätzten Form der Beteiligung junger Menschen. Weinheim: Beltz/Juventa (i.E.). Schäfer, Armin 2015: Der Verlust politischer Gleichheit. Warum die sinkende Wahlbeteiligung der Demokratie schadet. Frankfurt / New York: Campus Schlozman, Kay Lehman / Verba, Sidney / Brady, Henry E. 2012: The unheavenly chorus: Unequal political voice and the broken promise of American democracy, Princeton, (NJ): Princeton University Press Stange, Waldemar / Wiebusch, Rainer 1997: Pro- und Kontra-Diskussion von Kinder- und Jugendgremien. In: Hurrelmann, Klaus / Palentien, Christian (Hg.): Jugend und Politik, Neuwied: Luchterhand Zentrum Eigenständige Jugendpolitik 2013: Zur Förderung demokratischer Partizipation junger Menschen. Berlin: Geschäftsstelle „Zentrum Eigenständige Jugendpolitik“ 60 Qualitätsmerkmale für Starke Kinder- und Jugendparlamente • Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Deutsches Kinderhilfswerk e.V. Leipziger Straße 116−118 10117 Berlin Fon: +49 30 308693-0 Fax: +49 30 308693-93 E-Mail: dkhw@dkhw.de www.dkhw.de ISBN 978-3-922427-45-2
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