Steuer- und Zollblatt für Berlin 14. Jahrgang‘ Nr.5 24, Januar 1964 59
Einkommensteuer Es ist unrichtig, daß für den Abzug nach Ziff.4 a.a.O.
ein Bruttoprinzip gilt. Denn wenn nach $ 2 Abs.1 EStG
Urteil des BFH vom 27. September 1963 — VI 123/62 U) N PEMCSSUNBSZEILT BUM für die Einkommensteuer das Kalen-
(StZBIl. Berlin 1964 8.59) derjahr ist, und es dann in Abs. 2 dieser Vorschrift weiter
E heißt, Einkommen sei der Gesamtbetrag. der Einkünfte
1. Kirchensteuer kann zum Abzug als Sonderausgabe nur ‚nach Abzug der Sonderausgaben“, so ergibt sich daraus
zugelassen werden in Höhe des im Veranlagungszeitraum x}]ar, daß auch die Sonderausgaben unter dem Blickwinkel
gezahlten Betrages abzüglich des im gleichen Zeitraum ejnes vollen Kalenderjahres zu sehen sind. Im Gegensatz
etwa erstatteten Kirchensteuerbetrages, zur Auffassung der Bfin. gilt also nicht ein sogenanntes
Beihilfen, die jemand von dritter Seite zu gezahlten Bruttoprinzip; es muß vielmehr saldiert werden, wenn im
Krankenversicherungsbeiträgen erhält, sind keine Er- Veranlagungszeitraum Kirchensteuerbeträge erstattet wor-
stattungen, die zu einer Minderung der anzuerkennenden den sind. Von der Schaffung einer achten, im Gesetz nicht
Sonderausgaben führen. EEE nen ae Ohr Rede U von a
: . solchen könnte man allenfalls dann sprechen, wenn der
er 1958 $ 10 Abs. 1 Ziff. 2 und 4; EStR 1958 Abschn. 101 77n{erschied zwischen Erstattung und Zahlung — hier 117
a DM — irgendwie einkommenerhöhend verwertet würde. Das
Die Bfin. und. ihr Ehemann beantragten in der Einkom- geschieht im Streitfall aber nicht.
mensteuererklärung für das Jahr 1959 435 DM Beiträge an Die Bedeutung von „gezahlter“ Kirchensteuer wird beson-
eine private Krankenkasse und 208 DM Kirchensteuer als gers deutlich, wenn man die frühere Regelung des Abzugs
Sonderausgaben abzusetzen. Dabei waren 203,10 DM unbe- von Kirchensteuern zum Vergleich heranzieht. Nach $ 17
rücksichtigt, die der Ehemann von der Bundesversicherungs- Abs.1 Ziff. 5 EStG 1925 (RGBIl. 1925 I S.189) waren Kir-
anstalt für Angestellte neben seiner Rente in Monatsbe- chensteuern abzugsfähig, „soweit diese Steuern in dem
trägen als Beihilfe zu der privaten Krankenversicherung Steuerabschnitt fällig geworden sind‘“. Durch den jetzigen
erhalten hatte. Ferner stand der Kirchensteuerzahlung eine Wortlaut wird die Zahlung von Kirchensteuer — ohne
Erstattung von 325 DM gegenüber. Rücksicht auf ihre Fälligkeit — zum einzigen Merkmal erho-
Das Finanzamt erkannte von den beantragten beiden ben, an das ihre Abzugsfähigkeit als Sonderausgabe an-
Sonderausgaben nur Krankenkassenbeiträge von 232 DM Knüpft. Die tatsächliche Entrichtung von Kirchen-
an. Das Finanzamt war der Auffassung, nur die nach Ver- Steuer begründet nach dem jetzigen Gesetzeswortlaut die
rechnung mit den Erstattungen verbleibenden tatsächlichen Abzugsfähigkeit, selbst wenn ein Kirchensteuerbescheid
Aufwendungen seien abzugsfähig. Es verwies dabei auf Ab- Noch nicht vorliegt, von einer Fälligkeit ganz zu schweigen.
schn. 101.Abs. 2 EStR 1958. Siehe hierzu die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs VI
i s N z 69/61 U vom 25. Januar 1963 (BStBl. 1963 III S. 141, Sig.
_ Die Bfin. ist demgegenüber der Auffassung, die Regelung Bd.76 S.384”) und IV 150/50 S vom 23. Februar 1951
in den EStR verstoße gegen den Wortlaut des Gesetzes. Die- (BStBl. 1951 III S. 79. Slg. Bd. 55 S. 209%).
ser spreche von „gezahlter“ Kirchensteuer, Aus dem darin
zum Ausdruck kommenden Bruttoprinzip ergebe sich die Da im Streitfall den eingezahlten 208 DM Kirchensteuer
Unzulässigkeit der Verrechnung mit erstatteten Steuern. Es eine Erstattung von 325 DM gegenübersteht, haben die Vor-
komme lediglich auf die Tatsache des Zahlungsvorgangs an. instanzen zu Recht einen Abzug nach $ 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG
Auch für die Verrechnung der von der Bundesversicherungs- verweigert. Zu dem gleichen Ergebnis bekennen sich alle
anstalt für. Angestellte geleisteten Beihilfen mit den Kran- erreichbaren Erläuterungsbücher.
kenkassenbeiträgen fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in „Entschei-
dungen der Finanzgerichte“ 1962 S.493 Nr. 531 veröffent- "7
licht ist, sah übereinstimmend mit dem Finanzamt in den In der Behandlung der zum Abzug beantragten 435 DM
Erstattungen eine Minderung der anzuerkennenden Sonder- Krankenkassenbeiträge kann den Vorinstanzen nicht ge-
ausgaben. folgt werden. Denn bei den umstrittenen 203 DM handelt
a ® . x & es sich nicht um eine Erstattung in dem Sinne, daß der
Mit der Rb. wiederholt die Bfin. ihr früheres Vorbringen. Empfänger der Sonderausgaben (der Krankenversiche-
Das Rechtsmittel ist hinsichtlich der Kirchensteuer unbe- rungsbeiträge) an den Leistenden eine Rückzahlung vor-
gründet, führt aber im Streitpunkt der Krankenkassenbei- nimmt; es liegt kein Rückfluß früher gezahlter Sonderaus-
träge zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. gaben vor. Vielmehr wurden von dritter Seite, nämlich von
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, auf Grund
der Reichsversicherungsordnung dem Ehemann der Bfin.
© neben der ohnehin gezahlten Rente monatliche Beihilfen zu
x z © seinen Krankenversicherungsbeiträgen geleistet. Damit sind
Die Bfin. legt dem Wort „gezahlte“ Kirchensteuer im $ 10 gje 203 DM Beihilfen weitere Einkünfte aus Leibrente. Ist
Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1958 eine Bedeutung bei, die ihm nicht das der Fall, dann müssen auch die 435 DM Krankenver-
zukommt. Die Sonderausgaben des 8 10 EStG sind ihrem sicherungsprämien, als den Gesamtbetrag der Einkünfte
Wesen nach nicht abzugsfähige Kosten der Lebenshaltung belastend, voll zum Abzug als Sonderausgaben zugelassen
(8 12 EStG), sie sind Verwendung des erzielten Einkom- werden.
mens. Aus sozialen und anderen Erwägungen hat sich En : 5 X
jedoch der Gesetzgeber entschlossen, die im $ 10 EStG auf- Für die Einkommensberechnung ist zu beachten, daß die
gezählten „Aufwendungen“ bei der Einkommensermittlung 203 DM wie die übrige Rente nach $ 22 Ziff. 1a EStG nur
in Ausnahme von dem Prinzip des 8 12 EStG zum Abzug mit dem Ertragsanteil anzusetzen sind. Dadurch ändert sich
zuzulassen. Dieses Wort Aufwendungen im einleitenden Satz das zu versteuernde Einkommen zugunsten der Bfin,
des 8 10 Abs.1 EStG kann bei der Anwendung der folgen-
den Ziffern nicht außer Betracht bleiben. Aus ihm ergibt
sich, daß die wirtschaftliche Belastung des Einkommens, NZ
SC Schwund durch Verausgabung Für die in den tolgenden Da das angefochtene Urteil bei den Krankenkassenbei-
sieben Ziffern näher‘ bestimmten Zwecke der Anlaß für die trä
; $ FE nr z rägen von .anderen Rechtsvorstellungen ausgeht, war es
mit $ 10 EStG gewollte steuerliche Begünstigung ist. Eine ; : - a
: ai . ; Ka aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückver-
wirtschaftliche Belastung liegt aber insoweit nicht vor, als ; d tehenden Ausfüh
der Zahlung von Kirchensteuer eine Rückzahlung: von Kir- WIESEN; damit CS unter Beachtung er VOrSIENENGEN UST
a rungen im Wege einer Einspruchsentscheidung die streitige
chensteuer gegenübersteht. Nur der dann noch bestehen- Steuer neu berechnet: 7
bleibende Rest an geleisteter Kirchensteuer ist eine Auf- “
wendung im Sinne des 8 10 EStG. me
A 2) StZBl. Bln. 1963 S. 712.
1) BStBl. 1963 III S. 536, 3) StZBl. Bln. 1954 S. 139.