Steuer- und Zollblatt für Berlin 15. Jahrgang Nr.49 30. Juli 1965 „245
kein Beförderungsunternehmen im Sinne des 8 3 Abs. 1 Die Frage, ob die Vorschrift des $ 3 Abs. 1 Nr. 2 BefStG
Nr. 2 BefStG 1955 sei, so läge in diesen Ausführungen ein 1955 nur auf Beförderungsunternehmen anzuwenden ist,
neues tatsächliches Vorbringen, mit dem der deren Hauptgegenstand das Ausführen steuerbarer Beför-
Vorsteher des Finanzamts in dieser Instanz nicht mehr ge- derungen im Sinne des $ 1 BefStG 1955 ist, war im Streit-
hört werden könnte ($ 288 Nr. 1, 8 296 Abs. 1 AO). fall nicht zu entscheiden
Einkommensteuer tet sie um Aussetzung des Verfahrens nach Art. 100 des
Urteil des BFH vom 15. Oktober 1964 — VI 175/63 U) Grundgesetzes (GG) bis zur Entscheidung des Bundesver-
e fassungsgerichts über die Rechtsgültigkeit des 8 63 a Ziff. 1
(StZBI. Berlin 1965 S. 1245) EStDV 1960. Sie führt aus, daß durch 8 32a Abs. 3 Ziff. 1
L._Der Erbe eines Steuerpflichtigen, der als Gesamtrechts- RO AS EEE ne räumt werde, die dem
nachfolger grundsätzlich auch bei der Besteuerung in Ss); 44;ng_Verfahren angenähert sei. Es sei zu beachten, daß
die Rechtsstellung des Erblassers eintritt, kann auch das Einkommen, das der überlebende Ehegatte in dem auf
N Dora des N OR ct N a nach SR TS EStG das: Todesjahr folgenden Veranlagungszeitraum be-
ESCHE N eüben: BEA YVOFANARUNG Oder Zusam ziehe, immer nach dieser Vorschrift besteuert werde; denn
Den Veranlagung ANSUDEN: x aus $ 26 EStG könnten für diesen Veranlagungszeitraum
8 63a Ziff. 1 EStDV steht der Besteuerung eines ver- „eine Bedenken gegen eine Besteuerung nach dem Splitting-
witweten Steuerpflichtigen im Todesjahr seines Ehegat- verfahren hergeleitet werden, da S 26 EStG bei der Besteu-
ten nach dem Splitting-Verfahren (S& 32 a Abs. 3 Ziff. 1. orıung dieses Veranlagungszeitraums keine Bedeutung mehr
EStG). jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der über- pape, Die Auffassung des Finanzgerichts führe aber dazu,
lebende Ehegatte den Verstorbenen nicht allein beerbt aaß sie gerade im Todesjahr ihres Ehemanns, das hohe
hat. Belastungen für sie gebracht habe, eine höhere Einkom-
GG Art. 80 Abs. 1; EStG 1960 8 32a Abs. 3 Ziff. 1; EStDV mensteuer bezahlen müsse als im folgenden Jahr. Auf $ 63a
1960 8 63 a Ziff. 1. EStDV 1960 könne die Ablehnung des Splitting-Verfahrens
« ; _. nicht gestützt werden, da diese Bestimmung durch die Er-
Der Ehemann der Bfin. ist am 14. Mai 1960. gestorben mächtigung in 8 51 Abs. 1 EStG 1960 nicht gedeckt und
und von seinem. Sohn beerbt worden, Die Eheleute haben qgeshalb wegen Verstoßes gegen Art. 80 GG nichtig sei. Im
nicht getrennt gelebt. In der Einkommensteuererklärung übrigen greife 8 68a EStDV 1960 aber auch nicht ein, weil
für 1960 gab die Bfin. nur ihre eigenen Einkünfte an. Sie er nur die Fälle betreffe, in denen ein Steuerpflichtiger nach
strich im Erklärungsvordruck den Satz über die Zusammen- 8 26 Abs. 1 EStG zwischen getrennter Veranlagung und
veranlagung aus und fügte statt dessen die Worte ein: 7usammenveranlagung selbst wählen könne. Sie habe aber
„Antrag auf Splitting nach $ 32a (3) 1.“ Ihr Sohn gab für ‚ein selbständiges Wahlrecht gehabt, da sie die Bestimmung
seinen Vater eine eigene Einkommensteuererklärung ab und nach 8 26 Abs. 2 EStG 1960 über die Art der Veranlagung
beantragte eine getrennte Veranlagung. Das Finanzamt nur zusammen mit ihrem Sohn habe treffen können.
veranlagte die Bfin. nicht mit ihrem verstorbenen Ehemann
zusammen und setzte bei der getrennten Besteuerung der Die Rb. führte zur Aufhebung der angefochtenen Ent-
Bfin. die Einkommensteuer nach der als Anlage zu 8 32a scheidung und der Einspruchsentscheidung.
Abs. 1 EStG 1960 beigefügte Grundtabelle fest. Der Ein-
spruch der Bfin., mit dem sie Besteuerung nach $ 32 a Abs. 3 Die Voraussetzungen, an die nach dem Wortlaut des
Ziff. 1 EStG begehrte, hatte keinen Erfolg. $ 32a Abs. 3 Ziff. 1 SIG 1960 bei Verwitweten im Todes-
Auch ihre Berufung wurde als unbegründet zurückge- jahr des anderen Ehegatten die Besteuerung nach dem
wiesen. Das Finanzgericht lehnte die Besteuerung nach dem Splitting-Verfahren geknüpft werden, sind erfüllt; denn die
in $ 32a Abs. 3 Ziff. 1 EStG 1960 vorgesehenen Splitting- Bfin. und ihr verstorbener Ehemann haben nicht dauernd
Verfahren gleichfalls ab, weil der Sohn als Gesamtrechts- getrennt gelebt. Das Finanzgericht hat gleichwohl die An-
nachfolger seines Vaters eine getrennte Veranlagung be- wendung dieser Vorschrift abgelehnt, weil sich aus der
antragt habe. Ehegatten, die nicht dauernd getrennt lebten, Verweisung in Abs. 3 Ziff. 1 auf Abs. 2 ergebe, daß das
und bei denen diese Voraussetzung mindestens vier Monate Splitting-Verfahren nur angewendet werden könne, wenn
im Veranlagungszeitraum bestanden habe, könnten nach die Einkünfte des verwitweten und des verstorbenen Ehe-
8 26 EStG 1960 zwischen getrennter Veranlagung und Zu- gatten in dessen Todesjahr zusammengerechnet würden.
sammenveranlagung wählen. Nach dem Tode eines Ehe- Der Senat teilt diese Auffassung nicht, sondern ist der An-
gatten werde das Wahlrecht. von seinem Gesamtrechtsnach- Sicht, daß Abs. 3 Ziff. 1 über die Ermittlung des Einkommens
folger ausgeübt. Da der Sohn — wie sein verstorbener Vater Nichts besagt, und daß es deshalb nicht darauf ankommt,
in den Vorjahren — für 1960 eine getrennte Veranlagung 0b das Einkommen des überlebenden Ehegatten mit dem des
beantragt habe, habe das Finanzamt die Bfin. und ihren Verstorbenen nach $8 26 ff. EStG 1960 zusammengerechnet
verstorbenen Ehemann für 1960 getrennt veranlagen müs- Wird oder nicht.
sen. Die Bfin. könne nicht nach $ 32 a Abs. 3 Ziff. 1 EStG die “ x . nn
Anwendung: der Splitting-Tabelle beantragen. Diese Vor- A U 0 9ER DD az Er EStG 1060. AR IS lckete ©
emae ne art festlicger Wein also 2. Br de verstorbene Zannte Bestimmung nicht zur Anwendung kommen soll bei
Ehegatte nicht vier Monate unbeschränkt steuerpflichtig ge: StenerPfichtigen, die nach 26 Als, 2 EÄLG 1000 zwichen
wesen sei. a S. , der in S. jeser 5” T . A
Vorschrift für anwendbar erklärt werde, gehe davon aus, Zt die VErEUGSUSURE HOME Un e Tr O60
N erde. Daraus (ergebe N eb ner de N DEREN kein Bedürfnis bestehe, wenn ein verwitweter Steuerpflich-
der Einkünfte des verstorbenen mit dem überlebenden Ehe- tiger zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Ver-
yatten Voraussetzung sei für die Besteuerung nach dem %lagung wählen könne (vgl. z. B. Littmann, Das Einkom-
Splitting-Verfahren. Wenn aber der Gesamtrechtsnachfol- mensteuerrecht, 7. Auflage, 1962, Bem, 5a zu $ 32a; Blü-
ger eines verstorbenen Ehegatten eine getrennte Veranla- Mich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz,
gung verlange, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Da 9. Auflage, Bd. 2, 1964, Anm. 4 zu $ 32 a, S. 1870; Hermann-
$ 32a Abs. 3 Ziff. 1 EStG 1960 schon aus diesem Grund Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaft-
nicht anwendbar sei, brauche zur, Rechtsgültigkeit des steuer, 10. Auflage, an EOS 32 060 00 ). ae Bfin. hält
5 68a Ziff. 1 EStDV 1960 nicht Stellung genommen. zu 1°Mgesenüber $ 63 a Ziff. 1 EStDV 1960 für rechtsungültig,
werden. weil die Bundesregierung nicht durch ein Gesetz ermächtigt
sei, durch Rechtsverordnung eine solche Einschränkung bei
Die Bfin. wiederholt mit ihrer Rechtsbeschwerde (Rb.) verwitweten Steuerpflichtigen einzuführen. Für diese Auf-
den Antrag, ihre Einkünfte im Veranlagungszeitraum 1960 fassung der Bfin. spricht viel; insbesondere ist nicht ohne
nach dem Splitting-Verfahren zu besteuern; hilfsweise bit- weiteres einzusehen, warum für das Todesjahr das Splitting
entfallen ‚soll, weil der überlebende Ehegatte die getrennte
1) BStBl. 1965 III S. 86. Besteuerung beantragen konnte, daß aber im folgenden
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