50
(LA 1056) Steuer- und Zollblatt für Berlin 14. Jahrgang Nr.4 22. Januar 1964
D. Rechtsprechung
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
Hypothekengewinnabgabe auch aus den eingereichten Handwerkerrechnungen hervor-
- gehe. Infolge Zerstörung des ersten rechten Seitenflügels,
Urteil des BFH vom 23. August 1963 — III 118/63 SV) der an das stehengebliebene Vorderhaus anschloß, seien die
(StZBIl. Berlin 1964 8.50) Zimmer, die an diesen Seitenflügel angrenzten, durch Wit-
X n Te Z - terungseinflüsse beeinträchtigt worden, da die zur Außen-
L. Die Wiederaufbauvergünstigung setzt im Falle der Wie- wand gewordenen Trennwände durch die Witterung mehr
derherstellung eines beschädigten Gebäudes — im Ge- und mehr beschädigt worden seien. Dies habe dazu geführt,
zensatz zum Wiederaufbau eines zerstörten Gebäudes — gaß die Wände begradigt und verputzt werden mußten,
nicht notwendig voraus, daß das beschädigte Gebäude anderenfalls wäre die Nässe ungehindert weiter in diese
überhaupt nicht mehr benutzbar gewesen ist; erforder- Zimmer eingedrungen und hätte sie auf die Dauer unbenutz-
lich ist vielmehr, daß das Gebäude — trotz etwaiger Wei- par gemacht. Diese Tatsachen ergäben sich aus der schrift-
terbenutzung — infolge der Kriegsschäden nicht mehr für lichen Erklärung eines Angestellten der Bgin., der das in
eine auf die Dauer berechnete und gewährleistete Frage stehende Grundstück seit der Währungsreform bis
Benutzung geeignet gewesen ist. 1955 in baulicher Hinsicht betreut habe.
Als Wiederherstellung im Sinne des $ 104 LAG sind alle per Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dauerbenut- pas inanzanıt führte aus, Wiederaufbau oder Wiederher-
zungsmöglichkeit eines Gebäudes anzusehen, die nach stellung im Sinne des 8 104 LAG seien nur gegeben, wenn
Art und Umfang über den Rahmen normaler und übli- woppraum oder sonstiger Nutzraum durch Kriegsereignisse
cher Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten hin- fr eine Dauerbenutzung verlorengegangen und durch die
ausgehen. Wann dies vorliegt, kann nur von Fall zu Fall Schadensbeseitigung für eine dauernde Nutzung wiederge-
entschieden werden, wonnen und im Sinne der Ersten Berechnungsverordnung
Ob auch bei dem Zusammentreffen einer Mehrheit von (I.BVO) von neuem bezugsfertig geworden seien. Es handle
Schäden, deren Behebung im einzelnen noch im Rahmen sich dagegen nicht um einen Wiederaufbau oder eine Wie-
normaler Instandsetzungsarbeiten liegen mag, die Dauer- derherstellung, sondern um eine bloße Instandsetzung, wenn
baueigenschaft durch Häufung der Schäden verloren- die dauernde Benutzbarkeit von. Wohnraum oder von son-
gegangen ist und daher eine Wiederherstellung im Sinne stigem Raum für den Zweck, für den er vorgesehen war,
des $ 104 LAG angenommen werden kann. hängt vom durch den entstandenen Kriegsschaden nicht verlorengegan-
Einzelfall ab. gen sei. Entgegen ihrer Darstellung in der Einspruchs-
LAG 8 104. begründung hätte die Bgin. im Schreiben vom 22. November
1960 auf Anfrage ausgeführt, die Kriegsschäden im Vorder-
Das mit mehreren Grundpfandrechten belastete Grund- gebäude wären so gering gewesen, daß ihre Nichtbeseiti-
stück der‘ Bgin. hatte erhebliche Kriegsschäden erlitten. gung die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen nicht ein-
Während der Schadensgrad bei einer im Jahre 1951 durch- geschränkt hätte. Anhand der ‚vorgelegten Unterlagen
geführten Schadenserhebung bei dem Vorderhause nur hätte nicht nachgewiesen werden können, daß Wohn- oder
2,5 v.H. betrug, wurde der Schadensgrad bei den Quer- sonstiger Nutzraum infolge der Kriegsschäden verloren-
gebäuden mit 72,3 v. H. und bei den Seitenflügeln mit gegangen und durch Maßnahmen der Bgin. wiederher-
83,9 v.H. ermittelt. Quergebäude und Seitenflügel dürfen gestellt worden sei, da sämtliche Wohnungen benutzbar
infolge behördlicher Anordnung nicht wieder aufgebaut wer- geblieben seien. Die nachgewiesenen Kosten beträfen, ab-
den. Die Bgin. ist unter Zugrundelegung einer Schadens- gesehen von der Dachinstandsetzung, nur solche Schäden,
quote von insgesamt 64,67 v. H. unanfechtbar zur HGA ver- die zur Erhaltung des bestimmungsmäßigen Gebrauches
anlagt worden. Sie stellte nunmehr einen Antrag auf Her- aufgewendet worden seien, um die durch Abnutzung, Alte-
absetzung der Abgabeschulden wegen Wiederaufbaues rung und Witterungseinwirkungen entstandenen baulichen
gemäß $ 104 LAG. Vor Entscheidung über den Antrag bat oder sonstigen Mängel ordnungsmäßig zu beseitigen. Bei
die beauftragte Stelle um Mitteilung, in wieviel Wohnun- ger Dachinstandsetzung handle es sich um Arbeiten, die
gen, obwohl sie dauernd weiter bewohnt würden, Kriegs- verhältnismäßig schnell und mit geringem Kostenaufwand
schäden beseitigt worden seien, deren Nichtbeseitigung behebbar gewesen seien, weshalb dauernder Verlust der
die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen einge- Raumnutzung nicht anerkannt werden könne. Eine Miet-
schränkt hätte. Die Bgin. antwortete, daß zwar ein minderung — außer durch den Wegfall der in dem zerstör-
Teil der Wohnungen kriegsbeschädigt gewesen sei; wie ten Gebäudeteil befindlichen Waschküche — sei nicht ein-
aber aus den Rechnungen hervorgehe, seien die Kriegs- getreten. Auch seien Unterlagen der Bau- oder Gesundheits-
schäden nicht solche gewesen, daß ihre Nichtbeseiti- aufsicht darüber, daß etwa eine dauernde der Zweckbestim-
gung die dauernde Benutzbarkeit der Wohnungen einge- mung entsprechende Benutzung der Wohnungen nicht ge-
schränkt hätte. Daraufhin lehnte das Finanzamt die Her- stattet sei, nicht vorgelegt worden.
Aa A De ZETSUETTS Ge” Die Berufung hatte Erfolg. Die Vorinstanz setzte die HGA
äudeteil könne nicht wieder aufgebaut werden. Bei dem it Wirk 1. Juli 1948 auf 0 DM herab. Sie sah als
stehengebliebenen Gebäudeteil seien die Kriegsschäden lt Wirkung dan: : Th d V O n a S h Kri NE d
nicht solche gewesen, daß ihre Nichtbeseitigung die dau- °'wiesen an, daß auch das Vorderhaus durch Kriegshand-
ernde Benutzbarkeit der Wohnungen eingeschränkt hätte lungen beschädigt und im Sinne des $ 104 LAG als Dauer-
° bau wiederhergestellt worden sei. Ob durch die Beschädi-
Mit dem Einspruch wurde geltend gemacht, die Wieder- gung bereits nutzbarer Raum verlorengegangen wäre, der
aufbauvergünstigung des $ 104 LAG setze nicht den Verlust durch die Beseitigung des Kriegsschadens wiedergewonnen
bzw. die Wiedergewinnung von Nutzraum voraus. Im übri- worden sei, sei ohne Bedeutung. Allerdings genüge für die
gen seien aber hier so erhebliche Kriegsschäden vorhanden Gewährung der Wiederaufbauvergünstigung nicht die Be-
gewesen, daß Wohnräume nicht mehr dauernd benutzbar seitigung jedes durch Kriegsereignisse entstandenen Ge-
gewesen seien. Das ergebe sich aus den Bauhandwerker- bäudeschadens; vielmehr sei Voraussetzung, daß vor der
vechnungen über die Instandsetzung der Toiletten, aus den Wiederherstellung das Gebäude so beschaffen gewesen sein
Glaserrechnungen, den Dachdeckerrechnungen und den Bau- müsse, daß es nicht mehr als Dauerbau habe angesehen
tischlerrechnungen über Anfertigung neuer Fensterflügel werden können. Zwar habe der Bundesfinanzhof im Urteil
und Fußbodenerneuerung. Durch die Kriegseinwirkung sei III 311/61 U vom 27. April 1962 (BStBl. 1962 III S. 317, Slg.
das Dach wasserdurchlässig geworden. Regen und Schmelz- Bd.”75 S.133%) ausgeführt, ein Fall der Wiederherstellung
wasser seien in die einzelnen Flurtoiletten eingedrungen im Sinne des $ 104 LAG hätte deshalb nicht angenommen
und hätten die Toilettenfußböden verfaulen lassen. Auch werden können, weil die betreffenden Wohnräume ohne
die unter dem Dach liegenden Wohnungen seien in Mit- Unterbrechung bewohnt worden seien. Jedoch könne allein
leidenschaft gezogen worden. Durch die Ausbombung der auf Grund der Tatsache, daß im Zeitpunkt der Kriegsscha-
Nachbarhäuser und der eigenen Seitenflügel und Querge- densbeseitigung nicht ein einziger Raum unbenutzbar gewe-
bäude seien:.auch erhebliche Schäden durch Luftdruck an sen sei, nicht zwingend eine Wiederherstellung im Sinne des
den Decken. Wänden, Fenstern und Türen entstanden, was 3 104 LAG verneint werden. Die Benutzbarkeit des Gebäu-
1) BStBl. 1963 III S. 572, 2) StZBIl. Bln. 1962 S. 1571.