Steuer- und Zollblatt für Berlin 15. Jahrgang Nr.57 17. September 1965 1393
dafür biete, daß die Einkünfte des Organs, wie es in der des Gewinns mit Körperschaftsteuer beim Organ und Or-
Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs überwiegend ge- ganträger durch den Abschluß eines EAV auszuschließen
schehen sei, dem Organträger zugerechnet werden. Es und Verluste des Organs vom Organträger ausgleichen zu
bestünden Bedenken, ob diese Vorschrift eine ausreichende lassen (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs I D 2/31 und
Grundlage dafür biete, einen EAV wie einen betrieblichen III D 2/32 vom 26. Juli 1932, RStBl. 1933 S. 136, und Urteil
Vorgang zu behandeln. I A 439/32 vom 18. Februar 1933, RStBIl. 1933 S. 647, mit
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet. Angabe der früheren Rechtsprechung). Wie dieser Aus-
schluß zu qualifizieren ist, ist von der Rechtsprechung
%. nicht einheitlich beurteilt worden (vgl. Hübl in Deutsche
Nachdem das preußische Oberverwaltungsgericht für den Steuer-Zeitung Ausgabe A 1965 S.17 ff.); gleichwohl ist
Bereich der Gewerbesteuer angenommen hatte, daß eine das Ergebnis aller Modifikationen, daß der Verlustaus-
juristische Person als Angestellte für einen anderen tätig gleich zugelassen und der Gewinn des Organs nur einmal
sein könne (Urteil V a 76/08 vom 30. Januar 1909, Ober- Zur Körperschaftsteuer heranzuziehen ist. Dieses Institut
verwaltungsgericht in Staatssteuersachen Bd. 14 S. 320), der Organschaft mit EAV ist auch vom Bundesfinanzhof
bestätigte der Reichsfinanzhof im Urteil I A 10/22 vom grundsätzlich anerkannt worden (vgl. Gutachten I D 1/56 S
31. März 1922, Slg. Bd. 9 S. 167, daß eine GmbH als An- vom 27. November 1956, BStBl. 1957 III S. 139, Slg. Bd. 64
gestellte eines Gewerbetreibenden Einkommen aus Arbeit S. 3689).
beziehen könne. Abgelehnt wurde stets die Zusammen- Wie schon unter I. gesagt, ist die Abführung des .ge-
fassung der an der Organschaft beteiligten Glieder zu samten Ergebnisses des Organs nicht zulässig, weil das
einer steuerlichen Einheit (vgl. Entscheidung des Reichs- Organ aus dem Gewinn noch eigene Steuern zu bezahlen
finanzhofs I D 2/31 und III.D 2/32 vom 26. Juli 1932, hat. Was „tatsächlich“ abzuführen ist, bestimmt sich nicht
RStBl. 1933 S. 136). Auch eine einheitliche Ermittlung des nach Steuerrecht, sondern nach dem EAV. Wenn auch
Einkommens von Organ und Organträger wurde nicht zu- nach allgemeinen Regeln ein Vertrag möglichst so aus-
gelassen; das „steuerliche Ergebnis“ des Organs sollte für zulegen ist, daß die mit ihm beabsichtigten Rechtsfolgen
sich ermittelt und dem Organträger zur Besteuerung zu- legal eintreten können, treten die beabsichtigten steuer-
gerechnet werden (vgl. u. a. Entscheidung des Reichs- lichen Folgen nur ein, wenn die Parteien dementsprechend
finänzhofs I A 401/32 vom 22. Januar 1935, RStBl. 1935 verfahren und keine steuerlich unabdingbaren Grundsätze
S. 517). Damit war das Organ bilanzmäßig ohne Gewinn verletzt werden. Ist so grundsätzlich vom Inhalt und. der
und Verlust, da Zu- und Absetzungen beim Handelsbilanz- Durchführung des EAV auszugehen, so müssen vom
gewinn für die Zwecke der Steuerbilanz beim Organträger Steuerrecht her u. a. Manipulationsmöglichkeiten, die für
erfaßt wurden; darüber hinaus war aber das Organ auch die Handelsbilanz bestehen, begrenzt werden (vgl. Urteil
steuerlich ohne (positives oder negatives) Einkommen des Bundesfinanzhofs I 73/35 U vom 14. Februar 1956,
(vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 439/32 vom 18. Fe- BStBl. 1956 III S. 151, Slg. Bd. 62 S. 4073).
N eren N arena N EROES TE Z0000 U AO RT NT Nach Handelsbilanz und Steuerbilanz ergibt sich in
21... Durchführung des EAV beim Organ eine Gewinnminde-
vember 1953, BStBl. 1954 III S. 21, Slg. Bd. 58 S. 281%), dahin 3 „As 2
eingeschränkt, daß die vom Organ gezahlten Personen- <4n8 zugunsten des Organträgere; dies wäre — da auf Be:
steuern nicht. zu dem dem Organträger zuzurechnenden sellschaftsrechtlicher Grundlage beruhend — steuerlich eine
und von diesem zu versteuernden Betrag gehören, sondern Ch geckte: Gewinnausschüttung, wenn: eine solche Beut:
als Teil des eigenen Einkommens des Organs von ihm teilung nicht durch das Rechtsinstitut der anerkannten
Selbst zu versteuern sind. Der Bundesfinanzhof hat damit Organschaft mit EAV ausgeschlossen wäre. Die steuerliche
der rechtlichen Selbständigkeit des Organs steuerlich ein N OL TC Haft ade A N an die
größeres Gewicht beigemessen als der Reichsfinanzhof, Konnal SASUE . 5 DE BUT DSL
dessen Rechtsprechung sich in den Auswirkungen der von "
ihm selbst stets abgelehnten Einheitstheorie näherte. Aus Die mehr als 40jährige Rechtsprechung ist von den be-
dem Charakter des Organs ais Steuersubjekt folge not- teiligten Wirtschaftskreisen beachtet und zur Grundlage
wendigerweise, daß es, trotz der wirtschaftlichen Ein- bedeutsamer unternehmerischer Entscheidungen gemacht
gliederung, auch Einkommen haben und objektiv steuer- worden. Auch der Gesetzgeber ist wiederholt von der
pflichtig sein müsse (Urteil I 73/55 U vom 14. Februar Gültigkeit des Rechtsinstituts der Organschaft ausgegan-
1956, BStBl. 1956 III S. 151, Slg. Bd. 62 S. 407%, und Gut- gen, indem er sie wiederholt zum Anknüpfungspunkt von
achten I D 1/56 S vom 27. November 1956, BStBl. 1957 gesetzlichen Vorschriften gemacht hat. Beispiele hierfür
III S. 139, Slg. Bd. 64 S. 368%). Im Urteil I 73/54 U vom sind $ 67 des Gesetzes über die Einführung des. deutschen
8. März 1955, BStBl. 1955 III S.187, Slg. Bd.60 S. 4895, Rechts auf dem Gebiet der Steuern, Zölle und Finanz-
wurde gesagt, daß der Muttergesellschaft nicht der han- monopole im Saarland vom 30. Juni 1959 (BGBIl.I S. 339,
delsbilanzmäßige Gewinn, sondern der nach den Grund- 352) und 8 3 Abs. 1 des Gesetzes über Steuererleichte-
sätzen des Steuerrechts ermittelte Gewinn der Organgesell- rungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin (West)
schaft zuzurechnen ist, soweit er ohne Verletzung gesetz- in der Fassung vom 26. Juli 1962 (BGBl. I S. 502). Es
licher Vorschriften nach den vertraglichen Vereinbarungen wurde darum allgemein als Rechtens empfunden, daß im
an die Muttergesellschaft abzuführen wäre, falls er in der Falle der organschaftlichen Abhängigkeit in Verbindung
Handelsbilanz ausgewiesen würde. Hiernach wird. das mit einem EAV die doppelte Heranziehung zur Körper-
steuerliche Mehrergebnis gegenüber dem Ergebnis der schaftsteuer vermieden werden kann, d. h., daß der Gewinn
Handelsbilanz dem Organträger zugerechnet. beim Organ nicht der Körperschaftsteuer unterliegt, wenn
er beim Organträger zur Körperschaftsteuer heranzu-
I. ziehen. ist. Der Senat ist der Ansicht, daß durch den Ge-
Auf die oben bezeichnete Anfrage in dem Schreiben des richtsgebrauch bei den beteiligten Kreisen eine Rechts-
Senats vom 4. April 1962 haben in einer gemeinsamen Überzeugung dahin begründet worden ist, daß gleichartige
Stellungnahme der Bundesverband der Deutschen Industrie Fälle in diesem Sinne entschieden: werden; diesem Um-
und der Deutsche Industrie- und Handelstag die Auf- stand ist ein so ‘starkes Gewicht beizumessen, daß im
fassung‘ vertreten, daß in bezug auf die steuerrechtliche Rahmen der bisherigen Rechtsprechung das Institut der
Beurteilung der Organschaft mit Ergebnisabführung Ge- Organschaft mit EAV anzuerkennen ist.
wohnheitsrecht vorliege, da eine ständige Übung und eine Andererseits kann.nicht verkannt werden, daß die Auf:
A a ee A ein fassungen über die Wirkungen des EAV. nicht unerheblich
tet ein 1 n, ob dieser Recht jcht zu folgen sei voneinander abweichen und auch die Rechtsprechung bei
BC8 SCHE SHEN, OD ES Schtsansicht zu 10I8€N SCI einer Beurteilung nicht immer einheitlich verfahren ist.
Die Rechtsprechung hat stets die Möglichkeit bejaht, für Da sich bei steuerlicher Anerkennung der Organschaft mit
die Körperschaftsteuer eine an sich rechtlich selbständige EAV auch den Steuerpflichtigen belastende Momente er-
Gesellschaft. als Organ eines. sie beherrschenden Unter- geben können, erscheint es dem Senat geboten, daß der
nehmens anzusehen. Liegt ein solches Organverhältnis vor, Gesetzgeber in angemessener Zeit die Organschaft mit
so ist die Möglichkeit anerkannt, die mehrfache Belastung EAV gesetzlich regelt. Das Steuerrecht ist Eingriffsrecht
A und erfordert klare Rechtssätze, zumal dem Problem auch
D Set BI Eder S Son wesentliche Bedeutung für die Wirtschaftspolitik zu-
5) StZBI. Bin. 1956 S. 33 kommt. Wenn auch zur Zeit an diesem allein von der