726 Steuer- und Zollblatt für Berlin 14, Jahrgang Nr.35 5. Juni 1964
herrschende Person dem Inland zugeordnet ist, wird auch völkerrechtlichem Territorialprinzip unvereinbar ist. Das
die im Organverhältnis stehende Körperschaft dem Inland Gutachten führt selbst aus, daß sich eine Norm des
steuerlich zugeordnet. Diese Tatsache ist aber dadurch be- internationalen Steuerrechts dahin, daß aus der Anwen-
gründet, daß sich die ausländische Gesellschaft wirtschaft- dung der Organschaft im nationalen Bereich keine Schlüsse
lich als ein im Rahmen des beherrschenden inländischen gezogen werden dürfen, nicht beibringen lasse. Es ist Sache
Unternehmens gesondert geführter Betrieb darstellt. Auch vernünftiger Selbstbescheidung des Staates, wie weit er
wenn man der Ansicht von Verdross a.a. O. S. 248 folgt, gehen will, „obwohl man nicht sagen kann, daß in dieser
daß durch das innerstaatliche Recht nur Tatbestände erfaßt Beziehung vom internationalen Recht her eine staatliche
werden dürfen, die eine hinreichende Anknüpfung zu dem Schranke auferlegt wurde‘ (Udina, Diritto Internationale
regelnden Staat aufweisen, so ist diese Voraussetzung hier Tributario, S. 83). Es kann darum auch nicht anerkannt
durch die Tatsache erfüllt, daß die Bfin. Organ der inländi- werden, daß Hoheitsakte eines Staates, die Wirkung in
schen AG ist. Das Organ wird von dem Organträger in einem anderen Staat haben sollen, der Zustimmung dieses
finanzieller, organisatorischer und wirtschaftlicher Bezie- anderen Staates bedürfen. Jeder Staat gestaltet sein
hung beherrscht. Bei der hier gegebenen Sachlage und der Steuerrecht entsprechend seinen finanzpolitischen Erwä-
Beteiligung von 99 v.H. kann die inländische AG der Bfin. gungen. Überschneidungen mit den. Steuersystemen anderer
ihren Willen aufzwingen, so daß diese — wenn auch rechtlich Staaten beeinflussen nicht die, Rechtmäßigkeit der ge-
selbständig und nicht zu einer Einheit mit. der AG verbun- wählten Regelung; diese auszugleichen, ist vielmehr Sache
den — wirtschaftlich so sehr von der AG abhängig ist, daß zwischenstaatlicher Vereinbarungen. Unter Bezugnahme
eine hinreichende Beziehung zum Inland nicht bestritten auf Maxime Chretien („A la recherche du droit inter-
werden kann. Die Leitung der: Bfin. liegt dadurch wirt- national fiscal commun“, 1955) kommt auch der Gutachter
schaftlich bei der AG, deren Geschäftsleitung im Inland zu dem Ergebnis, daß von einem allgemeinen internatio-
liegt; dadurch ist ihre unbeschränkte Steuerpflicht im In- nalen Steuerrecht bis heute eigentlich überhaupt noch nicht
land gerechtfertigt. Es muß bei der Beurteilung der hier gesprochen werden könne.
anstehenden Frage auch berücksichtigt werden, daß all- . m . :
gemein gemäß 8 34c EStG die auf ausländische Einkünfte _ Es ist auch richtig, daß es entgegen der Ansicht des
entfallenden, im Ausland gezahlten Steuern auf die deutsche Bundesministers der Finanzen die amerikanische Revenue
Einkommensteuer angerechnet werden, wodurch die Kolli- Bill 1962 und der englische Finance Act 1957 vermeiden,
sion der Besteuerung schon weitgehend gemildert wird. den von inländischen Gesellschaften beherrschten auslän-
dischen Gesellschaften selbst Pflichten aufzuerlegen (vgl.
Es ist ferner zuzugeben, daß sich bei der Anwendung der Rädler, Steueränderungen durch das Steuergesetz 1962
Vorschrift im Rahmen der deutschen Besteuerung Schwie- der USA, Internationale Wirtschafts-Briefe, Fach 8 USA
rigkeiten ergeben können. Für die hier anstehende Frage, Gr. 2 S. 63 ff., und Flick, „Die Overseas Trade Corporation
ob eine Vorschrift des nationalen Steuerrechts durch eine iM Steuerrecht Großbritanniens und Änderungen im Steuer-
Regel,des Völkerrechts überdeckt wird, ist aber die Frage recht Großbritaniens, Internationale Wirtschafts-Briefe
der Durchführbarkeit nicht entscheidend. Der Hinweis auf Fach 5 Großbritannien Gr. 2 S. 37ff.), und nur die In-
die Ausführungen von Felix (Von der Auslegung und An- landsgesellschaften zur Steuer heranziehen. Aber auch
wendung der Steuergesetze, 1958, S. 124 ff.) über „Prakti- diese Tatsache ist kein Beweis dafür, daß es einen Rechts-
kabilitätserwägungen als Auslegungsgrundsatz“ kann in Satz des Völkerrechts gibt, der die Heranziehung der aus-
diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung ländischen Tochtergesellschaft zur deutschen Körperschaft-
haben, da diese Gesichtspunkte zwar bei der Auslegung Steuer verbietet.
eines Gesetzes herangezogen werden können, nicht aber für IT.
die Frage, ob eine Norm dem Völkerrecht widerspricht. x . £ .
Hier spielt die Auslegung keine Rolle mehr, sondern die d Auch der ae ie N GET SC} das er
Frage, ob die Norm mit zweifelsfreiem Inhalt durch einen ST Gleichbe andlung n Mc Bf P iS t ter Jetzt. ra DB
Rechtssatz des Völkerrechts überdeckt wird. Auftauchende ES DS AD a“ je nn ESEL. 00 A or. 410
Schwierigkeiten können bei der Anwendung der Vorschrift N nd d N TEUL daß die damaliee we jerun: in. "Außensteuer-
nicht unter dem Gesichtspunkt berücksichtigt werden, daß AA EC 51 5 ichts fü
sie im AKEinzelfall völkerechtlichen Grundsätzen wider- rechtssachen „sehr behutsam“ vorging, besagen DACIA
es a“ ; : ef eine ungleichmäßige Anwendung der Vorschrift. Auch der
sprächen. Es gibt zum mindesten keine Regel des Völker- Vort de nichts riski behaup-
rechts, die dem Erlaß einer schwer durchführbaren Vor- Ortras, „Man Werde HiICHFS TISKICFEN, WENN Man. SAU
hrift. entgegenstände. tet, daß die Nicht-Anwendung jener Fiktionen die Regel
SC gewesen sei“, kann die Ansicht der Verfassungswidrigkeit
: FR der Vorschrift nicht begründen. Daß das Gesetz eine unter-
Es mag auch zugegeben werden, daß die Organtheorie im ET en
außerdeutschen Steuerrecht keinen Eingang gefunden hat. schiedliche Behandlung der ee a har
Aus der Aufnahme der Organklausel in das deutsch-ita- schaften statulere, ist nicht be auptet und nicht er SANDAT,
lienische Doppelbesteuerungsabkommen von 1925 und das Daß die Vorschrift bei BENAC Organgesellschaften nicht
italienisch-französische von 1930 kann aber geschlossen En en St Den EEE 0a ES Ontaper
werden, daß aus dem Institut der Organschaft im deutschen 9030 (RStBL- w099; 5 5070) ah N EOEr 2UF Milderun
Steuerrecht im internationalen Verkehr keine Rückschlüsse der dürch 15 Abs. 2 St. AnpG hervorgerufenen steu N rlichen
dahin gezogen worden sind, daß es völkerrechtlichen Regeln SR S SS D U vorge en .
widerspräche. Auch die Stellungnahme auf den Ifa-Kon- Auswirkungen unter ae N oraussetzungen he
gressen (1939, Cahiers de droit fiscal International Vol I Nichtanwendung Vor; urch An altlich übereinstimmende
1939 S. 217, 236; vgl. auch Steuer und Wirtschaft 1954 Ländererlasse ist dieser mit Wirkung vom 1. Januar 1957
Sp. 325—8342 für die Tagung der Ifa am 10. Dezember 1953, (BStBL 1958 II S. 71) aufgehoben, da er durch Einführung
für 1fa 1954 Cahlers 1054 £. 128). und dem deutsch-franzo Js: 3 19a KStG: 340 HEIG Segenslandslos SewoTSCh Wal
sischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 14. April 1961 In dem hier SS Veran BEUNESZE Ta NE
(BGBl. 1961 II S. 397), die der Organtheorie Kritisch An 0nan8, Von TS A race Lierhach vn
gegenübertreten, können hierfür nicht als Beweis ange- bstand Zu. nehmen oder‘ nur in Hinzelfälen hiernach vor“
sehen werden. Das von dem Gutachter dargestellte Gesamt- Zugchen. ine ungleichmäßige Anwendung der Vorschrift
bild rechtfertigt die Annahme, daß die Organschaft und jäßL sich nicht feststellen.
ihre: Ausgestaltung in den verschiedenen Ländern unter- IV
schiedlich beurteilt und die Tendenz deutlich wird, den Be- . e SA
reich der Behandlung einer abhängigen Organgesellschaft Daß $ 15 Abs. 2 StAnpG kein Ausfluß nationalsozialisti-
als Betriebsstätte eng zu begrenzen und gegebenfalls bei Schen Gedankengutes ist, haben sowohl der Bundesminister
der Tochtergesellschaft die ihr zuzuschreibenden Gewinn- der Finanzen wie der Gutachter mit zutreffender Begrün-
anteile von den anderen zu unterscheiden. Abgesehen da- dung dargetan. Die Vorschrift ist im vorliegenden Falle
von, daß Rädler in Steuer und Wirtschaft 1963 Sp. 283 anzuwenden und das Urteil der Vorinstanz zu bestätigen.
die Ansicht äußert, die neuere Entwicklung stelle ein
Wiederaufleben der Organtheorie im internationalen Raum
dar, kann aus der oben dargestellten unterschiedlichen Der Senat sieht auch keinen Anlaß, gemäß Art. 100
Beurteilung der Organschaft im internationalen Raum Abs. 2 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
nicht der Schluß gezogen werden, daß 8 15 Abs. 2 StAnpG in dieser Frage einzuholen. Zwar würde die Tatsache, daß
mit der heutigen Auffassung von Steuersouveränität und es sich um einen „Berliner Fall“ handelt, das Bundesver-