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Volume Nummer 31, 15. Mai 1964

Full text: Steuer- und Zollblatt für Berlin (Public Domain) Ausgabe 14.1964,2 (Public Domain)

Steuer- und ZoNlblatt für Berlin 14. Jahrgang Nr. 31 15. Mai 1964 643 
Umsatzsteuer-Reichsabgabenordnung prüfung aufgedeckt werden, für die EAU Tan 
« neue Tatsachen im Sinne des $ 222 Abs. 1 Ziff. auc 
Urteil’ des BFH vom 16. Januar 1964 — V 94/61 U) dann darstellen, wenn bereits zu einem früheren Zeitpunkt 
(StZBI. Berlin 1964 8. 643) eine Steuerfahndungsprüfung stattgefunden, der Prüfungs- 
Mängel des Buchnachweises, die bei einer Betriebsprü- bericht aber Ausführungen über den Buchnachweis nicht 
fung aufgedeckt werden, stellen für die Veranlagungsstelle °Nnthalten hatte (Urteil des Bundesfinanzhofs V 71/56 vom 
des Finanzamts neue Tatsachen im Sinne des 8 222 Abs. 115. Se en de DS CUMS 
Ziff. 1 AO auch dann dar, wenn bereits zu einem früheren !N Karteliorm, UmsSatzsteuergeSetZ, Ss. /3, Rechts- 
Zeitpunkt eine Steuerfahndung stattgefunden, der Fahn- Spruch 42). Die Entscheidung beruht auf der ständigen 
dungsbericht aber Ausführungen über den Buchnachweis Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs, 
nicht enthalten hatte. nach der es für die Frage, ob eine Tatsache dem Finanzamt 
UStG 8 7 Abs. 3; AO 8 222 Abs. 1 Ziff. 1 bekannt oder unbekannt ist, auf die Kenntnis oder Un- 
5.3; Se K kenntnis der für .die Veranlagung, zuständigen Dienststelle 
Der Steuerpflichtige betrieb im Jahre 1955 Großhandel (Sachbearbeiter und Sachgebietsleiter der betreffenden Ver- 
und Einzelhandel mit Weinen. In den Umsatzsteuer-Vor- anlagungsstelle) ankommt (vgl. u.a. Urteil des Reichs- 
anmeldungen für 1955 beanspruchte er für die Großhandels- finanzhofs I A 246/34 vom 19. Dezember 1935, RStBI 1936 
lieferungen den ermäßigten Steuersatz des 8 7 Abs. 3 UStG 5. 58; Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 143/56 U vom 
von 1 v. H. Bei einer Anfang 1956 bei dem Steuerpflichtigen 10. Juli 1958, BStBl. 1958 III S. 365, Slg. Bd. 67 S. 239%). Ist 
stattgefundenen Steuerfahndung wurden in erheblichem bei RDEE IE EEE nn nn En 
Umfang „OR“-Verkäufe festgestellt, die für 1955 zu einem 50 erlan le Veranlagungsstelle von ihr nur dann Kennt- 
geschätzten Mehrumsatz Von DM führten. Feststellungen nis, wenn sie entweder aus dem Betriebsprüfungsbericht 
über die steuerbegünstigten Umsätze enthielt der Steuer- Oe A N a RTL Ne en Kun ee an 
fahndungsbericht vom 18. April 1956 nicht. Das Finanzamt das Finanzamt hervorge vg!. Kuhn, Kommentar. zur 
veranlagte den Steuerpflichtigen durch Umsatzsteuer- Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., zu $ 222 AO Anm. 5b aa). 
bescheid vom 26. Juni 1956, indem es den vom Steuerpflich- Der Senat hält an diesen Grundsätzen fest. 
gen erlarten Umsätzen den Mehrumsatz von‘... DM hin- + Streitfall enthielt der Bericht von 1956 keinerlei Aus: 
. führungen zum Buchnachweis. Das ist auch nicht verwun- 
Am 1.Januar 1956 wurde das Unternehmen als GdbR derlich; denn es handelte sich — was die Vorinstanz nicht 
— bestehend aus dem Steuerpflichtigen, der sein Weinhan- hinreichend beachtet hat — um den Bericht einer Steuer- 
delsgeschäft eingebracht hatte, und seinem Bruder — fort- Fahndung sstelle, der es lediglich darauf ankam, gewisse 
gesetzt. Bei einer im März 1959 bei der GIbR durchgeführ- beim Vater des Steuerpflichtigen festgestellte Unstimmig- 
ten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, daß für die Ver- keiten aufzuklären und vom Steuerpflichtigen getätigte 
anlagungszeiträume 1956 bis 1958, aber auch für die Vor- Schwarzgeschäfte aufzudecken. Es ist allgemein bekannt, 
jahre der buchmäßige Nachweis, insbesondere der Nämlich- daß es nicht. Aufgabe des Steuerfahndungsdienstes ist, die 
keitsnachweis, nicht erbracht war. Das Finanzamt berich- Geschäfts- und Buchführung eines Steuerpflichtigen in dem- 
tigte daraufhin die erste Veranlagung für 1955 gemäß $ 222 selben Umfange zu durchleuchten, wie dies bei sonstigen Be- 
Abs. 1 Ziff. 1 AO. Es versagte für die Großhandelslieferun- triebsprüfungen zu geschehen pflegt. Die Folgerungen, die 
gen den ermäßigten Steuersatz des $ 7 Abs. 3 UStG und das Finanzgericht an die „Unterlassung einer gebotenen 
zog die Umsätze‘ anläßlich der Geschäftsveräußerung an Aufklärung“ „innerhalb der ersten Betriebsprüfung“ zieht, 
die GdbR zur Umsatzsteuer heran. Streitig ist, ob die Ver- gehen daher schon aus diesem Grunde fehl. 
sagung der Steuerermäßigung des 8 7 Abs. 3 UStG für 1955 . T 
auf Grund der Betriebsprüfung von 1959 im Berichtigungs- Der Senat vermag — im Gegensatz zum Finanzgericht — 
bescheid vom 2. Oktober 1959 zu Recht erfolgt ist. auch keine mangelhafte Sachverhaltsaufklärung durch die 
Der Einspruch des Steuerpflichtigen blieb erfolglos. Da zuständige Veranlagungsstelle festzustellen. Nur Zweifels- 
: ” fragen, die sich bei d ü i ü - 
gegen stellte sich das Finanzgericht auf den Standpunkt, berichten. ohne re t Pen u £ dr 5 EC anlacen 
daß das Finanzamt dem Steuerpflichtigen die Großhandels- vor ger Veranlagung geklärt werden. Zweifelsfragen dieser 
vergünstigung für den bereits geprüften Veranlagungszeit- Ar_£ ergeben sich aus dem Steuerfahndungsbericht von 1956 
raum 1955 zu Unrecht versagt habe, weil die Feststellungen pj;cht. Wenn dort zwecks Berechnung der Umsatzsteuer die 
bei der Betriebsprüfung von 1959 hinsichtlich des Buch- erklärten Umsätze mit den bisherigen Steuersätzen ange- 
nachweises keine neuen Tatsachen im Sinne des 8 222 Abs. 1 setzt worden sind, so kann keine Rede davon sein, daß damit 
Ziff. 1 AO erbracht hätten. Das Fehlen des Buchnachweises der Fahndungsbeamte — wie die Vorinstanz meint — den 
hätte schon dem Steuerfahndungsdienst auffallen müssen. vom Steuerpflichtigen begehrten Großhandelssteuersatz 
Bedfea THE Or LECALENC werdeh Können. ala Ch ausdrücklich anerkannt habe. Es würde bei der von! der 
> 7 , u Finanzverwaltung zu bewältigenden Massenarbeit eine 
gegen Un gelten Va DE N oder unvollstän- +berspitzung ihrer Aufklärungspflicht bedeuten, wollte man 
dige Aufklärung des Sachverhalts durch den Prüfer gehe verlangen, daß das Finanzamt alle nur möglichen Fälle 
grundsätzlich zu Lasten des Finanzamts. Außerdem liege o;iner steuerlich oder buchmäßig falschen Behandlung durch 
eine mangelhafte Sachverhaltsaufklärung durch die zustän- den Steuerpflichtigen ins Auge faßt und ihnen nachgeht 
dige Veranlagungsstelle selbst vor, weil sie den Steuerfahn- auch wenn weder aus den Akten noch aus den Betriebs- 
dungsbericht der Veranlagung zugrunde gelegt habe, ob- prüfungsberichten Anhaltspunkte für eine solche falsche 
wohl er keinerlei Ausführungen zum Buchnachweis enthal- Behandlung ersichtlich sind 
ten habe. Da bei einem Weinhandelsbetriebe der Buchnach- . 
weis sehr wichtig sei und wegen der vorkommenden zahl- IL. 
reichen‘ steuerlich‘ schädlichen Bearbeitungen hesondere Die Vorentscheidung ist noch aus einem weiteren Grunde 
Schwierigkeiten biete, hätte die Veranlagungsstelle Anlaß aufzuheben. Das Finanzgericht führt selbst aus, daß eine 
gehabt, vor der Veranlagung beim Prüfer Rückfrage zu Berichtigung der Umsatzsteuerveranlagung für 1955 gemäß 
halten, welche Feststellungen er zum Buchnachweis getrof- 8 222 Abs. 1 Ziff, 1 AO insoweit zulässig gewesen sei, als 
fen habe, und ihn gegebenenfalls zu weiteren Feststellungen die. Ende 1958 bekannt gewordene Einbringung des ihncl 
zu veranlassen. Da dies nicht geschehen sei, müsse das EA nn . 5 T 
Finanzamt die später aufgedeckten Buchnachweismängel Mn GEDEE als IOEETer GeseAeE TEL FAN (OU 
wegen“ mangelhafter Sachaufklärung‘ durch die‘ Veran- aus Sem Jahre 1955 zu erfassen und als Geschäftsveräuße- 
N aelten ECHT ten Zeitraum 1955 als bekannt rung nach $ 85 UStDB zu besteuern sei. In einem solchen 
E°8 5 Y Falle ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich der 
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Auf- ganze Steuerfall wieder aufzurollen. Es können dabei früher 
hebung der Vorentscheidung. unterlaufene Fehler berichtigt und Tatsachen, die für sich 
allein die Vornahme einer Berichtigungsveranlagung nicht 
L rechtfertigen würden, berücksichtigt werden. Das gesamte 
Der Senat hat in einem gleichgelagerten Fall entschieden, Verfahren wird in den Stand vor dem Ergehen des ursprüng- 
daß Mängel des Buchnachweises, die bei einer Betriebs- lichen Bescheides zurückversetzt (vgl. Kühn, a.a.O., zu 
1) BStBl, 1964 III S. 149. 2) StZBIl. Bln. 1959 S. 281.
	        
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