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Volume Nummer 70, 10. November 1965

Full text: Steuer- und Zollblatt für Berlin (Public Domain) Ausgabe 15.1965,2 (Public Domain)

Steuer- und Zollblatt für Berlin 15. Jahrgang Nr.70 19. November 1965 4709 
Diesen Grundsatz wendete der Bundesfinanzhof im Urteil Nichts anderes kann gelten, wenn der Erwerber die Ent- 
IV 153/63 S vom 7. November 1963 (BStBl. 1964 IIT S. 62, schädigung nicht an einen abziehenden Pächter, sondern an 
Slg. Bd. 78 S. 159%) auf einen Fall an, in dem der Erwerber den Veräußerer zahlt. Denn wenn Aufwendungen für die 
eines landwirtschaftlich genutzten Flurstücks, das zur Zeit Übernahme der stehenden Ernte nicht dem Grund und Bo- 
des Erwerbs verpachtet war, nach Ablauf der Pachtzeit den zuzurechnen sind, sondern als laufende Betriebsaus- 
dem Pächter für die stehende Ernte eine Entschädigung gaben im Zusammenhang mit und im Interesse einer in 
zahlte. Es sei, so wird ausgeführt, nicht berechtigt, zwischen Kürze anfallenden Nutzung und Betriebseinnahme aner- 
einer Entschädigung für Feldinventar und einer Entschädi- kannt werden, so kann es bei der Besteuerung des Erwerbes 
gung für stehende Ernte nur wegen der Berücksichtigung keinen Unterschied machen, daß die stehende Ernte im 
des natürlichen Zuwachses zu unterscheiden. Die landwirt- Rahmen der Übertragung des Eigentums am Grund und 
schaftliche Betriebslehre bezeichne als Feldinventar sowohl Boden erworben wird. 
N ES Nut Lungen. Rad als auch die noch nicht ge- Die Sache geht unter Aufhebung der Vorentscheidung an 
geh. das Finanzamt zurück, das die Steuer unter Berücksichti- 
. - gung der vollen X DM als Betriebsausgabe des Wirtschafts- 
4) StZBl. Bln. 1964 S. 327 (Leitsatz) jahrs 1956/57 neu berechnen wird. 
Gewerbesteuer Gesetzgeber gezogen sind (Art. 20 Abs. 3 GG). Sie hält sich 
Urteil des BFH vom 28. Januar 1965 — IV 179/64 UV. im Rahmen der Auslegung des Gesetzes. Diese Auslegung 
. verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 
(StZBIl. Berlin 1965 8. 1709) Abs.1 GG). Der Senat vermag aus den nachstehenden 
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Gewerbe- Gründen den auch im Schrifttum erhobenen Einwänden 
steuerpflicht der aus Betriebsaufspaltungen hervorgegan- 8°gen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht zu 
genen Besitzgesellschaften (vgl. Urteile I 131/59 S vom folgen (vgl. dazu Knoppe, Pachtverhältnisse gewerblicher 
8. November 1960, BStBI 1960 III S. 513%; I 57/61 S vom Betriebe im Steuerrecht, 3. Auflage, S. 190 ff.; Böttcher- 
16. Januar 1962, BStBI 1962 III S. 104%; IV 417/60 S vom Beinert, Rechts- und Wirtschaftspraxis, Unternehmens- 
25, Juli 1963, BStBIL 1963 III S. 505%) verstößt nicht gegen Formen II B 4/62). 
Verfassungsgrundsätze, I. Die in den einkommen- und gewerbesteuerrechtlichen 
GG Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3; StAnpG 8 1 Abs. 2 und 3; EStG Vorschriften verwendeten Begriffe „Gewerbebetrieb“ (8 2 
8 15 Ziff. 2; GewStG $ 2 Abs. 1 und 2 Ziff. 1; GewStDV Abs.1 Satz 1 GewStG), „gewerbliches Unternehmen“ ($ 2 
$ 1 Abs.1. Abs.1 Satz 2 GewStG) und „Beteiligung am allgemeinen 
Streitig ist, ob die von der Besitzgesellschaft (GbR) im Wirtschaftlichen Verkehr“ (5 1 Abs.1 GewStDV) stellen 
Jahre 1962 aus der Vermietung von Grundstücken an die keine festumrissenen Rechtsbegriffe dar. Ihre inhaltliche 
von den Gesellschaftern beherrschte, aus einer Betriebs- Bestimmung ist eine Aufgabe der Steuergerichte. Die 
spaltung hervorgegangene Betriebs-GmbH erzielten Ein- Steuergesetze, die die Steuerpflicht an bestimmte wirt- 
künfte der Gewerbesteuer unterliegen. schaftliche Lebenssachverhalte knüpfen, müssen der Viel- 
. x n falt wirtschaftlicher Gestaltungsmöglichkeiten Rechnung 
Die aus den Gesellschaftern X und Y zu gleichen Teilen tragen und können ohne unbestimmte Rechtsbegriffe und 
bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts — im folgenden Generalklauseln nicht auskommen. Diese weitgefaßten 
GbR — vermietete an die Z.-GmbH — im folgenden GmbH -, Normen können das Gebot materieller Gerechtigkeit über- 
deren Gesellschafter sie sind, Fabrik-, Wohn- und Büro- haupt erst erfüllen, wenn der Richter Lücken schöpferisch 
gebäude. Die Einkünfte aus der Vermietung betrugen im ausfüllt und Zweifelsfragen So beantwortet, daß er den 
Streitjahr 1962 42234 DM. Die GmbH war im Jahre 1939 objektiven Willen des Gesetzgebers im Einzelfall verwirk- 
aus einer Betriebsspaltung hervorgegangen. licht (vgl. auch Entscheidungen des Bundesverfassungs- 
Das Finanzamt behandelte die Einkünfte aus der Ver- 8erichts;— BVerfGE — Bd. 13 S. 164). 
mietung als gewerbliche Einkünfte und rechnete sie bei der Die Steuergerichte sind berechtigt, die Steuergesetze nicht 
Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags zum Gewerbe- nur eng, sondern — mit der gebotenen Vorsicht — auch weit, 
ertrag. Es bezog sich auf die ständige Rechtsprechung des qg, h, bis zur Grenze des möglichen Wortsinns, auszulegen, 
Bundesfinanzhofs (Urteile I 131/59 S vom 8. November 1960, und zwar auch zuungunsten der Steuerpflichtigen. Der 
BStBl. 1960 III S. 513, Slg. Bd. 71 S. 706%; I 57/61 S vom Charakter der Auslegung wird nicht dadurch verändert, 
16. Januar 1962, BStBl. 1962 III S. 104, Sig. Bd. 74 S. 275%; daß die Rechtsprechung dabei Rechtsgrundsätze entwickelt. 
IV 417/60 S vom 25. Juli 1963, BStBl. 1963 III S. 505, Slg. Darin allein liegt kein Verstoß gegen die Rechtsstaatlich- 
Bd. 77 S. 5049). keit.” Denn die Herausbildung fester Rechtsgrundsätze ist 
Auf die Sprungberufung hob das Finanzgericht den Ge- eine der wichtigsten Aufgaben, die die letztinstanzlichen 
werbesteuermeßbescheid auf, da die GbR nicht gewerbe- höchsten Gerichte im Interesse gleichmäßiger Rechts- 
steuerpflichtig sei. anwendung zu erfüllen haben (vgl. Beschluß des Bundes- 
a : z . ; ‚4. Werfassungsgerichts vom 11. November 1964 1 BvR 488/62, 
Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß die Besitz- „65/62 9215/64, Der Betrieb 1965 S.15). Hiergegen können 
gesellschaft nicht über die Betriebskapitalgesellschaft am : . 
. s . 5 . auch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Die gegen- A ; . 
= f l” BVerfGE Bd.13 S.318 (328 f.) keine Bedenken hergeleitet 
teilige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei weder mit 1 N x 
. Rn . : werden. Dort ist zwar ausgeführt, daß Rechtsgrundsätze, 
der rechtlichen Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft noch... ; 7x ; 
; ; ; die von der Rechtsprechung im Wege schöpferischer Inter- 
mit dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer verein- : a : ? 
; ; ; pretation entwickelt und in der Weise angewendet werden, 
bar. Sie besitze normartigen Charakter und verstoße daher x : Kaas . 
gegen Art.20 Abs.3 des Grundgesetzes (GG).. Sie stehe daß der Einzelfall ihnen wie einer Norm subsumiert werde, 
BE Mt ALU S AUS LOG nicht u Einklang, da die Beherr- Y°/assungsrechtlichen Bedenken. unterllSe WAR SS 
; ; ; Ergebnis eine Ausweitung des Steuertatbestands bedeute- 
schung der Betriebskapitalgesellschaft durch die Gesell- < 1 
; ; saAlı ten. Von einer Ausweitung des Steuertatbestands kann 
schafter des Besitzunternehmens eine unterschiedliche Be- ; : ) : A ; : 
; 5 ; jedoch hier keine Rede ‚sein. Die Grenze zwischen weiter 
steuerung der Vermietung nicht rechtfertige. Wegen der Geset 1 ne‘ und ergänzender Rechtsfortbildung läßt 
Einzelheiten verweist das Finanzgericht auf seine in den 76$°"70U5 egung Und er e 5 
4 : 5 : “ sich zwar im einzelnen nur schwer ziehen (vgl. Larenz, 
„Entscheidungen der Finanzgerichte“ (EFG) 1960 S.65 ; 
Und 1963 &. 463 veröffentlichten Urteile Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 260, 273 ff.). Ent- 
. scheidend ist, daß es sich hier um die nähere Bestimmung 
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet. des im gesetzlichen Tatbestand gebrauchten Begriffs des 
: ‘ Gewerbebetriebs handelt. Sie ergibt sich aus der wirtschaft- 
Die angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur ‚. ; Bl 
Gewerbesteuerpflicht der Besitzgesellschaft überschreitet en BEE und stellt eine mögliche Auslegung des 
nicht die Schranken, die den Gerichten im Verhältnis zum OSOLZES T 
rn Die Vorinstanz verkennt das Wesen der wirtschaftlichen 
% BStBl. 1965 III S. 261 Betrachtung, wenn sie ihr eine „rein rechtliche Betrach- 
Y SEA Bin: TO0E 5 a0n tungsweise“ gegenüberstellt und dementsprechend die 
4) StZBIl. Bln. 1964 S. 22 Gleichartigkeit der zivilrechtlichen Form der Pachtverhält- 
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