1710 Steuer- und Zollblatt für Berlin 15. Jahrgang Nr. 70 19. November 1965
nisse als maßgebend betrachtet. Sie übersieht, daß die z.B. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 495/36 vom 24. März
wirtschaftliche Betrachtung selbst eine rechtliche ist; denn 1937, RStBl. 1937 ‚S. 989, und VI 172/37 vom 15. Juni 1938,
die Vorschrift des 8 1 Abs.2 und 3 StAnpG macht den RStBl.1938 S. 899; Urteile des Bundesfinanzhofs IV 399/55
Gerichten ihre Anwendung bei der Auslegung der Steuer- U vom 1. August 1957, BStBl. 1957 III 8. 355, Slg. Bd. 65
gesetze und bei der Beurteilung von Sachverhalten zur S. 322; I 189/57 U vom 15. April 1958, BStBl. 1958 III S. 263,
Pflicht (vgl. auch Entscheidung‘ des Bundesverfassungs- 1964, BStBl. 1964 III S. 457, Slg. Bd. 79 S. 6137). Es ist auch
gerichts 1 BvR 488/62). Es handelt sich hiernach nicht um Sig. Bd. 66 S. 6855); 1.53/60 S vom 17. Januar 1961, BStBl.
eine Rechtsprechung, deren eigentlicher Zweck darin be- 1961 II S. 233, Sig. Bd. 72 S. 637%; I 391/61 U vom 28. April
steht, Steuerumgehungen durch das Mittel der Gesetzes- darauf hinzuweisen, daß das Handelsrecht eine Vermie-
auslegung entgegenzuwirken, anstatt im Einzelfall die Vor- tungstätigkeit, die nach Art und Umfang einen in kauf-
schrift des $ 6 StAnpG anzuwenden (vgl. Urteil des Bundes- männischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert,
verfassungsgerichts vom 24.Januar 1962 1 BvlL 32/57, als vollkaufmännisches Gewerbe ansieht (vgl. Würdinger
BStBl. 1962 I S. 492 [4991). Die Rechtsprechung geht davon in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum HGB, Anm. 6 ff,,
aus, daß eine Betriebsaufspaltung grundsätzlich keinen 9 zu $:2):
Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des sr zn
bürgerlichen Rechts darstellt. Das schließt jedoch nicht aus, N In Ne N Seren der De Sn Te De EN
daß sie den wirtschaftlichen Besonderheiten, die bei den rn DE, Del denen wie hier die Besitz- 1 N 2
x ; rma aus einem ursprünglich einheitlichen gewerblichen
durch Betriebsaufspaltungen geschaffenen Rechtsbeziehun- Unternehmen hervorgingen, ergibt sich der gewerbliche
gen regelmäßig vorliegen, Rechnung trägt. Charakter der Vermietung oder Verpachtung schon daraus,
II. Unzutreffend sind die Ausführungen der Vorinstanz daß die der Betriebskapitalgesellschaft zur Nutzung über-
auch insoweit, als sie sich gegen die Rechtsprechung des lassenen Wirtschaftsgüter niemals aufgehört haben, Be-
Bundesfinanzhofs zur Gewerbesteuerpflicht der Besitzgesell- triebsvermögen zu sein, da sie zu keinem Zeitpunkt durch
schaft unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Finanzamt unter
(Art. 3 Abs. 1 GG) wenden. Auflösung und Versteuerung der in ihnen ruhenden stillen
1) Die Rüge der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes Reserven in das Privatvermögen der Gesellschafter über-
kann nicht auf die in der Entscheidung des Dundesyorfes führt wurden. Die hierzu für die Verpachtung ganzer Be-
sungsgerichts BVerfGE Bd..13 8.331 (340 f.) zur Verfas- triebe aufgestellten Grundsätze des Urteils Gr. S. 1/63 S
Sungswidrigkeit des $ 8 Ziff, 6 GewStG enthaltenen Aus- Vom 13. November 1963 (BStBl. 1964 III S. 124, S1g. Bd. 78
führungen gestützt werden. $ 8 Ziff. 6 GewStG betraf nach S- 315%) treffen auf die Verpachtung oder Vermietung der
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts einen Durch- Wesentlichen Grundlagen des Betriebs nur insoweit nicht zu,
griff im Sinne einer Außerachtlassung der Rechtsform der als die Betriebsaufgabe, die Gewinnrealisierung: und damit
Kapitalgesellschaft, der zu einer ungleichen gewerbesteuer- der künftige Bezug von Einkünften aus Vermietung nicht
lichen Behandlung personenbezogener und anonymer Ka- gewählt werden können. Die Vermietung oder Verpachtung
pitalgesellschaften geführt haben soll. Das Bundesverfas- Solcher. Wirtschaftsgüter bleibt stets eine ‚betriebliche
sungsgericht erblickte darin eine Verletzung des Gleich- Tätigkeit. Deshalb ist es steuerlich unbeachtlich, daß die
heitsgrundsatzes, weil das Prinzip der Anknüpfung der Betriebsspaltung schon im Jahre 1939 stattgefunden hat
Besteuerung an die Rechtsform ohne sachliche Rechtferti- Und die einheitliche Gewinnfeststellung des Jahres 1939
gung durchbrochen worden sei. Es führte dazu aus, daß die Techtskräftig ist.
Gründe für eine solche Ausnahmevorschrift nur dann über- . : is
zeugten, wenn ihr Gewicht der Intensität der Abweichung mn der Entscheidung ve. An S IS N EEE ER
von dem grundsätzlich gewählten Ordnungsprinzip ent- daß die Verpachtung eIMOS Betriebes regelmäßig nicht als
; bende Tätigkeit im Sinne des 8 2 GewStG anzusehen
spreche. Daraus folgt, daß das Bundesverfassungsgericht W°rben 5 han : All
den Durchgriff auf Personen und Verhältnisse hinter der S°l. Die Entscheidung betrifft aber nur die Fälle nor-
Kapitalgesellschaft nicht als solchen, sondern nur dann für Maler Verpachtung an fremde Personen. Dagegen sind Ver-
unzulässig hält, wenn er nicht von überzeugenden sach- Pachtungen im Rahmen der Betriebsspaltungen dadurch
lichen Gründen getragen wird (vgl. dazu neuerdings Ent- gekennzeichnet, deß Sich _die Tätigkeit des ‚VErDäCchters
Scheidung des _Bundesverfassungsgerichts 1. BvR 488/62). in dem Betrieb des Pächterunternehmens mit der Ver-
A pachtung-zu-einer einheitlichen Unternehmertätigkeit ver-
Von diesen Erwägungen ist auch bei der Beurteilung der bindet. Aus dieser Einheit folgt, daß sich der Verpächter
steuerlichen Auswirkungen privatrechtlicher Beziehungen, durch die von ihm beherrschte Kapitalgesellschaft am
besonders von Miet- und Pachtverträgen zwischen Kapital- allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Diese wirt-
gesellschaften und ihren Gesellschaftern, auszugehen. Eine schaftliche Einheit wird dort besonders deutlich, wo der
differenzierende Behandlung solcher Verträge ist nicht Pachtvertrag dazu benutzt wird, in erheblichem Umfang
schon deshalb unzulässig, weil sie je nach der Definition des Gewinne zu verlagern. Darauf hat die Rechtsprechung
„Durchgriffs“ als eine nicht ausreichende Berücksichtigung verschiedentlich hingewiesen (vgl. Urteile des Bundesfinanz-
der Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft angesehen wer- hofs I 131/59 S und I 57/61 8).
den könnte. Das Steuerrecht geht zwar von der grundsätz-
lichen Anerkennung der juristischen Person aus. Das c) Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann auch
schließt jedoch die Berücksichtigung der Tatsache, daß die nicht damit begründet werden, daß die Verpachtung der
Gesellschafter der verpachtenden und der pachtenden Ge- wesentlichen Betriebsgrundlagen an die Kapitalgesellschaft
sellschaft identisch sind, nicht aus. Die sich hieraus erge- systemwidrig anders behandelt werde als die Leistung
bende wirtschaftliche Identität von Gläubiger und Schuldner von Diensten für oder die Gewährung von Darlehen an
läßt eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Ver- die Kapitalgesellschaft. Die Differenzierung ergibt sich
trägen mit einer vom Partner beherrschten Kapitalgesell- vielmehr aus der Systematik des EStG. Bei der Abgren-
schaft und einer nicht beherrschten (anonymen) Kapital- zung der verschiedenen Einkunftsarten gegeneinander spie-
gesellschaft unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten len bürgerlich-rechtliche Erwägungen im allgemeinen keine
zu, da sie sachlich gerechtfertigt ist (vgl. Entscheidung des Rolle. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ($ 19
Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 488/62). EStG) bilden eine eigene Einkunftsart, die, anders als die
2) Die gewerbesteuerrechtliche Behandlung der miet- 00 die DENT U Een Sram Era
oder pachtweisen Überlassung der wesentlichen Betriebs- 5 21 Abs.3 EStG), zu den N elsichlichen N Yen un Leere
ea be sachlich Gercchtfertiat beherrschte Kapital“ njcht in einem Verhältnis der Subsidiarität steht. Die zum
sine besonders qu alifiziert e Art der Verp achtung handelt Teil unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von zwi-
7 schen einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und
a) Für die gewerbesteuerrechtliche Beurteilung von Ver- der Gesellschaft abgeschlossenen Miet- und Pachtverträgen
pachtungstätigkeiten kommt es auch sonst nicht auf die einerseits, Darlehnsverträgen andererseits hat ihren Grund
zivilrechtliche Form des Pachtverhältnisses, sondern aus- in der verschiedenen wirtschaftlichen Natur dieser Ge-
schließlich auf den wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit an. schäftsbeziehungen. Die oben zu I. angeführte Rechtspre-
Die Differenzierung ergibt sich bereits aus der Abgrenzung
der Einkunftsarten im EStG (vgl. 8 21 Abs.3 EStG). Die nr
Rechtsprechung hat seit jeher die Fälle qualifizierter 5 StZBl. Bln. 1958 S. 1407
Vermietung oder Verpachtung anders behandelt als diejeni- 9 SDR DIE A00S SS
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gen, in denen eine bloße Vermögensverwaltung vorlag ( vgl. sı StZBl. Bln. 1964 S. 527